TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/18 W163 2233886-1

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Veröffentlicht am 18.08.2020
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Entscheidungsdatum

18.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W163 2233886-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Erstes Verfahren

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, der aus der Provinz Ghazni stammt, im Iran aufgewachsen ist, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara ist und der Glaubensgemeinschaft der Schiiten angehört, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 02.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. In seiner Erstbefragung am 03.07.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari an, er habe sich illegal im Iran aufgehalten und keine offizielle Arbeit annehmen können. Nach den Erzählungen seiner Eltern hätten diese Afghanistan unmittelbar nach seiner Geburt mit ihm wegen dem Krieg verlassen.

1.1.3. Der BF wurde am 07.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Zu den Fluchtgründen seiner Familie aus Afghanistan befragt gab der BF an, dass die Taliban die Dorfbewohner seines Heimatortes aufgefordert hätten, mit ihnen zu kämpfen. Sie hätte seinen Vater geschlagen und mit Zigaretten verbrannt. Sein Vater habe dann beschlossen, dass es in Afghanistan zu gefährlich sei und habe Afghanistan verlassen.

Die Frage, ob das alle seine Fluchtgründe gewesen seien, bejahte der BF.

1.1.4. Mit Bescheid vom 28.02.2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.); gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt V.).

1.1.5. Mit Erkenntnis vom 19.03.2019, Zahl W156 2191827-1/12E, wies das BVwG die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28.02.2018 nach Durchführung einer mündlicher Beschwerdeverhandlung am 15.01.2019 als unbegründet ab.

In der Beschwerdeverhandlung gab der BF zu den Gründen, warum er bzw. seine Familie Afghanistan verlassen habe, zusammengefasst an, dass ihm sein Vater erzählt hätte, dass die Taliban/Kuchis das Gebiet überfallen hätten und der Vater aufgefordert worden wäre, entweder mit ihnen in den Krieg zu ziehen oder das Land zu verlassen. Weil der BF Hazara sei und als Kleinkind in den Iran gebracht wurde, würde er im Falle der Rückkehr durch die Taliban verfolgt werden. Auf konkrete Fragen gab der BF an, er sei nie nach Afghanistan zurückgekehrt und es sei im Dorf bekannt gewesen, dass sein Vater gegen die Taliban gewesen wäre. Zu seiner Situation im Bundesgebiet befragt, gab der BF an, er stünde in ein Beziehung zu einem Mädchen, mit dem er am 17.06.2017 „zusammengekommen“ wäre und sie hätten die Absicht zu heiraten und seien verlobt. Auf konkrete Fragen gab der BF an, er wohne „praktisch“ bei seiner Verlobten, verbringe jede Nach bei ihr, sei aber dort nicht angemeldet. Auf konkrete Fragen gab der BF an, er stehe in telefonischem Kontakt mit seiner Familie. In der Beschwerdeverhandlung wurde die Verlobte des BF, eine österreichische Staatsbürgerin, als Zeugin einvernommen, die die vom BF geschilderte Beziehung und die beabsichtigte Eheschließung bestätigte.

Das Bundesverwaltungsgericht begründete die abweisende Beschwerde zusammengefasst damit, dass aus dem Vorbringen zur Verfolgung seiner Familie in Afghanistan kein konkretes, den BF persönlich betreffendes glaubhaftes Geschehen abgeleitet werden kann, da sich der BF in seinen Aussagen auf wenige „Eckpunkte“ beschränkte, ohne über nähere Details der Vorgänge oder über Einzelheiten Auskunft geben zu können. Der BF vermochte auch nicht glaubhaft zu machen, dass auf ihm Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als (schiitischer) Hazara physische bzw. psychische Gewalt drohe.

I.2. Beschwerdegegenständliches Zweitverfahren

1.2.1. Am 06.03.2020 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

1.2.2. In seiner Erstbefragung am 06.03.2020 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab der BF an, sich von Mai 2019 bis Oktober 2019 in Frankreich aufgehalten zu haben. Zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung befragt gab der BF zusammengefasst an, er hätte jetzt einen fünf Monate alten Sohn mit ein Christin. Er hätte Angst vor seiner Familie, weil er keine Beziehung mit einer Frau einer anderen Religion haben dürfte. Dies sei ihm seit 2018 bekannt, da er seit dieser Zeit mit einer Christin verlobt sei. Dass er seit fünf Monaten ein Kind habe, verstärke dies.

1.2.3. Mit Eingabe vom 22.06.2020 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter ein Vaterschaftsgutachten vom 04.06.2020.

1.2.4. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 14.07.2020 gab der BF zusammengefasst an, er könne nicht zurückkehren, weil er in einer Beziehung zu einer Christin stehe, sie die Absicht hätten zu heiraten und mittlerweile ein gemeinsamer Sohn geboren wurde.

Am 12.10.2019 hätte er auf Facebook ein Foto seines neugeborenen Sohnes gepostet. Sein Onkel väterlicherseits, ein Mullah, der zwischen Afghanistan und dem Iran pendle, hätte so davon erfahren. Dieser Onkel hätte sie („uns“) bedroht. Seine Familie wisse seit 2018 von seiner Beziehung, sowohl seine Mutter als auch der Vater würden sich für den BF freuen, nur der Onkel sei ein Problem. Dieser Onkel sei ein „sehr, sehr religiöser Mullah“ und der BF habe seit zwei Monaten aus Angst vor diesem Onkel nicht mehr angerufen.

1.2.5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid, zugestellt am 27.07.2020, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.).

Das BFA stellte im Wesentlichen fest, dass der BF im „neuerlichen Asylverfahren“ nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Grund vorgebracht und sich kein „neuer objektiver Sachverhalt“ ergeben hätte. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Antragstellumg am 06.03.2020 „in einem schiefen Licht“ erscheinen würde, da die von ihm behauptete Bedrohung durch den Onkel dem BF schon seit 12.10.2019 bewusst gewesen wäre. Der BF hätte bei der Erstbefragung angegeben vor seiner Familie Angst wegen seiner Beziehung zu haben und diese schon seit dem Jahr 2018 darüber Bescheid wüsste, und vor dem BFA habe der BF angegeben, dass damals lediglich die Mutter Bescheid wusste und sowohl wohl die Mutter als auch der Vater des BF sich darüber gefreut hätten und lediglich der Onkel ein Problem damit hätte. Aufgrund dieser unterschiedlichen Angaben, könne seitens des BFA keine Gefährdungssituation erkannt werden und abgesehen davon würde das Problem mit dem Onkel eine private Angelegenheit darstellen, die nicht unter die Gründe der GFK fallen würden. Das Parteibegehren im zweiten – gegenständlichen – Antrag decke sie mit jenem im vorhergegangenen Verfahren. Der Bf habe im Zuge des Verfahrens keinen neuen Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht und es könnte daher kein im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens neuer Sachverhalt festgestellt werden.

1.2.5. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht beim BFA eingebrachte und mit 04.08.2020 datiere Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

1.2.6. Die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 10.08.2020 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht dazu fest, dass der in der Sache erledigte – erste – Antrag auf internationalen Schutz des BF damit begründet wurde, dass der BF wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten sowie aus dem Umstand, dass seine Familie nach seiner Geburt Afghanistan verlassen hätte eine Verfolgung befürchtete. Mit in Rechtskraft erwachsender Entscheidung der Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz für den Status eines Asyl- sowie subsidiär Schutzberechtigten vom BFA abgewiesen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stand der BF bereits in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und wurde diese in der Beschwerdeverhandlung als Zeugin einvernommen. Eine Verfolgung wegen dieser Beziehung im Bundesgebiet hat der BF in der Beschwerdeverhandlung nicht behauptet.

Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht zum Verfahrensgang schließlich fest, dass der hier maßgebliche Antrag auf internationalen Schutz nunmehr zu einem erheblichen Teil auf einen Sachverhalt gestützt wurde, welche sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet hätte, weshalb die Auffassung der belangten Behörde, der BF hätte keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht, nicht mit der Aktenlage in Übereinstimmung zu bringen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass einige Aspekte des Vorbringens (Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin) auch Elemente des ersten Verfahrensganges darstellen, doch stützt sich das neue Vorbringen zu einem nicht unerheblichen Teil auf einen neuen Sachverhalt, nämlich die Geburt eines gemeinsamen Kindes in dieser interkonfessionellen Beziehung in Bezug auf eine vom BF behauptete drohende Verfolgung durch einen Onkel. In Hinblick auf die vorliegenden Länderberichte zu unerlaubten Beziehungen und den Konsequenzen eines zumindest unterstellten Abfalls vom Glauben kann nicht gesagt werden, dass das neue Vorbringen bereits prima vista völlig unglaubwürdig ist und keinen glaubhaften Kern aufweist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte sowie unter Pkt. II. festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesasylamts bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.2. Zum hier maßgeblichen Antrag auf internationalen Schutz bringt der BF im Wesentlichen vor, er sei einer Verfolgung veranlasst durch seinen Onkel ausgesetzt, weil aus seiner Beziehung mit einer Christin mittlerweile ein gemeinsamer Sohn hervorging.

Somit stützt der BF seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf erhebliche Umstände, die sich erst nach Eintritt der Rechtskraft der genannten abweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugetragen haben sollen. Dass dieses Vorbringen zumindest prima vista nicht als völlig unglaubwürdig erachtet werden kann, wurde bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt.

Schließlich ist es für dieses Vorbringen – sollte es als glaubhaft gemacht festgestellt werden können – nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu führen.

Daher ging das Bundesamt nicht zu Recht davon aus, dass für das zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz erstattete Vorbringen des BF eine entschiedene Sache vorliege. Der Antrag wäre mithin nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu erledigen gewesen.

Deswegen sind die Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides mangels Vorliegen entschiedener Sache zu beheben.

Die belangte Behörde wird sich daher in weiterer Folge - ohne dem Ergebnis der Glaubhaftigkeitsprüfung betreffend der ihm drohenden Verfolgung - im inhaltlichen Verfahren mit dem Vorbringen des BF auseinanderzusetzen zu haben.

Daher ist spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache Folgeantrag Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W163.2233886.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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