TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W183 2212856-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W183 2212856-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.07.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2016 Iran, stellte am 14.03.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 15.03.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 06.11.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass sie Zoroastrierin und Lesbe sei. Sie legte mehrere Unterlagen vor, unter anderem eine Bestätigung, wonach sie Mitglied der „Zoroastrians society of Urmia“ sei. Das BFA holte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation (datiert 03.03.2010) zur Lage der Zoroastrier ein.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 06.12.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 02.01.2019 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. In der Beschwerde wurden Auszüge aus Länderinformationen zu Konversion zitiert und festgehalten, dass die Beschwerdeführerin bisexuell orientiert sei. Aus Schamgründen brachte sie ihre sexuelle Orientierung erst zu einem späteren Zeitpunkt vor der Behörde vor. Aufgrund der Abkehr vom Islam und der sexuellen Orientierung sei der Beschwerdeführerin Asyl zu gewähren.

4.       Mit Schriftsatz vom 10.01.2019 (eingelangt am 14.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

5.       Mit Schreiben vom 15.06.2020 wurden die Beschwerdeführerin sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

6.       Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 legte die Vertretung der Beschwerdeführerin mehrere Unterlagen (Unterstützungsschreiben, Teilnahmebestätigungen sowie ein Schreiben eines Vertreters der Zoroastrian Society of Urmia, worin die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in dieser Gesellschaft in Iran bestätigt wird) vor. Dem BFA wurde Parteiengehör gewährt.

7.        Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie deren Rechtsvertretung und eine Vertreterin des BFA teilnahmen. Die Beschwerdeführerin wurde ausführlich zu ihrer Person, ihren Fluchtgründen sowie religiösen und privaten Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihr Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und ihre Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020, zum Parteiengehör.

Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person der Beschwerdeführerin

Der Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest.

Der Beschwerdeführerin wurde in Kerman geboren und lebte jahrelang vor ihrer Ausreise in Teheran, gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache), Deutsch (Niveau B1) und lernt Englisch, besuchte zwölf Jahre lang die Schule in Iran, studierte Buchhaltung und arbeitete in Iran als Sekretärin.

Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat einen Sohn, der Iran lebt. In Iran leben die Eltern und Schwestern der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin stellte am 14.03.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Die Beschwerdeführerin lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Ihre sozialen Kontakte beziehen sich im Wesentlichen auf einen Verein, wo sie Fortbildungskurse besucht, sowie Freunde aus dem Kreativbereich. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin bereits ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Die Beschwerdeführerin bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Die Beschwerdeführerin spricht Deutsch auf Niveau B1 und es war eine einfache Unterhaltung auf Deutsch im Rahmen der Verhandlung möglich.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Die Beschwerdeführerin wuchs in Iran als schiitische Muslimin auf.

In Iran wandte sich die Beschwerdeführerin nicht dem Zoroastrismus oder einer anderen, nicht muslimischen Religion zu und missionierte nicht. Der Beschwerdeführerin wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Grundkenntnisse zum Zoroastrismus. Sie praktiziert diesen in Österreich aber nicht. Die Beschwerdeführerin ist nicht aus einem innerem Entschluss zum Zoroastrismus konvertiert und die zoroastrische Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität der Beschwerdeführerin wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum Zoroastrismus bekennen wird.

Die Beschwerdeführerin tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auf. Sie hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden.

Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund homosexueller Aktivitäten in Iran liegt nicht vor. Die angeblich homosexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin tritt nicht nach außen in Erscheinung. Die Beschwerdeführerin lebt aktuell in keiner homosexuellen Partnerschaft. Eine homosexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin ist nicht feststellbar.

Eine grundlegende und verfestigte Änderung der Lebensführung der Beschwerdeführerin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Iran nicht gelebt werden könnte, liegt nicht vor.

Die Beschwerdeführerin brachte keine weiteren Gründe, warum sie eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Zu Zoroastrismus

Die altiranische Religion des Zoroastrismus ist in Iran grundsätzlich anerkannt, deren Mitglieder werden aber de facto diskriminiert. Aufgrund der historischen Bedeutung werden sie geduldet. Sie sind nicht missionarisch tätig, weil man nur durch Geburt Zoroastrier wird.

Quelle:

?        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage der Zoroastrier vom 03.03.2010.

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Sexuelle Minderheiten

Angehörige sexueller Minderheiten können Belästigungen und Diskriminierungen ausgesetzt sein, obwohl über das Problem aufgrund der Kriminalisierung und Verborgenheit dieser Gruppen nicht ausreichend berichtet wird (FH 4.3.2020). Verboten ist in Iran jede sexuelle Beziehung, die außerhalb der heterosexuellen Ehe stattfindet, also auch homosexuelle Beziehungen, unabhängig von der Religionsangehörigkeit (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, GIZ 12.2019c). Auf homosexuelle Handlungen, welche auch als „Verbrechen gegen Gott“ gelten, stehen offiziell Auspeitschung und sie können mit der Todesstrafe bestraft werden (dies besagen diverse Fatwas, die von beinahe allen iranischen Klerikern ausgesprochen wurden) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020, GIZ 12.2019c). Die Beweisanforderungen sind allerdings sehr hoch, man braucht vier männliche Zeugen, es gibt ein Ermittlungsverbot bei Fällen, in denen zu wenige Zeugenaussagen vorliegen und hohe Strafen für Falschbeschuldigungen. Bei Minderjährigen und in weniger schwerwiegenden Fällen sind Peitschenhiebe vorgesehen. Auch hierfür sind zwei männliche Zeugen erforderlich (AA 26.2.2020). Im Falle von „Lavat“ (Sodomie unter Männern) ist die vorgesehene Bestrafung die Todesstrafe für den „passiven“ Partner, falls der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattfand, ansonsten für den Vergewaltiger (ÖB Teheran 10.2019). Auf „Mosahegheh“ („Lesbianismus“) stehen 100 Peitschenhiebe. Nach vier Wiederholungen kann aber auch hier die Todesstrafe verhängt werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern ist meist schwerwiegender als die für Frauen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Gleichfalls ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die Todesstrafe für Homosexualität wurde in den letzten Jahren nur punktuell und meist in Verbindung mit anderen Verbrechen verhängt. Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben (ÖB Teheran 10.2019).

Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches „Coming out“ grundsätzlich nicht möglich (AA 26.2.2020). Auch werden Missbräuche durch die Gesellschaft oft nicht angezeigt, was Mitglieder von sexuellen Minderheiten noch anfälliger für Menschenrechtsverletzungen macht (ÖB Teheran 10.2019).

Lesbische Frauen aus traditionellen, armen Familien sehen sich aus sozio-ökonomischen Gründen oder von Seiten der Familie häufig gedrängt, einen Mann zu heiraten (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 24.4.2020

?        GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 24.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 24.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 24.4.2020

?        US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 24.4.2020

Zur Situation von Frauen:

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).

Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).

Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 12.2018).

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 12.1.2019). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen „unislamisch“ kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. „Sünderinnen“ droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).

Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 23.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        AI – Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iran [MDE 13/9900/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003678/MDE1399002019ENGLISH.PDF, Zugriff 23.4.2020

?        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.4.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 23.4.2020

?        GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 23.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 23.4.2020

?        Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: "Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch", https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht-mehr_Besorgniserregender-Widerstand, Zugriff 23.4.2020

?        Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-iranerinnen/303.910.665, Zugriff 23.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 23.4.2020

?        Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-Iranerinnen, Zugriff 23.4.2020

?        US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 23.4.2020

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020

?        US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten), die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage der Zoroastrier vom 03.03.2010, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente und die Strafregisterabfrage vom 20.07.2020

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person der Beschwerdeführerin

Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente steht die Identität der Beschwerdeführerin fest. Es besteht kein Grund, an der Identität der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die Beschwerdeführerin – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie ihre Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil sie im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war die Beschwerdeführerin diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung.

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

2.2.2.1. Zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vorfällen in Iran

Betreffend ihre sexuelle Orientierung

Wenngleich gem. § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so ist doch festzuhalten, dass die Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung nicht gänzlich unbeachtlich sind (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Auch wenn nicht die näheren Fluchtgründe zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass ein neues Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin massiv erschüttert. Auch wird berücksichtigt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erstbefragung um eine volljährige Frau handelte, die ab 9:00 Uhr am Tag nach ihrer Antragstellung einvernommen wurde. Die Befragung erfolgte durch eine Frau.

In der Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund lediglich an, dass sie zum Zoroastrismus konvertiert sei, nicht jedoch, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werde. Erst in der mehr als zwei Jahre später durchgeführten Einvernahme vor dem BFA gab die Beschwerdeführerin an, sich zu Frauen hingezogen zu fühlen und deshalb verfolgt zu werden. Das Vorbringen betreffend die sexuelle Orientierung verknüpfte sie dort mit ihrem Vorbringen betreffend Zoroastrismus. Bereits aus diesem Umstand und der mangelnden Konsistenz sowie Steigerung leidet die Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Fluchtvorbringens und kann eine ernsthafte Gefährdung der Beschwerdeführerin als homosexuelle Frau in Iran nicht angenommen werden.

Die vorgebrachte und angeblich in Iran gelebte sexuelle Orientierung ist auch insofern nicht nachvollziehbar, als die Beschwerdeführerin ein Fluchtvorbringen erstattete, das dem erkennenden Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist und in seinen Grundzügen oft ähnlich erstattet wird. So sei sie in ihrer Jugend ihrer Cousine nähergekommen, habe sodann auf Druck ihres Vaters einen von ihr nicht geliebten Mann heiraten müssen, habe während der Ehe sexuellen Kontakt mit Frauen aus dem Freundeskreis gehabt, sei aber von ihrem Ehemann erwischt und schließlich verstoßen/verfolgt worden. Dieses Fluchtvorbringen wurde zwar ausführlich berichtet, erweckte aber den Eindruck, einstudiert zu sein, zumal sich die Beschwerdeführerin bei der Beantwortung weiterer Fragen kurz hielt. Dieser auffällige Bruch in der Erzählweise spricht gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens.

Ergänzend ist auch anzumerken, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck erweckte, tatsächlich in Iran eine Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erlitten zu haben, da sie ihr Vorbringen emotionslos erstattete. Glaubwürdig ist hingegen, dass die nun geschiedene Ehe für sie schwierig war und sie für sich und ihren Sohn ein neues Leben anfangen möchte.

Schließlich ist auch anzuführen, dass die Beschwerdeführerin zum einen vorbrachte, bisexuell zu sein und zum anderen in Iran zu Wohnwecken mit einem Mann gelebt zu haben, mit dem sie auch sexuellen Kontakt pflegte. Eine Verfolgung aufgrund der angeblichen sexuellen Orientierung in Iran ist somit im Ergebnis nicht nachvollziehbar.

Betreffend Konversion

Die Beschwerdeführerin gab als zweiten Fluchtgrund an, in Iran zum Zoroastrismus konvertiert zu sein. Auch dieses Vorbringen ist nicht glaubwürdig erstattet worden, weil die Beschwerdeführerin kein ernsthaftes Interesse an dieser Religion aufzeigen konnte. So sagte sie beim BFA, dass sie aus Sympathie zu einem ihr hilfsbereiten Mann diese Religion wählte, sie hätte sich aber allenfalls auch für eine andere Religion entschieden.

Auffallend ist auch, dass die Beschwerdeführerin wenig persönlich über ihren angeblich neuen Glauben sprach. Sie berichtete zwar, wie die Aufnahmezeremonie heißt und was da passiert, doch handelt es sich dabei um Fakten, die auch leicht nachzulesen sind. Offenbar wollte die Beschwerdeführerin ihr Wissen präsentieren, eine persönliche Schilderung über ihre Erfahrungen und Erlebnisse als Zoroastrierin tätigte sie jedoch nicht. Gerade eine individuelle, persönliche Darstellung wäre aber für die Glaubwürdigkeit eines Vorbringens essentiell.

Vor dem Hintergrund der Länderberichte zum Zoroastrismus, wonach Anhänger dieser Religion diskriminiert werden und vom Islam zu einer anderen Religion konvertierte Personen hochgradig gefährdet sind, erscheint es absolut nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin in Iran in eine Liste der Mitglieder in einem zoroastrischen Verein aufgenommen worden sein soll. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation geht überdies hervor, dass man Zoroastrier nur durch Geburt werden kann. Auch ist es allgemein bekannt, dass der Zoroastrismus keine missionarische Religion ist, weshalb es nicht plausibel ist, dass die Beschwerdeführerin als ehemalige Muslimin in einem Ritus als Zoroastrierin aufgenommen wurde. Schließlich gab die Beschwerdeführerin in der Verhandlung an, dass sie in Iran die zoroastrische Religion nicht ausübte (VH, S 7).

Die Beschwerdeführerin legte zwar eine Bestätigung vor, wonach sie Mitglied der „Zoroastrians society of Urmia“ sei, doch legt die Zusammenschau der Aussagen der Beschwerdeführerin nahe, dass es sich hierbei um ein Gefälligkeitsschreiben handelt, welches zu Asylzwecken ausgestellt wurde. Alle Ausführungen der Beschwerdeführerin zu ihrem angeblichen neuen Glauben wirken einstudiert, sind zwar teilweise detailliert, aber im Wesentlichen doch wenig individuell. Sie vermitteln dem Zuhörer und Leser den Eindruck, eine Geschichte geschildert zu bekommen, welche aber nicht tatsächlich erlebt wurde. So fehlen Emotionen oder persönliche Details zur neuen Glaubenserfahrung.

Letztendlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund aller Einvernahmen erheblich leidet, weil die Beschwerdeführerin sowohl was ihre sexuelle Orientierung als auch ihre religiöse Zugehörigkeit anbelangt, ein nicht nachvollziehbares Vorbringen erstattete und alle Angaben im Hinblick auf das Asylverfahren konstruiert wurden. Dies wird gestützt durch die nun unten folgenden Ausführungen zu den Aktivitäten der Beschwerdeführerin in Österreich, welche ebenfalls zeigen, dass die Beschwerdeführerin weder religiös noch in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung ihre angeblichen Überzeugungen lebt oder – da sie nun ja in einem „freien“ Land ist, intensiviert hätte. Hätte die Beschwerdeführerin in Iran bereits – wie vorgebracht – als Lesbe und Zoroastrierin gelebt und wäre dies der tatsächliche Grund für ihre Flucht, so wäre es naheliegend, dass sie nun alle diesbezüglichen Chancen nutzen würde, ihr Leben entsprechend zu gestalten und könnte sie auch lebendig über ihre Gefühlslage und Aktivitäten berichten.

2.2.2.2. Zu den von der Beschwerdeführerin in Österreich gesetzten Aktivitäten

Betreffend ihre sexuelle Orientierung

Die Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung eingehend zu ihrer sexuellen Orientierung befragt. Dabei konnte sie nicht nachvollziehbar darlegen, dass sie tatsächlich homosexuell orientiert ist und es ihr ein Anliegen ist, dies auch zu leben. So lebt sie in Österreich in keiner homosexuellen Partnerschaft und ist auch nicht ernsthaft daran interessiert. Sie möchte mit Iranerinnen keinen Kontakt und mit Österreicherinnen scheitert es an den Sprachbarrieren. Auch suche sie nach einem „guten Gefühl“ und nicht nach einer Beziehung. Sie hat nicht einmal zu Vereinen oder homosexuellen Initiativen Kontakt gesucht. Ebenso wenig hat sie ihre homosexuelle Neigung öffentlich gemacht. Primär möchte sie sich in Österreich weiterbilden und lernen. Auch ist sie offenbar vielmehr froh, als alleinstehende Frau ohne Angst auf die Straße gehen zu können und waren die Angaben, keine Angst mehr vor einer Vergewaltigung haben zu müssen, glaubwürdig. Das Ausleben einer (auch) homosexuellen Neigung ist hingegen aufgrund der diesbezüglich vagen und wenig konkreten Antworten nicht anzunehmen. Widersprüchlich sind ihre Angaben, ob sie sich für ihre Neigung schämt oder nicht (so schämt sie sich einerseits, in LGBT-Lokale zu gehen, andererseits gab sie an, sich vor niemandem zu schämen; VH, S 15 und 16). Unklar bleibt weiters, ob die Beschwerdeführerin nun homosexuell oder bisexuell ist und kann aus der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung beides geschlossen werden.

All ihre Ausführungen erlauben in einer Gesamtschau nicht den Eindruck, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Frau handelt, welche tatsächlich homosexuell orientiert ist und die im Falle einer Rückkehr jedenfalls ihre sexuelle Orientierung ausleben würde bzw. wollte, was eine Gefährdung ihrer Person zur Folge hätte.

Betreffend Konversion

Wie bereits oben zur sexuellen Orientierung ausgeführt, ist auch die religiöse Einstellung der Beschwerdeführerin als Zoroastrierin nicht glaubwürdig. Aus den Antworten in der mündlichen Verhandlung ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin diesen neuen Glauben tatsächlich verinnerlicht hat. So verfolgt sie keine zoroastrischen Aktivitäten in Österreich, nimmt an keinen Feiertagen teil, geht an keinen bestimmten Ort, um ihre Religion auszuüben. In Österreich hat sie sogar Angst, zu den Zoroastriern zu gehen, weil es Spione gebe. Sie gibt schließlich sogar selbst an, von der zoroastrischen Organisation nicht unterstützt zu werden, weil sie keine gebürtige Zoroastrierin ist. Im Ergebnis zeigt sich somit, dass die Beschwerdeführerin in keiner Weise ihre Religion verinnerlicht hat. Sie hat kein Bedürfnis, ihre Religion in einer Gemeinschaft zu praktizieren. Ihren Angaben zufolge feiere sie alles in ihrem Herzen und sei jeder Tag ein Fest. Selbst in Österreich bevorzuge sie es, ihre Religion nur in ihrem Herzen zu behalten. Diese Einstellung ist jedoch vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht geeignet, um im Falle einer Rückkehr nach Iran eine Verfolgung als maßgeblich wahrscheinlich erachten zu lassen.

Dass Religion generell wichtig für die Beschwerdeführerin wäre, kann nicht angenommen werden, weil sie in der Verhandlung etwa angab, dass es nicht wichtig sei, einer Religion anzugehören. Es könne auch sein, dass sie in ein paar Jahren religionslos ist oder auch Christin. Eine ernsthafte Hinwendung zum Zoroastrismus wurde damit ebenso wenig wie eine identitätsprägende Verinnerlichung dieser Religion dargetan.

Die allgemeinen und vagen Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Abneigung gegen den Islam sind überdies nicht geeignet, einen nachhaltigen und die Identität verändernden Abfall vom Islam zu belegen. Ihre Abneigung begründet sie insbesondere mit den Erlebnissen im Zusammenhang mit ihrem Ex-mann und der Scheidung. Dass die Beschwerdeführerin aber öffentlich gegen den Islam auftreten würde oder dies bereits tat, ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen und auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihre sämtlichen und vorgeblichen Einstellungen und Neigungen für sich behält, nicht anzunehmen. Das sich darbietende Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin legt gerade nicht eine aktive, religionspolitisch agierende Person, die den Wunsch hat, sich öffentlich oder auch nur im kleinen Kreis anderen Personen mitzuteilen, nahe. Die Angaben, wonach ihr Vater ein streng religiöser Mensch ist, der sie verfolgen würde bzw. ihre Verfolgung initiieren würde, kann vor diesem Hintergrund lediglich als Schutzbehauptung und konstruierte Fiktion zum Zwecke der Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet werden. Angemerkt sei auch, dass aus den einschlägigen Erfahrungen des erkennenden Gerichts, regelmäßig der eigene Vater als religiöser Fundamentalist dargestellt wird, welcher zufällig von Aktivitäten seiner Kinder erfuhr und nun Rache üben möchte.

Betreffend allfällige sonstige Gründe

Die Feststellung, dass eine grundlegende und verfestigte Änderung der Lebensführung der Beschwerdeführerin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Iran nicht gelebt werden könnte, nicht vorliegt, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der VH. So gab sie – wie bereits oben näher behandelt wurde – weder in Bezug auf ihre angebliche Religion noch in Bezug auf ihre angebliche sexuelle Orientierung irgendeinen ernsthaften Sachverhalt an, welcher nahelegen würde, dass die Beschwerdeführerin hier in Österreich, wo sie „frei“ leben kann, auch ihre zoroastrische oder homosexuelle Einstellung ausleben würde. Sie setzt keine Aktivitäten, welche ihrer Einstellung oder Neigung en

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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