Entscheidungsdatum
27.07.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2193284-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 16.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. und VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 15.08.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 15.08.2016 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, sie hätten viele Jahre im Iran gelebt. Da sie keine Dokumente gehabt hätten, seien sie nach Afghanistan zurückgegangen. Dort herrsche Krieg und es sei unsicher. Deshalb hätten sie erneut in den Iran reisen müssen und hätten dort nicht bleiben können, weil sie keine Dokumente gehabt hätten.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.03.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Vater habe in XXXX und XXXX Grundstücke gehabt, über die es eine Feindschaft gegeben habe. Diese habe schon der Großvater geführt. Deshalb sei die Familie schon vor der Geburt des Beschwerdeführers nach Daikundi gegangen. Wegen der allgemeinen Sicherheitslage sei die Familie als der Beschwerdeführer etwa sieben Jahre alt gewesen sei in den Iran ausgereist. Der Bruder und der Onkel des Beschwerdeführers seien zwischen Ghazni und Kandahar getötet worden, sie seien aus dem Autobus geholt und dann getötet worden.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.03.2018, zugestellt am 21.03.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aus den Gründen, die den Vater damals bewogen hätten, Afghanistan zu verlassen, keine persönliche Verfolgungsgefahr ableitbar sei. Die Grundstücksstreitigkeiten würden bereits 25 Jahre zurückliegen und habe der Beschwerdeführer diese nur vage und oberflächlich beschrieben. Die Darstellung des Ablebens von Bruder und Onkel sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer könne sich in Kabul oder einer anderen Großstadt niederlassen.
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018 richtet sich die am 17.04.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dem Beschwerdeführer drohe wegen der Grundstücksstreitigkeiten des Vaters Verfolgung. Außerdem seien der Beschwerdeführer und seine Familie nach der Entführung und Ermordung von Bruder und Onkel geflüchtet, weil sie Verfolgung von radikal islamistischen Gruppierungen aufgrund der möglichen Unterstellung einer feindlichen oppositionellen Gesinnung fürchten würden. Dem Beschwerdeführer würde auch wegen seines Aufenthaltes in Europa von radikal islamistischen Gruppierungen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und er deshalb verfolgt. Der Beschwerdeführer habe sich im Iran und in Europa eine sehr westliche Gesinnung angeeignet und drohe ihm schon deshalb Verfolgung. Afghanische Kultur und Gesellschaft seien dem Beschwerdeführer fremd. Angehörige der ethnischen Minderheit der Hazara würden verfolgt. Die Sicherheitslage sei schlecht. Ein soziales Netzwerk am Ort der Ansiedelung sei notwendig.
Mit Verbesserungsauftrag vom 21.06.2018 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, sein Beschwerdebegehren (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) hinsichtlich der Spruchpunkte V. und VI. sowie die Beschwerdegründe (§ 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG) hinsichtlich der Spruchpunkt III., V. und VI. innerhalb von zwei Wochen nachzuholen, bei Nichtbefolgung, nicht vollständiger oder nicht fristgerechter Befolgung des Auftrages werde die Beschwerde im Umfang dieser Spruchpunkte zurückgewiesen.
Am 25.06.2018 tätigte der Beschwerdeführer „zu Spruchpunkt III-VI“ unter der Überschrift „Verbesserungsauftrag“ Ausführungen zu seinen Integrationsbemühungen sowie dazu, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und verwies im Übrigen auf den Inhalt der Beschwerde.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
Mit Schreiben vom 08.11.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme eines im Akt namentlich genannten Zeugen zum Beweis der außerordentlich guten Integration des Beschwerdeführers in Österreich.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 11.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, ein im Akt namentlich genannter Zeuge und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari/Farsi teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen im Wesentlichen aufrecht.
Mit Schreiben vom 17.06.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Am 02.07.2020 langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Urkunden für Sportveranstaltungen
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote
? Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs
? Bestätigungen des ÖRK-Suchdienstes
? Mehrere Empfehlungsschreiben
? „Activity Pass“
? Diverse Fotos
? Iranische Aufenthaltskarte
? Iranische Heiratsurkunde
? Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Vater und Großvater des Beschwerdeführers stammen aus der Provinz Ghazni, Distrikt XXXX . Die Familie zog jedoch vor der Geburt des Beschwerdeführers nach Daikundi, Distrikt Miramor um, wo der Beschwerdeführer geboren wurde. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete dort als Landarbeiter. Etwa im Jahr 1994 reiste der Beschwerdeführer mit seiner Familie in den Iran aus.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan und dem Iran etwa drei Jahre eine Koranschule besucht. Ab seinem elften Lebensjahr arbeitete er im Iran als Hilfsarbeiter auf Baustellen.
Der Beschwerdeführer heiratete im Jahr 2008 im Iran, er hat mit seiner Frau eine Tochter und einen Sohn.
Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2015 vom Iran nach Afghanistan abgeschoben und kehrte nach etwa zwei Monaten wieder in den Iran zurück.
Die Eltern des Beschwerdeführers, vier Brüder und eine Schwester leben im Iran. Die Brüder des Beschwerdeführers arbeiten als Hilfsarbeiter auf Baustellen. Eine weitere Schwester des Beschwerdeführers lebt in Pakistan. Ein Onkel väterlicherseits und der fünfte Bruder des Beschwerdeführers sind verstorben. Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers sind unbekannten Aufenthaltes, der Beschwerdeführer hat sie nach gemeinsamer Ausreise auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland verloren und konnte den Kontakt seither nicht wiederherstellen. Zu den im Iran aufhältigen Angehörigen besteht Kontakt.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Gründe für den Umzug der Eltern des Beschwerdeführers von Ghazni nach Daikundi können nicht festgestellt werden. Die Ausreise im Jahr 1994 in den Iran erfolgte wegen des Krieges in Afghanistan.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe wegen Grundstücksstreitigkeiten oder Feindschaften seines Vaters oder Großvaters drohen, wird nicht festgestellt. Dass dem Beschwerdeführer Übergriffe durch die Taliban drohen, wird ebenso nicht festgestellt.
Die Gründe für die Entführung des Onkels und des Bruders des Beschwerdeführers aus einem Autobus auf der Strecke Kandahar–Ghazni und anschließende Ermordung können nicht festgestellt werden. Dass dem Beschwerdeführer deshalb Übergriffe drohen, ist nicht zu erwarten.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe oder Misshandlungen durch Privatpersonen oder afghanische Behörden, weil ihm eine „westliche Gesinnung“ unterstellt würde bzw. weil er sich eine solche während seines Aufenthaltes in Europa und dem Iran angeeignet hätte.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe oder Misshandlungen durch Privatpersonen oder die afghanischen Behörden drohen, weil er zur Volksgruppe der Hazara gehört und sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt, ist nicht zu erwarten.
1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Kabul, Herat und Balkh zählen zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Teilen Afghanistans. Die Krankheit breitet sich im ganzen Land aus. Zur Bekämpfung des Virus wurden landesweit Sperrmaßnahmen verhängt. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen, die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind eingeschränkt, Hotels, Teehäuser und ähnliche Einrichtungen sind ebenso geschlossen. Öffentliche Verkehrsmittel, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Es ist mit schwerwiegenden Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen seiner Bevölkerung zu rechnen. Insbesondere Menschen, die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind, sind betroffen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen, unter anderem die COVID-19-Beschränkungen behindern den landwirtschaftlichen Anbau.
Die Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan war bereits zuvor schlecht. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Armutsrate und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptschlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der Wirtschaftsleistung ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es – abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung – nicht.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Ihm wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, Fuß zu fassen. Er liefe Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seiner Muttersprache beruhen auf den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers, die auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte. Zum festgestellten Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass zwar im Zuge der Erstbefragung am 15.08.2016 der XXXX als Geburtsdatum protokolliert wurde, der Beschwerdeführer hat jedoch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 12.03.2018 angegebene, am XXXX (= XXXX ; AS 62) geboren worden zu sein und geht dieses Datum auch aus der in Vorlage gebrachten Kopie der iranischen Flüchtlingskarte hervor (AS 63, 115). Insbesondere sind keinerlei Gründe ersichtlich, dass der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum „falsch“ korrigieren sollte und wäre für den Beschwerdeführer daraus auch nichts gewonnen. Das Bundesverwaltungsgericht folgt daher den Angaben des Beschwerdeführers.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat und im Iran und der Reisebewegungen seiner Familie beruhen auf den im Wesentlichen gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens, die auch die belangte Behörde nicht in Zweifel zog.
Dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat, hat der Beschwerdeführer ebenso gleichbleibend angegeben und auch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.03.2018 eine Kopie seiner Heiratsurkunde in Vorlage gebracht. Zweifel. Auch die belangte Behörde stellte dementsprechend fest, dass der Beschwerdeführer verheiratet ist und zwei Kinder hat.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers (AS 66, OZ 11, S. 4). Im Hinblick auf den Tod von Onkel und Bruder wird zudem auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen. Dass der Beschwerdeführer Ehefrau und Kinder auf der Flucht verloren hat und seither im Wesentlichen keinen Kontakt hat, hat der Beschwerdeführer bereits im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.03.2018 lebendig beschrieben (AS 65) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nochmals im Wesentlichen gleichlautende Angaben gemacht (OZ 11, S. 4). Zudem hat der Beschwerdeführer zum Verbleib seiner Familie eine Bestätigung des Roten Kreuzes darüber vorgelegt, dass er bereits im Jahr 2017 einen Suchantrag gestellt hat (Beilage zu OZ 11). Dass zu den im Iran aufhältigen Angehörigen Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.03.2018 angegeben (AS 66) und seither kein anderslautendes Vorbringen erstattet.
Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf seinen plausiblen Angaben sowie auf den dazu vorgelegten Bestätigungen.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Zu den Gründen für den Umzug der Familie nach Daikundi gibt der Beschwerdeführer zwar im Lauf des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibend an, dass wegen einer aus einer Grundstücksstreitigkeit resultierenden Feindschaft erfolgte (AS 65, 67, OZ 11, S. 4). Der Beschwerdeführer macht hierzu jedoch lediglich vage und oberflächliche Angaben, die die Feststellung konkreter Ereignisse nicht zulassen, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich den diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, denen zufolge der Beschwerdeführer die Bedrohung nicht konkret beschreiben habe können, anschließt.
Zwar ergibt sich etwa aus den vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.06.2018 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass Blutfehden – in erster Linie eine im paschtunischen Gewohnheitsrecht verwurzelte Tradition der Paschtunen – unter anderem durch Morde oder ungelöste Streitigkeiten um Land ausgelöst werden können und zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Eine Blutfehde müsse mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 14. In Blutfehden verwickelte Personen, S. 110-112). Die ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom vom 17.06.2018 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) berichtet, dass Grundstücksstreitigkeiten in Afghanistan unter allen ethnischen Gruppen verbreitet sind, schnell eskalieren und zu Blutfehden führen können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 18. Individuals involved in blood feuds and land disputes, S. 71-73).
Der Beschwerdeführer liefert jedoch in seinen Angaben keine konsistenten und näheren Anhaltspunkte im Hinblick auf eine aktuelle Involvierung seiner Person in eine aus Grundstücksstreitigkeiten resultierende Blutfehde (bzw. „Feindschaft“). So gibt er lediglich wiederholt an, die Familie habe wegen Grundstücksstreitigkeiten nach Daikundi umziehen müssen und dass eines Tages im Zuge einer Auseinandersetzung ein Mensch getötet worden sei. Sie würden den Mörder nicht kennen, der Vater sei jedoch des Mordes bezichtigt worden (AS 67).
Nun ergibt sich zwar aus dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.06.2020 in das Verfahren eingebrachten EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt gegen Individuen aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Normen von Dezember 2017, dass es allenfalls nicht möglich sei, einer Blutfehde durch einen Umzug zuverlässig zu entgehen und eine jederzeitige Konfrontation mit dem Problem stattfinden könne. Hierfür seien die jeweiligen Umstände, die Ressourcen und Verbindungen der betroffenen Person, die Intensität der Fehde sowie die Macht und der Einfluss der anderen Parteien ausschlaggebend (7.7.4 Umzug oder Flucht in eine andere Gegend oder in ein Ballungsgebiet wie Kabul, S. 102-103). Nun hat aber der Beschwerdeführer selbst angegeben, die Feindschaft sei bereits vor seiner Geburt entstanden (AS 67) und schildert auch selbst, dass die Familie sich der Feindschaft durch einen Umzug nach Daikundi zunächst über Jahre erfolgreich entzogen haben soll. So erfolgte auch die Ausreise der Familie in den Iran erst Jahre nach der Geburt des Beschwerdeführers und wird vom Beschwerdeführer mit der allgemein schlechten Lage und damit, dass überall Taliban gewesen seien, begründet (AS 65). Die vom Beschwerdeführer selbst geschilderten Umstände lassen damit vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht annehmen, dass die Behauptung des Beschwerdeführers, „Diese Menschen haben Spione überall.“ (AS 68) und „Das sind Leute mit sehr viel Macht.“ (AS 68) zutreffen. Das vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohungsszenario erweist damit vor dem Hintergrund der Reisebewegungen der Familie als inkonsistent.
Zudem stellt der Beschwerdeführer etwa im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.03.2018 zunächst dar, sein Onkel und sein Bruder seien aufgrund der Feindschaft getötet worden (AS 67), relativiert jedoch auch, es sei nicht gesagt, dass es diese Leute gewesen seien. Es könne auch eine andere Gruppierung sein (AS 68). Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gibt der Beschwerdeführer zu Entführung und Ermordung von Bruder und Onkel lediglich an, diese seien mit dem Bus von Kandahar nach Ghazni unterwegs gewesen und sei dieser angehalten und die Insassen mitgenommen worden. Nach einem Monat hätten sie erfahren, dass all diese Leute getötet wurden (OZ 11, S. 5). Zwar ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Schreiben vom 17.06.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 dass es an der Autobahn in Ghazni bereits 2013 verstärkt zu Angriffen Aufständischer kam, aus dem Bericht ergibt sich insgesamt, dass insbesondere die Autobahn zwischen Kandahar und Kabul, an der auch Ghazni liegt, sehr gefährlich ist. Die Taliban würden an strategischen Punkten entlang der Autobahn Checkpoints errichten, Identitäten kontrollieren und Personen festnehmen und exekutieren (Kapitel 1.6 Mobility, S. 64-65). Damit ist grundsätzlich plausibel, dass Bruder und Onkel aus dem Autobus entführt und ermordet wurden und hat das Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende Feststellung getroffen. Einen Zusammenhang mit allfälligen Feindschaften oder mit seiner Person stellt der Beschwerdeführer jedoch nicht nachvollziehbar und konsistent dar.
Auch vermag der Beschwerdeführer nicht konsistent darzustellen, an welchem Ort sich die ins Treffen geführten Streitigkeiten nun aus welchen Gründen mit welchen Personen konkret zugetragen haben sollen. So schildert er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.03.2018, es gebe in XXXX und XXXX Grundstücke, über die schon der Großvater eine Feindschaft geführt habe. Eines Tages sei bei einer Auseinandersetzung ein Mensch getötet worden, sie würden den Mörder nicht kennen und sei der Vater des Mordes bezichtigt worden und deshalb in Richtung Daikundi gezogen. Es seien zwei Menschen beteiligt gewesen, einer sei ein weitschichtiger Verwandter des Großvaters gewesen und einer anderer Paschtune (AS 67). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schildert der Beschwerdeführer sodann, die Grundstücke in XXXX wären von Paschtunen in Besitz genommen worden und in XXXX hätten sie Probleme mit dem Cousin des Großvaters bekommen, wobei auch Erwähnung findet, dass „es im Wohngebiet zu einem Mord gekommen“ sei, für den Vater und Großvater verantwortlich gemacht worden seien (OZ 11, S. 4). Hieraus ergibt sich jedoch kein konkreter Handlungsablauf.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der Beschwerdeführer seiner Erzählung zufolge im Zeitpunkt der behaupteten Entstehung der Feindschaft noch nicht geboren und im Ausreisezeitpunkt noch ein Kind war und dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit einer besonders sorgfältigen Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen bedarf und insbesondere die Dichte des Vorbringens nicht mit „normalen Maßstäben“ gemessen werden darf. Es müsse darauf Bedacht genommen werden, aus welchem Blickwinkel die Schilderung der Fluchtgeschichte erfolge und bedürfe es einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150). Der Beschwerdeführer schildert jedoch nicht selbst erlebte Ereignisse, sondern welche, die ihm selbst lediglich erzählt wurden, weswegen ein spezifischer Erlebens-Blickwinkel eines Kindes gegenständlich nicht zu berücksichtigen ist. Zudem beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die allgemeine Behauptung einer Verfolgungssituation, die zwar in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar ist, stellt jedoch keinen konkreten Handlungsablauf dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss das Vorbringen eines Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entferne Möglichkeit von Verfolgung glaubhaft zu machen, allerdings eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung grundsätzlich nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).
Zudem ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer im Kontakt mit seinem Vater steht und so von diesem genauere Umstände in Erfahrung hätte bringen können. Dass der Beschwerdeführer dies nicht getan hat, weist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – auch die belangte Behörde führt dies bereits beweiswürdigend ins Treffen (AS 307) – darauf hin, dass der Beschwerdeführer keine aktuellen Umstände beschreibt, dass er für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich als bedrohlich wahrnähme.
Insgesamt konnte der Beschwerdeführer daher weder glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr Übergriffe wegen Grundstücksstreitigkeiten oder Feindschaften seines Vaters oder Großvaters drohen.
Im Hinblick auf die Entführung und Ermordung von Onkel und Bruder ist anzumerken, dass hieraus eine Gefährdung des Beschwerdeführers nicht ersichtlich ist, nachdem der Beschwerdeführer diesbezüglich weder Täter noch Motiv angeben konnte, auch wenn die bereits zitierten Länderberichte eine Täterschaft der Taliban vermuten lassen. Daraus lässt sich mangels Konkretisierung eines Zusammenhanges zur Person des Beschwerdeführers auch eine Gefährdung nicht ableiten und wurde nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer Übergriffe der Taliban drohen bzw. dass dem Beschwerdeführer wegen Entführung und Ermordung von Onkel und Bruder Übergriffe drohen.
Zum Fluchtvorbringen hinsichtlich einer „westlichen Gesinnung“ des Beschwerdeführers, die er sich im Lauf seines Aufenthaltes im Iran und Europa angeeignet haben will, ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer selbst im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.11.2019 keine derartigen Rückkehrbefürchtungen äußert, sondern im Zusammenhang mit seiner möglichen Rückkehr lediglich anführt, er könne niemals in Afghanistan leben, es gebe keine Sicherheit für ihn, er würde wünschen, Afghanistan wäre sicher und es gebe dort keine Konflikte wie z.B. zwischen den Ethnien. Diese Probleme würden eine Rückkehr unmöglich machen (OZ 11, S. 5). Damit ist das Vorbringen hinsichtlich einer allfälligen Verfolgungsgefahr wegen einer „westlichen Gesinnung“ auf die Schriftsätze seiner Rechtsvertretung beschränkt. Dennoch ist hierzu anzumerken, dass zwar etwa die UNHCR-Richtlinien Vorfälle erwähnen, dass Rückkehrer aus westlichen Ländern von regierungsfeindlichen Gruppierungen bedroht, gefoltert oder getötet wurden, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen Gemächt hätten und „Ausländer“ geworden seien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52-53). UNHCR stellt dies jedoch nicht als „Massenphänomen“ dar. Die EASO Country Guidance berichten ebenso davon, dass Personen, die aus westlichen Staaten zurückkehren Ziel von Aufständischen werden können, weil sie als unislamisch wahrgenommen werden könnten. Für Männer wird allerdings berichtet, dieses Risiko sei minimal und von den spezifischen Umständen abhängig (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 65-66). Derartig spezifische Umstände hat der Beschwerdeführer jedoch nicht konkretisiert.
Zudem ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer zwar zugesteht, dass sich seine „Gesinnung“ bedingt dadurch, dass er überwiegend im Iran aufgewachsen ist und sich nunmehr seit dem Jahr 2016 in Österreich aufhält, von demjenigen eines im Herkunftsstaat sozialisierten Mannes unterscheidet. Jedoch ist dem vorliegenden Länderberichtsmaterial nicht zu entnehmen, dass für Männer – im Unterschied zu Frauen, die einen am „westlichen Gesellschaftsbild“ orientierten selbstbestimmten Lebensstil pflegen wollen – ein am „westlichen“ Gesellschaftsbild orientierter Lebensstil bzw. eine „westliche“ Geisteshaltung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe gegen die betroffene Person auslösen. Den Länderinformationen lässt sich etwa entnehmen, dass Frauen in Afghanistan aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, mit allgegenwärtiger sozialer, politischer und ökonomischer Diskriminierung konfrontiert sind. Frauen, die vermeintliche soziale Normen und Sitten verletzen – dies sind zum Beispiel Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die Forderung nach männlicher Begleitung in der Öffentlichkeit oder Beschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten – werden stigmatisiert, diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet. Besonders gefährdet und kaum in der Lage, zu überleben, sind Frauen ohne männlichen Schutz. (siehe dazu UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe h) Frauen im öffentlichen Leben, S. 51 und Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52). Vergleichbare Einschränkungen in der Lebensführung für Männer ergeben sich aus den vorliegenden Länderinformationen nicht und hat der Beschwerdeführer eine damit vergleichbare Situation für Männer auch nicht behauptet.
Im Hinblick auf die auch vom Beschwerdeführer selbst im Zuge der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführten ethnischen Konflikte ist dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.06.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 18.05.2020, zunächst zu entnehmen, dass die schiitische Religionszugehörigkeit wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara gehört (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.3. Hazara). Bedingt durch die nach der Berichtslage untrennbare Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit kann auch den UNHCR-Richtlinien zufolge oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Daher scheint eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.
Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15. Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.3. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Unterabschnitt Schiiten [S 69 f.] und Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch und verbreitet zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020, von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen einzelnen Übergriffen ist jedoch nicht ersichtlich und wurde auch nicht konkret und substantiiert dargetan. Der Beschwerdeführer führt viel mehr lediglich allgemein Konflikte zwischen Ethnien ins Treffen (OT 11, S. 5) und beschränken sich auch die Ausführungen in der Beschwerde lediglich auf die Wiedergabe allgemeiner Informationen, stellen jedoch im Wesentlichen keinen konkreten Bezug zur Person des Beschwerdeführers her. Eine automatische Betroffenheit aller schiitischen Hazara von Übergriffen der Taliban oder sonstiger Privatpersonen oder staatlicher Stellen ergibt sich aber gerade nicht aus der Berichtslage. Entsprechend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe drohen, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört oder sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie im Herkunftsstaat beruhen auf der Kurzinformation der Staatendokumentation, COVID-19 Afghanistan; Stand: 21.7.2020.
Die Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung. Dort wird auch berichtet, dass es finanzielle oder sonstige Unterstützung in Afghanistan nicht existiert.
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter und spricht mit Dari eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache. Als Angehöriger der schiitischen Glaubensrichtung und der Volksgruppe der Hazara gehört der Beschwerdeführer zwar zu einer Minderheit, hinsichtlich Herat, Maza-e Sharif und Kabul wird jedoch berichtet, die Städte seien ethnisch divers und Kenntnisse von Dari oder Paschtu würden ausreichen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, S. 135-136). Auch aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass Hazara in den Städten stark vertreten sind (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Hazara). Hinweise darauf, dass Hazara in Städten spezifisch gefährdet wären, sind den Berichten allerdings nicht zu entnehmen. An körperlichen Vorerkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht, weswegen er hinsichtlich COVID-19 nicht zur Risikogruppe gehört. Der Beschwerdeführer verfügt zwar nicht über nennenswerte Schulbildung, jedoch über langjährige im Iran erworbene Berufserfahrung als Hilfsarbeiter auf Baustellen.
Der Beschwerdeführer reiste jedoch im Kindesalter aus dem Herkunftsstaat aus und verbrachte seither im Erwachsenenalter lediglich einmal zwei Monate im Herkunftsstaat. Er verfügt dort nicht über Angehörige oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Ein soziales Netzwerk ist jedoch nach dem Länderinformationsblatt zufolge essentiell für das Überleben in Afghanistan und insbesondere für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan ausschlaggebend. Ein Mangel an Netzwerken stelle eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 22. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Zudem enthält die aktuelle EASO Country Guidance eine spezifische Beurteilung für jene Gruppe von Rückkehrern, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, Profil Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, S. 139). EASO geht für die genannte Personengruppe davon aus, dass eine Ansiedelung nicht möglich sein könnte, wenn am Zielort kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden ist, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte. Es bedürfe einer Prüfung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw. Verbindungen zu Afghanistan, sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund (insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung, Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans). Der Beschwerdeführer verfügt in Herat (Stadt), Kabul (Stadt) und Mazar-e Sharif nicht über Ortskenntnisse oder ein Unterstützungsnetzwerk. So kann den UNHCR-Richtlinien zufolge nicht allein aus der Anwesenheit von Personen, mit demselben ethnischen Hintergrund im geplanten Neuansiedelungsgebiet nicht geschlossen werden, dass solche Gemeinschaften den Antragsteller maßgeblich unterstützen. Solche Unterstützung würde in der Regel vielmehr konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und einzelnen Mietgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen (Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123-124). Derartige frühere Beziehungen sind gegenständlich nicht ersichtlich und verfügt der Beschwerdeführer auch nicht über Ortskenntnisse hinsichtlich afghanischer Großstädte.
Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in den drei Städten zudem bedingt durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen, wobei es auch zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen ist und etwa Hotels geschlossen wurden. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Lage ist, Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, erscheint unter diesen Bedingungen – insbesondere nachdem Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikation (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt) – als nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 zu entnehmen, dass insbesondere Rückkehrer stigmatisiert werden, weil sie primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht werden. Das Stigma, Seuchenüberträger zu sein, treffe auch aus Europa Eingereiste (S. 2). Dadurch würde die Niederlassung des Beschwerdeführers zusätzlich erschwert. Hierdurch würde eine Suche des Beschwerdeführers nach Arbeit und Unterkunft zweifellos weiter behindert.
Außerdem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 auch zu entnehmen, dass die Teehäuser ebenso als Gegenmaßnahme geschlossen wurden (S. 3). Der Beschwerdeführer wäre daher mangels Verfügbarkeit von Unterkünften von Obdachlosigkeit bedroht. Insbesondere gibt es auch keine staatliche Unterbringung von Rückkehrern (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr). Nachdem der Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, durch die ihm allenfalls Unterkunft gewährt werden könnte, wäre er im Fall der Rückkehr bereits unmittelbar nach seiner Ankunft von Obdachlosigkeit bedroht.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften und insbesondere, dass es ihm nicht möglich wäre, Fuß zu fassen und er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Zudem zählt auch (UN)OCHA als Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und „einschlägige internationale Menschenrechtsorganisationen“ iSd Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU zu den besonders bedeutsamen Quellen hinsichtlich der Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
3.1.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen „Grundstücksstreitigkeiten“ bzw. „Feindschaften“ von Vater und Großvater
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als „soziale Gruppe“ gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof bejaht in seiner ständigen Rechtsprechung grundsätzlich die Asylrelevanz einer Verfolgung wegen Blutrache unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „von Blutrache bedrohten Angehörigen der Großfamilie“, sofern sich die Verfolgungshandlungen gegen Personen richten, die in die Rache gegen den unmittelbar Betroffenen bloß aufgrund ihrer familiären Verbindungen zu diesem einbezogen werden (Vgl. etwa Ra 2014/18/0011, 13.11.2014).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr Übergriffe wegen Grundstücksstreitigkeiten oder Feindschaften seines Vaters oder Großvaters drohen. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr unter dem GFK-Anknüpfungspunt der „sozialen Gruppe“ im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung war daher zu verneinen.
3.1.2. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Entführung und Ermordung von Bruder und Onkel
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt hat der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar dargetan, dass zwischen seiner Person und der Entführung und Ermordung von Onkel und Bruder ein Zusammenhang besteht sowie, dass ihm aus diesem Ereignis Übergriffe drohen und sind ansonsten – wie auch beweiswürdigend ausgeführt – keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer – wie in der Beschwerde behauptet – von radikalislamistischen Gruppierungen eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt würde.
Damit konnte der Beschwerdeführer auch eine Verfolgungsgefahr wegen (unterstellter) politischer Gesinnung im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen.
3.1.3. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen „westlicher Gesinnung“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten „westlich“ orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Nicht entscheidend ist, ob die Asylwerberin schon vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine derartige Lebensweise gelebt hatte bzw. deshalb bereits verfolgt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass sie diese Lebensweise im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich angenommen hat und bei Fortsetzung dieses Lebensstils im Falle der Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsste (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0459). Weiter hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthaltes in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte. Die in der Rechtsprechung behandelte Verfolgung von Frauen „westlicher Orientierung“ wird darin gesehen, dass solche Frauen, obwohl ihr westliches Verhalten oder ihre westliche Lebensführung ein solch wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden ist, dieses Verhalten unterdrücken müssten (VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0303).
Festzuhalten ist zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Asylgewährung wegen eines gelebten „westlich“ orientierten Lebensstils auf Frauen beschränkt hat. Zudem ist zum Gehalt des „westlich“ orientierten Lebensstils auszuführen, dass dieser vor allem eine selbstbestimmte Lebensweise umfasst, insbesondere Zugang zu Bildung und Ausbildung, Berufstätigkeit (ohne männliche Zustimmung), selbstständige Lebensführung auch außer Haus, Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung, Entscheidungshoheit über die eigene Lebensführung, etc.
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe oder Misshandlungen durch Privatpersonen oder afghanische Behörden drohen, weil ihm eine „westliche Gesinnung“ unterstellt würde bzw. weil er sich eine solche während seines Aufenthaltes in Europa und dem Iran angeeignet hätte. Zudem wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass Männer im Herkunftsstaat nicht von Einschränkungen in der Lebensführung betroffen sind, die jenen, die Frauen betreffen, annähernd vergleichbar wären. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat war sohin zu verneinen.
3.1.4. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400 mwN).
Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen.
Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara – unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit – nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Da eine Gruppenverfolgung – in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit – von Hazara und Schiiten in Afghanistan wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich hieraus eine asylrelevante Verfolgung nicht ableiten.
3.1.5. Zur Ausreise Aufgrund der „allgemeinen Lage“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (zuletzt VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404 mwN). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2018, 98/20/0233).
Zwar konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass die Ausreise der Familie aus dem Herkunftsstaat wegen der allgemein schlechten Sicherheitslage und des damals herrschenden Krieges erfolgte. Eine ihn persönlich über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgehende Gefährdung im Sinne der oben zitierten Judikatur hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet und war eine solche auch nicht ersichtlich.
Die Beschwerde war daher im Ergebnis spruchgemäß hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spiegelt der Prüfmaßstab der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative den Umstand wieder, dass ein Asylwerber, der nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren kann, in der Regel in einem Gebiet einer vorgeschlagenen innerstaatlichen Fluchtalternative nicht über dieselben finanziellen und infrastrukturellen Ressource sowie lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke verfügen wird, wie an seinem Herkunftsort und somit eine zusätzliche Prüfung stattzufinden hat, ob die Ansiedelung in dem vorgeschlagenen Gebiet auch zumutbar ist. Insofern unterscheiden sich Asylwerber, die aufgrund einer möglichen asylrelevanten Verfolgung oder einer drohenden Verletzung des Art. 3 MRK nicht auf ihre Herkunftsprovinz verwiesen werden können, nicht von jenen, die über keine solche verfügen. Bei Asylwerbern, die keine Herkunftsprovinz haben, ist daher ebenfalls eine Prüfung vorzunehmen, ob ihnen im Herkunftsstaat eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, was auch eine Zumutbarkeitsprüfung inkludiert (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0221).
Im gegenständlichen Verfahren konnte zwar festgestellt werden, aus welcher Provinz der Beschwerdeführer bzw. seine Eltern stammen und hat der Beschwerdeführer in der Provinz Daikundi auch die ersten Jahre seines Lebens verbracht. Bedingt durch die Ausreise im Kindesalter und den Umstand, dass er mittlerweile keinerlei soziale Verbindungen nach Afghanistan mehr hat, befindet er sich jedoch hinsichtlich seiner „Herkunftsprovinz“ – mag man nun von Daikundi oder Ghazni ausgehen – ebenso in der der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Situation, nämlich, dass er weder in der „Herkunftsprovinz“, noch in einem anderen allenfalls zur Ansiedelung vorgeschlagenen Gebiet über finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen sowie lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke verfügt. Daikundi bzw. Ghazni kann daher nicht als Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers im Sinne der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstanden werden.
Sohin ist, der eben zitierten Judikatur folgend ohne Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG hinsichtlich einer Herkunftsprovinz die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfen.
3.2.1. Zur Nichverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Au