TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/25 W109 2006507-2

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Veröffentlicht am 25.09.2019
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Entscheidungsdatum

25.09.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §27

Spruch

W109 2006507-2/2Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Teilerkenntnis

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Paul Delazer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 05.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Spruchpunkt IV. der Beschwerdevorentscheidung vom 23.07.2019 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG und § 14 Abs. 1 iVm § 27 VwGVG ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. des Ausgangsbescheides stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung in ihren Spruchpunkten V. und VI. abgeändert, als diese zu lauten haben:

"Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 52 Abs. 9 und 46 FPG sowie § 55 FPG stattgegeben und diese ersatzlos behoben."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Am 03.10.2012 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, einen Antrag auf internationalen Schutz den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 27.02.2014 (in der Folge: Zuerkennungsbescheid) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies. Außerdem wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.02.2015 erteilt.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2016 abgewiesen und nicht weiter bekämpft.

Mit Bescheiden vom 21.04.2015 und vom 02.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer auf seine Verlängerungsanträge hin eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 26.02.2017 und bis zum 26.02.2019 erteilt.

Am 31.01.2019 brachte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

1.2. Mit Bescheid vom 05.07.2019 (in der Folge: Ausgangsbescheid) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - nach Gewährung von schriftlichem Parteiengehör zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren - den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 31.01.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab und entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die mit Bescheid vom 27.02.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt V.).

Am 16.07.2019 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein, in der unter anderem ausgeführt wird, dass die Nummerierung der Spruchpunkte in Spruch und Begründung nicht übereinstimmen würde. Auf Seite 12 seien fünf Spruchpunkte ausgeführt, in der Begründung seien tatsächlich sechs Spruchpunkte erläutert worden. Die Spruchpunkte IV. und V. würden in der Begründung zu V. und VI. korrespondieren, der in der Bescheidbegründung ausgeführte Spruchpunkt IV. sei im Spruch jedoch vergessen worden. Auch sei der angefochtene Bescheid auch aus weiteren Gründen "aufklärungswürdig". So sei auf jeder Seite des Bescheides eine Fußzeile. Auf den Seiten 1 und 2 sei jeweils zu lesen "Seite 1 von 112" bzw. "Seite 2 und 112". Auf den folgenden Seiten sei aber zu lesen "Seite 3 von 113" usw. Tatsächlich sei aber eine Seite 113 nicht übermittelt worden. Dafür seien die Seiten 95 bis 112 ein zweites Mal übermittelt, wobei aber der Text auf Seite 109 und 110 leicht verändert sei. Weiters wird der angefochtene Bescheid in Bezug auf die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie wegen der nicht Zuerkennung eines humanitären Aufenthaltstitels mit näherer Begründung bekämpft.

1.3. Mit Bescheid vom 23.07.2019 (Beschwerdevorentscheidung), dem Beschwerdeführer zugestellt am 26.07.2019, entschied das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerlich über den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. In dieser Entscheidung ist in der Adresszeile auf S. 1 der Name des Beschwerdeführers angeführt, im Spruch wird jedoch " XXXX " als Beschwerdeführer angeführt.

Die Behörde erkannte den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die mit Bescheid vom 27.02.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten und wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 31.01.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt VI.). In der Adresszeile des Bescheides sowie in der Zustellverfügung werden der Beschwerdeführer, sein Geburtsdatum, seine Staatsangehörigkeit und sein Vertreter genannt.

In der Bescheidbegründung werden Name und Geburtsdatum des Beschwerdeführers festgestellt. Begründend führt die belangte Behörde außerdem aus, aufgrund der Vorbemerkung in der Beschwerde bezüglich äußerer Mängel des Bescheides werde der Bescheid behoben und eine Beschwerdevorentscheidung getroffen.

Mit Vorlageantrag, eingelangt am 30.07.2019, beantragte der Beschwerdeführer, die Beschwerde dem zuständigen Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Ergänzend wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe keine der in § 14 VwGVG genannten Möglichkeiten (aufheben, abändern, zurückweisen, abweisen) ergriffen, sondern einen neuen Bescheid erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Bescheidadressaten der Beschwerdevorentscheidung:

Der Bescheidadressat ist ein notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 [Stand 1.7.2005, rdb.at], Rz 34 ff.).

Der Adressat eines Bescheides muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig bezeichnet sein, wobei die Bezeichnung mit dem in der richtigen Form gebrauchten Namen zu erfolgen hat. Für die Gültigkeit eines Bescheides reicht es allerdings, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (VwGH 24.05.2012, 2008/03/0173).

Verfahrensgegenständlich ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer namentlich in der Adresszeile des Bescheides, in der Zustellverfügung und in den Feststellungen des Bescheides eindeutig bezeichnet ist, dass der Beschwerdeführer Adressat der Erledigung ist, auch wenn im Spruch der Beschwerdevorentscheidung - offenkundig durch einen Ausbesserungsfehler im Zuge der Verwendung eines Bescheidmusters - eine andere Person als Bescheidadressat genannt wird. Die Beschwerdevorentscheidung ist folglich im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wirksam erlassen worden.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des gegenständlichen Erkenntnisses (ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes IV. der Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf die Rückkehrentscheidung):

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 VwGVG ist sinngemäß anzuwenden.

Zum mit Vorlageantrag ergänzend vorgebrachten Einwand des Beschwerdeführers, dass die belangte Behörde mit ihrer Beschwerdevorentscheidung keine der in § 14 Abs. 1 VwGVG vorgesehenen Möglichkeiten ("den angefochtenen Bescheid [...] aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen") ergriffen habe, ist zunächst auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert (VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185) bzw. dass die Beschwerdevorentscheidung an die Stelle des Ausgangsbescheides tritt (VwGH 06.05.2019, Ra 2016/11/0091). Demnach hat die belangte Behörde den Ausgangsbescheid mit ihrer Beschwerdevorentscheidung ersetzt.

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits - allerdings im Hinblick auf die Abweisung einer Beschwerde durch das Verwaltungsgericht - ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht mit der Abweisung der Beschwerde den Spruch des mit Beschwerde bekämpften Bescheides der vor ihm belangten Behörde übernimmt (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/09/0168). Im Umkehrschluss ist demnach eine Wiederholung des Spruches des Ausgangsbescheides als Abweisung der Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG zu verstehen.

Nun hat die belangte Behörde verfahrensgegenständlich - wie ein Vergleich der jeweiligen Spruchpunkte ergibt - die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid im Sinne der obigen Judikatur gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen, indem sie den Spruch des Ausgangsbescheides (wenn auch mit veränderter Nummerierung der Spruchpunkte) in ihrer Beschwerdevorentscheidung wiederholt.

Hinsichtlich Spruchpunkt IV. der Beschwerdevorentscheidung, der gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlässt, findet sich allerdings kein entsprechender Spruchpunkt im Ausgangsbescheid.

Die Beschwerdevorentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Entscheidung über die Beschwerde, die diese, soweit kein Vorlageantrag gestellt wird, auch endgültig erledigt. Schon daraus folgt - so der Verwaltungsgerichtshof -, dass die Sache des Verfahrens in diesem Stadium nicht anders begrenzt werden kann als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst. § 14 VwGVG verweist auch ausdrücklich auf § 27 VwGVG, der den zulässigen Prüfungsumfang für das Verwaltungsgericht festlegt (VwGH 08.05.2018, Ro 2018/08/0011).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet die "Sache" des bekämpften Bescheids den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts. Es hat bei seiner Prüfung aufgrund der Beschwerde seine Beurteilung im Rahmen der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vorzunehmen, wobei als "Sache" nur jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewesen war im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung ist in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 27 VwGVG [Stand 1.10.2018, rdb.at], Fn 8) mit umfassenden Judikaturnachweisen). Dies muss der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend auch für die "Sache" im Verfahren über die Beschwerdevorentscheidung gelten.

Eine rechtswidrige Beschwerdevorentscheidung ist gegebenenfalls - wenn eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen - ersatzlos zu beheben (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Nachdem die belangte Behörde mit Ausgangsbescheid eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen hat, diese also nicht Spruchinhalt des Ausgangsbescheides war, hat die belangte Behörde, indem sie mit Spruchpunkt IV. ihrer Beschwerdevorentscheidung erstmals eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen hat, den Verfahrensgegenstand des vorangegangenen Verfahrens überschritten. Spruchpunkt IV. der Beschwerdevorentscheidung (Rückkehrentscheidung) war somit spruchgemäß wegen Rechtswidrigkeit infolge der Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des gegenständlichen Erkenntnisses:

Zum Verhältnis von Beschwerdevorentscheidung und Ausgangsbescheid hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass das Rechtsmittel, über das das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, die Beschwerde ist. Der Vorlageantrag richtet sich nach dem VwGVG nur darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird. Folglich bleibt auch der Ausgangsbescheid Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, während aber nur die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann. Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid (teilweise) berechtigt, so ist ihr vom Verwaltungsgericht im gebotenen Umfang (teilweise) stattzugeben. Eine rechtswidrige Beschwerdevorentscheidung ist ihrerseits abzuändern, das heißt, durch ein rechtmäßiges Erkenntnis zu ersetzen (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Mit den Spruchpunkten V. (Zulässigkeit der Abschiebung) und VI. (Frist für die freiwillige Ausreise) der Beschwerdevorentscheidung weist die belangte Behörde, indem sie ihren Abspruch aus dem Ausgangsbescheid wiederholt (siehe dazu bereits die obigen Ausführungen sowie VwGH 24.01.2019, Ra 2018/09/0168), die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. (Zulässigkeit der Abschiebung) und V. (Frist für die freiwillige Ausreise) des Ausgangsbescheides als unbegründet ab. Im Ergebnis erfolgte die Abweisung mangels mit Ausgangsbescheid erlassener Rückkehrentscheidung jedoch nicht zu Recht.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) [...]

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. [...]

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. [...]

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

[...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist."

Zum rechtlichen Zusammenhang zwischen der Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und der Feststellung, dass die Abschiebung in einen oder mehrere bestimmte Staaten gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 9 FPG ("gleichzeitig") ergibt, dass der Abspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zunächst die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt, sodass die Rückkehrentscheidung damit Grundlage (Vorstufe) der Feststellung nach dieser Bestimmung und die Feststellung im Fall der Anfechtung der Rückkehrentscheidung von dieser nicht trennbar ist (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006). Gleiches muss für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 4 FPG gelten. Zusammengefasst darf die Zulässigkeit der Abschiebung demnach nur festgestellt werden, wenn gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen wird.

Nach § 55 Abs. 1 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Nachdem die Erlassung einer Rückkehrentscheidung damit nach dem Wortlaut des Gesetzes Tatbestandsvoraussetzung für die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise nach § 55 FPG ist, darf auch eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgesetzt werden, ohne dass eine Rückkehrentscheidung erlassen wird.

Nachdem die belangte Behörde im Ausgangsbescheid eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen hat, durfte sie daher weder gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt IV. des Ausgangsbescheides), noch gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festsetzen (Spruchpunkt V. des Ausgangsbescheides). Dass die Rückkehrentscheidung auch mit Beschwerdevorentscheidung bedingt durch die Beschränkung der Sache des Verfahrens auf die mit Ausgangsbescheid getroffenen Absprüche nicht nachgeholt werden konnte, wurde bereits unter 3.2. ausgeführt.

Im Ergebnis war daher die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. (Zulässigkeit der Abschiebung) und V. (Frist für die freiwillige Ausreise) des Ausgangsbescheides berechtigt und war der Beschwerde - der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026) hinsichtlich dieser Spruchpunkte stattzugeben. Nachdem aber die belangte Behörde mit Spruchpunkt V. (Zulässigkeit der Abschiebung) und VI. (Frist für die freiwillige Ausreise) der Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des Ausgangsbescheides rechtswidrig (durch deren erneuten Ausspruch) abgewiesen hat, war die Beschwerdevorentscheidung spruchgemäß in dem Sinn abzuändern, dass die Spruchpunkte IV. und V. des Ausgangsbescheides ersatzlos behoben werden.

3.4. Zum weiteren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und der belangten Behörde:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den rechtlichen Zusammenhang zwischen Rückkehrentscheidung und negativer Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz dahingehend konkretisiert, dass die Rückkehrentscheidung die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraussetzt. Der Ausspruch über den Antrag auf internationalen Schutz hängt allerdings nicht von der Rückkehrentscheidung ab. Säumnis mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung führt daher nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz (VwGH 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).

Zwar bezieht der Verwaltungsgerichtshof sich in dieser Judikatur auf ein Verfahren über einen Folgeantrag und die zwingende Verknüpfung einer Zurückweisenden Entscheidung nach § 68 Abs. 1 AVG mit einer Rückkehrentscheidung, die er aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 AsylG ("zu verbinden") und § 52 Abs. 2 FPG ("unter einem") ableitet. Diese Bestimmungen sehen jedoch auch für den Fall der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor, dass diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist (§ 10 Abs. 1 Z 5 AsylG) bzw. dass unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist (§ 52 Abs. 2 Z 4 FPG). Demnach hängt auch der Ausspruch über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht von der Rückkehrentscheidung ab, und ist - wie auch der Ausspruch über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006) - rechtlich vom Abspruch über die Rückkehrentscheidung trennbar.

Angesichts der eben erläuterten Trennbarkeit der Spruchpunkte und der Spruchreife der Sache hinsichtlich der mit gegenständlichem Teilerkenntnis erledigten Punkte, konnte das Bundesverwaltungsgericht folglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit - nämlich der belangten Behörde vor endgültiger Entscheidung über die übrigen Spruchpunkte die Gelegenheit zu geben, die Rückkehrentscheidung samt davon abhängiger Spruchpunkte nachzuholen (dazu sogleich) - nach § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG iVm § 17 VwGVG über diese Spruchpunkte gesondert absprechen.

Klärungsbedürftig ist allerdings die Frage, ob die belangte Behörde während vor dem Bundesverwaltungsgericht offenem Verfahren über die Spruchpunkte I., II. und III. der Beschwerdevorentscheidung - mit denen dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt (§ 9 Abs. 1 AsylG), die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (§ 9 Abs. 4 AsylG), der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (§ 8 Abs. 4 AsylG) abgewiesen und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (§ 57 AsylG) und folglich die Beschwerde gegen die inhaltsgleichen Spruchpunkt I., II. und III. des Ausgangsbescheides abgewiesen wurde - grundsätzlich ihre Rückkehrentscheidung nachholen kann.

Im bereits oben zitierten Erkenntnis (VwGH 12.12.2018, Ra 2017/19/0553) hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klar ausgesprochen, dass Säumnis der belangten Behörde bei Erlassung der Rückkehrentscheidung (und der damit zu verbindenden Absprüche) dem Bundesverwaltungsgericht nicht erlaubt, den Abspruch der belangten Behörde über den Antrag auf internationalen Schutz (bzw. wie oben bereits erläutert über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) aufzuheben, weil Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz führt.

Allerdings entspricht der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz (§ 8 Abs. 1 AsylG) nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jenem des Refoulementverbots im FPG, wie er auch bei der amtswegigen Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zur Anwendung kommt. Ein inhaltliches "Auseinanderfallen" der genannten Entscheidungen ist daher ausgeschlossen (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

An diese Judikatur anknüpfend folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass eine Rückkehrentscheidung nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen darf, weil zugleich mit der Rückkehrentscheidung die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen ist, nämlich, dass die Abschiebung in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Aufgrund des übereinstimmenden Prüfungsmaßstabes der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG und jener nach § 52 Abs. 9 FPG würde durch die Erlassung einer mit der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG verbundenen Rückkehrentscheidung das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz vorweggenommen (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Nachdem § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG normiert, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen und sich der Prüfungsmaßstab - im Fall einer wesentlichen Sachverhaltsänderung - damit durch Verweis nach jenem des § 8 Abs. 1 AsylG richtet, müssen die obigen Ausführungen ebenso für Verfahren nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG gelten. Damit ist ein inhaltliches "Auseinanderfallen" der Entscheidung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG ebenso ausgeschlossen.

Gegenständlich ist die belangte Behörde nun aber gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 4 FPG aufgrund der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die sie amtswegig ausgesprochen hat, trotz Säumnis bei Erlassung der Rückkehrentscheidung weiterhin verpflichtet, von Amts wegen allenfalls eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und diese gemäß § 52 Abs. 9 FPG mit der Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung zu verbinden.

Angesichts des - wie bereits erläutert - übereinstimmenden Prüfungsmaßstabes der Entscheidung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG und jener nach § 52 Abs. 9 FPG und der nach § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 4 FPG bestehenden Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung (Nachholung) der Rückkehrentscheidung erachtet sich das Bundesverwaltungsgericht als verpflichtet, mit seiner Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit der von der belangten Behörde ausgesprochenen Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG (sowie der damit verbundenen Spruchpunkte) zuzuwarten, um die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung der Rückkehrentscheidung samt gleichzeitiger Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG nicht zu konterkarieren, indem es durch seine Prüfung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG den Inhalt der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG - bedingt durch den übereinstimmenden Prüfungsmaßstab - vorwegnimmt. Diesfalls würde das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren - obwohl Rechtsmittelinstanz - den erstmaligen Abspruch der belangten Behörde nach § 52 Abs. 9 FPG determinieren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher - nach sorgfältiger Interessenabwägung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK in Österreich - über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG abzusprechen und allenfalls die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 4 FPG (sowie die damit verbundenen Aussprüche) nachzuholen haben.

3.5. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter anderem entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Dies ist hinsichtlich der mit gegenständlichem Teilerkenntnis erledigten Absprüche der Fall.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Zum konstitutiven Bescheidmerkmal des Adressaten bzw. seiner fehlerhaften Bezeichnung konnte das Bundesverwaltungsgericht auf ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückgreifen (etwa VwGH 24.05.2012, 2008/03/0173). Den im Verfahren über die Beschwerdevorentscheidung maßgeblichen Prüfumfang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08.05.2018, Ro 2018/08/0011, klar herausgearbeitet, wobei zur Frage, was "Sache" im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist, bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Das Verhältnis zwischen Beschwerdevorentscheidung und Ausgangsbescheid legt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Leiterkenntnis vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026 umfassend dar, wobei das Bundesverwaltungsgericht auch an der daran anschließenden Rechtsprechung Orientierung finden konnte (etwa VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185 und VwGH 06.05.2019, Ra 2016/11/0091). Den rechtlichen Zusammenhang zwischen Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung hat der Verwaltungsgerichtshof in VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 klar erläutert, während sich der rechtliche Zusammenhang zwischen Rückkehrentscheidung und der nach § 55 FPG festzusetzender Frist für die freiwillige Ausreise sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut ergibt. Die rechtliche Trennbarkeit des Abspruches über einen Antrag auf internationalen Schutz von der Rückkehrentscheidung ergibt sich ebenso aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006). Die unter 3.4. im Übrigen dargelegte Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der zufolge das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Rückkehrentscheidung allenfalls nachzuholen hat, bevor das Bundesverwaltungsgericht über die übrigen Spruchpunkte absprechen darf, stellt im Übrigen keine das gegenständliche Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Erwägungen, sondern eine bloße Anleitung für das fortzusetzende Verfahren dar ("obiter dictum"), hinsichtlich derer der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit der Revision grundsätzlich verneint (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/12/0022).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Beschwerdevorentscheidung Interessenabwägung Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Unzuständigkeit Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W109.2006507.2.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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