Entscheidungsdatum
15.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W123 2235826-1/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2020, Zl. 1266983206/200685715, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß
§ 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, wurde am 06.08.2018 im Rahmen einer Personenkontrolle durch Beamte der LPD Wien angehalten und dabei festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin illegal im Bundesgebiet aufhalte.
2. Am 24.08.2020 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde vom „Ergebnis der Beweisaufnahme“ verständigt und dieser gleichzeitig die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme (binnen 14 Tagen ab Zustellung) eingeräumt. Das Schreiben der belangten Behörde vom 24.08.2020 wurde der Beschwerdeführerin am 27.08.2020 hinterlegt (vgl. AS 17).
3. Mit Schreiben vom 09.09.2020, postschriftlich (per Einschreiben) am 10.09.2020 versandt und am 11.09.2020 bei der belangten Behörde eingelangt (vgl. AS 21 und 25), gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab und brachte vor, dass sie als Kind jahrelang in Wien gelebt und ihre Mutter in Österreich einen Aufenthaltstitel habe. Die Beschwerdeführerin habe mit einem österreichischen Staatsbürger drei Kinder, wobei zwei davon bereits österreichische Staatsbürger seien. Ferner lebe noch eine Tante der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.
4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 Asylgesetz 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.). und gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin erlassen (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass familiäre Bindungen zu Österreich nicht festzustellen gewesen seien. Im Rahmen der Beweiswürdigung wiederholte die belangte Behörde, dass es nicht ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin eine Familie in Österreich habe und wies zudem darauf hin, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, eine Stellungnahme abzugeben und am Verfahren mitzuwirken.
5. Mit dem bei der belangten Behörde fristgerecht eingebrachten Schriftsatz vom 02.10.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid und beantragte – unter anderem –, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zum Sachverhalt wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte und keinen festen Wohnsitz in Serbien habe. Die Mutter der Beschwerdeführerin lebe seit 17 Jahren in Österreich; ferner drei minderjährige Kinder.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.10.2020 von der belangten Behörde vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben unter Punkt I. wiedergegebene Sachverhalt wird festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass die Annahme der belangten Behörde, wonach es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, eine Stellungnahme abzugeben (vgl. AS 77), aktenwidrig ist (vgl. dazu den obigen Verfahrensgang, I., 3.). Ferner deckt sich die getroffene Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin keine familiären Bindungen zu Österreich habe, nicht mit den Angaben der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 09.09.2020 bzw. dem Beschwerdeschriftsatz. Wie die belangte Behörde zu diesen Schlussfolgerungen kam, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. § 18 Abs. 2 und 5 FPG lauten:
„(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
[…]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“
3.2. Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden und in Form eines Teilerkenntnisses ergehenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.
Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
Das Bundesverwaltungsgericht hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
3.3. Die belangte Behörde stützte sich bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Aus der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 09.09.2020 bzw. aus dem Beschwerdeschriftsatz gehen insofern konkrete Anhaltspunkte für eine der Beschwerdeführerin bei einer Abschiebung drohende Art. 8 EMRK-Verletzung einher, als in diesen Schriftsätzen auf ein in Österreich bestehendes Familienleben Bezug genommen wird.
Das im Beschwerdeschriftsatz behauptete reale Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmung kann bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Diese Grobprüfung bedeutet keine tatsächliche Feststellung eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK per-se, sondern beurteilt lediglich ob aus Basis des Beschwerdevorbringens ob eine Verletzung in diesem Recht realistisch erscheinen könnte, weshalb es geboten erscheint, dass die Beschwerdeführerin den Ausgang des Verfahrens im Bundesgebiet abwarten kann.
3.4. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der hier maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da in der vorliegenden Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ist nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 B-VG auszugehen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2235826.1.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020