Entscheidungsdatum
03.07.2020Norm
BFA-VG §34 Abs3 Z3Spruch
W154 2232321-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. VELIBEYOGLU, gegen die Abschiebung am 25.6.2020 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGVG nicht stattgegeben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei und stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.5.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 19.9.2019, Zl. 1230546601-190511783/BMI-BFA_STM_AST_01, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Z. 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, von 20.5.2019 bis 22.5.2019 in einer näher genannten Unterkunft Quartier zu nehmen.
Die gegen diesen Bescheid vollinhaltlich erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ L529 2224666-1/4E, als unbegründet abgewiesen.
Dieses Erkenntnis erwuchs mit 29.11.2019 in Rechtskraft, die Frist für die freiwillige Ausreise endete am 13.12.2019.
2. Am 24.2.2020 wurde der Beschwerdeführer vom zuständigen Bezirksgericht wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften nach § 117 Abs. 4 FPG verurteilt.
3. Am 12.3.2020 leitete das Bundesamt wegen der Missachtung seiner Ausreiseverpflichtung gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein.
4. Am 22.6.2020 erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG (geplante Anordnung der Abschiebung), in welchem auf die gegen den Beschwerdeführer erlassene rechtskräftige Rückkehrentscheidung Bezug genommen wurde.
5. Auf Basis dieses Festnahmeauftrages wurde der Beschwerdeführer am 23.6.2020 festgenommen, ihm die Information über die bevorstehende Abschiebung samt Übersetzung ausgehändigt und der Beschwerdeführer um 8:30 Uhr in das Polizeianhaltezentrum überstellt, wo ihm die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot) unter der Einräumung einer Möglichkeit zur Stellungnahme übergeben wurde.
6. Am 23.6.2020 stellte der Beschwerdeführer um 16:53 Uhr einen Folgeantrag, woraufhin ihm der Aktenvermerk gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG (Aufrechterhaltung der Anhaltung) samt Übersetzung übergeben und von ihm unterschrieben wurde.
7. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.6.2020 gab der Beschwerdeführer aufgefordert, umfassend und detailliert sämtliche Gründe für seine neuerliche Asylantragsstellung zu erläutern und nunmehr alle zur Verfügung stehenden neuen Bescheinigungsmittel vorzulegen, an, seine alten Fluchtgründe seien weiterhin aufrecht und er habe keinen neuen Asylgründe.
8. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 24.6.2020 wurde festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 2 AsylG nicht vorliegt und dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutzes gemäß § 12 AsylG nicht zuerkannt. Dieser Mandatsbescheid wurde vom Beschwerdeführer am selben Tag nachweislich übernommen.
9. Am 24.6.2020, um 17:13 Uhr, langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde gegen die Abschiebung am 25.6.2020 ein.
Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, im Zuge der Überstellung des Beschwerdeführers in das Polizeianhaltezentrum am 23.6.2020 sei diesem ein Zettel zur Unterschrift vorgelegt worden, wobei jedoch kein Dolmetscher anwesend gewesen wäre, weshalb der Beschwerdeführer nicht gewusst hätte, was er unterschreibe. Aus diesem Grund könne die Unterschrift als nicht gültig angesehen werden.
Der Beschwerdeführer sei Kurde, sein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen. Das Verfahren zu seinem am 24.6.2020 gestellten Folgeantrag sei jedoch noch offen.
Gegen die am 25.6.2020 geplante Abschiebung richte sich die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde. Der Beschwerdeführer habe keine behördlichen Maßnahmen vereitelt und immer am Verfahren mitgewirkt.
Da die AKP, welche Kurden in keiner Weise unterstütze, die Stadtverwaltung in seinem Heimatort innehabe, habe der Beschwerdeführer begonnen, mit der HDP-Partei zu sympathisieren und deren Mitglied zu werden. Auch sei er auf diversen sozialen Medien aktiv gewesen. Alle diese Punkte legten nahe, dass gegen ihn im Falle seiner Rückkehr ein Strafverfahren eingeleitet und er sogar inhaftiert werde. Überdies sei es verwunderlich, dass trotz der höchsten Sicherheitsstufe 6 wegen der Covid-19 Pandemie Abschiebungen in die Türkei durchgeführt würden.
Beantragt wurde, nach mündlicher Verhandlung die Abschiebung für rechtswidrig zu erklären sowie der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen. Ebenso wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
10. Am 25.6.2020 wurde der Beschwerdeführer um 16:19 Uhr über den Luftweg in die Türkei abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 19.9.2019, Zl. 1230546601-190511783/BMI-BFA_STM_AST_01, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Z. 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Die gegen diesen Bescheid vollinhaltlich erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2019, GZ L529 2224666-1/4E, als unbegründet abgewiesen.
Dieses Erkenntnis erwuchs mit 29.11.2019 in Rechtskraft, die Frist für die freiwillige Ausreise endete am 13.12.2019. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Im Rahmen seiner Festnahme am 23.6.2020 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer die Information über die bevorstehende Abschiebung samt Übersetzung nachweislich gegen Unterschrift ausgefolgt.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer im Stande der Verwaltungsverwahrungshaft gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG am Tag vor der geplanten Abschiebung einen Folgeantrag. Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers ausdrücklich, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Seine alten Asylgründe blieben aufrecht.
Sowohl der Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Anhaltung gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG als auch der Mandatsbescheid darüber, dass dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt wird, enthielten entsprechende Sprachmodule und wurden nachweislich vom Beschwerdeführer übernommen.
Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden jungen Mann, der nicht in die Covid-19 Risikogruppe fällt:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).
Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des Beschwerdeführers in die Türkei vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
Die Feststellung zum Corona-Virus basiert zudem auf der dort angegebenen Quelle.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Zu A)
3.2. Zu Spruchpunkt I.:
Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Abschiebung:
Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind.
Gemäß § 13 Abs. 1 FPG dürfen die Landespolizeidirektionen und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Erfüllung der ihnen nach dem 3. bis 6. und 12. bis 15. Hauptstück übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in Rechte einer Person eingreifen.
Gemäß Abs. 2 leg cit. dürfen sie in die Rechte einer Person bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere gelindere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht. Erweist sich ein Eingriff in die Rechte von Personen als erforderlich, so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlass und zum angestrebten Erfolg wahrt. Die Art. 2, 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 sind in jedem Stadium einer fremdenpolizeilichen Amtshandlung besonders zu beachten.
Gemäß Abs. 3 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, die ihnen nach dem 3. bis 6. und 12. bis 15. Hauptstück eingeräumten Befugnisse und Aufträge der Landespolizeidirektionen sowie die ihnen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück eingeräumten Befugnisse und Aufträge des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist dem Betroffenen anzudrohen und anzukündigen. Sie haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.
§ 12 Abs. 1 AsylG lautet:
„§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.“
§ 12a AsylG lautet auszugsweise:
[…]
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
[…]“
Im konkreten Fall bedeutet dies:
Zum Zeitpunkt der Abschiebung bestand gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers war seit ca. sechs Monaten ungenützt verstrichen. Somit waren die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG erfüllt.
Im Rahmen seiner Festnahme am 23.6.2020 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer die Information über die bevorstehende Abschiebung samt Übersetzung nachweislich gegen Unterschrift ausgefolgt.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer im Stande der Verwaltungsverwahrungshaft gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG am Tag vor der ihm somit bekannten geplanten Abschiebung einen Folgeantrag.
Da – wie oben ausgeführt – auch eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden war, sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 3 Z 1, 2 und 3 c) AsylG gegeben.
Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers ausdrücklich, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Seine alten Asylgründe blieben aufrecht.
Wie die belangte Behörde in ihrem Mandatsbescheid vom 14.6.2020 ausgeführt hat, liegt die Voraussetzung des Abs. 4 Z 2 leg. cit nicht vor, der faktische Abschiebeschutz wurde dem Beschwerdeführer zu Recht nicht zuerkannt.
Sowohl der Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Anhaltung gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG als auch der Mandatsbescheid darüber, dass dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz nach § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt wird, enthielten entsprechende Sprachmodule und wurden nachweislich vom Beschwerdeführer übernommen.
Wie ausgeführt begegnet die Abschiebung des Beschwerdeführers auch im Hinblick auf die Covid-19 Pandemie keinen Bedenken.
Die Verwaltungsbehörde hatte daher die Abschiebung zu Recht vorgenommen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):
Der Beschwerdeführer begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandsersatzverordnung. Als unterlegener Partei war sein Antrag gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abzuweisen.
Die belangte Behörde hatte keinen Kostenzuspruch beantragt.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Festnahme Festnahmeauftrag Kostenersatz Mandatsbescheid Pandemie RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2232321.1.00Im RIS seit
10.12.2020Zuletzt aktualisiert am
10.12.2020