Entscheidungsdatum
14.09.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W278 2234956-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Habitzl als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Fremde (in weiterer Folge auch Beschwerdeführer BF) reiste zuletzt am 08.02.2020 in das österreichische Bundesgebiet ein. Bereits zuvor hielt sich der BF über einen unbekannten Zeitraum im Bundesgebiet auf. Er meldete zu keiner Zeit einen Wohnsitz.
Mit Urteil eines Landesgerichts vom 16.03.2020 RK 16.03.2020 wurde er wegen §§ 27 (1), 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG §§ 15, 269 (1), 83 (1), 84 (2) StGB Datum der (letzten) Tat 18.02.2020 zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
Noch während der Verbüßung seiner Haftstrafe wurde gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot für die Dauer von 8 Jahren erlassen und erwuchs diese Entscheidung mit 01.06.2020 in Rechtskraft.
Aufgrund des vorliegenden Festnahmeauftrages wurde der Fremde bei Entlassung aus der Strafhaft am 18.05.2020 direkt dem BFA vorgeführt.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.05.2020 gab der Fremde im Wesentlichen an, dass er gesund wäre und lediglich Schlaftabletten nehme. Er wäre am 08.02.2020 mit dem Flugzeug aus Nigeria nach Österreich eingereist, um hier Lebensmittel zu verkaufen, über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung dafür verfüge er nicht. Unterkunft habe er bei einem „ XXXX “, nähere Daten unbekannt, in XXXX , genaue Anschrift unbekannt genommen und verfüge er über keinen Schlüssel für die Unterkunft. Er wäre ledig und ohne Sorgepflichten, habe in Athen eine Lebensgefährtin, die Kinder habe, seine Familie bestehend aus Mutter und zwei Geschwistern lebe in Nigeria. An Geldmittel verfüge er über EUR 71.71 aus der Haft. Er wolle zudem möglichst schnell nach Nigeria abgeschoben werden.
Am 11.09.2020 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass Aufgrund von COVID-19 der geplante Charter am 28.05.2020 ebenso wie der Charter am 25.06.2020 storniert werden musste. Im Rahmen der Schubhaftbetreuung wurde der Fremde vom VMÖ besucht und stellte er am 26.06.2020 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, der auch zugestimmt wurde. Vom VMÖ wurde bereits mehrmals die Ausreise des Fremden organisiert. Die Flugbuchungen für den 03.09.2020 und 08.09.2020 wurden seitens der Airline gestrichen. Derzeit ist ein Flug für den 16.09.2020 geplant, auf den der BF gebucht wurde. Sollte bis dahin eine freiwillige Ausreise nicht klappen, wäre für den 22.10.2020 ein von Deutschland in Zusammenarbeit mit Frontex organisierter Charterflug nach Nigeria geplant.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist nigerianischer Staatsbürger, seine Identität steht aufgrund seines gültigen nigerianischen Reisepasses fest. Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria vor. Der BF ist nicht Asylwerber, er hat bis zum 12.04.2020 über einen gültigen griechischen Aufenthaltstitel verfügt. Die Anordnung der Schubhaft erfolgte, nach Einvernahme des BF am selben Tag, mittels „Mandatsbescheid“ vom 18.05.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung. Dieser Bescheid wurde dem BF am 18.05.2020 durch persönliche Übernahme um 12:15 Uhr zugestellt.
1.2. Der Beschwerdeführer war in Österreich ausschließlich in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Vergehen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (Kokain), des Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie der schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 9 Monaten, davon 3 Monate unbedingt verurteilt. Für die Strafbemessung wurde als mildernd das Geständnis, sowie die bisherige Unbescholtenheit und als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Der BF überließ gewerbsmäßig anderen vorschriftswidrig Suchtgift (Kokain) gegen Entgelt und zwar im Zeitraum von August 2019 bis Mitte Februar 2020. Bereits wenige Tage nach seiner Wiedereinreise aus Nigeria am 08.02.2020 verkaufte der BF am 11.02.2020 abermals öffentlich Kokain im Bereich einer Straßenbahnstation, abgepackt in drei Kugeln, an eine bekannte Person. Ebenso verkaufte er auch am 18.02.2020 Suchtgift und versuchte am 18.02.2020 mit Gewalt seine polizeiliche Anhaltung zu verhindern. Er versuchte zuerst einem Exekutivbeamten einen gezielten Faustschlag zu versetzen und versetzte diesem danach einen wuchtigen Stoß gegen den Brustbereich, sodass dieser zu Sturz kam und sich am Körper verletzte.
1.3. Die organisierte Charterabschiebung am 28.05.2020 und am 25.06.2020 wurde wegen COVID-19 storniert. Im Rahmen der Schubhaftbetreuung wurde der Fremde vom VMÖ besucht und stellte er am 26.06.2020 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, der auch zugestimmt wurde. Vom VMÖ wurde bereits mehrmals die Ausreise des Fremden organisiert. Die Flugbuchungen für den 03.09.2020 und 08.09.2020 wurden seitens der Airline gestrichen. Derzeit ist ein Flug für den 16.09.2020 gebucht. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedenfalls weiterhin und steht im konkreten Fall unmittelbar bevor.
1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist mittellos. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig. Der BF hat eine Lebensgefährtin in Griechenland, die zwei Kinder hat.
Für eine erhöhte Gefährdung hinsichtlich einer Infektion mit Covid-19 während der laufenden Anhaltung im Polizeianhaltezentrum gibt es keinen Hinweis. Der BF gehört nicht der Covid-19 Risikogruppe an.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren. Eine Kopie seines Reisepasses sowie des abgelaufenen griechischen Aufenthaltstitels liegen im Akt ein. Ebenso liegt eine Kopie des Bescheides des Bundesamts vom 18.04.2020 Zl.: XXXX im Verfahrensakt ein, mit dem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt wurde, einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, sowie gegen den BF ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 8 Jahren erlassen wurde. Dass dieser Bescheid unbekämpft in Rechtskraft erwuchs ergibt sich aus dem Umstand, dass beim BVwG kein diesbezügliches Beschwerdeverfahren anhängig ist sowie aus einem amtswegig eingeholten IZR Auszug. Verfahrensgegenständlicher „Mandatsbescheid“ sowie ein entsprechender Zustellnachweis liegen ebenfalls dem Verwaltungsakt ein.
2.2. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister sowie der im Akt einliegenden Kopie des Urteils des Landesgerichts entnommen. Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten ZMR-Auszug. Dass sich der BF bereits vor seiner letzten nachgewiesenen Einreise unangemeldet im Bundesgebiet befunden hat, ergibt sich aus dem im Urteil des Landesgerichts festgestellten Tatzeitpunkt (August 2019 bis Februar 2020). Die Aktenvermerke für die gesetzlich vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen vom 15.06.2020, 13.07.2020 und vom 10.08.2020 liegen im Akt ein.
2.3. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus dem Umstand, dass Flüge nach Nigeria zwischenzeitlich wieder durchgeführt werden und der BF auch nachweislich auf den Flug am 16.09.2020 gebucht ist. Wie aus dem Verwaltungsakt ersichtlich, wurden die zuvor erfolgten Flugbuchungen aufgrund der COVID-19 Krise storniert. Dieser Umstand kann nicht dem Bundesamt zugerechnet werden. Die Abschiebung des steht unmittelbar bevor und ist somit innerhalb der höchstzulässigen Anhaltedauer jedenfalls realistisch möglich.
2.4. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus der Begehung von Straftaten in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF fast unmittelbar nach seiner Wiedereinreise abermals Suchtmittel verkaufte. Der BF kam nie seinen melderechtlichen Verpflichtungen im Bundesgebiet nach. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft in Strafhaft.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):
Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:
„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“
§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 18.05.2020 in Schubhaft angehalten wird.
Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:
Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK
(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.
Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG
(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig, lebte ohne amtliche Meldung im Bundesgebiet und verfügt über keine sozialen Anknüpfungspunkte, die ihn von dem Untertauchen abhalten würden. Ebenso besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Fluchtgefahr liegt somit gemäß § 76 Abs 3 Z 3 und Z 9 FPG vor. Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich somit als grundsätzlich nachvollziehbar.
Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die Straffälligkeit bereits vor seiner Ausreise und fast unmittelbar nach der Wiedereinreise ins Bundesgebiet – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.
Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.
Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.
Seine Ausreise steht aufgrund der aktuellen Flugbuchung für 16.09.2020 unmittelbar bevor und ist somit jedenfalls innerhalb der in § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG höchstzulässigen Anhaltedauer von sechs Monaten realistisch möglich.
Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers sind nicht aktenkündig.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit - unter Berücksichtigung der Straffälligkeit des BF gemäß 76 Abs. 2a FPG in Zusammenschau mit der unmittelbar bevorstehenden Außerlandesbringung - der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist.
Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen. Darüber hinaus besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid zu erheben und diesen (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mandatsbescheid öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Verhältnismäßigkeit VertrauenswürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2234956.1.00Im RIS seit
10.12.2020Zuletzt aktualisiert am
10.12.2020