Index
23/01 KonkursordnungNorm
BAO §245Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek und Dr. Eichler als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerden der Konkursmasse des AW, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut Wildmoser in Linz, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 1. Juni 1954, Zl. 408/4/III - 1954 und Zl. 408/5/III - 1954, betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für 1951 bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nach der am 23. November 1956 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des obengenannten Vertreters der Beschwerde, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die bekämpften Bescheide sind gegen den Beschwerdeführer als Masseverwalter im Konkurs des Kaufmannes AW in L ergangen. Über das Vermögen des W war am 13. Oktober 1953 vom Landesgericht Linz zu S 24/53 der Konkurs als sogenannter Anschlußkonkurs eröffnet und das Konkursedikt am 14. d.M. angeschlagen worden. Vor der Eröffnung des dem Konkurs vorangegangenen Ausgleichsverfahrens, nämlich am 3. Juni 1953, war dem nachmaligen Gemeinschuldner der Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheid für 1951 zugestellt worden, mit welchem ihm Steuern in Höhe von über 1,200.000 S vorgeschrieben worden waren. Die Frist zur Erhebung der Berufungen gegen diesen Bescheid wurde über Ansuchen des Steuerberaters des Gemeinschuldners bis 30. September 1953, dann bis 30. November 1953 und schließlich auf Ansuchen des bereits vom Beschwerdeführer als Masseverwalter mit der Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten des Gemeinschuldners betrauten Helfers in Steuersachen L bis 31. Dezember 1953 verlängert. Eine Woche vor Ablauf der letztgenannten Frist hat L ein Ansuchen um Nachsicht eines namhaften Teilbetrages aller fälligen Steuerrückstände des Gemeinschuldners eingebracht, eine Berufung wurde jedoch fristgerecht nicht erhoben. Das Finanzamt Linz meldete die Steuerrückstände als Konkursforderung unter Vorlage eines vollstreckbaren Rückstandsausweises im Konkursverfahren an. Bei der Prüfungstagsatzung vom 1. Dezember 1953 wurden die Steuerforderungen vom Masseverwalter bestritten und der Konkurskommissär erteilte diesem nach dessen Darstellung gemäß § 10 Abs. 4 der Konkursordnung (KO) eine Frist zur Geltendmachung des Widerspruches bis 1. März 1954. Der Masseverwalter bzw. der von ihm bestellte Helfer in Steuersachen hat nun am 27. Februar 1954 „den Widerspruch gegen die Anmeldung als Berufung“ gegen die Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerbescheide für 1951 „geltend gemacht“. Das Finanzamt hat die Berufungen unter Hinweis auf § 19 Abs. 1 des Abgabenrechtsmittelgesetzes (BGBl. Nr. 60/1949, AbgRG) als verspätet zurückgewiesen. Gleichzeitig hat das Finanzamt einen vom Beschwerdeführer eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dagegen Beschwerden erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, daß durch die Fristerteilung des Konkurskommissärs zur Widerspruchserhebung auch die in diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufene steuerliche Rechtsmittelfrist bis 1. März 1954 verlängert worden sei; sollte es sich dabei um eine irrtümliche Rechtsansicht handeln, dann rechtfertige dies hier als Verhinderungsgrund die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da sie auf einer von einem langjährigen, erfahrenen Konkurskommissär erteilten Auskunft beruhe. Die belangte Behörde hat beide Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richteten sich die vorliegenden Beschwerden. Mit ihnen wird im wesentlichen geltend gemacht, aus § 110 Abs. 4 KO sei abzuleiten, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens eine Änderung der Fristen der einschlägigen Verwaltungsgesetze bewirke. Die Fristerteilung durch den Konkurskommissär wäre zwecklos, wenn Fristen des Verwaltungsverfahrens „zur Geltendmachung desselben Rechtsschutzanspruches“ weiterhin maßgeblich bleiben würden. In diesem Zusammenhang wird auf den Kommentar von Bartsch-Pollak zur Konkursordnung 1937, I. Band, S. 510, verwiesen. Bei einem Steuerbescheid komme als rechtlicher Schritt zur Geltendmachung des Widerspruches im Sinne des § 110 KO nur die Berufung in Frage. Es müsse in ausdehnender Auslegung des § 7 KO angenommen werden, daß das Verwaltungsverfahren schon durch die Konkurseröffnung unterbrochen wurde und damit auch der Lauf der Berufungsfrist, denn § 110 KO spreche ja niemals von einer Verlängerung einer bestehenden Frist, sondern von der Erteilung einer Frist. Dies könne nur bedeuten, daß laufende Fristen schon durch die Konkurseröffnung unterbrochen werden. Wahlweise wird geltend gemacht, daß, wenn die vorstehende Rechtsansicht nicht zutreffen sollte, der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden durch eine unrichtige Rechtsauskunft eines erfahrenen Konkurskommissärs, der auch ein seinerzeit anwesender Vertreter der Finanzprokurator beigepflichtet habe, verhindert worden sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Ein solcher Hinderungsgrund könne auch subjektiver Natur sein, also in einem Irrtum bestehen. In diesem Zusammenhang wird auf eine in der Manz´schen Ausgabe der Zivilprozeßordnung aus dem Jahre 1951 zu § 146 unter Nr. 9 angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien verwiesen. Der hier vorliegende Irrtum sei auf dieselbe Stufe zu stellen, wie eine psychische Zwangslage.
Der Gerichtshof hat über die Beschwerden erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer bestreitet, die Rechtsmittelfrist versäumt zu haben, beruft er sich auf die Bestimmungen der §§ 7 und 110 KO und will daraus eine Unterbrechung auch der Rechtsmittelfristen im Verwaltungsverfahren bzw. deren Ersatz durch die nach § 110 Abs. 4 KO vom Richter gesetzte Bestreitungsfrist ableiten. Dabei übersieht er aber, daß die Bestimmung des § 7 KO über die Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten bezieht, nicht aber auf anhängige Verwaltungsangelegenheiten, also vor allem auch nicht auf das Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen. Diese Beschränkung ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der angeführten Gesetzesstelle, die von anhängigen Streitigkeiten, in denen der Gemeinschuldner „Kläger“ oder „Beklagter“ ist, spricht, und sich unter anderem auch auf die Zivilprozeßordnung beruft (siehe im übrigen den Kommentar von Bartsch-Pollak 1937, S. 74). Für eine sinngemäße Anwendung dieser rein zivilprozeßrechtlichen Bestimmung auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrens aber fehlt jede gesetzliche Handhabe. Auch aus den Ausführungen des vom Beschwerdeführer bezogenen Kommentars von Bartsch-Pollak auf S. 510 läßt sich keineswegs eine Erstreckung der Rechtsmittelfristen des Verwaltungsverfahrens im Falle des Konkurses ableiten.
Die Bestimmungen des § 110 KO und vor allem seines Abs. 4 über vom Konkurskommissär zu bestimmende Fristen für die Bestreitung von Ansprüchen regeln ausschließlich das sogenannte Prüfungsverfahren im Konkurs und haben auf Rechtsmittelfristen im Abgabenverfahren keinerlei Einfluß (siehe auch Bartsch-Pollak S. 516, Anm. 47). Die darnach vom Konkurskommissär zu bestimmende Frist beschränkt oder erweitert die Rechtsverfolgungsmöglichkeiten des sogenannten „Klägers“ (im Konkursverfahren) im Verwaltungsverfahren nicht, ihre Versäumnis bewirkt z.B. dort für ihn keinerlei Rechtsverlust, sie hat nur im Konkursverfahren selbst nachteilige Folgen (siehe §§ 131 Abs. 3, 134 Abs. 2, 167 Abs. 2 KO). So gelten vor allem ursprünglich bestrittene vollstreckbare Forderungen, hinsichtlich deren das Verfahren durch Durchführung des Widerspruches fristgerecht einzuleiten versäumt wurde, bei der Verteilung der Masse als nicht bestritten. Die Nichteinhaltung der richterlichen Frist zur Geltendmachung des Anspruches soll also nur für das Konkursverfahren eine Bedeutung erlangen, berührt aber den Bestand der betreffenden Forderung an sich nicht und ebensowenig das bezügliche Verfahren nach den Verwaltungsvorschriften (siehe Bartsch-Pollak, S. 506, Anm. 15).
Die belangte Behörde ist somit in ihrem erstbekämpften Bescheid mit Recht davon ausgegangen, daß durch die vom Konkurskommissär im vorliegenden Fall gesetzte Widerspruchsfrist die auf Begehren des beschwerdeführenden Masseverwalters selbst bis 31. Dezember 1953 verlängerte Berufungsfrist nicht kraft Gesetzes weiter verlängert oder unterbrochen wurde und daher die erst am 27. Februar 1954 eingebrachte Berufung als verspätet zurückzuweisen war. Dem Beschwerdeführer wäre es im übrigen im Verwaltungsverfahren freigestanden, im Hinblick auf die gerichtlich festgesetzte Prüfungsfrist um eine weitere Verlängerung der Rechtsmittelfrist anzusuchen, dies hat er aber gar nicht versucht. Auf die Frage, wie die Konkursgläubiger gegen Nachteile gesichert werden können, wenn im Zeitpunkt der Konkurseröffnung die Frist zur Berufung gegen Steuerbescheide läuft und der Masseverwalter nicht rechtzeitig berufen kann, brauchte der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht einzugehen.
Ebenso unbegründet wie das eben behandelte Beschwerdevorbringen erscheint auch die Beschwerde wegen Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Beschwerdeführer behauptete im wesentlichen, die angebliche Auskunft des Konkurskommissärs, daß die Frist des § 110 Abs. 4 KO die allein zur Bekämpfung der angemeldeten Steuerforderung maßgebliche Frist sei, bedeute ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, durch das er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Rechtsmittelfrist im Abgabenverfahren einzuhalten. Nun kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Standpunkt vertritt, der Beschwerdeführer wäre trotz dieser angeblichen Auskunft in keiner Weise gehindert gewesen, das fragliche Rechtsmittel fristgerecht einzubringen. Die Nichteinbringung des Rechtsmittels beruht nämlich unmittelbar auf einem Rechtsirrtum des Beschwerdeführers, also auf einem inneren Denkvorgang, nicht aber auf einem Ereignis in der Außenwelt, wie es Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 AbgRG ist. Daß der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers allenfalls durch eine unrichtige oder vermutlich mißverstandene Auskunft eines Dritten, und sei es auch des Konkurskommissärs in der gegenständlichen Sache, veranlaßt worden ist, kann daran nichts ändern. Jedenfalls kann der beschwerdeführende Masseverwalter als rechtskundige Person nicht im Ernst behaupten, durch die Rechtsmeinung eines Dritten ohne sein Mitverschulden am Erkennen der Rechtslage und an der Vornahme der entsprechenden Rechtsbehandlungen zwingend behindert worden zu sein.
Die Beschwerden mußten somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am 11. Jänner 1957
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1957:1954002041.X00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020