Entscheidungsdatum
12.10.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W170 2214968-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Iran, vertreten durch RA Mag. Julia KOLDA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 17.01.2019, Zahl: 1198110006 / 180640730, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit. kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit §§ 8, 10, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG 2005 stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 08.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, sie sei in Iran aufgrund der Konversion ihres in Österreich asylberechtigten Bruders zweimal festgenommen und gefoltert worden. Weiters sei sie auch selbst zum Christentum konvertiert, was in Iran zu einer Verfolgung führen würde.
Mit im Spruch bezeichneten Bescheid wurde der gegenständliche Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Iran zulässig sei sowie eine Frist für deren freiwillige Ausreise bestimmt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen sei nicht glaubhaft gemacht worden und handle es sich bei der Konversion zum Christentum – zusammengefasst – um eine Scheinkonversion „aus asyltaktischen Gründen“.
Der Bescheid wurde der Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Partei am 21.01.2019 zugestellt.
Mit am 18.02.2019 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen der Wahrheit entsprechen würde und der beschwerdeführenden Partei daher in Iran Verfolgung drohe. Zudem würden aktuelle Berichte zur Lage von Personen, deren Verwandte Iran bereits verlassen hätten, und die stellvertretend für diese verfolgt würden, fehlen. Auch sei verabsäumt worden, die Suchterkrankung der beschwerdeführenden Partei näher zu untersuchen oder ein allfälliges medizinisches/psychologisches Gutachten zum aktuellen Zustand der beschwerdeführenden Partei einzuholen.
Die Beschwerde wurde samt dem bezugnehmenden Verwaltungsakt am 22.02.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.
1.2. XXXX lebt in Österreich mit seinem asylberechtigten Bruder, zu dem ein inniges Verhältnis besteht und von dem er finanziell abhängig ist.
1.3. Es ist glaubhaft, dass XXXX in Iran wegen seinem Bruder zweimal festgenommen und gefoltert wurde.
XXXX begann sich im Juni 2017 für den christlichen Glauben zu interessieren und nahm daraufhin einen Drogenentzug vor, den er seitdem jährlich und in Gemeinschaft feiert. XXXX lebt seit September 2018 in XXXX und besucht seitdem regelmäßig die Gottesdienste und Predigten in der evangelischen Pfarre „ XXXX . Weiters besucht er seit etwa November 2018 im Umkreis der Pfarrgemeinde ein-bis dreimal wöchentlich einen Deutschkurs, in dem auch religiöse Inhalte durchgenommen werden, sowie aktuell seit mehreren Monaten wöchentlich einen Taufkurs. Die Taufe ist für Februar 2021 in Aussicht genommen. XXXX ist aktives Mitglied in der Pfarre, nimmt an Veranstaltungen teil, besucht Vorträge und engagiert sich ehrenamtlich bei anfallenden Aufräumarbeiten in der Pfarre. XXXX spricht mit seiner Familie und seinen Freunden über seinen christlichen Glauben. Der Bruder von XXXX ist ebenfalls zum evangelischen Glauben konvertiert.
Es ist daher glaubhaft, dass bei XXXX eine von einer persönlichen Glaubensentscheidung getragene Konversion zum evangelischen Glauben vorliegt und dass XXXX ernstlich und aus innerem Entschluss zum evangelischen Glauben konvertiert ist; auch im Falle der Rückkehr nach Iran würde er an seinem Glauben festhalten.
1.4. Es besteht zwar nicht die Sicherheit, aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass XXXX deshalb in Iran von den Sicherheitsbehörden verhaftet und im Rahmen dieser Verhaftung misshandelt werden würde.
1.5. XXXX hat keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich auf Grund der in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise, insbesondere auch des befragten Zeugen und der befragten Zeuginnen und der vorgelegten Stellungnahmen. Als Zeuge bzw. Zeuginnen befragt wurden der Bruder der beschwerdeführenden Partei (Z1), die diesen Bruder und die beschwerdeführende Partei betreuende Zeugin (Z2), die Religionslehrerin der beschwerdeführenden Partei (Z3) sowie die Pfarrerin der evangelischen Gemeinde, in der die beschwerdeführende Partei Mitglied ist (Z4).
Die Feststellung zu 1.1. ergibt sich vor allem auf Grund der vorliegenden Dokumente (iranische Nationalkarte, die laut dem Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.02.2019 authentisch ist) und der eingeholten aktuellen Strafregisterauskunft, die Feststellung zu 1.5. daraus, dass solche Gründe nicht im Ansatz zu sehen sind.
Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus der Einvernahme der beschwerdeführenden Partei, des Z1 sowie der Z2, welche die beschwerdeführende Partei seit 2018, Z1 seit 2015 kennt.
Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus der Einvernahme der beschwerdeführenden Partei sowie des befragten Zeugen und der befragten Zeuginnen und aus den in das Verfahren eingeführten Länderberichten.
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung der zweimaligen Festnahme und Folter der beschwerdeführenden Partei insbesondere relevant waren – neben der Aussage der beschwerdeführenden Partei selbst – die deren Angaben bestätigenden Aussagen des Z1 und der Z2. So hat die beschwerdeführende Partei angegeben, Anfang 2016 das erste Mal für etwa zwei Tage und Anfang Oktober 2017 das zweite Mal für etwa zehn Tage inhaftiert und gefoltert worden zu sein. Z1 gab an, vor etwa drei Jahren, er habe zu dem Zeitpunkt bereits einige Monate gearbeitet, von seinem Vater über die (zweite) Festnahme der beschwerdeführenden Partei erfahren zu haben. Diese sei seinetwegen inhaftiert worden. Er habe sich große Vorwürfe gemacht und sei sehr besorgt gewesen. Von der ersten, kürzeren Inhaftierung habe er erst später erfahren. Die Z2 brachte in diesem Zusammenhang vor, sie habe sehr engen, familiären Kontakt zu Z1, sie habe gemerkt, dass es ihm nicht gut gegangen sei. Z2 bestätigte, Z1 habe ihr damals berichtet, dass die beschwerdeführende Partei inhaftiert worden sei, weil Z1 gesucht werde und überlegt, sich bei der iranischen Botschaft zu stellen. Z2 habe ihm das ausgeredet. Er habe ihr davon berichtet, bevor die beschwerdeführende Partei in Österreich war, es sei ziemlich kalt gewesen, etwa im Spätherbst 2017. Bereits in ihrer Stellungnahme vom 04.11.2018 hatte Z2 angegeben, sie wisse aus Erzählungen des Z1 über die Schwierigkeiten der beschwerdeführenden Partei in ihrem Heimatland. Aus einer Zusammenschau dieser Aussagen ergibt sich daher, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich ihrer bereits erfolgten zweimaligen Inhaftierung und Folter in Iran, da ihr Bruder behördlich gesucht wurde, glaubhaft ist, da beide ZeugInnen angeben, schon zum damaligen Zeitpunkt davon erfahren zu haben und auch ihre zeitlichen Angaben bestätigen. Auch aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ergibt sich, dass Familienangehörige von konvertierten Personen Ziel von staatlicher Schikane und Drohungen sind. Auch ist – vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der ersten Inhaftierung noch vorliegenden Drogenabhängigkeit der beschwerdeführenden Partei – nachvollziehbar, dass diese sich nicht mehr an das genaue Datum erinnern kann, hinsichtlich der zweiten Inhaftierung aber schon. Auf das Vorbringen der Festnahmen und Folter der beschwerdeführenden Partei wurde im angefochtenen Bescheid nicht Bezug genommen.
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung der Konversion der beschwerdeführenden Partei insbesondere relevant waren einerseits ihr erfolgter Drogenentzug als glaubhaft geschildertes Schlüsselerlebnis, andererseits ihre Einbindung in die evangelische Pfarrgemeinde in XXXX sowie die glaubhafte, gleichartige Schilderung der privaten Glaubensausübung durch die beschwerdeführende Partei und Z1.
Nun mag der Glaube der beschwerdeführenden Partei möglicherweise objektiv ohne nachweisbaren Zusammenhang zu seinem Drogenentzug zu sein, subjektiv ist dieser Konnex jedoch durchaus nachvollziehbar. Die beschwerdeführende Partei vermochte in der Verhandlung anschaulich die große Bedeutung ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben für ihren Drogenentzug darzulegen; insbesondere feiert sie diesen jedes Jahr am 26.06. Diesen Jahrestag begeht sie gemeinsam mit ihrem Bruder und ihren Freunden. Dieses Jahr mussten die Feierlichkeiten aufgrund der Corona-Krise ausfallen und hat die beschwerdeführende Partei ihren Jahrestag später im Sommer – gemeinsam mit Freunden – nachgefeiert. Auch der Z1 bestätigt, dass sie immer Ende Juni das Fest feiern, weil die beschwerdeführende Partei mit den Drogen aufgehört hat. Der während der Verhandlung anwesende Dolmetscher bestätigte, dass beide Parteien dieselbe Bezeichnung auf Farsi für das Fest genannt hatten. Somit ist glaubhaft, dass der Drogenentzug für die beschwerdeführende Partei eine besondere Bedeutung hat und auch im Zusammenhang mit ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben subjektiv für sie ein Schlüsselerlebnis darstellt.
Die private Glaubensausübung wurde sowohl von der beschwerdeführenden Partei als auch von Z1 glaubhaft und gleichartig geschildert. Insbesondere unterstützt Z1 die beschwerdeführende Partei durch seine – auch aufgrund seines längeren Aufenthalts – besseren Deutschkenntnisse bei Verständnisfragen während oder nach dem Gottesdienst. Sie beten gemeinsam, lesen gemeinsam aus der Bibel und besprechen religiöse Inhalte. Z1 bestätigte auch, dass die beschwerdeführende Partei bei diversen Projekten in der Pfarre zusätzlich aushilft. Die beschwerdeführende Partei besucht auch seit etwa zwei Jahren einen Deutschunterricht bei einem Mitglied der Gemeinde, das mit ihm in Rahmen dessen auch religiöse Inhalte bespricht. Dies wurde – nach Angaben seiner Religionslehrerin, der Z3, sowie der Pfarrerin der Gemeinde, der Z4 – von der Gemeinde als Zwischenlösung herangezogen, da die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse bzw. mangels eines Farsi-Dolmetschers zunächst keinen Taufkurs (auf Deutsch) besuchen konnte. Mittlerweile erfolgt mittels von der evangelischen Kirche bereitgestellter Unterlagen auf Farsi ein zweisprachiger Taufunterricht, den die beschwerdeführende Partei regelmäßig besucht. Z4 gab dazu an, dass sie fallweise „dabei sei“, wenn es Richtung Taufe gehe, um zu schauen, was jemand „könne“ – dies sei auch bei der beschwerdeführenden Partei der Fall gewesen und werde daher für Februar 2021 die Taufe in Aussicht genommen. Vorher sei es wegen der Corona-Krise nicht möglich gewesen. Sie habe mit der beschwerdeführenden Partei auch Gespräche über ihren Religionswechsel geführt; sie könnte theoretisch aus Gewissensgründen ablehnen, jemanden zu taufen, jedoch sei es ihre Entscheidung, die beschwerdeführende Partei zu taufen. Sie erkenne bei der beschwerdeführenden Partei während des Gottesdienstes ihr aufrichtiges Interesse. Die Z3 führte diesbezüglich aus, es sei relativ rasch herauszufinden, ob ein Glaubenswechsel nur vorgetäuscht sei, insbesondere bei so intensivem Kontakt wie zwischen ihr und der beschwerdeführenden Partei, deren christlicher Glaube ihrer Ansicht nach echt sei. Festzuhalten ist, dass sowohl Z3 als auch Z4 die beschwerdeführende Partei bereits seit etwa zwei Jahren kennen. Die beschwerdeführende Partei sei mittlerweile Teil der Gemeinde und helfe, wo es geht. Da die Gottesdienste derzeit im Pfarrgarten stattfinden, helfe sie immer beim Vorbereiten und Wegräumen.
Weiters ist festzuhalten, dass sich die beschwerdeführende Partei auch bewusst für den evangelischen Glauben entschieden hat, zumal die Z2 sie zunächst zu einem katholischen Pfarrfest mitgenommen hatte. Dabei ist auch die Einbindung des Z1 in die evangelische Gemeinde von Bedeutung. Aus einer Zusammenschau aller Aussagen in der mündlichen Verhandlung ergab sich eine nachhaltige Einbindung der beschwerdeführenden Partei in die evangelische Pfarrgemeinde in XXXX in den bislang zwei Jahren ihres Aufenthalts dort, wie sie wohl zum Zeitpunkt der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde im November 2018 (nach knapp zwei Monaten) im Vergleich dazu noch nicht vorgelegen haben mag. Zuletzt ist noch hervorzuheben, dass die beschwerdeführende Partei auch im Zusammenhang mit ihrer Glaubensgemeinde relevante Wissensfragen beantworten konnte, etwa die Bedeutung von bestimmten Feiertagen und die Bedeutung und Zusammensetzung der Dreieinigkeit zu erläutern vermochte sowie ihre Lieblingsstelle in der Bibel beschreiben und erklären konnte. In der Verhandlung wurde festgestellt, dass die Deutsch-Farsi Bibel der beschwerdeführenden Partei Gebrauchsspuren, Unterstreichungen und Glossen aufweist.
In einer Zusammenschau ihres religiösen Wissens, der Aussagen des bzw. der mit der Glaubenspraxis der beschwerdeführenden Partei vertrauten Zeugen und Zeuginnen sowie ihrer Einbindung in die evangelische Pfarre XXXX ist daher glaubhaft, dass bei der beschwerdeführenden Partei eine von einer persönlichen Glaubensentscheidung getragene Konversion zum evangelischen Glauben vorliegt und dass sie ernstlich und aus innerem Entschluss zum evangelischen Glauben konvertiert ist. Insbesondere vor dem Hintergrund des Drogenentzugs der beschwerdeführenden Partei ist auch ihre Angabe glaubhaft, der Glaube habe sie – aus subjektiver Sicht – gerettet, sie würde auch im Falle der Rückkehr nach Iran an ihrem Glauben festhalten und könne diesen nicht verleugnen.
Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich hinsichtlich der hinreichend wahrscheinlichen Gefahr, dass die beschwerdeführende Partei als Konvertit in Iran verfolgt und bedroht wird, vor dem Hintergrund der glaubhaft gemachten, ernsthaften und von innerer Überzeugung getragenen Konversion der beschwerdeführenden Partei aus den Länderberichten. Darüber hinaus ergibt sich aus der bereits erfolgten, zweimaligen Inhaftierung und Folter der beschwerdeführenden Partei, dass sie in Iran amtsbekannt ist und ist sie daher einem größeren Risiko ausgesetzt, nun zusätzlich aufgrund ihrer eigenen Konversion, nochmals verhaftet und misshandelt zu werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. BGBl. I Nr. 69/2020 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat – hier zweifellos Iran – Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0210, mwN).
Die beschwerdeführende Partei hat glaubhaft gemacht, dass sie ernstlich und aus innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und diesen Glauben auch in Iran ausüben würde. Daher drohen ihr laut den Länderberichten in Iran die festgestellte Verfolgung durch staatliche Organe, die asylrelevante Schwere erreicht. Zudem konvertierte auch der Bruder bereits noch im Heimatland der beschwerdeführenden Partei zum Christentum, weshalb laut den Länderberichten auch Angehörige von Konvertiten Ziel von staatlicher Schikane und Drohungen sind und eine Verfolgung nicht ausgeschlossen werden kann, und im gegenständlichen Fall die beschwerdeführende Partei tatsächlich deswegen bereits zweimal festgenommen und gefoltert wurde. Es liegt daher eine staatliche Verfolgung aus Gründen der religiösen Zugehörigkeit und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie vor.
3. Da die Verfolgung durch staatliche Organe droht, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht.
4. Da darüber hinaus keine von der beschwerdeführenden Partei verwirklichte Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, der beschwerdeführenden Partei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass dieser somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt der beschwerdeführenden Partei damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu.
3.2. Zu Spruchpunkt II.:
Durch die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ist die jeweilige rechtliche Voraussetzung für die Spruchpunkte II. bis VI. weggefallen und diese daher ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung Folter Konversion Nachfluchtgründe Religion soziale Gruppe staatliche Verfolgung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2214968.1.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020