TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/3 W274 2225662-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2019
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Entscheidungsdatum

03.12.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1

Spruch

W274 2225662-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alserstraße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 05.11.2019, Zahl 821096806-190991548/BMI-EAST_Ost zu Recht:

Der - allein gegen die Spruchpunkte IV. und VI. des obgenannten Bescheides gerichteten - Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Laut Meldung des Stadtpolizeikommandos Schwechat Referat III - FB1 Grenzkontrolle vom 19.08.2012 wollte der Beschwerdeführer (BF) am 19.08.2012 im Transitbereich des Flughafens Schwechat mit einem gefälschten französischen Reisepass nach London ausreisen, seitens Easyjet wurde der Transport verweigert.

Der BF stellte sodann am 19.08.2012 vor dem genannten Stadtpolizeikommando einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 21.08.2012 gab er an, etwa am 16.08.2012 nach Wien geflogen zu sein, dort drei Tage in einem Hotel untergebracht gewesen zu sein und sodann einen Ausreiseversuch aus Wien Richtung England unternommen zu haben. Als Fluchtgrund gab er an, ein sexuelles Verhältnis mit einer verheirateten Frau im Iran gehabt zu haben. Er sei mit dieser Frau zu Hause bei ihr von ihrem Mann überrascht worden und habe sofort aus dem Haus flüchten müssen. Da ein solches Handeln im Iran mit "Steinigen" zu bestrafen sei, habe er sich entschlossen, zu flüchten.

Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 28.11.2012 wurde dem BF gemäß § 3 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Begründend wurde festgestellt, aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Heimatland iVm dem individuellen Vorbringen habe die behauptete Furcht vor Verfolgung als glaubwürdig gewertet werden können. Es sei glaubwürdig, dass der BF aufgrund der sexuellen Beziehung mit einer verheirateten Frau Probleme und Verfolgung in der Heimat befürchten müsse.

Mit Urteil des LG Innsbruck vom 22.02.2013 29 Hv 13/2013g, rechtskräftig am 26.02.2013, wurde der BF in Bezug auf die Einreise mit gefälschten Papieren gemäß § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je vier Euro (800 ?) bedingt verurteilt und eine Probezeit von drei Jahren bestimmt (Strafregisterauszug AS 289).

Mit Urteil des LG Innsbruck als Schöffengericht vom 11.11.2014 zu 39 Hv 127/14x wurde der BF schuldig erkannt, in Hall und Innsbruck XXXX

1. am 19.07.2013 in seiner Wohnung in Hall mit Gewalt, indem er sie rücklings auf ein Bett drückte, sich auf ihr Becken setzte um sie solcherart zu fixieren und teilweise auch ihre Arme festhielt, zur Vornahme des Oralverkehrs an ihm, sohin zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, genötigt zu haben, wobei er die Genannte dadurch in besonderer Weise erniedrigte, dass er ihr ins Gesicht ejakulierte;

2. zwischen Ende Juli 2013 und 21.08.2013 durch an sie elektronisch übermittelte Nachrichten, sohin durch gefährliche Drohung, hierbei teilweise nicht ernst gemeinte Todesdrohungen, zu Handlungen, nämlich zur Aufrechterhaltung des Kontaktes zu ihm und Rückgabe eines ihr übergebenen Fotos zu nötigen versucht zu haben, wie

"antworte mir... Mein Schwanz in deinem Maul du Bastard... wenn du willst, dass sie dein Bild und dein Video nicht sehen, dann bringe sofort mein Foto... wenn deine Freunde uns beim Ficken sehen könnten... was hätten sie wohl für einen Spaß... ich werde dein Leben zerstören...bringe mein Foto ich schwöre auf mein Leben, das ist die letzte Chance, die ich dir gebe... ich habe einen Film von dir";

3. zwischen 26.07.2013 und 21.08.2013 durch elektronisch und telefonisch an sie übermittelte Nachrichten gefährlich bedroht zu haben, hiebei teilweise mit nicht ernst gemeinten Todesdrohungen, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wie

"ich werde dein Leben zerstören...eins sage ich dir, wenn du dich bisher von irgendjemandem gefürchtet hast, das war nichts im Vergleich zu dem, was ich mit dir Gutes vorhabe... ich bin jetzt da und werde dich mit meinen Freunden ficken".

Hierdurch habe er

zu 1. das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 und 2 vierter Fall StGB,

zu 2. das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Absatz 1 StGB und

zu 3. das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB begangen.

Der BF wurde hierfür nach § 201 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren und zehn Monaten sowie zur Zahlung eines Teilschmerzengeldes verurteilt. Gleichzeitig wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Verfahren 29 HV 13/13 p des LG Innsbruck abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Nach den Feststellungen lernte der BF sein späteres Opfer, eine im Iran geborene Frau, die bereits seit über 30 in Österreich lebt, über einen Bekannten kennen. Das Opfer bemühte sich anfangs, den BF in Österreich zu unterstützen. Dieser begann rasch, ein sexuelles Interesse für sie zu entwickeln, was diese nicht erwiderte. Im Zuge eines Gesprächs eröffnete der BF XXXX auch, dass der wahre Grund, warum er aus dem Iran geflohen sei, der sei, dass er dort zwei Polizisten erstochen habe. Zudem erzählte ihr von seinen Drogenexzessen, seiner ständigen Flucht vor der Polizei und Gefängnisaufenthalten (Urteil LG Innsbruck Seiten 5 und 6).

Einer Berufung des BF gegen dieses Urteil wurde vom OLG Innsbruck mit Urteil vom 12.03.2015 nicht Folge gegeben.

Mit - rechtskräftigem - Bescheid des BFA vom 11.12.2015 wurde dem BF der mit Bescheid vom 28.11.2012 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Z 1 AsylG aberkannt, festgestellt, dass gemäß § 7 Abs. 4 AsylG dem BF die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme, gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig sei und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde.

Begründend wurde ausgeführt, am 20.04.2015, nach Einlangen der Entscheidung des OLG Innsbruck am 30.03.2015, sei gegen den BF ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Absatz 1 Z 1 AsylG eingeleitet worden. Unter Anführung der oben dargestellten Verurteilungen wurde festgestellt, dass der BF von einem inländischen Gericht wegen eines schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und derzeit die Strafhaft in der Justizanstalt verbüße. Festgestellt wurde auch, dass kein Familienbezug zu einem Angehörigen in Österreich vorliege, ebensowenig Umstände, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen. Der BF sei wegen besonders schwerer Verbrechen rechtskräftig verurteilt worden und bedeute wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft. Darin liege ein Asylausschlußgrund iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG. Betreffend Subsidiärschutz liege ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs 2 AsylG vor. Es ergäbe sich aber, dass "dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, weil sich aus den aktuellen Länderberichten zum Iran eine problematische Menschenrechtslage ablesen lasse". Es sei davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art 3 EMRK ausgesetzt sei. Er habe auch darzutun vermocht, bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation iSd § 50 Abs 1 FPG ausgesetzt zu sein. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran würde eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten. Die rechtskräftige Verurteilung wegen § 201 Abs 2 StGB erfülle § 9 Abs 2 Z 3 AsylG, sodass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei, aber gemäß § 8 Abs 3a AsylG (in der damals geltenden Fassung) festzustellen sei, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Mit Protokollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen Graz vom 2.5.2017 zu 130 Hv 15/17 t wurde der BF schuldig erkannt, am 02.02.2017 in Graz XXXX durch die sinngemäße Äußerung "Wenn ich nicht bekomme, was ich will, dann mache ich Probleme, sehr große Probleme und wenn die Beamten dann kommen, dann steche ich den Beamten (gemeint der Justizanstalt Graz Karlau) ein Messer in den Hals", sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper von Sympathiepersonen zu einer Handlung, nämlich der Verschreibung einer Computertomografie zu nötigen versucht zu haben. Der BF habe hierdurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB begangen und wurde hierfür zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Als erschwerend wurde gewertet eine einschlägige Vorverurteilung und die Tatbegehung während des Strafvollzugs, als mildernd das Geständnis und der Umstand, dass es beim Versuch geblieben sei.

Am 26.09.2019 erfolgte eine Niederschrift vor dem BFA, Regional Direktion Tirol, Außenstelle Innsbruck, in der der BF unter anderem die Frage, ob er in Österreich verheiratet sei oder in einer ständigen Lebensgemeinschaft stehe, verneinte. Er habe in Tirol und Wien Freunde, mit denen er nie im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Er habe in England einen Halbbruder namens XXXX . Er sage nicht, ob dieser von väterlicher Seite oder mütterlicher Seite sein Bruder sei. Gegen eine Rückkehrentscheidung spreche, dass ihm im Iran die Todesstrafe bevorstehe, weil er im Iran mit einer verheirateten Frau Sex gehabt habe.

Am 29.09.2019 stellte der BF den hier gegenständlichen Folgeantrag auf Asyl vor der Polizeiinspektion Innsbruck. Über Frage nach dem Grund des neuerlichen Asylantrages und, was sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren verändert habe, führte der BF aus, er habe Sex mit einer verheirateten Frau im Iran gehabt. Sein Fluchtgrund sei der gleiche.

Am 31.10.2019 erfolgte eine Niederschrift vor dem BFA, Erstaufnahmestelle Ost. Der BF machte nähere Angaben zu dem dem ersten Asylantrag sowie dem Folgeantrag zugrundeliegenden Fluchtgrund. Über Frage verneinte er, in Österreich Verwandte zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl und Subsidiärschutz jeweils gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Iran gemäß § 8 Abs. 3 a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG unzulässig sei (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Absatz 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

Lediglich gegen die Spruchpunkte IV. und VI. richtet sich die Beschwerde des BF wegen "Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhalts" mit dem primären Antrag, den Bescheid zu Spruchpunkt IV. und VI. zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen. "Die Rechtsmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt IV. betreffend die gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde. Die Rechtsmittelbehörde möge den Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt V. betreffend die gegen den BF gemäß § 52 FPG gefällte Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt werde. Das unbefristete Einreiseverbot sei zu beheben. In eventu wolle dieses herabgesetzt werden."

Der Akt wurde mit der Beschwerde dem BVwG vorgelegt und langte bei diesem am 22.11.2019 ein.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt:

Vorauszuschicken ist, dass sich zunächst die Anfechtungserklärung in der Beschwerde S 2 nicht mit dem Inhalt der Beschwerde und den Beschwerdeanträgen (S 5) deckt. Nach S 2 der Beschwerde wird der Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV. und VII. angefochten. Ein Spruchpunkt VII. ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Spruchpunkt III. bezieht sich auf den Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG. Auf diese Thematik geht die Beschwerde inhaltlich nicht ein, auch die Beschwerdeanträge beziehen sich darauf nicht. Wenn in den Beschwerdeanträgen S 5 unter 3) beantragt wird, den Spruchpunkt V. betreffend die gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 FPG gefällte Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären, so wird inhaltlich wieder auf Spruchpunkt IV. eingegangen. Sohin ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass sich die Beschwerde lediglich gegen die Spruchpunkte IV. (Rückkehrentscheidung) und VI. (Einreiseverbot) richtet.

Zur Beschwerde hinsichtlich Punkt IV:

Betreffend die Rückkehrentscheidung argumentiert der Beschwerdeführer, er führe seit ca. drei Monaten mit der Asylberechtigten, Frau XXXX , eine Beziehung, wobei sie ihn regelmäßig in der Haft in der JA Karlau Graz besuche. Außerdem wohne der Bruder sowie die Cousins des BF in London. Der bekämpfte Bescheid sei mangelhaft, da sich die Behörde mit dem Familien- und Privatleben des BF in Österreich nicht auseinandergesetzt habe. Der BF befinde sich seit mehr als sieben Jahren in Österreich und habe während dieser Zeit einen Freundeskreis aufgebaut und eine Freundin in Österreich. Er führe ein Familienleben hoher Intensität mit seiner in Österreich asylberechtigten Freundin. Es sei im Rahmen einer Interessenabwägung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Gericht auf Dauer unzulässig sei. Im gegenständlichen Fall sei bei einer Abwägung aller Umstände das private Interesse an der nicht nur vorübergehenden Fortführung des Familien- und Privatlebens des BF höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Ausweisung. Sofern sich das BFA bei der Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG beziehe, handle es sich um die falsche Grundlage.

Zunächst ist festzuhalten, dass nach nunmehriger Rechtsprechung auch eine (negative) Entscheidung über einen Folgeantrag grundsätzlich mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, weil § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 auch für den Fall der Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutzes wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG die Rechtsgrundlage für die Verbindung dieser Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung darstellt (vgl Ra 2017/01/0287 mwN).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch eine - hier zulässige und anzuordnende - Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Nach Abs 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit behördlicher Eingriffe auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Insbesondere sind die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung bzw Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung, und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw bei strafgerichtlichen Verurteilungen die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Resozialisierung bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie, wobei der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl dazu EKMR 19.07.1968, Nr 3110/67; EKMR 28.02.1979, Nr 7912/77, EuGRZ 1981/118).

Schon nach dem Vorbringen des BF leben keine Familienmitglieder von ihm in Österreich.

Selbst unter Zugrundelegung einer Glaubhaftigkeit der nunmehrigen Angaben, dass der BF seit drei Monaten von einer Frau in der Justizanstalt besucht werde, die seine Freundin sei, kann die Interessensabwägung des § 9 Abs. 1 BFA-VG nicht zugunsten des BF ausschlagen:

Aufgrund des Umstandes, dass der BF noch am 26.09.2019 in seiner Niederschrift vor dem BFA das Bestehen einer Lebensgemeinschaft verneinte, kann jedenfalls lediglich von gelegentlichen Besuchen einer Freundin ausgegangen werden, zumal die Häufigkeit und Intensität von Kontakten von Personen im Strafvollzug mit Besuchern limitiert ist. Der BF ist zwar seit sieben Jahren in Österreich, davon aber seit sechs Jahren in Haft. Bereits 2015 wurde sein ursprünglich gewährtes Asyl aberkannt. Ein Familienleben des BF in Österreich bestand zu keinem Zeitpunkt. Die Integration muss aufgrund des Umstandes, dass der BF nahezu die gesamte Zeit des Aufenthalts in Österreich in Haft verbrachte, als gering angesehen werden. Der BF ist mehrfach strafrechtlich verurteilt, zuletzt wegen versuchter Nötigung 2017. Er befindet sich nach wie vor in Strafhaft, wobei er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde. Zugrunde liegt ein Delikt gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Frau. Die Beziehung zu XXXX entstand jedenfalls in einem Zeitpunkt, in dem sich der BF seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Anhaltspunkte dafür, dass die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, bestehen nicht. Die Behauptung einer Beziehung des BF mit einer ihn seit ca. drei Monaten in der Haft besuchenden Frau kann selbst bei Wahrunterstellung keinesfalls, wie behauptet, einem "Familienleben hoher Intensität" gleichkommen. Inwiefern der Umstand, dass sein Bruder (nach dem bisherigen Akteninhalt ein Halbbruder) sowie Cousins des BF in London leben, in Bezug auf eine Rückkehrentscheidung relevant sein soll, wird nicht dargelegt. Weder im bisherigen Verfahren noch in der nunmehrigen Beschwerde wird dargelegt, welcher Art der Kontakt des BF zu den Genannten in London ist und welche Auswirkungen sich durch eine Rückkehrentscheidung hierauf ergäbe. Das Interesse des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet ist zudem dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten spätestens seit der bereits 2015 erfolgten Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste (vgl. z.B. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 19.086/2010, 19.752/2013). Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 12.12.2012, 2012/18/0178; 22.01.2013, 2011/18/0012).

Die Begründung der Rückkehrentscheidung findet unter Verweis auf die obige Judikatur des VwGH (Ra 2017/01/0287) jedenfalls in § 52 Abs 2 FPG Deckung. Wenn der BF darauf verweist, auf Grund seiner ursprünglichen Fluchtgründe sei es nicht ausgeschlossen, dass ihm im Falle einer Rückkehr in den Iran eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohe, so bezieht sich dies nicht auf die Rückkehrentscheidung sondern auf eine allfällige Abschiebung (vgl § 50 FPG). Der BF ist darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde ohnehin den mit der Aberkennung verbundenen Ausspruch, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG in der am 11.12.2015 geltenden Fassung unzulässig sei, im nunmehrigen - nicht angefochtenen - Spruchpunkt V. fortgeschrieben hat, sodass der Aufenthalt des BF insoferne ohnedies gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG geduldet ist.

Gegen die Begründung der belangten Behörde, wonach der Rückkehrentscheidung keine Bedenken iS einer Verletzung des Rechts auf Achtung des Familien- und Privatlebens entgegenstehen bzw eine vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des BF ausgeht, führt der BF nichts Stichhaltiges ins Treffen.

Zu Spruchpunkt VI:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden.

Gemäß Abs. 3 ist dieses gemäß Absatz 1 für die Dauer von höchsten zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Als bestimmte Tatsachen, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sind, haben die dort zu Z 1 bis 9 angeführten Tatbestände zu gelten.

Z 5 nennt den Fall, in dem ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die belangte Behörde erachtete Z 5 als erfüllt. Nach der Rechtsprechung komme es bei der Beurteilung, ob eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliegt, nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesem zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild.

Die belangte Behörde setzte sich im Folgenden mit der konkreten Straftat des BF auseinander und erachtete § 53 Abs. 3 FPG als erfüllt.

Mit der bloßen Behauptung in der Beschwerde, die belangte Behörde hätte die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklären müssen, gelingt es dem BF nicht, Stichhaltiges gegen die diesbezügliche Entscheidung der belangten Behörde ins Treffen zu führen. Auf die Fluchtgründe kommt es bei Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 3 FPG gerade nicht an. Der Umstand einer Begehung einer schweren Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Frau kurz nach Erlangen des Asyls, wobei das Opfer sich nach den Feststellungen des Strafgerichts gerade am Beginn des Aufenthalts des BF unterstützend für diesen betätigte, zeigt ein Persönlichkeitsbild, aufgrund dessen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzunehmen ist. Die verhängte Strafdauer beträgt nahezu das Doppelte des im § 53 Abs. 1 Z 5 geforderten Maßes. Auch die letzte Verurteilung 2017, der die oben festgestellten schweren Drohungen zugrunde liegen, lässt auf eine vom LG Innsbruck festgestellte "Störung der Impulskontrolle" beim BF schließen, die "Zweifel einer Einschränkung seiner Dispositionsfähigkeit bewirke" (Urteil OLG Innsbruck, S 7). Eine Fehlbeurteilung der belangten Behörde bei der Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes wird durch die Beschwerde daher nicht aufgezeigt.

Einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 VwGVG bedurfte es nicht, weil der maßgebliche Sachverhalt feststeht bzw. unter Bezugnahme auf das Vorbringen, der BF habe seit drei Monaten eine Beziehung zu einer Frau, selbst unter Wahrunterstellung dieser Umstände, aus rechtlichen Gründen der Beschwerde kein Erfolg zukommen kann.

Auf S 4 bzw 5 der Beschwerde will der BF schließlich - sprachlich kaum fassbar - offenbar eine seiner Ansicht nach unzulässige Mehrfachverwertung der strafgerichtlichen Verurteilungen durch die belangte Behörde aufzeigen ("das Gewicht der Integration mindernd"), wobei nicht ersichtlich ist, ob dabei auf die Begründung zu Spruchpunkt IV. oder VI. abgestellt wird. Weder ist der gerügte Umstand der Argumentation der belangten Behörde zu entnehmen, noch werden diesbezüglich Umstände aufgezeigt, die insgesamt eine Fehlbeurteilung der in Beschwerde gezogenen Spruchteile bzw deren Begründung erkennen lassen.

Der Ausspruch betreffend die Unzulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass im wesentlichen Einzelfallumstände zu würdigen waren und betreffend die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Schlagworte

Einreiseverbot Haft Interessenabwägung öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung Vergewaltigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2225662.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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