TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/9 96/09/0200

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Veröffentlicht am 09.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67d impl;
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des W in I, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Mai 1996, Zl. 19/47-1/1996, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 9. Jänner 1996 verhängte die Behörde erster Instanz über den Beschwerdeführer drei Geldstrafen zu je

S 10.000,--, Ersatzfreiheitsstrafen je sieben Tage, weil der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der "Nova-Bau, Bau- und PlanungsgmbH" (idF: "Nova-Bau") in der Zeit vom 14. Juni 1993 bis einschließlich 16. Juni 1993 auf der Baustelle "Hotel Klausnerhof" in Hintertux die Ausländer

1.) Slobodan Hocic, geboren 20. Dezember 1944, 2.) Halil Hadzic, geboren 8. November 1973 und 3.) Eroglu Nedim, geboren 15. Juni 1967 beschäftigt habe, wobei die vorangeführte Unternehmung als Arbeitgeber nicht über die zur Beschäftigung der angeführten Ausländer erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen verfügt habe und keine Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein vorgelegen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer - wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz - unter anderem vor, der erstgenannte Ausländer sei gänzlich unbekannt und von ihm nie beschäftigt worden, hinsichtlich des zweitgenannten Ausländers liege eine Namensverwechslung vor (der bei ihm beschäftigte Saban Hadzic habe eine Arbeitserlaubnis besessen und sei mit Halil Hadzic verwechselt worden), hinsichtlich des drittgenannten Ausländers sei eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden, aus der eine Einschränkung auf einen bestimmten örtlichen Bereich "nicht unbedingt zu entnehmen sei". Die Formulierung sei zu Verwechslungen geeignet, weshalb dem Beschwerdeführer kein Schuldvorwurf für die Beschäftigung dieses Ausländers in einem anderen Arbeitsmarktbereich gemacht werden dürfe.

Die belangte Behörde erließ, ohne eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben, den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung keine Folge gab. Sie änderte den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich der Strafnorm auf § 28 Abs. 1 zweiter Strafsatz des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und fügte den Namen der beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen die jeweilige Staatsangehörigkeit hinzu. In der Begründung des angefochtenen Bescheides befaßte sich die belangte Behörde mit den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, gab eine telefonische Erhebung betreffend der die Planungsarbeiten für das Hotel Klausnerhof durchführenden Firma Geisler und Trimmel, Generalunternehmen für Hochbau (idF: "Firmal Geisler") wieder und kam aufgrund einer Würdigung dieser Beweisergebnisse zum Schluß, daß die beiden erstgenannten Ausländer von der "Nova-Bau" beschäftigt worden seien und daß der Beschwerdeführer hinsichtlich aller drei beschäftigten Ausländer schuldhaft gehandelt habe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde rügt der Beschwerdeführer im wesentlichen, daß im Innenverhältnis der "Nova-Bau" der gewerberechtliche Geschäftsführer für die Beschäftigung von Arbeitskräften "zuständig" sei und der Beschwerdeführer damit nichts zu tun habe, sowie die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes. In diesem Zusammenhang rügt er insbesondere die telefonische Erhebung der belangten Behörde hinsichtlich der "Firma Geisler" sowie die unterlassene Einvernahme des Geschäftsführers dieser Firma zur Frage der Zurechenbarkeit der Beschäftigung der Ausländer an eine der beim Umbau des Hotels Klausnerhof beteiligten Gesellschaften. Diese Vorgangsweise genüge nicht, um von einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren ausgehen zu können bzw. das Vorliegen eines "fair trial" zu bejahen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß nicht der gewerberechtliche Geschäftsführer für die Beschäftigung von Arbeitnehmern strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist, sondern der zur Vertretung nach außen Berufene (§ 9 Abs. 1 VStG), sofern kein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt ist. Der zur Vertretung nach außen Berufene oder der verantwortliche Beauftragte, falls ein solcher bestellt ist, ist nur dann nicht für eine Übertretung der Gesellschaft zu bestrafen, wenn ihm gelingt, mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen. Sollte der Beschwerdeführer mit seinem nunmehrigen Vorbringen - abweichend von seinem Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren, indem er von der Strafbarkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers ausging - jetzt meinen, ihn träfe aufgrund der "Zuständigkeit" des gewerberechtlichen Geschäftsführers im Innenverhältnis kein Verschulden, so ist ihm zu entgegnen, daß er nicht dargelegt hat, daß er Maßnahmen ergriffen habe, um seine pflichtgemäße Sorgfalt bei der Auswahl des von ihm Beauftragten und dessen Überwachung aufzuzeigen.

Die Beschwerde ist jedoch aus einem anderen Grund berechtigt.

§ 51e Abs. 1 VStG lautet:

"Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden."

§ 51e Abs. 2 lautet:

"Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt."

Gemäß § 51e Abs. 3 kann eine Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten.

Diese Gesetzesbestimmung entspricht der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, daß über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage in einem öffentlichen Verfahren zu entscheiden ist.

Im gegenständlichen Fall bestritt der Beschwerdeführer den von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt (hinsichtlich des drittgenannten Ausländers nur in bezug auf jene Sachverhaltsumstände, welche für die Bewertung des Verschuldens des Beschwerdeführers von Bedeutung sind). Ein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung liegt nicht vor.

Die belangte Behörde wäre aufgrund des bestrittenen Sachverhaltes daher verpflichtet gewesen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Da auch im erstinstanzlichen Verfahren von den dort niederschriftlich einvernommenen Ausländern 1.) und 2.) nur angegeben wurde, daß als Arbeitgeber ihnen gegenüber ein "gewisser Franz" aufgetreten sei, der damit möglicherweise gemeinte gewerberechtliche Geschäftsführer Franz Stippler hiezu nicht einvernommen wurde, des weiteren die Meldungsleger nicht niederschriftlich einvernommen wurden, das telefonische Erhebungsergebnis der belangten Behörde hinsichtlich der "Firma Geisler" dem Beschwerdeführer vor Erlassung des gegenständlichen Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht wurde, zeigt der Beschwerdeführer mit der letztlich in der Beschwerde wiederholten Bestreitung des Sachverhaltes die Relevanz des Verfahrensmangels auf, da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996090200.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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