TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/15 W278 2231696-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2020
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Entscheidungsdatum

15.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W278 2231696-5/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX , StA. Ägypten, alias, XXXX , alias XXXX , StA. Italien, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 23.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich drei Mal rechtskräftig verurteilt. Zuletzt war der Beschwerdeführer in einer Justizanstalt behördlich gemeldet. Seit seiner Entlassung am 27.06.2019 ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht behördlich gemeldet.

4. Am 18.02.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen. Am 20.02.2020 wurde der Beschwerdeführer der ägyptischen Vertretungsbehörde zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) vorgeführt. Ebenfalls am 20.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes zur Zl. XXXX die Schubhaft angeordnet, der Beschwerdeführer befindet sich seit diesem Tag in Schubhaft. Die Fluchtgefahr wurde vom Bundesamt mit Vorliegen der Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG begründet.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis am 19.06.2020 GZ: XXXX , am 17.07.2020 GZ: XXXX zuletzt am 12.08.2020 GZ: XXXX jeweils im Zuge der amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

6. Unter Anschluss einer Stellungnahme legte das Bundesamt am 11.09.2020 den Verwaltungsakt ein weiteres Mal zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor. In der beiliegenden Stellungnahme wird ausgeführt, dass zwischenzeitlich Flüge nach Ägypten buchbar sind und durchgeführt werden. Auch sei der Lockdown in Kairo erst kürzlich gelockert worden. Mit der Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ seitens der Ägyptischen Vertretungsbehörden wird bis Ende Oktober gerechnet.

7. Am 14.09.2011 langten die vom BVwG angeforderten aktuellen medizinischen Unterlagen des BF ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste mit seinem ägyptischen Reisepass und einem italienischen Visum für Studienzwecke am 28.01.2010 nach Italien ein. Das italienische Visum des Beschwerdeführers war bis 24.04.2012 gültig. Aufgrund seines illegalen Verbleibens in Italien wurde der Beschwerdeführer am 07.11.2012 in Italien in Haft genommen und ein Einreiseverbot für die Schengenstaaten von Italien, gültig bis 07.11.2015, verhängt (AS 22; AS 38; AS 405). Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist Staatsangehöriger von Ägypten. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Am 21.11.2012 reiste der Beschwerdeführer in weiterer Folge erstmals unrechtmäßig nach Österreich ein, wobei er unmittelbar bei seiner Einreise von der österreichischen Polizei betreten und nach Italien zurückverwiesen wurde. Bereits am 22.11.2012 reiste der Beschwerdeführer wiederum unrechtmäßig nach Österreich ein. Im Rahmen der polizeilichen Amtshandlung aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, stellte der Beschwerdeführer am 23.11.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.11.2013 als unbegründet abgewiesen (AS 112 ff). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2016 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Verfahren hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen (I406 2001853-1/40E).

Am 26.07.2017 wurde der Beschwerdeführer von den Niederlanden im Rahmen einer Dublin-Überstellung nach Österreich rücküberstellt (AS 1434).

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich drei Mal rechtskräftig verurteilt. Zuletzt war der Beschwerdeführer in einer Justizanstalt behördlich gemeldet. Seit seiner Entlassung am 27.09.2019 ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht behördlich gemeldet (Auszug aus dem Melderegister).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.09.2017 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten zulässig ist. Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (AS 740 ff; AS 832; AS 836). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2019 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen (I407 2001853-2/12E; AS 856 ff). Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

Aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers wurde am 24.07.2019 ein Festnahmeauftrag erlassen (AS 1216). Der Beschwerdeführer wurde am 18.02.2020 von der Polizei festgenommen (AS 1252). Der Beschwerdeführer wurde am 20.02.2020 der ägyptischen Vertretungsbehörde vorgeführt (AS 1272 ff).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.02.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet (AS 1284 ff). Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 20.02.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen (AS 1344). Seit dem 20.02.2020 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

Der Beschwerdeführer verhielt sich bei seiner Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum am 18.02.2020 aggressiv (Anhaltedatei). Der Beschwerdeführer befand sich von 06.04.2020 bis 17.04.2020 sowie am 19.04.2020 von 07:15 Uhr bis 11:20 Uhr im Hungerstreik Anhaltedatei).

Die Identifizierung des Beschwerdeführers wurde aufgrund der coronabedingten Einschränkungen ab Ende Juni 2020 in Aussicht gestellt (AS 1410). Am 25.06.2020 und am 28.07.2020 wurde das HRZ-Verfahren vom Bundesamt erneut bei der ägyptischen Botschaft urgiert. Aufgrund der Situation rund um COVID-19 in Ägypten arbeitet die ägyptische Botschaft derzeit langsamer als üblich und benötigen derzeit HRZ-Verfahren aus diesem Grund mehr Zeit als sonst üblich. Kürzlich wurde der Lockdown in Kairo gelockert, mit der Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ wird mit Ende Oktober gerechnet.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der BF befindet sich im Substitutionsprogramm und kommt täglich selbständig in die Sanitätsstelle zur Medikamenteneinnahme. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

Festgestellt wird, dass das Bundesamt nachhaltige und angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF vorgenommen hat. Es ist in diesem Zusammenhang als gerichtsnotorisch festzuhalten, dass die Ausstellung von Heimreisezertifikaten für Ägypten derzeit aufgrund der durch COVID-19 bedingten Maßnahmen in Ägypten einen längeren Zeitraum benötigt.

Seit Mitte März 2020 wurde im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt; auch der internationale Postverkehr war nur eingeschränkt möglich. Mittlerweile sind diese Beschränkungen der Reisefreiheit wieder weitestgehend aufgehoben. Abschiebungen nach Ägypten erscheinen zeitnah nach Ausstellung von Heimreisezertifikaten möglich, zumal Austrian Airlines als auch Egypt Air den Flugbetrieb zwischen Wien und Kairo wiederaufgenommen haben. Flüge werden auf dieser Strecke laufend angeboten. Es ist daher festzustellen, dass eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer ab Ausstellung eines HRZ realistisch und wahrscheinlich ist. Die Zustimmung zur HRZ Ausstellung wird Ende Oktober erwartet.

Der Beschwerdeführer hat am Asylverfahren nicht mitgewirkt und war er in der Zeit von 09.01.2017 bis 25.07.2017 ohne behördliche Meldung (Auszug aus dem Melderegister). Der Beschwerdeführer befand sich von zumindest 24.04.2017 bis 25.07.2017 in den Niederlanden (AS 1430 ff). Zustellungen im laufenden Verfahren waren der Behörde erst ab der Einlieferung in eine Justizanstalt in Österreich am 26.07.2017 möglich (AS 702 ff; AS 710 ff). Der Beschwerdeführer hat es trotz entsprechender Weisung eines Strafgerichts im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung unterlassen, einen ordentlichen Wohnsitz, allenfalls in einer Unterkunft für Asylwerber mit entsprechender Verpflegung zu nehmen (AS 1144). Der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers war seit seiner Entlassung aus einer Justizanstalt am 27.09.2019 nicht feststellbar (Auszug aus dem Melderegister).

Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer verhält sich unkooperativ. Nach der legalen Einreise nach Italien dem Ablauf seines italienischen Visums für Studienzwecke verblieb der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Italien. Als er im Rahmen einer Polizeikontrolle festgenommen wurde und über ihn ein Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum am 07.11.2012 durch die italienische Behörde verhängt wurde, missachtete der Beschwerdeführer seien Ausreiseverpflichtung und reiste am 21.11.2012 illegal nach Österreich weiter. Nach Zurückweisung durch österreichische Polizeibeamte reiste der Beschwerdeführer bereits am 22.11.2012 neuerlich nach Österreich ein. Im Rahmen der polizeilichen Amtshandlung aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, stellte der Beschwerdeführer am 23.11.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 11; AS 14; AS 22). Trotz dieses laufenden Verfahrens reiste der Beschwerdeführer in die Niederlande weiter, von wo der Beschwerdeführer am 26.07.2017 im Rahmen einer Dublin-Überstellung nach Österreich zurücküberstellt wurde. Bei der Befragung durch die niederländischen Behörden hat der Beschwerdeführer eine falsche, italienische Identität und Nationalität angegeben, um die niederländischen Behörden zu täuschen. Im Zuge der Einvernahme durch die niederländische Fremdenpolizei stellte der Beschwerdeführer seinen Namen und seine Nationalität richtig, gab aber wiederum ein falsches Geburtsdatum an, welches er erst später korrigierte (AS 1430 f).

Der Beschwerdeführer weigerte sich im Rahmen seiner Einvernahme am 21.02.2020 seinen letzten Aufenthaltsort in Österreich bekanntzugeben (AS 1368). Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer einer Abschiebung widersetzen wird.

Der Beschwerdeführer versuchte durch Hungerstreiks, welche er von 06.04.2020 bis 17.04.2020 sowie am 19.04.2020 von 07:15 Uhr bis 11:20 Uhr aufrecht hielt, letztlich aber freiwillig beendete, seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen (Anhaltedatei).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten, keine engen soziale Anknüpfungspunkte und auch sonst im Bundesgebiet nicht sozial verankert. Er war im Inland nicht berufstätig und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung. (AS 711; AS 1369). Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Asylantragstellung am 23.11.2012 in Österreich 17 Monate in Justizanstalten bzw. Polizeianhaltezentrum in Strafhaft bzw. Verwaltungsstrafhaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit seiner Entlassung aus der Justizanstalt am 27.06.2019 nicht behördlich gemeldet. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (Auszug aus dem Melderegister).

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 08.09.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB), des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB), der versuchten Entwendung (§§ 15, 141 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde zudem zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen verurteilt. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der BF im Zeitraum Jänner 2015 bis Juni 2016 zu mehreren Zeitpunkten versuchte verschiedene Wahren zu stehlen. Weiter hat er in einem Hotel Einrichtungsgegenstände beschädigt hat bzw. in einem Hotelzimmer den Boden durch Beschmutzung mit Fäkalien verunreinigt. Am 23.01.2016 hat der Beschwerdeführer anlässlich seiner Polizeieskorte in das Polizeianhaltezentrum mit Gewalt, nämlich durch Versetzen eines Schlages mit dem Ellbogen in Richtung des Gesichtes eines Polizeibeamten, versucht an seiner Verbringung in das Polizeianhaltezentrum zu hindern.

Bei der Strafbemessung wurden mildernd die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, die überwiegend geständige Verantwortung, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, dass die Zurechnungsfähigkeit aufgrund des Suchtmitteleinflusses vermindert war und er sich selbst im Zuge der Tatbegehung des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beträchtlich verletzt hat, berücksichtigt. Erschwerend wurden der lange Tatzeitraum, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und das Vorgehen gegen zwei Polizeibeamte gewertet (AS 1426 ff; Strafregisterauskunft).

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 14.08.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall Strafgesetzbuch) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lagen Tathandlungen zugrunde, wonach der Beschwerdeführer in der Zeit von 26.08.2016 bis 07.02.2017 in insgesamt 15 Zugriffen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, den Verfügungsberechtigten diverse Waren weggenommen bzw. wegzunehmen versucht hat.

Änderungen der Umstände seit der letzten gerichtlichen Prüfung der Verhältnismäßigkeit am 12.08.2020, die für eine Freilassung des BF sprechen, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zitierten Stellen aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere zur Verfahrenszahl XXXX und XXXX sowie XXXX (Asylverfahren) und XXXX (Rückkehrentscheidung) Die Angaben der Aktenseiten beziehen sich auf den im Gerichtsakt XXXX vollständig einliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts.

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers, die sich aufgrund des vorliegenden originalen ägyptischen Reisepasses des Beschwerdeführers ergibt. Da der Asylantrag des Beschwerdeführers in Österreich rechtskräftig abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt und diese in Rechtskraft erwachsen ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde, zumal er seine bisherigen Hungerstreiks selbst beendet hat. (Anhaltedatei). Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme am 21.02.2020 zwar an, dass er Substitutionsmittel benötigte, welche er im Polizeianhaltezentrum nicht erhalte und dass er zum damaligen Zeitpunkt nicht gesund sei (AS 1369). Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung im Polizeianhaltezentrum hat, ist unzweifelhaft. Der Beschwerdeführer erhält im Stande der Schubhaft eine Suchtmittelersatztherapie. Dieser Umstand ergibt sich insbesondere aus dem aktuellen Auszug der Krankenkartei des BF vom 14.09.2020, aus dem hervorgeht, dass der BF sich täglich selbständig in die Sanitätsstelle zur Medikamenteneinnahme begibt. Bei der letzten amtsärztlichen Untersuchung, am 14.09.2020 wurde festgestellt, dass der BF sich in gutem Allgemeinzustand befindet, die Haftfähigkeit ist weiterhin gegeben.

Der Beschwerdeführer ist während des laufenden Asylverfahrens untergetaucht und war für das Bundesamt nicht auffindbar oder greifbar. Der Beschwerdeführer hat sich dem laufenden Verfahren entzogen bzw. den Fortgang des Verfahrens behindert (AS 22ff). Dass der Beschwerdeführer trotz zu diesem Zeitpunkt noch laufendem Verfahren in Österreich in die Niederlande weiterreiste, ergibt sich – ebenso wie die Dauer seines Aufenthalts – aus dem im Akt aufliegenden Berichts des niederländischen Dublinbüros (AS 1430 f). Die Feststellung zur Zustellung des Bundesamtes in der Justizanstalt fußt auf der zitierten Aktenstelle (AS 702 ff; AS 710 ff). Dass der Beschwerdeführer auch gegen eine Weisung der Strafjustiz zur Unterkunftnahme verstoßen hat, war dem Urteil des Strafgerichtes vom 10.07.2018 zu entnehmen (AS 1144). Dass der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers seit seiner Entlassung aus der Justizanstalt wiederum unbekannt war, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in das Melderegister.

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass er aufgrund seines Vorverhaltens, wonach er bereits drei Mal von österreichischen Gerichten aufgrund von Strafrechtsdelikten rechtskräftig verurteilt wurde, für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen kann.

Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers ist als unkooperativ zu qualifizieren, da sich der Beschwerdeführer in den bisherigen Verfahren bewusst behördlichen Anordnungen widersetzt hat. Bereits einer italienischen Ausreiseverpflichtung aus dem Schengenraum leistete der Beschwerdeführer keine Folge, sondern begab er sich unrechtmäßig nach Österreich, was aufgrund seiner eigenen Angaben im Verfahren festzustellen war. Auch die erstmalige polizeiliche Zurückweisung unmittelbar nach seiner Einreise, hinderten ihn nicht an seiner unmittelbar nachfolgenden weiteren unrechtmäßigen Einreise, wie der Beschwerdeführer selbst angab (AS 11; AS 14; AS 22). Dass der Beschwerdeführer trotz in Österreich anhängigem Verfahren unrechtmäßig in die Niederlande reiste und versuchte die niederländischen Behörden durch Angabe einer falschen, italienischen Identität und Nationalität zu täuschen, fußt auf dem Bericht des niederländischen Dublinbüros (AS 1430). Dass sich der Beschwerdeführer auch im Rahmen einer Einvernahme am 21.02.2020 weigerte seinen letzten Aufenthaltsort in Österreich anzugeben, war aufgrund der im Akt befindlichen Niederschrift festzustellen (AS 1368).

Dass sich der Beschwerdeführer seiner Abschiebung wahrscheinlich widersetzen wird, diese jedoch zumindest behindern wird, war aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers festzustellen: Der Beschwerdeführer hat bereits nach Verhängung eines Schengeneinreiseverbotes durch Italien die Ausreiseverpflichtung aus dem Schengengebiet ignoriert und ist unrechtmäßig nach Österreich weitergereist. In Österreich hat er sich dem Verfahren entzogen und ist in die Niederlande weitergereist, um die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verhindern. Der Beschwerdeführer wusste aufgrund des Ladungsbescheides vom 26.06.2019, dass ein Verfahren zur Außerlandesbringung in den Herkunftsstaat anhängig ist (AS 1186 ff; AS 1204). Er hat es seit 27.06.2019 unterlassen, sich an seinem Aufenthaltsort in Österreich behördlich zu melden und war damit für das Bundesamt nicht greifbar. Er selbst hat gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er trotz der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nach Italien zurückkehren wollte (AS 1437). Die Feststellung zu den Hungerstreiks des Beschwerdeführers beruht auf der im Verwaltungsakt einliegenden Meldungen sowie den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt und seinen eigenen Angaben vor dem Bundesamt am 21.02.2020 (AS 711; AS 1369).

Das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes ergibt sich im Wesentlichen aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit behördliche Meldungen an Justizanstalten bzw. Polizeianhaltezentren im Ausmaß von 17 Monaten vorzuweisen. Aus dem Melderegister ist zu ersehen, dass der Beschwerdeführer aktuell über keine Meldeadresse verfügt. Dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 21.02.2020 selbst angibt, bis zu seiner Festnahme am 18.02.2020 bei einem Kollegen Unterkunft genommen zu haben, vermochte die Annahme eines gesicherten Wohnsitzes nicht zu begründen. Von einem gesicherten Wohnsitz kann daher nicht ausgegangen werden (Auszug aus dem Melderegister).

Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels Geldreserven, wie dies in der Anhaltedatei ersichtlich ist, nicht zu erblicken. Dies deckt sich auch mit den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vom 21.02.2020 und seinen bisherigen Angaben im Verfahren (AS 712; AS 1369). Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und hat der Beschwerdeführer eine Beschäftigung auch verneint (AS 712; AS 1312 ff).

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den Urteilsausfertigungen (Strafregisterauszug; AS 720 ff; AS 1126 ff; AS 1138 ff).

Die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer und dem aktuellen Stand desselben beruhen auf dem Akteninhalt des Bundesamtes und der Stellungnahme vom 11.09.2020 (OZ 1). Aufgrund der Aktenlage ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine Abschiebung des Beschwerdeführers zeitnah nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats nicht möglich sein sollte. Der Flugbetrieb zwischen Wien und Kairo wurde sowohl von Egypt Air und Austrian Airlines wiederaufgenommen, wie durch Einsicht in die jeweiligen Webseiten der Fluglinien bestätigt werden konnte. Flüge werden auf dieser Strecke derzeit mehrmals pro Woche angeboten. Es ist daher auch davon auszugehen, dass – nach HRZ-Ausstellung - bis Ende Oktober 2020 und somit noch deutlich innerhalb der in diesem Fall zulässigen Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten mit der Durchführung der Abschiebung zu rechnen ist. Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde fortgesetzt darlegt hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nach Kräften bemüht und nach Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der ägyptischen Botschaft erlangt werden kann. Die Ausstellung des Heimreisezertifikates wurde durch das BFA auch am 28.07.2020 erneut urgiert. Die Ausführung, dass bis Ende Oktober mit der Zustimmung zur HZR Ausstellung zu rechnen ist, ist der Stellungnahme des Bundesamts vom 11.09.2020 zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

3.1 Fortsetzung der Schubhaft:

3.1.1 Gesetzliche Bestimmungen und Judikatur:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§§ 76, 77 und 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (§ 76 FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (§ 77 FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (§ 80 FPG)

„(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (§§ 22a BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.2 Zum konkret vorliegen Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakten rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Diese Überprüfung hat nach Überschreiten der Viermonatsfrist in vierwöchigen Intervallen zu erfolgen. Die letzte gerichtliche Überprüfung erging mit Erkenntnis vom 12.08.2020 und wurde auch am selben Tag nachweislich zugestellt, die ggst. vierwöchige Frist endete am 09.09.2020. Eine nicht fristgerechte Erlassung des Fortsetzungsausspruches hat nicht zur Folge, dass die Anhaltung in Schubhaft in jenem Zeitraum per se als rechtswidrig zu qualifizieren ist (vgl. VwGH vom 16.07.2020 Ra 2020/21/0163-6). Eine verspätete Aktenvorlage des Bundesamts ändert nicht die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0181.

Der Verwaltungsgerichthof führte auch Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“ (VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111)

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, und Z 9 FPG liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers – insbesondere der Angabe von Alias-Identitäten, dem Untertauchen während des laufenden Verfahrens und dem gewalttätigen Widerstand gegen seine Verbringung in ein Polizeianhaltezentrum weiterhin mit höchster Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass der BF seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt (§ 76 Abs. 3 Z 1 leg. cit.). Weiters trat der BF auch bereits zweimal in einen Hungerstreik um eine Haftunfähigkeit zu erzielen und sich so aus der Schubhaft freizupressen. Weiters besteht gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (§ 76 Abs. 3 Z 3 leg. cit.), was für sich allein genommen noch keine Fluchtgefahr begründet. In Zusammenhang damit, dass sich der BF aber bereits Verfahren zur Erlassung einer solchen Maßnahme entzogen hat, in dem er in die Niederlande weitergereist ist und nach seiner Rücküberstellung im Bundesgebiet untergetaucht ist, begründet auch dieser Umstand gegenständlich fortgesetzt Fluchtgefahr. Auch ist der BF nach wie vor im Bundesgebiet auf keine Weise sozial ober beruflich verankert, da er keine Familienangehörigen und keinen festen Wohnsitz hat oder je hatte, sowie im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig war und er über keine Mittel zur Sicherung seines Unterhalts verfügt (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Es sind iSd oben dargelegten Judikatur des VwGH zu § 80 FPG weiterhin keine Umstände ersichtlich, die darauf hindeuten, dass die zwischenzeitige temporäre Unmöglichkeit der Durchführung der Abschiebung nach Ägypten durch die durch COVID 19 bedingten Maßnahmen, im ggst. Fall problematisch sein sollte. Die Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr wurden mit Mitte Juni 2020 weitgehend zurückgenommen und der Flugbetrieb der Austrian Airlines als auch der Egypt Air nach Kairo wurde mit Ende Juni 2020 wiederaufgenommen, weshalb mit der Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung des BF ab November 2020 – wenn diesem – wie erwartet Ende Oktober ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden ist – zu rechnen ist. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Bundesamt auch angemessene Anstrengungen unternimmt um ein Heimreisezertifikat von der ägyptischen Botschaft zu erlangen.

Der Beschwerdeführer kann auch zum ggst. Zeitpunkt demgegenüber keine berücksichtigungswürdigen Umstände für sich in Ansatz bringen, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Weiters ist gemäß § 76 Abs. 2a FPG auch die erhebliche Straffälligkeit des BF ins Kalkül zu ziehen, welche die öffentlichen Interessen an der Sicherung einer baldigen Aufenthaltsbeendigung maßgeblich verstärkt. Die Fortsetzung der Schubhaft des BF stellt daher unverändert die eine notwendige und verhältnismäßige ultima ratio dar. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nachhaltig bemüht, somit iSd § 22a Abs. 4 BFA-VG verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit – insbesondere, dass er sich bereits einmal seinem Verfahren durch Untertauchen entzogen hat, sein gewalttätiger Widerstand gegen seine Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum und seine mangelnde Vertrauenswürdigkeit - schließt auch nach wie vor die Anordnung gelinderer Mittel nach § 77 FPG aus.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und diese verhältnismäßig ist.

Zu B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es finden sich im keine schlüssigen Hinweise auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Identität Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Täuschung Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2231696.5.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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