Entscheidungsdatum
28.07.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W123 2215695-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019, Zl. 615868800-181156119, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG und § 70 Abs. 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 21.02.2012 wurde der Beschwerdeführer durch das Landespolizeikommando Wien wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen angehalten und angezeigt. Am selben Tag fand die Einvernahme („Beschuldigtenvernehmung“) des Beschwerdeführers statt.
2. Am 29.02.2012 wurde das Verfahren gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt.
3. Am 17.11.2012 verständigte die Landespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der gleichzeitigen Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer erstattete binnen offener Frist keine Stellungnahme.
4. Am 04.12.2012 verließ der Beschwerdeführer – mit Unterstützung des Vereins Menschenrechte Österreich – freiwillig das Bundesgebiet.
5. Am 26.11.2018 erließ die MA 35 eine Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG. Das Schreiben lautet auszugsweise:
„Obgenannter hat am 12.05.2016 als Ehegatte einer EWR-Bürgerin eine Aufenthaltskarte, gültig von 29.04.2016 - 29.04.2021 erhalten.
Die Ehe mit der EWR-Bürgerin wurde am 23.04.2016 in Gumpoldskirchen geschlossen und am 17.01.2018 rechtskräftig geschieden. Das Scheidungsverfahren wurde bereits vor Ablauf von 3 Jahren, nämlich am 09.10.2017, eingeleitet. Kenntnis von der Scheidung hat die Behörde durch die entsprechende Meldung am 22.11.2018 des Obgenannten erhalten.
Da die Erteilungsvoraussetzungen für die Dokumentation weggefallen sind, muss ein Verfahren gemäß § 55 NAG eingeleitet werden.“
6. Am 03.12.2018 verständigte die belangte Behörde den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der gleichzeitigen Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer erstattete binnen offener Frist keine Stellungnahme.
7. Mit Schreiben vom 13.12.2018 stellte der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, den Antrag auf Akteneinsicht und Einräumung einer zweiwöchigen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme.
8. Mit E-Mail vom 14.12.2018 teilte die belangte Behörde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass am 21.12.2018 zwischen 08:00 Uhr bis 10:00 Uhr Akteneinsicht genommen werden könne.
9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.01.2019 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit erteilt (Spruchpunkt II.).
Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe des Beschwerdeführers nach weniger als drei Jahren geschieden worden sei. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen des bisherigen Aufenthaltsrechts seien nicht erfüllt. Die Ausweisung greife auch nicht unverhältnismäßig in das Privat- und Familienleben gemäß Art 8 EMRK ein.
10. Mit Schriftsatz vom 02.02.2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid im vollen Umfang. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits seit 2004 in Österreich lebe. Der im Jahr 2004 gestellte Asylantrag sei 2010 abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei 2010 in den Kosovo gereist und habe seine ungarische Lebensgefährtin geheiratet. Innerhalb eines Monats wurde dem Beschwerdeführer in 5-jähriger ungarischer Aufenthaltstitel aufgrund dieser Ehe erteilt. Bereits 2010 sei der Beschwerdeführer nach Österreich übersiedelt, seine Gattin sei aber nicht bereit gewesen, in Österreich zu bleiben. Im Jahr 2012 habe der Beschwerdeführer Österreich verlassen, sei jedoch aufgrund mit dem nach wie vor aufrechten ungarischen Aufenthaltstitel nach Österreich zurückgereist. Im Jahr 2016 habe der Beschwerdeführer seine rumänische Lebensgefährtin geheiratet und sei ihm eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit bis 29.04.2021 erteilt worden. 2017 sei beim Beschwerdeführer ein Hodentumor festgestellt worden. Am 17.01.2018 sei die Ehe geschieden worden. Am 30.01.2018 sei der Beschwerdeführer im Krankenhaus Hietzing stationär aufgenommen und der Hodentumor operativ entfernt worden. Die medizinische Behandlung sei bis dato nicht abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Seine Ehegattin habe die Erkrankung des Beschwerdeführers nicht als derart schwerwiegend betrachtet und diesen auch nicht ausreichend unterstützt. Die Aufrechterhaltung der Ehe sei dem Beschwerdeführer daher nicht zumutbar gewesen. Selbst unter der Annahme, dass das Aufenthaltsrecht tatsächlich nicht aufrecht geblieben ist, sei bei der durchzuführenden Abwägung aufgrund des tatsächlich fast durchgehenden Aufenthaltes seit 2004 in Österreich von einem Überwiegen der privaten gegenüber den öffentlichen Interessen auszugehen. Bei der Abwägung sei auch besonders zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer der medizinischen Behandlung in Österreich bedürfe. Aufgrund des 15-jährigen Aufenthaltes, der im hohen Ausmaß bestehenden Integration sei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass eine Ausweisung unverhältnismäßig wäre.
11. Mit Schreiben vom 10.06.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, aktuelle medizinische Befunde binnen zwei Wochen ab Zustellung vorzulegen.
12. Mit Schreiben vom 22.06.2020 kam der Beschwerdeführer der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts fristgerecht nach.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsbürger, seine Identität steht fest. Dem Beschwerdeführer wurde von der MA 35 eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin mit der Gültigkeit von 29.04.2016 bis 29.04.2021 ausgefolgt.
Laut Auszug des Zentralen Melderegisters (erstellt am 22.07.2020) war der Beschwerdeführer erstmals am 30.11.2011 in Österreich gemeldet. Aktuell liegt eine Meldung seit 16.01.2018 in XXXX , vor.
Laut einem Auszug des AJ-WEB Auskunftsverfahrens (Stand 22.07.2020) war der Beschwerdeführer in der Zeit von 20.05.2016 – 04.12.2017, vom 23.04.2018 – 16.11.2018, vom 27.11.2018 – 25.11.2019, vom 27.01.2020 – 22.05.2020 sowie vom 03.06.2020 – 05.06.2020 als „Arbeiter“ beschäftigt. In der Zeit vom 05.12.2017 – 01.02.2018, vom 17.11.2018 – 26.11.2018 sowie vom 26.11.2019 – 30.11.2019 bezog der Beschwerdeführer Arbeitslosenunterstützung. Seit 08.06.2020 steht der Beschwerdeführer wiederum in Beschäftigung.
Ein Patientenbrief des Krankenhauses Hietzing vom 02.02.2018 (vgl. AS 118) lautet auszugsweise:
„Diagnosen bei Entlassung:
Hodentumor re.
[…]
Zusammenfassung des Aufenthalts:
Die stat. Aufnahme des Pat. erfolgte bei hochgradigem Vd.a. rechtsseitigen Hodentumor. Am 31.1.2018 erfolgte eine typische inguinale Ablatio testis samt skrotaler Biopsie des linksseitigen Hodens. Der postinterventionelle Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Wir konnten Herrn XXXX am 2.2.2018, mit blanden Wundverhältnissen in häusliche Pflege entlassen.“
Die Befunde des Diagnosezentrums Meidling vom 22.07.2019 und 28.01.2020 (vgl. OZ 4) brachten folgende Ergebnisse:
„Onkologisch unauffälliger Befund.“
„Unauffälliger Befund an den Thoraxorganen.“
Ein durchgehender Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 2004 konnte nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass an der Zerrüttung der Ehe mit Frau XXXX der Ehegattin das alleinige Verschulden trifft. Ferner konnte der Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 5 Z 4 NAG nicht glaubhaft machen, dass ihm ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) sowie dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit gehen aus dem vorgelegten Reisepass hervor.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustands des Beschwerdeführers ergeben sich aufgrund der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten aktuellen Befunde (vgl. insbesondere OZ 4). Soweit im Beschwerdeschriftsatz behauptet wird, dass der Beschwerdeführer der medizinischen Behandlung in Österreich bedürfe, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer kein Vorbringen dahingehend erstattete, wonach die medizinische Versorgung im Kosovo nicht gewährleistet wäre.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass seiner ehemaligen Ehegattin das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft bzw. die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 5 Z 4 NAG nicht glaubhaft machen konnte, dass ihm ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte, ergeben sich zum einen daraus, dass die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz lediglich Behauptungen darstellen, ohne diese (durch entsprechende Bescheinigungen bzw. Beweismittel) zu untermauern. Insbesondere legte der Beschwerdeführer keine Dokumente vor, aus denen ersichtlich wäre, dass der ehemaligen Ehegattin tatsächlich das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe vorwerfbar wäre. Alleine der Umstand, dass die ehemalige Ehegattin dem Beschwerdeführer während seiner Erkrankung nicht „ausreichend“ unterstützt habe, führt noch nicht zur Unzumutbarkeit am Festhalten der Ehe (vgl. dazu auch unten, 3., rechtliche Beurteilung).
Abschließend ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch nicht (von sich aus aktiv) am Sachverhalt mitwirkte. Der Beschwerdeführer gab – trotz Einräumung der Möglichkeit durch die belangte Behörde – keine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.12.2018 ab. Seitens der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer jedenfalls die Möglichkeit eingeräumt, Akteneinsicht zu nehmen (vgl. AS 87). Insofern ist der belangten Behörde auch nicht vorzuwerfen, dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt zu haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I.:
3.1.1. Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist.
Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger vom Kosovo und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG und ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht.
3.1.2. § 55 NAG lautet:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig bleibt (VwGH, 14.11.2017, Ra 2017/20/0274 oder VwGH, 18.06.2013, 2012/18/0005).
Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen. Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl. VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ankommt.
Dem Beschwerdeführer wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten rumänischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.
Zudem wird in Art 13 Unterabschnitt 2 Buchst. C der Freizügigkeitsrichtlinie darauf verwiesen, dass eine Scheidung nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechtes führt, wenn dies aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich. Dass beim Beschwerdeführer vergleichbare Umstände vorliegen würden, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, welches der Beschwerdeführer aufgrund der Eheschließung mit einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin innehatte, ist, wie die belangte Behörde zu Recht feststellte, weggefallen, da die Ehe weniger als drei Jahre dauerte und auch kein Härtefall des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt.
3.1.4. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seine Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
3.1.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zunächst auf nachfolgende rechtliche Beurteilung im angefochtenen Bescheid (zu Spruchpunkt I.):
„Da sie am gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt mitgewirkt haben kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ihre Beziehungen, im Sinne des Artikels 8 EMRK, nur nach der Aktenlage beurteilen.
Sie haben zu keinem Zeitpunkt ein schützenswertes Familienleben Kund getan.
Bezüglich ihrer sozialen Bindungen, die sie zweifellos über die Dauer ihres Aufenthaltes aufgebaut haben, kann, nach der ha. Aktenlage, davon ausgegangen werden dass es möglich ist jene unter Einbindung von internetgestützten Medien oder postalisch aufrecht zu erhalten. Letztlich besteht auch die Möglichkeit dass ihre Freunde und Bekannte sie im Kosovo besuchen können.
In Conclusio ist der ha. Behörde, nicht zuletzt mangels ihrer Mitwirkung, kein schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet ersichtlich, somit hat das Öffentliche Interesse in jenem Fall Präzedenz gegenüber ihren rechten nach Art. 8 EMRK.“
3.1.4.2. Abgesehen davon, dass – entgegen den Behauptungen im Beschwerdeschriftsatz – nicht festgestellt werden konnte, dass sich der Beschwerdeführer seit 2004 in Österreich aufhielt (vgl. oben, II. 1. Feststellungen), unterließ der Beschwerdeführer zudem ein hinreichend substantiiertes Vorbringen zum Bestehen der behaupteten sozialen und beruflichen Integration. Der Beschwerdeführer äußerte sich nicht über etwaige familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und legte weder ein ÖSD-Zertifikat noch andere Bescheinigungen über allfällige Zusatzqualifikationen vor. Einzig die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte AJ-WEB Auskunft bestätigte, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2016 über längere Zeiträume einer Beschäftigung nachging. Dass der Beschwerdeführer aber bereits davor in Österreich beruflich integriert war, konnte nicht festgestellt werden und wurde auch vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Dies, obwohl im Beschwerdeschriftsatz behauptet wird, dass der Beschwerdeführer bereits seit 2004 in Österreich lebe.
3.1.4.3. Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).
Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – ungeachtet des diesbezüglichen Parteiantrags – eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. auch § 24 Abs. 4 VwGVG).
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Ausweisung Ehe Interessenabwägung öffentliche Interessen Unionsrecht Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2215695.1.00Im RIS seit
10.12.2020Zuletzt aktualisiert am
10.12.2020