TE Vwgh Erkenntnis 1977/1/27 0445/76

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.1977
beobachten
merken

Index

StVO
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §52 lita Z1
StVO 1960 §99 Abs3 lita
VwGG §48 Abs1 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmelz, Onder, Dr. Baumgartner und Dr. Närr als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde des MW in W, vertreten durch Dr. Heinrich Waldhof, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 1975, Zl. MA 70-IX/W 133/74/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 lit. a Z. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.482,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, sprach mit Straferkenntnis vom 8. Mai 1974 aus, der Beschwerdeführer habe am 1. März 1974 um 21.10 Uhr in Wien I, Schottenring-Schottengasse-Herrengasse bis Dorotheergasse einen dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen 1.) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, 2.) die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet erheblich überschritten, 3.) die Fahrtrichtungsänderung und den Fahrstreifenwechsel nicht angezeigt, 4.) das „Gelblicht“ der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet und 5.) ein Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) nicht beachtet. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach ad 1.) § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO, ad 2.) § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO, ad 3.) § 11 Abs. 3 StVO, ad 4.) § 38 Abs. 1 StVO, ad 5.) § 52 Z. 1 StVO begangen. Gemäß ad 1.) § 99 Abs. 1 lit. a StVO, ad 2.) bis 5.) § 99 Abs. 3 lit. a StVO werden gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen ad 1.) S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage), ad 2.) S 300,-- (Ersatzarreststrafe einen Tag), ad 3.) S 200,-- (Ersatzarreststrafe 12 Stunden), ad 4.) S 300,-- (Ersatzarreststrafe einen Tag), ad 5.) S 200,-- (Ersatzarreststrafe 12 Stunden) verhängt. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten durch die Aktenlage erwiesen seien. Zu den vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO vorgebrachten Einwänden verwies die Behörde erster Instanz auf die polizeiamtsärztlichen Gutachten.

Der Beschwerdeführer berief, wobei er das Straferkenntnis der ersten Instanz nur in den Punkten 1.), 3.), 4.) und 5.) anfocht. Er bemängelte vor allem, daß sich das „Nachtragsgutachten“ des Polizeiamtsarztes, auf das die Behörde erster Instanz ihren Schuldspruch hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO gestützt habe, sich nicht mit seinen Einwendungen über die Berechnung des Blutalkoholgehaltes auseinandersetze. So komme der Amtsarzt, ungeachtet des festgestellten Blutalkoholwertes von nur 0,6 %o - bezogen auf den Zeitpunkt der Blutabnahme - „auf Grund des zurückgerechneten Alkoholspiegels“ zu einem Wert von 0,81 %o im Zeitpunkt der Tat, wobei das Gutachten die Art der Rückrechnung nicht erkennen lasse. Der Beschwerdeführer habe darauf hingewiesen, daß mit Rücksicht auf das Ende des Alkoholkonsums um 21.00 Uhr die Resorptionsphase zum Zeitpunkte der Anhaltung um 21.10 Uhr noch keineswegs abgeschlossen gewesen sei, sodaß die Rückrechnung „nicht bis zum Zeitpunkt des Ereignisses, sondern bis zum Ende der Resorptionsphase“ hätte stattfinden müssen, was zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die Unterlassung der Anzeige der Fahrtrichtungsänderung wäre, so wird in der Berufung zu der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung des § 11 Abs. 3 StVO ausgeführt, nur dann relevant gewesen, wenn der übrige Fahrzeugverkehr dies erforderlich gemacht hätte, was aber zu verneinen gewesen sei. Da der Beschwerdeführer in der Dorotheergasse habe parken wollen, sei er dort nur zugefahren und er habe daher das angebrachte Vorschriftszeichen nicht mißachtet.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und holte weitere Stellungnahmen des Meldungslegers, ein Gutachten des Institutes für Gerichtliche Medizin der Universität Wien über den Blutalkoholwert des Beschwerdeführers zur Tatzeit sowie ein weiteres Gutachten des Polizeiamtsarztes, dem der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Tat vorgeführt worden war, ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. November 1975 bestätigte die belangte Behörde das bekämpfte Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien in den Punkten 1.), 3.) und 5.), wobei sie die Tathandlungen neu und präziser umschrieb, insbesondere die unter Punkt 3.) angeführte Tat, die sie nicht wie die Behörde erster Instanz dem § 11 Abs. 3 StVO, sondern dem § 11 Abs. 2 StVO unterstellte. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer unter Punkt 4.) des Straferkenntnisses der Vorinstanz angelasteten Tat wurde das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt. In der Begründung heißt es unter anderem zu der dem Beschwerdeführer unter Punkt 1.) angelasteten Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO, nach dem über Antrag des Beschwerdeführers eingeholten Gutachten des Gerichtsmedizinischen Institutes der Universität Wien sei zwar nicht erwiesen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit einen Blutalkoholwert von mindestens 0,8 %o - nicht einmal ein Wert von 0,7 %o könne mit Sicherheit angenommen werden - gehabt habe und daher schon aus diesem Grunde verkehrsuntüchtig im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO gewesen wäre. Ungeachtet dessen sei aber dieses Gutachten nicht geeignet, die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei nicht alkoholisiert gewesen, zu stützen. Denn der Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO sei auch dann erfüllt, wenn der Blutalkoholgehalt den Wert von 0,8 %o nicht erreicht habe, die Fahruntüchtigkeit aber auf Alkoholkonsum zurückzuführen sei. Bei der Beurteilung dieser Frage habe die belangte Behörde - ausgehend von einem auch im Gutachten des Gerichtsmedizinischen Institutes unbestritten gebliebenen Blutalkoholgehalt von 0,6 %o - auf die klinische Untersuchung Bedacht zu nehmen gehabt, bei der ein unsicherer Gang, eine unsichere Finger-Finger-Probe, eine träge Pupillenreaktion, eine deutliche Rötung der Bindehäute sowie Geruch der Atemluft nach Alkohol festgestellt, somit insgesamt eine mittelstarke Alkoholbeeinträchtigung konstatiert worden sei. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß die Atemluftprobe unmittelbar nach der Anhaltung positiv verlaufen sei und die amtsärztliche Untersuchung einen unmittelbaren Eindruck vom Untersuchten vermittelt habe. Den wiederholten Gutachten des untersuchenden Amtsarztes zufolge sei der Beschwerdeführer - so läßt sich die Begründung in diesem Punkte zusammenfassen - zur Tatzeit zum sicheren Lenken eines Fahrzeuges nicht mehr fähig gewesen, wobei die Fahruntüchtigkeit auf den Alkoholkonsum zurückzuführen gewesen sei. Zu Punkt 3.) des Straferkenntnisses wurde in der Begründung nach dem Hinweis auf den Wortlaut der Bestimmung des § 11 Abs. 2 StVO, demzufolge der bevorstehende Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen ist, „daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können“, ausgeführt, es bleibe unbestritten, daß auch der Meldungsleger als Nachfahrender in diesen Personenkreis aufzunehmen sei, unabhängig davon, ob auch andere Straßenbenützer vorhanden gewesen seien oder nicht. Zu Punkt 5.) des Straferkenntnisses der Vorinstanz wurde schließlich bemerkt, es komme nicht darauf an, ob - wie der Beschwerdeführer bestreitet - ein freier Parkplatz vorhanden gewesen sei, sondern nur darauf, daß der Beschwerdeführer das an der Ecke Dorotheergasse-Josefsplatz gemäß § 52 Z. 1 StVO aufgestellte Vorschriftszeichen mit dem Zusatz, daß die Zufahrt gestattet sei, mißachtet habe, weil er „weiter“ gefahren sei und erst in der Plankengasse-Dorotheergasse durch einen anderen Pkw an der Weiterfahrt gehindert gewesen sei, was erst die Anhaltung des Beschwerdeführers ermöglicht habe. Es habe für die belangte Behörde kein Anlaß bestehenden, die Angaben des Meldungslegers hinsichtlich der aufrechterhaltenen Tathandlungen zu bezweifeln. Hingegen entspreche die Darstellung des im übrigen nicht zur Wahrheit verpflichteten Beschwerdeführers einer Erfahrungstatsache, in die Verantwortung Umstände einfließen zu lassen, die sein Verhalten „in einem anderen Licht erscheinen ließen“.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die hiezu erstattete Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO bringt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkte einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die klinischen Untersuchungsergebnisse seien - wie selbst aus der den Verwaltungsakten zu entnehmenden Ansicht der belangten Behörde hervorgehe - für den Schuldspruch nach dieser Gesetzesstelle nicht hinreichend, sodaß es an einer „Grundvoraussetzung der Verurteilung“ fehle. Trotz Aufforderung durch die belangte Behörde habe der Amtsarzt nicht dargelegt, aus welchen klinischen Untersuchungsergebnissen er die Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers abgeleitet habe und aus welchen Beurteilungsmomenten der klinischen Befunde eine Fahruntüchtigkeit mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit erschlossen werden könne. Der Amtsarzt gehe aktenwidrig davon aus, das Gerichtsmedizinische Institut sei zur Ansicht gelangt, daß beim Beschwerdeführer der Blutalkoholgehalt von 0,7 %o gegeben sei, was knapp an der 0,8 %o Grenze liege und zur Folge habe, daß der Beschwerdeführer in diesem Zustande sicherlich nicht geeignet sei, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Die unrichtige Zitierung des Gutachtens für Gerichtliche Medizin der Universität Wien durch den Polizeiamtsarzt und der nicht aufgeklärte Widerspruch seiner Rückrechnung des Alkoholgehaltes auf den Tatzeitpunkt zum Gutachten des erwähnten Institutes indiziere sein Bemühen, die gegen den Beschwerdeführer ergriffenen polizeilichen Maßnahmen zu rechtfertigen, und zeige, daß auch den klinischen Feststellungen zumindest keine solche Beweiskraft zukomme, welche eine Bestrafung des Beschwerdeführers rechtfertigen würde. Die belangte Behörde habe sich mit den „aufgezeigten Widersprüchen des Gutachtens des Polizeiamtsarztes“ nicht auseinandergesetzt und damit die ihr obliegende Verpflichtung, Bescheide zu begründen, verletzt, wodurch das Verfahren mangelhaft geblieben sei.

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Slg. Nr. 8477/A, ausgesprochen hat, kann unter dem Begriff „durch Alkohol beeinträchtigter Zustand“ nichts anderes verstanden werden, als daß sich der Fahrzeuglenker nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befinden darf, in der er ein Fahrzeug nicht beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht zu befolgen vermag. Eine auf die Einwirkung von Alkohol zurückzuführende Fahruntüchtigkeit stellt, ohne Rücksicht auf die Höhe des Alkoholspiegels, eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO dar. Dem zweiten Satz des § 5 Abs. 1 StVO 1960 kann aber nur die Bedeutung zugemessen werden, daß damit die unwiderlegliche Rechtsvermutung aufgestellt werden soll, nach der eine Person bei einem Blutalkohol von 0,8 %o oder darüber auf jeden Fall als beeinträchtigt zu werten ist.

Die belangte Behörde nahm auf Grund des Gutachtens des Institutes für Gerichtliche Medizin der Universität Wien das Vorliegen der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO (Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber) nicht als erwiesen an. Es war daher im Beschwerdefall lediglich die Frage zu prüfen, ob sie - ungeachtet dessen - den Tatbestand des § 5 Abs. 1 erster Satz leg. cit. unbedenklich als erfüllt ansehen durfte. Dies ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer am Tag der Tat Alkohol konsumiert hat, und zwar nach seinen eigenen Angaben ein Viertel Wein zu Mittag sowie ein Viertel und ein Achtel Wein am Abend, und anschließend ein Kraftfahrzeug lenkte. Für den Zeitpunkt der Blutabnahme wurde ein Blutalkoholgehalt von 0,6 %o festgestellt, woraus sich nach dem Gutachten des Institutes für Gerichtliche Medizin der Universität Wien ein Blutalkoholgehalt von rund 0,7 %o für den Tatzeitpunkt errechnet. Wenngleich auch dieser Wert nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen galt, konnte doch die belangte Behörde - übrigens umbekämpft - davon ausgehen, daß auch nach diesem Gutachten jedenfalls ein Wert von zumindest 0,6 %o Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt der Tat „unbestritten angesehen worden“ ist. Wenn nun die belangte Behörde im Hinblick auf diesen Blutalkoholwert bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit des Beschwerdeführers auch auf die Ergebnisse der klinischen Untersuchungen Bedacht nahm, so kann ihr schon deswegen nicht entgegengetreten werden, weil die Richtigkeit der anläßlich der klinischen Untersuchung getroffenen Feststellungen vom Beschwerdeführer in keiner Phase des Verwaltungsstrafverfahrens - und auch nicht in der Beschwerde - bestritten wurde. Auch behauptete der Beschwerdeführer nicht, daß etwa der unsichere Gang oder die Rötung der Bindehäute, nur um diese zwei Beispiele zu nennen, andere Ursachen als den Alkoholkonsum gehabt hätten. Der Beschwerdeführer hat lediglich die Beweiskraft der klinischen Feststellungen - und auch diese erst in der abschließenden Stellungnahme des Berufungsverfahrens - deswegen bezweifelt, weil der Polizeiamtsarzt in seinem abschließenden Gutachten „mit dem Ziele einer Benachteiligung“ des Beschwerdeführers das Gutachten des Gerichtsmedizinischen Institutes unrichtig zitiert habe, nämlich daß dieses Institut unter Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nunmehr zur Ansicht gelangt sei, daß ein Bieralkoholwert von 0,7 %o gegeben sei. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß dem Gutachten des Gerichtsmedizinischen Institutes eine Aussage in dieser Form nicht zu entnehmen ist; dort wurde lediglich festgestellt, daß sich zwar ein Wert von rund 0,7 %o Blutalkoholgehalt für die Zeit der Tat errechnen, nicht aber mit Sicherheit erweisen läßt. Doch fällt dies entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Beschwerdefall schon deswegen nicht ins Gewicht, weil den wiederholten Gutachten des Polizeiamtsarztes über die Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers nicht allein der Blutalkoholwert zu Grunde lag, sondern hiefür auch das Ergebnis der klinischen Untersuchung, der positive Alkotest - die Marke des Teströhrchens wurde erreicht, was für das Vorliegen einer positiven Probe bereits genügt - und der Eindruck, den der Beschwerdeführer bei seiner seinerzeitigen Vorführung erweckte, maßgebend waren. Es muß nun einem Amtsarzt schon auf Grund seiner wissenschaftlichen Studien und vor allem seiner Berufserfahrung die notwendige Sachkenntnis zugebilligt werden, daß er auf Grund von Symptomen - wie sie im Beschwerdefall vorlagen - jedenfalls zu beurteilen vermochte, ob sich der Untersuchte, ohne Rücksicht auf die Höhe des Alkoholspiegels im Blute, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, der ihn zum Lenken von Fahrzeugen unfähig machte. Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobene Rüge, die belangte Behörde habe sich mit den „aufgezeigten Widersprüchen des Gutachtens des Polizeiarztes“ nicht auseinandergesetzt - die Widersprüchlichkeit wurde vor allem in der Höhe des errechneten Blutalkoholgehaltes gesehen - entbehrt insoweit der Grundlage, als die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sehr wohl auf das Bestehen einer Divergenz in der Rückrechnung des Alkoholspiegels hinwies, dies aber nicht für wesentlich erachtete, weil es im Beschwerdefall nicht darauf angekommen sei, daß der Alkoholspiegel den Wert von 0,8 %o erreicht, sondern darauf, ob die Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers auf Alkoholkonsum zurückzuführen sei, wie die klinische Untersuchung gezeigt habe. Sie unterlag darin keinem Rechtsirrtum. Auch trifft es nicht zu, daß das Gutachten des Polizeiarztes ohne klinischen Befund erstattet worden sei. Die belangte Behörde ging zwar auf die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Beweiskraft der klinischen Feststellungen nicht ausdrücklich ein, sie legte aber insgesamt ausführlich und durchaus schlüssig die Erwägungen dar, auf Grund deren sie den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO 1960 als erfüllt ansah, sodaß dieser Mangel nicht ins Gewicht fällt. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO vermag somit die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Ein Schuldspruch nach § 11 Abs. 2 StVO setze - so bringt die Beschwerde zu diesem Punkt des angefochtenen Bescheides (Punkt 3 des Bescheides der ersten Instanz) vor - andere Straßenbenützer voraus, welche darauf angewiesen seien, sich auf den angezeigten Vorgang einzustellen. Dies gelte in der Regel bei Vorhandensein schnellerer, überholender Fahrzeuge. Da die belangte Behörde es unterlassen habe, auszusprechen, inwiefern sich andere Straßenbenützer auf einen Fahrstreifenwechsel hätten einstellen können bzw. inwiefern durch einen Fahrstreifenwechsel ohne Fahrtrichtungsänderungsanzeige ein anderer Verkehrsteilnehmer berührt worden sei, fehle ein wesentlicher. Teil des festzustellenden Sachverhaltes.

Der letzte Einwand ist aktenwidrig. Die belangte Behörde führte in der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides aus, daß auch der Meldungsleger, der unbestritten dem Beschwerdeführer mit einem Funkwagen des Streifendienstes nachgefahren ist, zu den „anderen Straßenbenützern“ im Sinne dieser Bestimmung zu rechnen ist. Es bedarf wohl keiner näheren Erläuterung, daß diese Auffassung richtig ist, zumal der Zweck des Nachfahrens nach der Aktenlage die Verfolgung und schließlich die Anhaltung des einer Verwaltungsübertretung verdächtigten Beschwerdeführers war, wobei der Lenker des Funkwagens nach dem Bericht des Meldungslegers vom 17. Juni 1974 mehrmals versuchte, das Fahrzeug des Beschwerdeführers zu überholen. Somit war jedenfalls die Verpflichtung zur rechtzeitigen Anzeige des Fahrstreifenwechsels gemäß § 11 Abs. 2 StVO gegeben und im Falle nachgewiesener Unterlassung der Anzeige eine Strafbarkeit nach dieser Bestimmung anzunehmen. Es war daher auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf den an sich unbestrittenen Sachverhalt der Unterlassung der Anzeige des Fahrstreifenwechsels - Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet - die Übertretung des § 11 Abs. 2 StVO als erwiesen annahm.

Der Beschwerdeführer wendet schließlich ein, eine Bestrafung wegen der Nichtbeachtung des Vorschriftszeichens nach § 52 lit. a Z. 1 StVO mit der Zusatztafel „Zufahrt gestattet“ hätte nur erfolgen dürfen, wenn festgestellt worden sei, daß die Absicht bestanden habe, nicht zu-, sondern durchzufahren. Sei aber das Weiterfahren nur darauf zurückzuführen, daß kein freier Parkplatz vorhanden gewesen sei - die Verantwortung des Beschwerdeführers sei im Verwaltungsstrafverfahren dahin gegangen -, könne nach dieser Gesetzesstelle nicht bestraft werden. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten. Das Verbotszeichen nach § 52 lit. a Z. 1 StVO zeigt an, daß das Fahren in beiden Fahrtrichtungen verboten ist. Durch die Zusatztafel „Zufahrt gestattet“ erfährt allerdings dieses Verbot insofern eine Einschränkung, daß die Zufahrt gestattet wird, und zwar die Zufahrt schlechthin ohne jede Beschränkung, somit auch zum Zwecke des Parkens. Ist aber kein Parkplatz frei und hat die Weiterfahrt über den Geltungsbereich des Verbotes hinaus darin ihre Ursache, ist eine Bestrafung wegen Übertretung dieser Bestimmung ausgeschlossen, weil in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Weiterfahrt bleibt. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die Verantwortung des Beschwerdeführers, sein Fahrziel sei das Cafe H. gewesen und er habe deswegen in der Dorotheergasse einen Parkplatz gesucht, im Hinblick auf die Aktenlage, insbesondere auf den Bericht des Meldungslegers vom 17. Juni 1974, zutrifft, weil die belangte Behörde sich damit überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Sie ging, wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, offenbar von der irrigen Auffassung aus, es komme in keinem Falle auf die Gründe der Mißachtung eines in seiner Gültigkeit eingeschränkten Verbotszeichens an. Die belangte Behörde hätte zumindest darlegen müssen, warum sie ungeachtet der Verantwortung des Beschwerdeführers auch in diesem Falle die Tat als erwiesen annahm. Die ganz allgemein gehaltene Feststellung, daß keine Veranlassung bestanden habe, an den Angaben des Meldungslegers zu zweifeln, war dafür nicht ausreichend, zumal sich diese Feststellung ebenso wie der Hinweis, die Darstellungsweise des Beschwerdeführers entspreche einer Erfahrungstatsache auch auf die übrigen, dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bezog und damit nicht konkret die Mißachtung des Verbotszeichens allein betraf. Dieser Mangel, der seine Ursache in einer irrigen Rechtsauslegung hat, belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was insoweit zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 führen mußte. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Die Angelegenheiten der Straßenpolizei sind gemäß Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG in der Vollziehung Landessache. Die im Sinne des § 29 VwGG 1965 vorgelegte Beschwerdeausfertigung war somit entbehrlich. Der Ersatz der hiefür ausgelegten Bundesstempel war daher nicht zuzusprechen.

Wien, am 27. Jänner 1977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1977:1976000445.X00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten