TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 W195 2231994-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W195 2231994-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde des „ XXXX “, alias „ XXXX “, geboren XXXX , StA. XXXX , wohnhaft in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), der sich in der Beschwerde selbst als XXXX bezeichnet, geboren XXXX , StA. XXXX , wendet sich gegen den angeführten Bescheid des BFA vom 10.04.2020.

Mit diesem Bescheid wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in der Höhe von € 726,- verhängt. Begründend wurde dazu folgender Sachverhalt – zusammengefasst – ausgeführt:

Der BF habe am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht und gab an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Angehöriger von XXXX zu sein.

Am 25.08.2016 wurde dem BF mit Bescheid des BFA vom 25.08.2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und erwuchs diese Entscheidung am 28.09.2016 in Rechtskraft.

Aufgrund von Angaben der Ehefrau, welche offenbarte, dass der BF falsche Angaben zu seiner Person tätigte, wurde ein Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet, welches – zusammengefasst - mit Beschluss des BVwG vom 18.06.2019 beendet wurde und der Status des Aslyberechtigten dem BF nicht mehr zukomme.

Da der BF völlig missbräuchlich einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht und vorsätzlich und mutwillig falsche Angaben gemacht habe, habe der BF versucht sich im österreichischen Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel zu erschleichen und das Verfahren zu verschleppen.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Diese Beschwerde, von „ XXXX “ unterfertigt, wendet sich gegen den Bescheid des BFA vom 10.04.2020. Begründet wird dazu ausgeführt, dass der BF „bis dato“ nie straffällig geworden sei und bis auf die Ersteinvernahme beim BFA immer die Wahrheit gesagt habe.

Darüber hinaus sei er im Zeitpunkt der Ersteinvernahme in einer „emotionalen Notlage“ gewesen, weil er vom Schwager erpresst worden sei, bezüglich seiner Person die Identität zu verschleiern.

Darüber hinaus habe bereits ein Strafverfahren beim Landesgericht Feldkirch stattgefunden und wurde dem BF im Rahmen einer Diversion eine Geldstrafe in Höhe von € 720 verhängt, die der BF bereits bezahlt habe. „Wenngleich Verwaltungsrecht und Strafrecht zwei unterschiedliche Bereiche sind, so handelt es sich doch um dieselbe Verfehlung, für die ich bekanntlich bereits bestraft wurde.“

Hinsichtlich des Einkommens offenbarte der BF, dass er monatlich ca 1.500 € verdiene und müsse er davon neben der Miete seines Zimmers auch Alimente für die Kinder in Höhe von € 350,- bestreiten; dazu käme auch noch einstweilig monatlich € 38,- für den Unterhalt seiner Frau.

In Folge der bisherigen Verfahren (einschließlich Rechtsanwaltskosten) habe der BF Schulden in der Höhe von € 4.200,-, die er im Laufe der nächsten Monate abarbeiten müsse.

Das BVwG stellt ergänzend zu dem vorgebrachten Sachverhalt aufgrund des seinerzeit gerichtsanhängigen Verfahrens zu L 502 2217822-2 fest, dass der BF mittlerweile subsidiären Schutz (als Familienangehöriger) mit Erkenntnis des BVwG vom 28.05.2020, L502 2217822-2/3E erhielt.

Im besagten Erkenntnis ist dazu ausgeführt:

„1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet zusammen mit seiner Ehegattin und seinen beiden minderjährigen Kindern am 13.11.2015 – unter Angabe einer falschen Identität - einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag erfolgte dort seine Erstbefragung sowie jene seiner Ehegattin durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

In der Folge wurden die Verfahren zugelassen.

3. Am 19.07.2016 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen.

4. Mit Bescheid des BFA vom 25.08.2016 wurde seinem Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG stattgegeben und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Seiner Ehegattin und den beiden Kindern wurde der Status von Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens zuerkannt.

5. Dem Antrag eines nachgeborenen weiteren Kindes des BF vom 19.09.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 10.11.2016 ebenfalls im Rahmen des Familienverfahrens stattgegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

6. Mit Schreiben der zuständigen Polizeiinspektion vom 09.12.2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass im Zuge von Einvernahmen wegen des Verdachts der schweren Nötigung gegen den BF dessen Ehegattin sowie sein Schwager angegeben hatten, dass der BF unrichtige Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit getätigt habe.

Am 04.01.2018 langte der polizeiliche Abschlussbericht beim BFA ein.

7. Einem urkundetechnischen Untersuchungsbericht vom 06.06.2018 zufolge wurde das vom BF im ersten Verfahrensgang vorgelegte Identitätsdokument als Totalfälschung qualifiziert.

8. Im Gefolge dessen wurde der BF zur beabsichtigten Wiederaufnahme seines Verfahrens am 20.09.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme legte er mehrere Unterlagen als Beweismittel vor.

9. Am 29.10.2018 wurde die Ehegattin des BF als Zeugin einvernommen.

10. Am 20.12.2018 wurde der BF erneut niederschriftlich einvernommen.

11. Mit Bescheid des BFA vom 20.03.2019 wurde das Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 13.11.2015 gemäß § 69 Abs. 1 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.

Ebenso wurden die Verfahren seiner Ehegattin und der drei gemeinsamen Kinder wiederaufgenommen.

12. Gegen diese Bescheide wurde von der Rechtsvertretung seiner Ehegattin und der gemeinsamen Kinder Beschwerde erhoben.

13. Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.06.2019 wurden die Beschwerden des BF, seiner Ehegattin und der gemeinsamen Kinder gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

14. Der BF wurde am 13.01.2020 erneut vor dem BFA zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen.

15. Mit Verfahrensanordnung vom 13.01.2020 wurde ihm der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet mitgeteilt.

16. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 10.04.2020 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 und 5 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI). Es wurde ihm gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG wurde sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet mit 13.01.2020 für verloren erklärt (Spruchpunkt VIII).

17. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 10.04.2020 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

18. Mit Bescheiden des BFA vom 10.04.2020 wurde der Ehegattin und den minderjährigen Kindern des BF der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Deren Anträge auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten wurden gemäß $ 3 AsylG abgewiesen, wogegen sie fristgerecht Beschwerde erhoben.

19. Mit Bescheid des BFA vom 10.04.2020 wurde gegen den BF gemäß § 35 AVG eine Mutwillensstrafe verhängt.

20. Gegen den ihm am 15.04.2020 zugestellten und im Spruch genannten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertretung vom 28.04.2020 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

21. Mit 04.05.2020 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

22. Mit Beschluss des BVwG vom 14.05.2020 wurde der Beschwerde des BF gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

23. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Zentralen Fremden-, des Melde- sowie des Strafregisters.“

Festgestellt wurde dazu im Erkenntnis:

„1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.

1.2. Die genaue Identität des BF steht nicht fest. Er ist XXXX Staatsangehöriger und gehört der XXXX Volksgruppe an. Seine Religionszugehörigkeit steht nicht fest. Er ist seit 2011 mit seiner Ehegattin, einer syrischen Staatsangehörigen, verheiratet. Aus dieser Ehe stammen drei minderjährige Kinder.

Er wurde in XXXX geboren, ist dort aufgewachsen und hat für insgesamt 7 Jahre die Schule besucht. Er lebte die letzten Jahre vor seiner Ausreise XXXX . Er war in der XXXX als Dekorateur und Bauarbeiter erwerbstätig.

Er hat die XXXX spätestens im November 2015 verlassen und reiste in der Folge unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

Er lebt aktuell nicht im gemeinsamen Haushalt mit seinen Angehörigen.

In der XXXX leben noch die Mutter, ein Bruder, eine Schwester sowie mehrere Onkel, Tanten und Cousins des BF. Sein Vater ist bereits verstorben. Seine Mutter lebt bei seinem Bruder in XXXX . Seine Schwester lebt in XXXX . Er steht mit seinen dortigen Angehörigen in regelmäßigem Kontakt.

Er litt an einem Lipom im Bereich des rechten Schulterblattes, das operativ entfernt wurde, an einer Anpassungsstörung bzw. einer mittelgradigen depressiven Episode. Er ist wegen psychischer Probleme in ärztlicher Behandlung, nimmt aktuell aber keine Medikamente ein. Im Übrigen ist er gesund und arbeitsfähig.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Er täuschte die belangte Behörde während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz zunächst über seine wahre Identität und seine wahre Staatsangehörigkeit, indem er sich unter Verwendung eines gefälschten XXXX Identitätsdokumentes als XXXX Staatsangehöriger ausgab. Ihm wurde aufgrund dieser Angaben zunächst der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Nach Bekanntwerden dieser Täuschung wurde sein Verfahren vom BFA wiederaufgenommen und ihm im zweiten Verfahrensgang weder der Status des Asyl- noch jener des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

1.3. Er hat seinen Herkunftsstaat, die XXXX , nicht aufgrund individueller Verfolgung durch XXXX Staatsorgane oder Mitglieder der XXXX verlassen und ist auch bei einer Rückkehr in die XXXX nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt. Er ist kein Mitglied der XXXX und auch nicht als Unterstützer der XXXX bei den Sicherheitsbehörden seines Herkunftsstaates bekannt.

1.4. Er ist bei einer Rückkehr in die XXXX auch aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor. Er leidet unter keinen gravierenden Erkrankungen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte unter falschem Namen, falscher Identität und falscher Staatsangehörigkeit einen Antrag auf internationalen Schutz, welchem in weiterer Folge gegeben worden war.

Der BF hat vorsätzlich und mutwillig österreichische Behörden und Gerichte durch falsche Angaben sowie in der Absicht einer Verfahrensverschleppung, um dadurch eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu erlangen, behindert und in Anspruch genommen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere den Bescheid und den diesen zugrunde liegenden Akteninhalte hinsichtlich der Verhängung der Mutwillensstrafe des BFA vom 24.02.2020 sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das BVwG vom 16.03.2020. Darüber hinaus konnte der im Erkenntnis des BVwG vom 28.05.2020 festgestellte Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Der Sachverhalt ist letztlich unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.

Es liegen keine Gründe vor an der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse, insbesondere an dem vom BFA im angefochtenen Bescheid zusammengefassten Sachverhalt, welchem der BF inhaltlich auch in der Beschwerde nicht entgegentreten ist, Zweifel zu erheben.

Der Beschwerdeführer bediente sich wiederholt falscher Identität.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

„Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann – außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde – auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) „Person“, welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Insgesamt hat der BF ungerechtfertigte Anträge, welche mittlerweile rechtskräftig beschieden wurden, eingebracht.

Der Beschwerdeführer wies sich unter falschem Namen und Herkunftsstaat vor den österreichischen Behörden aus und ließ österreichische Behörden im falschen Glauben, dass er rechtmäßig die syrische Staatsbürgerschaft besitze.

Die Rechtfertigung des BF in der Beschwerde, dass er „bis auf die Ersteinvernahme beim BFA immer die Wahrheit ausgesagt hat“, ist nachweisbar falsch, hat doch der BF bis zum Zeitpunkt der Einvernahme zum Wiederaufnahmeverfahren am 20.12.2020 diese Unwahrheit gegenüber der Behörde vertreten und erst dann fallen gelassen, als er mit den zwischenzeitlichen Erhebungen konfrontiert wurde. Mit dieser Begründung in der Beschwerde setzt der BF sein Verhalten der Angabe von unrichtigen Aussagen ungeniert fort.

Die weitere Begründung in der Beschwerde, dass der BF sich in einer emotionalen Notlage befunden hätte, weil er von seinem Schwager erpresst worden sei, hat bereits das BVwG im Erkenntnis vom 28.05.2020 damit beantwortet, dass „der BF im Falle tatsächlicher Drohungen von Familienmitgliedern seiner Ehegattin den Schutz der österreichischen Sicherheitskräfte in Anspruch nehmen und ausreichend Gelegenheit gehabt habe, um seine ursprünglichen Angaben richtig zu stellen“. Stattdessen wählte der BF den Weg die österreichischen Behörden zu belügen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des BF, dass er bereits im Rahmen einer Diversion eine Geldstrafe in der Höhe von € 720,- verhängt worden sei, die er bezahlt habe, und deshalb er nicht zweimal für die gleiche Tat bestraft werden dürfe, sei festgehalten, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ (nicht zweimal für eine Straftat bestraft zu werden) grundsätzlich seine Richtigkeit hat.

Der BF übersieht jedoch, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die Verhängung einer „Mutwillenstrafe“ iSd § 35 AVG keine „Verwaltungsstrafe“ nach dem VStG ist und auch nicht dem Verwaltungsstrafrecht zugezählt wird. Darüber hinaus verkennt der BF, dass auch eine „Diversion“ keine „Strafe“ iSd StGB darstellt; somit ist der BF für seine falschen Äußerungen vor dem BFA nicht doppelt bestraft worden, eine „Doppelbestrafung“ liegt nicht vor.

Richtig ist hingegen, dass die Einkommenssituation des BF im in Beschwerde gezogenen Erkenntnis nicht berücksichtigt wurde. Auch wenn, wie oben ausgeführt, die Mutwillensstrafe nicht dem VStG unterliegt, sind Grundsätze eines Strafverfahrens anzuwenden; einer dieser Grundsätze ist zweifelsohne, dass die zu leistende Zahlung dem Vermögen des BF angepasst sein sollte und zugleich die Schwere der Verfehlung entsprechend zu berücksichtigen ist. Dabei ist sowohl die Spezialprävention als auch die Generalprävention zu betrachten.

Der BF hat nach seinen Angaben, an denen zu Zweifeln das BVwG keinen besonderen Grund sehen würde, ein Einkommen von ca € 1.500,- monatlich (netto) und zahlt neben der Miete seines Zimmers davon auch Alimente für seine Kinder in Höhe von € 350,- sowie Unterhalt an seine Frau in Höhe von € 35,-. Darüber hinaus habe er Schulden für Rechtsanwaltskosten von € 4.200,- , die er in den nächsten Monaten abarbeiten müsse.

Das BVwG geht davon aus, dass die Höhe der Diversion von € 720,-, welche der BF bereit war zu entrichten, und die der BF ja auch mittlerweile gezahlt hat, seinen finanziellen Möglichkeiten angepasst war und den BF offensichtlich auch nicht in der Existenz gefährdete. Es ist somit bei der Bemessung einer Mutwillensstrafe in Höhe von € 726,- keine existenzgefährdende Höhe erreicht.

Das BVwG verkennt nicht, dass die maximale Ausschöpfung des Rahmens für Mutwillenssstrafen im angefochtenen Bescheid nicht mit general- und spezialpräventiven Aspekten begründet wurde. Letztlich muss man jedoch der belangten Behörde zugestehen, dass der BF absichtlich und vorsätzlich ein Verhalten setzte, welches einer Mutwillensstrafe zugänglich ist. Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Gegenständlich liegt die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers darin begründet, dass er – unter Anführung eines falschen Namens - angab Staatbürger von XXXX zu sein, sich in Folge von zusätzlichen aufwändigen Recherchen jedoch die XXXX als Herkunftsland erwies.

Damit behelligte der BF mit falschen Angaben zu seinen Anträgen sowohl das BFA vorsätzlich und mutwillig.

Die Mutwilligkeit ist darin zu sehen, dass der BF sich im Bewusstsein der Unrichtigkeit mit einem falschen Namen und Herkunftsstaat auswies. Die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. die Zweck- und die Nutzlosigkeit seiner dergestalt behaupteten Identität war dem BF jedenfalls bewusst und die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg, nämlich als Asylsuchender Schutz zu erhalten, zu erreichen, war für jedermann erkennbar.

Abgesehen von der Mutwilligkeit seines prozessualen Verhaltens kann dem BF darüber hinaus eine Verschleppung des Asylverfahrens bzw. der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides zur Last gelegt werden, da er ganz offenkundig auch bezweckte, die Behörden und Gerichte bei der weiteren Bearbeitung der abweisenden Asylentscheidungen in die Irre zu leiten bzw. weitere Schritte in Gang zu setzen.

In Zusammenschau der chronologischen Hergänge bleibt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung, als einen illegalen Aufenthalt in Österreich bzw. in der Europäischen Union zu prolongieren und kommt gerade in dieser Konstellation die Verhängung der Mutwillensstrafe im „Ausnahmefall“ in Betracht.

Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG grundsätzlich gegeben, da der BF die Behörde offenbar mutwillig beschäftigte sowie in Absicht der Verfahrensverschleppung unrichtige Angaben gemacht hat.

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von EUR 726,00 derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/12/0411; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 6).

Das BVwG sieht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von mehreren Jahren gesetzten Täuschungshandlungen des BF, keine Veranlassung die vom BFA festgesetzte Strafhöhe zu reduzieren. Der Beschwerdeführer lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung, selbst in der Beschwerde vom BF, der darin teilweise wiederum falsche Angaben verwendete, vermissen. Angesichts des schweren Fehlverhaltens kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der geforderten präventiven Wirkung der verhängten Mutwillensstrafe, die Höhe der Strafe und das gesetzte Verhalten in entsprechender Relation stehen. Aber auch der Generalprävention muss Rechnung getragen werden, denn die Verwendung eines falschen Namens und eines falschen Herkunftslandes im Asylverfahren führt bei einer verbreiteten Anwendung zur unvernünftigen Ergebnissen, die denjenigen Schutz gewährt, welche die Behörden mit falschen Angaben beschäftigen.

Schließlich ist zu Lasten des Beschwerdeführers der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer beanspruchte finanzielle als auch personelle Ressourcen der Behörden und Gerichte in einem unerhörten Ausmaß, gemessen an seinem persönlichen Interesse. Der BF hat die Republik Österreich bewusst und vorsätzlich durch falsche Anträge unter falschen Identitäten geschädigt.

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich die Inanspruchnahme von Behörden- und Gerichtskapazitäten durch das mutwillige Verhalten des BF zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen keine hervor, die derzeitige finanzielle Situation wurde bereits oben relativiert.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des Beschwerdeführers bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass – nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG – § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der vom BF nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde.

Der BF hat eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Diversion falsche Angaben illegaler Aufenthalt Mutwillen Mutwillensstrafe Täuschung unrichtige Angaben Verwaltungsstrafverfahren Voraussetzungen VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2231994.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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