TE Vwgh Beschluss 2020/10/22 Ra 2020/01/0338

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1 Z1 idF 2013/I/033
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des N C in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2020, Zl. I407 1417178-2/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - soweit vorliegend relevant - das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 4. Dezember 2019 rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren gemäß § 32 Abs. 3 iVm Abs. 1 Z 1 VwGVG von Amts wegen wiederaufgenommen (B.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (C.)

2        Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und dabei angegeben, algerischer Staatsbürger zu sein. Im Zuge eines Verlängerungsantrages „des zuletzt“ 2018 „ausgestellten Aufenthaltstitels“ habe der Revisionswerber einen tunesischen Reisepass vorgelegt, worauf die Aufenthaltsbehörde Mitteilung wegen des Verdachts erstattet habe, dass der Revisionswerber im Asylverfahren wissentlich falsche Angaben zu seiner Identität bzw. Herkunft gemacht habe. Die belangte Behörde mache nunmehr geltend, der Revisionswerber habe das wieder aufzunehmende Erkenntnis durch die Täuschung über seine Herkunft bzw. Staatsangehörigkeit erschlichen. Vorliegend bestehe jedenfalls der Verdacht, dass der Revisionswerber die belangte Behörde und das BVwG durch die Verschleierung seiner Staatsangehörigkeit getäuscht haben könnte. Ob diese Täuschung geeignet sei, ein anderslautendes Ergebnis herbeizuführen, sei für die Wiederaufnahme nicht relevant.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076) setze der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG eine Irreführungsabsicht voraus. Vorliegend habe der Revisionswerber seine Angaben aber nicht mit „Täuschungsabsicht“ gemacht. Der Revisionswerber habe erst (zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt) nach Kontakt mit (nicht näher bezeichneten) Personen in Algerien erfahren, dass er von einer (nicht näher bezeichneten) algerischen Familie adoptiert worden sei, ursprünglich aus Tunesien stamme und seine (nicht näher bezeichneten) leiblichen Eltern Tunesier seien. Im Zeitpunkt der Asylantragstellung habe er seine Staatsangehörigkeit und seinen Namen nach seinem besten Wissen und Gewissen angegeben.

8        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Bescheides vor, wenn dieser in einer Art zustande kam, dass bei der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht und diese Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, sofern die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr bzw. ihm nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076, mit Verweis auf VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470).

9        Die Angabe der wahren Identität ist für das Asylverfahren von wesentlicher Bedeutung (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, Rn. 47-61, zur Verwendung einer falschen Identität im Asylverfahren und zur Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität im Asylverfahren nach AsylG und Unionsrecht; vgl. idS für das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076, Rn. 12).

10       Die Revision macht vorliegend zur Heranziehung des Wiederaufnahmegrundes nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG Verfahrensmängel geltend. Dabei zeigt sie aber vor dem Hintergrund des vorliegenden Einzelfalls deren Relevanz konkret nicht auf (vgl. zur Verpflichtung, schon in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen etwa VwGH 29.6.2020, Ra 2020/01/0182, mwN).

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010338.L01

Im RIS seit

15.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten