TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/11 W109 2164240-2

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Veröffentlicht am 11.09.2020
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Entscheidungsdatum

11.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §93 Abs1 Z4
FPG §94 Abs5
VwGVG §13 Abs2

Spruch

W109 2164240-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA DDr. Rainer LUKITS LLM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 31.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       

I.       Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und Spruchpunkt I. gemäß § 94 Abs. 5 iVm 93 Abs. 1 Z 4 FPG 2005 ersatzlos behoben.

II.      Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Am 04.11.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 21.06.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwies, dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilte, eine Rückkehrentscheidung erließ und feststellte, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 28.05.2019, W109 2164240-1/12E, statt und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

Auf seinen Antrag hin wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.06.2019 ein Konventionsreisepass, gültig bis 03.06.2024, ausgestellt.

Mit Erkenntnis vom 15.04.2020, Ra 2019/20/0340-12, hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der außerordentlichen Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2019, W109 2164240-1/12, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Mit Mandatsbescheid vom 12.05.2020, zugestellt am 18.05.2020, entzog das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG den Konventionsreisepass und sprach aus, der Beschwerdeführer habe das Dokument gemäß § 93 Abs. 2 FPG dem Bundesamt vorzulegen. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dem Beschwerdeführer sei „durch den VwGH, mit Beschluss vom 15.04.2020, der Status des Asylberechtigten aberkannt“ worden. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr asylberechtigt, daher stehe ihm kein Konventionsreisepass mehr zu. Dies sei dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachträglich iSd § 94 Abs. 1 Z 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG bekanntgeworden.

Am 18.05.2020 übermittelte der Beschwerdeführer eine Verlustmeldung betreffend den Konventionsreisepass.

Am 27.05.2020 langte die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Mandatsbescheid vom 12.05.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer könne den fraglichen Konventionsreisepass nicht mehr finden, die angeordnete Vorlage sei ihm daher faktisch nicht möglich. Ein gesetzlich festgelegter Versagungsgrund liege im vorliegenden Fall nicht vor.

Mit Schreiben vom 29.05.2020, dem Beschwerdeführer zugestellt am 09.07.2020, teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer im Wesentlichen mit, das ordentliche Ermittlungsverfahren sei vom Bundesamt am heutigen Tage ordnungsgemäß eingeleitet worden. Es seien die Tatbestände des § 93 Abs. 1 Z 1 (Aufhebung des Erkenntnisses des BVwG durch den VwGH) als auch Z 4 (Verlust) erfüllt. Durch den zugestellten Mandatsbescheid werde der Beschwerdeführer verpflichtet, nach Auffinden des Konventionsreisepasses diesen Pass an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu übermitteln, zusätzlich sei die Einziehung auch für die Ausschreibung zur Fahndung verfahrenstechnisch von Bedeutung. Es sei festzuhalten, dass es sich um keine Versagung gemäß § 92 FPG, sondern um eine Entziehung gemäß § 93 FPG handle. Zudem wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise innerhalb von zwei Wochen gegeben.

Mit am 16.07.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis, W109 2164240-1/24, (gekürzte Ausfertigung vom 11.09.2020, W109 2164240-1/30) erkannte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten neuerlich zu. Die Niederschrift der Verhandlung vom 16.07.2020 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.07.2020 zugestellt.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.07.2020, zugestellt am 04.08.2020, entzog das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 4 FPG den Konventionsreisepass (Spruchpunkt I.) und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus (Spruchpunkt II.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, durch die nachträgliche Zuerkennung des Status des Asylberechtigten hätten sich die Voraussetzungen für die Entziehung geändert. Der Beschwerdeführer habe den Konventionsreisepass verloren und sei somit nicht mehr tatsächlicher Inhaber des auf seine Person ausgestellten Konventionsreisepasses. Nachdem der Konventionsreisepass nur von jener Person verwendet werden dürfe, auf welcher er ausgestellt worden sei und der Beschwerdeführer ihn nicht mehr innehabe, sei er unbrauchbar geworden. § 15 Abs. 3 Passgesetz sehe vor, dass Pässe zu entziehen seien, wenn sie nicht zur Entwertung vorgelegt würden. Nachdem die Bestimmungen hinsichtlich der Passausstellung, Entziehung und Versagung von Fremden-/Konventionspässen eine starke Anlehnung an das Passgesetz hätten, sei auch hier analog den Bestimmungen des § 15 Abs. 3 Passgesetz vorzugehen und sei dem Beschwerdeführer daher der ursprünglich ausgestellte Konventionsreisepass mit Bescheid zu entziehen. Der Konventionspass könne vom Beschwerdeführer ob des Verlustes auch nicht zur Entwertung vorgelegt werden und sei daher gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 4 FPG zu entziehen.

3.       Am 31.08.2020 langte die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2020 bei der belangten Behörde ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Verlust eines Reisepasses machen diesen nicht unbrauchbar iSd § 93 Abs. 1 Z 4 FPG, der Beschwerdeführer könne den Reisepass, sollte dieser wieder auftauchen, unter Umständen wieder verwenden. Dem Beschwerdeführer sei zwischenzeitig neuerlich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden, für den Fall, dass der Konventionsreisepass während des Beschwerdeverfahrens wieder auftauchen sollte, wäre daher im Sinne von § 13 Abs. 2 VwGVG keine Gefahr im Verzug vorhanden.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Mit Erkenntnis vom 28.05.2019, W109 2164240-1/12E, erkannte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

Dem Beschwerdeführer wurde am 04.06.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Konventionspass mit der Nummer XXXX , gültig bis 03.06.2024, ausgestellt.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2019, W109 2164240-1/12E, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.04.2020, Ra 2019/20/0340-12, aufgehoben.

Der Beschwerdeführer hat den Konventionspass mit der Nummer XXXX am 14.05.2020 verloren.

Mit Erkenntnis vom 16.07.2020, W109 2164240-1/24, (gekürzte Ausfertigung vom 11.09.2020, W109 2164240-1/30) erkannte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

2.       Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren, sowie zum Verfahren W109 2164240-1 und ist unstrittig.

Zum Verlust des Konventionsreisepasses hat der Beschwerdeführer eine Verlustmeldung (AS 23) in Vorlage gebracht, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zog nicht in Zweifel, dass der Beschwerdeführer den Konventionsreisepass verloren hat. Das Verlustdatum geht aus der Verlustanzeige hervor.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Rechtmäßigkeit des Mandatsbescheides

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde unter anderem dann berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Gemäß § 57 Abs. 2 AVG kann gegen einen Bescheid gemäß § 57 Abs. 1 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Gemäß § 57 Abs. 3 AVG hat die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt.

Nachdem sich die belangte Behörde den Spruch ihres Bescheides vom 12.05.2020, zugestellt am 18.05.2020, unter anderem auf § 57 Abs. 1 AVG stützt, Ausführungen zum Vorliegen von „Gefahr im Verzug“ iSd § 57 Abs. 1 AVG tätigt und in der Rechtsmittelbelehrung die Möglichkeit, eine Vorstellung binnen zwei Wochen zu erheben, erläutert (Hengstschläger/Leeb, AVG § 57 [Stand 01.07.2005, rdb.at] Rz 12-13), liegt unzweifelhaft ein Mandatsbescheid vor.

Zur Gefahr im Verzug führt die belangte Behörde aus, es sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer seinen Konventionsreisepass verwende, obwohl ihm dieser nicht mehr zustehe (AS 5). Auch das Bundesverwaltungsgericht geht im Hinblick auf das Vorliegen eines Entziehungstatbestandes vom Vorliegen eines hohen Interesses an der sofortigen Unverwendbarkeit des Reisedokumentes aus. Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AVG liegen damit vor.

Auf die am 27.05.2020 – damit fristgerecht – eingelangte Vorstellung hin gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.05.2020, zugestellt am 09.07.2020, rechtzeitig die Gelegenheit zur Stellungnahme. Daher ist der Mandatsbescheid nicht außer Kraft getreten.

Gemäß § 94 Abs. 1 FPG 2005 sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

Gemäß § 94 Abs. 5 FPG 2005 gilt unter anderem § 93 FPG 2005 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 ist ein Fremdenpass zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Konventionsreisepasses, dass dem Fremden der Status des Asylberechtigten zukommt, weswegen eine Änderung im rechtlichen Status des Fremden, auf dem die Ausstellung des Reisedokuments ursprünglich basiert, eine Entziehung begründen kann. Das Fehlen der Voraussetzung des Asylstatus stellt eine die Passentziehung rechtfertigende Tatsache im Sinne des § 93 Abs. 1 Z 1 FPG dar (zuletzt VwGH 25.06.2019, Ra 2017/19/0261). Der Anwendungsbereich des § 93 Abs. 1 Z 1 FPG ist damit nicht, wie der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung vermeint, auf die Versagungsgründe des § 92 FPG (sowie die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz) beschränkt.

Gegenständlich wurde dem Beschwerdeführer am 04.06.2019 ein Konventionsreisepass ausgestellt, nachdem ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2019 der Status des Asylberechtigten Zuerkannt worden war. Durch die Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2019 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.04.2020 fiel damit die Voraussetzung, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zukommt (§ 94 Abs. 1 FPG 2005) – bis zur neuerlichen Zuerkennung des Status des Asylberechtigten am 16.07.2020 – nachträglich weg.

Ungeachtet dessen, dass die belangte Behörde den Vorgang offenkundig sprachlich nicht adäquat wiederzugeben vermag, wenn sie in ihrem Mandatsbescheid vom 12.05.2020 begründend ausführt, dem Beschwerdeführer sei „durch den VwGH mit Beschluss vom 15.04.2020 rechtskräftig der Status des Asylberechtigten aberkannt“ (AS 5) worden, hat sie doch den nachträglichen Eintritt der Tatsache des Fehlens der Voraussetzung, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zukommt, richtig erkannt und dem Beschwerdeführer den Konventionspass gemäß § 95 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 im Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides vom 12.05.2020, zugestellt am 18.05.2020, zu Recht entzogen.

3.2.    Zur Stattgebung der Beschwerde

Die Behörde ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die über eine Vorstellung nach § 57 Abs. 2 AVG zu entscheiden hat, berechtigt und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verpflichtet, das Mandat in jeder Richtung, d.h. in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nach § 56 AVG bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen (VwGH 04.12.1987, 87/11/0115; Vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 57 [Stand 01.07.2005, rdb.at] Rz 49-50).

Dementsprechend führt die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 31.07.2020 aus, dass sich durch die „nachträgliche“ Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Voraussetzungen der Entziehung ändern würden und gibt hierdurch auch zu erkennen, dass sie mit ihrem Bescheid vom 31.07.2020 in Abänderung des Mandatsbescheides über die Vorstellung des Beschwerdeführers entscheidet.

Mit am 16.07.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis, W109 2164240-1/24, (gekürzte Ausfertigung vom 11.09.2020, W109 2164240-1/30) erkannte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten (erneut) zu, sodass der Entziehungstatbestand des § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 – wie auch die belangte Behörde erkannt hat – nicht mehr vorliegt.

Den Ausführungen der belangten Behörde zufolge ist der Konventionspass dem Beschwerdeführer nunmehr gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 FPG 2005 zu entziehen. Dies begründet sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seinen Konventionsreisepass verloren habe und somit nicht mehr tatsächlicher Inhaber dieses Passes sei. Der Konventionsreisepass sei unbrauchbar geworden, weil er nur von jener Person verwendet werden dürfe, auf welche dieser Pass ausgestellt worden sei. In analoger Anwendung des § 15 Abs. 3 Passgesetz sei der ursprünglich ausgestellte Konventionsreisepass mit Bescheid zu entziehen.

Gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 4 FPG 2005 ist ein Konventionsreisepass zu entziehen, wenn er verfälscht, nicht mehr vollständig oder aus sonstigen Gründen unbrauchbar geworden ist.

Diese Bestimmung bezieht sich auf formelle bzw. äußere Mängel des Reisedokumentes selbst, nicht aber auf die Frage, ob ein Fremden- bzw. Konventionspass, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sich im Besitz der Person befindet, auf die er ausgestellt wurde.

Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde, denen zufolge die Bestimmungen hinsichtlich der Passausstellung, Entziehung und Versagung von Fremden- und Konventionsreisepässen eine starke Anlehnung an das Passgesetz hätten (AS 43), ist zunächst anzumerken, dass gemäß § 88 Abs. 4 FPG 2005 hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses (sowie gemäß § 94 Abs. 5 FPG 2005 eines Konventionsreisepasses) die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend gelten und damit nicht lediglich analog anzuwenden sind.

Dazu, dass die Behörde § 15 Abs. 3 Passgesetz 1992 ins Treffen führt und analog anwendet, ist anzumerken, dass diese Bestimmung vorsieht, dass unbeschadet der § 15 Abs. 1, 2 und 2a Passgesetz 1992 ein nicht zur Entwertung vorgelegter Reisepass zu entziehen ist. § 10a Passgesetz 1992, auf den die eben zitierte Bestimmung im Zusammenhang mit der Verwertung verweist, sieht in seinem Abs. 2 vor, dass, wenn ein verlorener oder entfremdeter Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, wieder in den Besitz des Passinhabers gelangt, er dies der Behörde unverzüglich zu melden hat; wurde ihm bereits ein neuer Reisepass ausgestellt, hat er anlässlich dieser Mitteilung den wieder in seinen Besitz gelangten Reisepass der Behörde zur Entwertung vorzulegen.

Damit sieht das Passgesetzt 1992 im Fall des Verlustes gerade nicht vor, dass der Reisepass gemäß § 15 Abs. 2 Z 4 Passgesetz 1992 (die im Übrigen einen § 93 Abs. 1 Z 4 FPG 2005 im Wortlaut entsprechenden Entziehungstatbestand enthält) zu entziehen ist. Viel mehr ist der Verlust der Behörde zu melden, ebenso wie eine allfällige Wiedererlangung. Die belangte Behörde muss sich folglich eine völlige Missachtung des Regelungszusammenhanges, in dem die von ihr analog angewandte Norm steht gefallen lassen. Zudem führt sich auch nicht aus, inwiefern den Beschwerdeführer eine Pflicht zur Vorlage des Konventionsreisepasses zur Entwertung getroffen haben soll, sondern beschränkt sich auf den Vorwurf, der Beschwerdeführer könne den Konventionsreisepass ob des Verlustes nicht zur Entwertung vorlegen.

Der Entziehungstatbestand des § 93 Abs. 1 Z 4 FPG 2005 ist damit nicht erfüllt und war der Beschwerde daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Vorstellungsbescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.

3.3.    Zu Spruchpunkt II. (aufschiebende Wirkung)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Rechtsschutzinteresse betreffend die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit einer Entscheidung über die Beschwerde selbst nicht mehr gegeben (VwGH 29.06.2020, Ra Ra 2019/11/0047). Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Vorstellungsbescheides war daher nachdem die Entscheidung in der Hauptsache mit gegenständlichem Erkenntnis ergeht mangels Rechtsschutzinteresse zurückzuweisen.

3.4.    Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter anderem entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Gegenständlich wurde ein Antrag auf Durchführung eine mündlichen Verhandlung nicht gestellt und stand hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aufgrund der Aktenlage fest, dass dieser ersatzlos zu beheben war.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof aus dem gesetzlichen Gebot des§ 13 Abs. 4 VwGVG, ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden, ableitet, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (VwGH 07.02.2020, Ra 2019/03/0143).

Eine mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben.

4.        Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der unter Punkt II.3. zitierten klaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. dem klaren Wortlaut der angewandten Bestimmungen.

Schlagworte

Analogie aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund ersatzlose Teilbehebung Konventionsreisepass Mandatsbescheid mangelndes Rechtsschutzinteresse Reisedokument Unzulässigkeit der Beschwerde Vorstellungsbescheid Wegfall des Rechtschutzinteresses Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2164240.2.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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