TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/26 W137 2116355-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.09.2019

Norm

BFA-VG §40 Abs2
BFA-VG §40 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §35

Spruch

W137 2116355-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 25.09.2015 und Anhaltung bis 28.09.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Festnahme am 25.09.2019, 12:30 Uhr und Anhaltung bis 27.09.2015, 12:30 Uhr wird gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG (in der damals geltenden Fassung) als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich der Anhaltung ab 27.09.2015, 12:31 Uhr bis zur Entlassung des Beschwerdeführers am 28.09.2015 wird der Beschwerde gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG stattgegeben und diese Anhaltung für rechtswidrig erklärt.

III. Der Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshelfers wird als unzulässig zurückgewiesen.

IV. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

V. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Des Irak. Er stellte am 25.09.2015 in Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz. Um 12:30 Uhr dieses Tages wurde er gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG festgenommen und nach Vordernberg transferiert. Am 27.09.2015 erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz. Sie wurde um 11:35 Uhr beendet.

2. Am 28.09.2015, 11:00 Uhr wurde die Festnahme beendet.

3. Am 28.10.2015 brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung ein. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Festnahme in rechtswidriger Weise erfolgt und/oder die diesbezügliche Bestimmung unionsrechtswidrig sei. Überdies sei die Dauer im Einzelfall nicht hinreichend begründet worden. Die Anhaltung über 48 Stunden hinaus sei jedenfalls unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Beantragt werde a) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme; b) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung; c) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung; d) die Befreiung des Beschwerdeführers von der Eingabegebühr; e) die Verpflichtung der Behörde zum Ersatz der Aufwendungen; f) die Beigabe eines Verfahrenshelfers; g) den Ersatz der Dolmetscherkosten und eines allfälligen Aufwandsersatzes.

4. Am 12.11.2015 übermittelte das Bundesamt den Verwaltungsakt.

Am 16.11.2015 übermittelte die LPD Steiermark dem Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme, wobei sie im Wesentlichen auf die Zuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) verwies.

Am selben Tag übermittelte die LPD Steiermark dem Bundesamt die relevanten Akten zur Anhaltung des Beschwerdeführers und verwies auf den massiven administrativen Aufwand durch die weit überdurchschnittliche Eingangsfrequenz und die dadurch bedingte Erschöpfung der Personalressourcen. Das Bundesamt leitete diese Unterlagen (samt Stellungnahme) kommentarlos am 20.11.2015 an das Bundesverwaltungsgericht weiter.

Anträge wurden in diesem Zusammenhang nicht gestellt.

5. Am 13.11.2015 ersuchte der Vertreter des Beschwerdeführers schriftlich beim Bundesverwaltungsgericht um Akteneinsicht. Für die zuständige Referentin war er in den folgenden Wochen jedoch mehrfach nicht erreichbar. Weder der Beschwerdeführer noch sein Vertreter haben nach dem 13.11.2015 Akteneinsicht genommen oder ein entsprechendes Ersuchen an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet.

6. Am 18.03.2016 teilte IOM mit, dass der Beschwerdeführer - im Übrigen unter einer anderen Identität - am 16.03.2016 freiwillig in den Irak ausgereist sei.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger des Irak. Er stellte in Österreich am 25.09.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 16.03.2016 reiste er freiwillig in den Irak zurück.

Der Beschwerdeführer wurde am 25.09.2015 gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 FPG festgenommen; die Festnahme wurde am 28.09.2015 beendet. Die Erstbefragung nach dem Asylgesetz erfolgte binnen 48 Stunden nach Festnahme. Während dieser 48 Stunden erfolgte der Transfer des Beschwerdeführers von Traiskirchen nach Vordernberg aufgrund sachlicher Notwendigkeit.

Das Bundesamt hat dem Bundesverwaltungsgericht keinerlei konkrete Begründung für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers nach der Erstbefragung übermittelt.

Der Beschwerdeführer und sein Vertreter haben ihr Recht und die Möglichkeit auf Akteneinsicht beim Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren nicht wahrgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1088910603/151436101, sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. An der irakischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bestanden nie Zweifel und ist diese auch unstrittig. Die freiwillige Rückkehr ist aus dem Bericht von IOM ersichtlich.

1.2. Der Zeitpunkt der Festnahme, deren Beendigung sowie der Zeitpunkt der Erstbefragung ergeben sich aus der Aktenlage. Insbesondere wurde auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen, dass die Erstbefragung binnen 48 Stunden nach Festnahme erfolgte. Die Rechtsgrundlage der Festnahme ergibt sich aus dem Akt und der unbestrittenen illegalen Einreise in das Bundesgebiet sowie der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz. Die Notwendigkeit der Überstellung nach Vordernberg ergibt sich aus der notorischen Situation (Antragszahlen, Überlastung der lokalen Behörde in Traiskirchen) in Traiskirchen seit Sommer 2015, die den Transfer in andere Regionen des Bundesgebietes zur Durchführung von Erstbefragungen erforderlich machte. Dazu traten im Falle des Beschwerdeführers keine Faktoren (Alter, Gesundheit, Familie), die eine solche Überstellung als problematisch oder unzumutbar angezeigt hätten und wurde derartiges auch im Rahmen der Beschwerde nicht behauptet.

1.3. Das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die Anhaltung nach der Ersteinvernahme ergibt sich aus der Aktenlage.

1.4. Dass weder der Beschwerdeführer noch sein Vertreter beim Bundesverwaltungsgericht Akteneinsicht genommen haben - und es lediglich ein schriftliches Ersuchen diesbezüglich gab - ist aus dem Gerichtsakt ersichtlich.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Festnahme" betitelte § 40 des BFA-VG in der zum Festznahmezeitpunkt geltenden Fassung lautet:

"§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

----------

1.-gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2.-wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3.-der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

----------

1.-dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2.-gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3.-gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4.-gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5.-auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist."

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Festnahme am 25.09.2015 und der weiteren Anhaltung für 48 Stunden:

3.1. In der Beschwerde finden sich keine konkreten und schlüssigen Ausführungen, wonach im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen einer Festnahme gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht vorgelegen wären. Die Spekulationen in der Beschwerde bezüglich der Rechtsgrundlage der Festnahme beruhen auf einer behaupteten Weigerung des Bundesamtes eine Akteneinsicht zu ermöglichen. Allerdings hat der Vertreter jedenfalls im laufenden Beschwerdeverfahren die Möglichkeit zur Akteneinsicht nicht genutzt - dann hätte er problemlos eine Ergänzung oder Präzisierung seines Vorbringens vornehmen können.

Dazu kommt, dass die vollständige Überlastung des Bundesamtes in Traiskirchen zu diesem Zeitpunkt für jeden durchschnittlichen Medienkonsumenten völlig problemlos erkennbar gewesen ist - umso mehr für den Vertreter, der als staatlich bezahlter Rechtsberater zweifelsfrei sehr genau über die Zustände vor Ort Bescheid wusste. Insofern war stets klar, dass Transfers von Asylwerbern in den Zuständigkeitsbereich anderer Regionaldirektionen zur Durchführung der Erstbefragungen erfolgen müssen und dass zu deren Durchführung auch die Festnahme der Betroffenen erforderlich war. Umso mehr, als dies (über mehrere Wochen hinweg) tausende überwiegend mittellose, jedenfalls aber weder orts- noch sprachkundige Personen betraf und ein bloßes (unkontrolliertes) "Verschicken" mittels Handzettel und Zieladresse weder diesen noch der österreichischen Bevölkerung zumutbar gewesen wäre. Von einer Unbestimmtheit des Zweckes der Festnahme kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein. Umso mehr, als die Erstbefragung auch nachweislich binnen 48 Stunden erfolgte.

3.2. Dass dieses Vorgehen des Bundesamtes dem Unionsrecht widersprechen würde, konnte in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargelegt werden.

3.3. Für eine systematische anlasslose Festnahme von Asylwerbern zu dieser Zeit gibt es keinen stichhaltigen Hinweis und wäre davon der Beschwerdeführer jedenfalls nicht betroffen, da seine Festnahme nachweislich zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt erfolgte und dieser Zweck überdies innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Zeitraumes erreicht werden konnte.

3.4. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Anhalteprotokoll vom 25.09.2015 auch, dass der Beschwerdeführer ein Informationsblatt für Festgenommene erhalten hat. Dass der Beschwerdeführer selbst nicht über den Grund der Festnahme unterrichtet worden wäre, wird nicht dargelegt. Vielmehr ist dieser geradezu offenkundig. Dass ein später bevollmächtigter Vertreter dies mangels Einsichtnahme in den Akt allenfalls nicht nachvollziehen kann, ändert in diesem Zusammenhang nichts.

3.5. Das Bundesamt hat binnen 48 Stunden die (aufgrund der Gesamtsituation erforderliche) Überstellung des Beschwerdeführers nach Vordernberg, seine dortige Unterbringung und die Durchführung der Erstbefragung bewerkstelligt. Somit kann von einer unverhältnismäßigen Dauer der Anhaltung keine Rede sein und wird sie für diese Konstellation seitens des Beschwerdeführers und seines Vertreters auch nicht nachvollziehbar begründet.

Soweit in der Beschwerde offenbar eine gänzlich andere Vorgangsweise als zwingend angesehen wird - nämlich die Durchführung der Erstbefragung unmittelbar in Traiskirchen und der Verzicht auf die Verbringung nach Vordernberg - ist dies aus § 40 BFA-VG jedenfalls nicht ableitbar. Vielmehr gibt diese Bestimmung der Behörde eine gewisse zeitliche Flexibilität, um auf konkrete (auch lokale) Probleme einzugehen. Dies umfasst auch eine räumliche "Umverteilung" von Asylwerbern an verschiedene Regionaldirektionen um auf diese Weise - auch im Interesse der Asylwerber - möglichst rasch Erstbefragungen und Einvernahmen durchführen zu können. Dafür spricht auch die ständige Judikatur der Höchstgerichte, die das Bundesamt (ebenso wie seine Vorläuferinstitution) stets als eine Behörde angesehen haben. Es kann daher auch kein subjektives Recht eines Beschwerdeführers auf Behandlung seines Antrags durch eine konkrete Regionaldirektion geben.

Vielmehr konnten angesichts der unstrittigen und allgemein bekannten Situation in Traiskirchen (als vorrangige Erstanlaufstelle der Migrations- und Flüchtlingsbewegung via Griechenland und Balkan) Erstbefragungen in der erforderlichen Anzahl und in für die Antragsteller zumutbarer Zeit nur durchgeführt werden, weil das Bundesamt und das Innenministerium ihre Ressourcen im gesamten Bundesgebiet nutzten. Wären alle Erstbefragungen in Traiskirchen (also am Ort der Antragstellung) durchgeführt worden - was der Gesetzgeber allerdings nicht vorgesehen hat - und erst dann eine Zuteilung in die Bundesländer erfolgt, wären massive Verzögerungen hinsichtlich der Bearbeitung der Verfahren und der Zuweisung der Quartiere entstanden. Das war natürlich dem Vertreter im gegenständlichen Verfahren - nicht zuletzt aufgrund seiner staatlich bezahlten Funktion als Rechtsberater - auch stets bewusst.

Insofern ist hinsichtlich der hier relevanten Festnahme und Anhaltung bis zum Ende der Erstbefragung und innerhalb der gesetzlich zulässigen 48-Stunden-Frist keine Rechtswidrigkeit feststellbar.

4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Anhaltung nach Ablauf von 48 Stunden (ab Festnahme):

Die Anhaltung einer Festnahme gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG ist durch § 40 Abs. 4 BFA-VG gesetzlich auf 48 Stunden beschränkt. Eine Verlängerung ist nicht vorgesehen.

Die Anhaltung nach Festnahme wurde allerdings erst am 28.09.2015, 11:00 Uhr, beendet. Das Bundesamt hat im gegenständlichen Fall weder eine schlüssige Begründung für diese Überschreitung der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer übermittelt, noch vorgebracht, dass die (weitere) Anhaltung nach dem Ablauf der 48-Stunden-Frist - der fast unmittelbar nach Ende der Erstbefragung erfolgte - auf einer anderen Rechtsgrundlage basiert hätte. Innerhalb dieser Frist - es verblieb noch eine knappe Stunde - hätte auch bereits eine Haftentlassung des Beschwerdeführers erfolgen können.

Mangels nachvollziehbarer Rechtsgrundlage und fehlender Begründung seitens der belangten Behörde erweist sich die Anhaltung nach Ablauf der Frist des § 40 Abs. 4 BFA-VG - ab 27.09.2015, 12:30 Uhr - somit als rechtswidrig.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

5.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

5.2. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Die Beschwerde beschränkt sich weitgehend auf Rechtsfragen. Für die Befragung von Vertretern des Bundesministeriums für Inneres zu allfälligen systematischen (grundlosen) Festnahmen auf Basis eines Erlasses besteht schon deshalb kein Anlass, weil im gegenständlichen Fall der Grund der Festnahme im Akt klar belegt ist und diese zweifelsfrei auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgte. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der grundsätzlichen Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben. Die Erläuterung von Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

6. Beigabe eines Verfahrenshelfers:

Der Beschwerdeführer beantragt - durch seinen bevollmächtigten Vertreter - die Beigabe eines Verfahrenshelfers im Wesentlichen mit dem Verweis auf § 40 VwGVG (Verfahrenshilfeverteidiger).

Gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG erlischt die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

Im gegenständlichen Verfahren ist der Beschwerdeführer aber jedenfalls seit Einbringung der Beschwerde bereits von einem Bevollmächtigten vertreten. Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren - der vorrangig als amtswegig bestellter Rechtsberater in Beschwerdeverfahren bezüglich Schubhaft und Asyl tätig ist - offenbar davon ausgeht, für die Vertretung in solchen Verfahren nicht hinreichend kompetent zu sein.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass § 40 VwGVG dem 2. Abschnitt des dritten Hauptstücks (Besondere Bestimmungen - Verfahren in Verwaltungsstrafsachen) zugeordnet ist und es sich bei dem gegenständlichen Verfahren auch nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt.

7. Kostenersatz

7.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

7.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Fall sind das Bundesamt sowie der Beschwerdeführer jeweils obsiegende Partei bezüglich eines Teils der Anhaltung (in Folge einer Festnahme). Im jeweils anderen sind sie unterlegene Partei. Da ein anteiliger Kostenzuspruch gesetzlich nicht vorgesehen ist, sind allfällige Anträge auf Kostenersatz abzuweisen. Dies betrifft im gegenständlichen Verfahren lediglich den Beschwerdeführer, weil das Bundesamt keinen Antrag auf Kostenersatz gestellt hat.

Hinsichtlich der Eingabegebühr ist eine Befreiung oder ein Ersatz nicht vorgesehen.

8. Behauptete Verweigerung der Akteneinsicht

Eine solche Verweigerung/Verunmöglichung wird zwar in der gegenständlichen Beschwerde behauptet; sie findet sich aber weder als Beschwerdegegenstand im hier relevanten Schriftsatz, noch gibt es ein damit verbundenes Beschwerdebegehren.

Darüber hinaus hätten der Beschwerdeführer und sein Vertreter nach Beschwerdeeinbringung problemlos die Möglichkeit gehabt, beim Bundesverwaltungsgericht Akteneinsicht zu nehmen um allfällige Präzisierungen der Beschwerde vornehmen zu können. Solche Beschwerdeergänzungen wären während des laufenden Beschwerdeverfahrens jederzeit zulässig gewesen. Von diesem Recht haben sie allerdings nicht Gebrauch gemacht.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anhaltung Eingabengebühr Festnahme Kostenersatz Rechtswidrigkeit Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W137.2116355.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten