TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 W241 2233762-1

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Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W241 2233762-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2020, Zahl: 1240240207/1907658995, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 5 (fünf) Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 2 AsylG, §§ 52 Abs. 2 Z 1, 52 Abs. 9, 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Gegen den Beschwerdeführer (in der Folge BF), einen serbischen Staatsangehörigen, wurde am 28.07.2019 die Untersuchungshaft wegen des Verdachtes der Begehung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz verhängt.

2. Mit Schreiben vom 13.09.2019 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) über die im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung beabsichtigte Erlassung einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung in Kenntnis gesetzt, und es wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, hierzu sowie zu näher angeführten Fragestellungen zu seinen familiären und privaten Lebensumständen binnen Frist eine Stellungnahme einzubringen.

3. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 28.11.2019 wurde der BF wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel gemäß §§ 28 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

4. In einer am 22.04.2020 eingelangten Stellungnahme ersuchte der BF das BFA, das Aufenthalts- bzw. Einreiseverbot nur für Österreich zu verhängen, da seine Großmutter in Deutschland und seine Schwester in Dänemark lebten.

Der Stellungnahme lagen Dokumente zum Aufenthalt der Großmutter in Deutschland und der Schwester in Dänemark bei.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot gegen diesen verhängt (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte V. und VI.).

Das BFA traf im Rahmen der Entscheidungsbegründung Feststellungen zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat des BF und stellte dessen Identität und Staatsbürgerschaft fest. Der BF sei im Bundesgebiet noch nie aufrecht gemeldet gewesen und verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Mit Urteil vom 28.11.2019 sei er wegen Suchtmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden.

Hinsichtlich des Einreisverbots wurde auf die Verurteilung des BF verwiesen und ausgeführt, dass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Es seien keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte vorhanden, die einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Abwägungsentscheidung hab daher ergeben, dass die Erlassung eines Einreisverbotes in der angegebenen Dauer angemessen sei, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

6. Der BF reiste am 17.07.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

7. Gegen alle Spruchpunkte des Bescheides richtet sich die am 29.07.2020 fristgerecht eingebrachte Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, zu deren Begründung ausgeführt wurde, dass die Behörde es unterlassen habe, sich durch eine Einvernahme einen persönlichen Eindruck vom BF zu verschaffen. Der BF habe sich reumütig gezeigt und beabsichtige in Zukunft einen ordentlichen Lebenswandel, weshalb das Einreiseverbot nicht ausreichend begründet bzw. zu hoch angesetzt worden sei. Abschließend wurden die Zuerkennung er aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Serbiens und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Der BF hielt sich spätestens ab November 2018 bis zu seiner Verhaftung im Juli 2019 durchgehend unangemeldet im Bundesgebiet auf.

1.2. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 28.11.2019 wurde der BF wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel gemäß §§ 28 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der BF im Bundesgebiet im Zeitraum von November 2018 bis Mai 2019 Cannabis mit dem Vorsatz des späteren Verkaufs angebaut hatte.

Bis auf die Zeit seiner Inhaftierung in Österreich weist der BF im Zentralen Melderegister keine weiteren Wohnsitzmeldungen auf. Der BF ging in Österreich bisher auch keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt weder über einen Aufenthaltstitel in Österreich noch über maßgebliche private oder familiäre Bindungen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verfügt. Der Lebensmittelpunkt des BF befand sich bisher in Serbien. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Er befand sich seit 28.07.2019 in Untersuchungs- und seit 28.11.2019 in Strafhaft.

Der BF wurde am 17.07.2020 aus der Haft entlassen und reiste noch am selben Tag aus Österreich aus.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF gründen auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, wo eine Kopie des Reisepasses des BF aufliegt. Die Aufenthaltsdauer des BF ergibt sich aus dem Inhalt des Strafurteils vom 28.11.2019.

Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus der im Akt befindlichen Urteilsausfertigung, in welchem die relevanten Tathandlungen sowie die im Zuge der Strafbemessung ausschlaggebenden Gründe dargestellt wurden.

Die Feststellung, dass der BF über keine familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, war aufgrund der Tatsache zu treffen, dass gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Der BF gab im Verfahren vor dem BFA keine Stellungnahme zu seinen privaten Verhältnissen in Österreich ab, auch in der Beschwerde wurde kein Privat- oder Familienleben in Österreich geltend gemacht. Der BF hielt sich vor seiner Verhaftung auch nur einige Monate in Österreich auf, weshalb davon auszugehen ist, dass keine sozialen Anknüpfungspunkte entstanden sind.

Die Feststellungen über die Anhaltung des BF in Untersuchungs- und Strafhaft sowie die freiwillige Ausreise ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zu den Spruchpunkten I., II. (Rückkehrentscheidung) und III. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des BF war zu keinem Zeitpunkt geduldet, darüber hinaus wurde er wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt. Er ist aktuell nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor.

3.1.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist Staatsangehörige der Republik Serbien und sohin Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß Art. 20 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an, und soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a, c, d und e angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e SDÜ iVm. Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, gelten für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, für einen Drittstaatsangehörigen die dort genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über irgendeinen zum Aufenthalt im Schengen-Raum berechtigenden Aufenthaltstitel verfügt. Nachdem der BF ausschließlich mit der Absicht in das Bundesgebiet einreiste, hier Straftaten in Form von gewerbsmäßigem Suchtgifthandel im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu begehen, lagen von Beginn an die Voraussetzungen für einen sichtvermerkfreien Aufenthalt im Bundesgebiet nach Art. 20 SDÜ iVm Art. 5 SDÜ und Art. 6 Schengener Grenzkodex nicht vor, sodass sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet als rechtswidrig erweist. Jedenfalls war sein Aufenthalt ab Ablauf des sichtvermerkfreien Aufenthalts Anfang 2019 unrechtmäßig.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörige in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familienlebens.

Der BF hielt sich illegal in Österreich auf und erfolgte die Einreise zum Zweck der Begehung einer Straftat. Der BF übt in Österreich keine Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Private und persönliche Interessen an einem Verbleib in Österreich hat der BF im Verfahren nicht dargetan und hat er auch keine Kenntnisse der deutschen Sprache.

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die öffentlichen Interessen werden durch die Straffälligkeit des BF noch erhöht. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

3.1.3. Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

3.2. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.):

3.2.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG idgF lautet auszugsweise:

„§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt. (4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

…“

3.2.2. Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestützt und mit dem Umstand begründet, dass der BF, welcher rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden ist, auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das, diesem zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Der BF wurde unbestritten von einem Landesgericht wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel gemäß §§ 28 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Wie an anderer Stelle dargelegt, lag der Verurteilung zugrunde, dass der BF im Zeitraum von November 2018 bis Mai 2019 gemeinsam mit einem Mittäter Cannabis zum Zwecke der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge überschreitenden Menge, nämlich zumindest 24,6 Kilogramm, mit dem Vorsatz angebaut hatte, dass es in Verkehr gesetzt wird.

Das vom BF begangene Delikt stellt ohne Zweifel eine die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdende und beeinträchtigende Form von Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 23.3.1992, 92/18/0044; 22.2.2011, 2010/18/0417). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) darstellt. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 1.4.2019, Ra 2018/19/0643).

Im Zuge der Strafbemessung wertete das Landesgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel und das umfassende Geständnis als mildernd, als erschwerend hingegen das erhebliche Überschreiten des Fünfzehnfachen des Grenzwerts und verhängte gegen den BF eine Freiheitsstrafe in der nicht unbeträchtlichen Dauer von 18 Monaten. Das Landesgericht hielt hierzu fest, dass eine bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Überlegungen wegen der enormen finanziellen Lukrativität des Cannabisanbaus nicht in Frage komme.

Im Lichte dieser Erwägungen ist die Annahme einer vom BF im Falle eines weiteren respektive neuerlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie einer negativen Zukunftsprognose gerechtfertigt.

Die besondere Gefährlichkeit des BF wird dabei durch den Umstand, dass er gemeinsam mit einem Mittäter über mehrere Monate den Suchtgifthandel in beträchtlicher Menge vorbereitete und offenbar nur zu diesem Zweck nach Österreich einreiste, unterstrichen. Der BF war sich während des gesamten Tatzeitraums der Unrechtmäßigkeit seiner Handlungen und der hierfür drohenden Haftstrafen bewusst.

Der BF hat durch sein strafrechtliche Rechtsnormen negierendes Verhalten massiv seinen Unwillen unter Beweis gestellt, in Österreich geltende Grundinteressen der Gesellschaft zu achten, weshalb in Zusammenschau des Verhaltens des BF insbesondere in Anbetracht der Schwere der begangenen Straftat sowie der Dauer der Straftat und der hohen Menge des gehandelten Suchtgiftes von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefährdung auszugehen und eine Rückfälligkeit in strafrechtswidriges Verhalten seitens des BF naheliegend ist. Angesichts seines bisherigen Lebenswandels ist jedenfalls die Prognose zulässig, dieser werde künftig durch die Begehung weiterer strafbarer Handlungen im Bereich des Suchtgifthandels versuchen, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen.

3.2.3. Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes nicht rechtfertigen. Der BF befand sich in Österreich nur wenige Monate in Freiheit, private, familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es sind daher keine privaten Interessen an einer Wiedereinreise ins Bundesgebiet erkennbar.

Den geringen persönlichen Interessen des BF an einer späteren Wiedereinreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten steht sohin die aufgrund seines in schwerwiegenden Straftaten gipfelnden Verhaltens resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, wobei dem BF ein – im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität (vgl. nochmals VwGH 1.4.2019, Ra 2018/19/0643 mwN), den Interessen der österreichischen Gesellschaft zuwiderlaufendes – schwer verwerfliches Fehlverhalten zur Last liegt. Die Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen führt sohin zur Auffassung, dass die Erlassung des Einreiseverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten ist und somit die Interessen des BF überwiegt.

Daher ist die belangte Behörde zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Einreiseverbotes ausgegangen, erweist sich dieses nämlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten in Bezug auf den BF als erforderlich, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen.

3.2.4. Die Bemessung des Einreiseverbotes mit einer Dauer von acht Jahren erscheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind (so strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren), der BF sich einsichtig zeigt und er bisher strafgerichtlich unbescholten war, nicht geboten. Das Einreiseverbot wurde daher aus diesen Gründen mit fünf Jahren befristet. Eine weitere Herabsetzung kam aufgrund der beschriebenen Vorgangsweise und der Tatumstände nicht in Betracht.

3.2.5. Hinsichtlich der vom BF in seiner Stellungnahme begehrten Einschränkung des Einreiseverbotes auf das österreichische Staatsgebiet ist festzuhalten, dass eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereiches eines gemäß § 53 FPG erlassenen Einreiseverbotes rechtlich nicht in Betracht kommt:

Was den räumlichen Geltungsbereich des Einreiseverbotes anbelangt, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union – außer Irland und das Vereinigte Königreich – sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden sind (vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/11/1097 vom 29.09.2011). Daraus folgt, dass sich der räumliche Umfang der in § 53 Abs. 1 FPG festgelegten Anweisung schon aus den gesetzlichen – in Verbindung mit den unionsrechtlichen – Bestimmungen ergibt und somit die Staaten erfasst, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind das Vereinigte Königreich und Irland und es kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dazu.

In diesem Sinn ist der in § 53 Abs. 1 FPG idF FrÄG 2011 verwendete, offenbar aus der Rückführungsrichtlinie übernommene Begriff "Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten" auszulegen (VwGH 22.05.2013, Zl. 2013/18/0021).

Aufgrund des derart durch Unionsrecht und innerstaatliches Recht definierten räumlichen Geltungsbereichs von Einreiseverboten kommt die vom BF begehrte Einschränkung desselben auf das Gebiet der Republik Österreich nicht in Betracht.

3.3. Aufgrund der getroffenen Sachentscheidung und der freiwilligen Ausreise des BF kann ein gesonderter Abspruch über die Spruchpunkte V. (Frist für die freiwillige Ausreise) und VI. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) entfallen.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, vom 02.09.2015, Ra 2014/19/0127, vom 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, vom 18.05.2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des BF auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar beantragt, aber nicht konkret aufgezeigt, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14). Zu den Spruchpunkten I. bis III. enthält die Beschwerde keine konkreten Ausführungen. Wie dargelegt wurde auch in der Beschwerde der zur Begründung des Einreiseverbotes auf Basis der unstrittigen strafgerichtlichen Delinquenz des BF getroffenen Gefährdungsprognose inhaltlich nicht entgegengetreten. Die für die Begründung der Gefährdungsprognose und Bemessung der Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbotes maßgeblichen Sachverhalte wurden zur Gänze bereits im Verfahren vor dem BFA erhoben und im angefochtenen Bescheid offengelegt, wobei die Behörde unter Abwägung der vom BF konkret gesetzten strafbaren Handlungen eine einzelfallbezogene Begründung des Einreiseverbotes vorgenommen hat. Die Beschwerde hat die Beurteilung des angefochtenen Bescheides pauschal bestritten, jedoch keine Sachverhalte aufgezeigt, die zu einem für den BF allenfalls noch günstigeren Verfahrensergebnis hätten führen können. Die wesentlichen Feststellungen, nämlich das der Verurteilung vom 28.11.2019 zugrundeliegende strafrechtswidrige Verhalten des BF sowie die nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte, blieben unbestritten. Insofern wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.


Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Dauer Einreiseverbot Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Herabsetzung Interessenabwägung öffentliches Interesse Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Teilstattgebung Voraussetzungen Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2233762.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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