TE Bvwg Beschluss 2020/9/16 W136 2229388-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §2
HDG 2014 §52
HDG 2014 §61
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W136 2229388-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Dr. Georg MINICHMAYR, gegen das Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des Kommandos Luftunterstützung vom 29.08.2019, GZ S91551/1-KdoLuU/Kdo/StbAbt1/2019, betreffend Verhängung einer Geldbuße, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Disziplinarbehörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Unteroffizier beim Österreichischen Bundesheeres und führt den Dienstgrad Vizeleutnant.

2. Mit dem beschwerdegegenständlichen Disziplinarerkenntnis vom 29.08.2019 wurde über den BF gemäß § 52 HDG 2014 die Disziplinarstrafe der Geldbuße verhängt, weil er am 25.06.2018 versucht habe, sich dem befohlenen Dienst in der XXXX durch eine Falschmeldung zu entziehen, wodurch er vorsätzlich gegen § 7 Abs. 1 ADV (Gehorsam) verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 HDG 2014 begangen habe.

Die Begründung lautet wörtlich wie folgt (Anonymisierung durch das Bundes-verwaltungsgericht):

„Am 25.06.2018 um 1130 Uhr versuchte [der BF], sich durch eine Falschmeldung dem Dienst in der XXXX zu entziehen. Als der Kdt der XXXX , Mjr R, [den BF] im Beisein von OStWm T. ansprach, warum er nicht in der Werft sei, meldete dieser, dass er erst vor 10 min (also um 1120 Uhr) von seiner Dienstzuteilung zur XXXX erfahren habe. [Der BF] gab an, dass mit ihm die Dienstzuteilung zur XXXX erst mit Juli vereinbart wurde. Durch den für die Einteilung verantwortlichen Werkmeister, OStWm M., wurde [der BF] bei der Werftbesprechung am 16.11.2017 auf den WE-Termin Ende Juni bis Ende Juli 2018 eingeteilt. Die aktuelle WE-Termineinteilung hing immer am schwarzen Brett aus. Kurz darauf legte [der BF] ein Urlaubsansuchen für den 26.06.18 bis 29.06.18 vor, welches somit genau in den Zeitraum der Dienstzuteilung fiel. Bei einem Gespräch durch OStWm M. wurde mit [dem BF] vereinbart, dass er den Urlaubstermin und den von ihm gewünschten Auslandseinsatz wahrnehmen kann, dafür aber die gesamte übrige Zeit bei der XXXX dienstzugeteilt werde. Dies wurde anhand der ausgehängten Einteilung vereinbart. Im Anschluss an dieses Gespräch wurde durch den zu diesem Zeitpunkt zuständigen Vorgesetzten, Kdt der XXXX , Mjr G., der Urlaub vom [BF] genehmigt. Am 20.06.2018 erklärte [der BF] vor Zeugen, dass er nächste Woche auf keinen Fall Dienst in der XXXX versehen werde. In diesem Gespräch gab [der BF] vor Vzlt K. auch an, dass er am Montag seinen Dienst in der XXXX sicher nicht antreten werde, da er am Dienstag nicht im Dienst sei und es sich überhaupt nicht auszahlen würde. Seine generelle Abneigung gegenüber der Dienstzuteilung zur XXXX vertiefte er noch mit einer Aussage, dass ihn der Dienst in der XXXX nicht interessiere, weil es nicht zu seinen Aufgaben gehöre. Der ebenfalls bei diesem Gespräch anwesende Vzlt E. konnte die Aussagen vom [BF] bestätigen. Erschwerend kommt hinzu, dass nachdem das Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, Vzlt K. vom [BF] gebeten wurde, seine Aussage gegenüber der Disziplinarbehörde bei einer möglichen Niederschrift zu überdenken.“

3. Gegen dieses, dem BF am 01.10.2019 ausgefolgte Disziplinarerkenntnis, wurde rechtzeitig binnen der für das Kommandantenverfahren in diesem Fall vorgesehenen Frist von zwei Wochen am 15.10.2019 Beschwerde (Eingangsdatum) erhoben, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Beweiserhebung und Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Disziplinarbehörde kein nachvollziehbares Verfahren geführt habe, sie habe weder unmittelbar Beweise aufgenommen noch eine mündliche Verhandlung durchgeführt, noch das Ergebnis der Beweisaufnahme dem Beschuldigten in irgendeiner Form vorgehalten, noch die Beweise gewürdigt. Zudem werde der Spruch des Disziplinarerkenntnisses nicht von der Begründung getragen. Der Begründung sei nicht zu entnehmen, warum bzw. wie der BF versucht haben soll, sich dem Dienst durch eine Falschmeldung zu entziehen, denn die Aussage, soeben erst von der Einteilung erfahren zu haben, impliziert ja keinen Versuch, sich dem Dienst zu entziehen. Der BF habe auch keine Falschmeldung erstattet, sondern lediglich begründet, warum er am 25.6.2018 gegen 11.00 Uhr nicht in die XXXX gegangen wäre. Sollte dem BF jedoch ein Weisungsverstoß unterstellt werden, wäre § 44 Abs 1 BDG als Rechtsgrundlage zur Prüfung der Pflichten heranzuziehen gewesen, da die ADV nur subsidiär anwendbar ist. Dies setze voraus, dass der BF rechtswirksam eingeteilt wurde und ihm dieser Umstand auch mitgeteilt wurde. Gerade wenn die Gehorsamspflicht verletzt worden sein sollte, wäre auch die Befehlshierarchie zu erheben gewesen und darzustellen, wer im konkreten Verfahren für welche Anordnungen zuständig gewesen wäre.

Zudem sei das Erkenntnis aktenwidrig, denn der Zeuge M habe nie angegeben, den BF bei der Werftbesprechung von Ende Juni bis Ende Juli 2018 eingeteilt zu haben.

Die Strafbemessung sei mangelhaft, da die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis keine Informationen gäben, von welcher finanziellen Basis bei der Berechnung der Geldbuße ausgegangen wurde, wie die wirtschaftliche Situation des BF beurteilt wurde und welche generalpräventiven und spezialpräventiven Erfordernisse die Höhe der Strafe beeinflusst hätten. Die belangte Behörde habe keine konkreten Milderungsgründe und Erschwerungsgründen gegeneinander abgewogen.

Zum Sachverhalt selbst wurde ausgeführt, dass dem BF sein Dienst in der Werft noch vor dem letzten Auslandeinsatz für den Zeitraum Juli bis September avisiert worden sei, eine eigentliche Einteilung bzw. einen Auftrag dazu habe er nie erhalten. Die 10 Urkunden im Akt (Übersichten) seien keine Einteilung oder Grundlage einer Dienstzuteilung, sondern Planungsunterlagen des Zeugen, es sei nicht zu erkennen, wann diese Listen von wem erstellt worden wären und wann sie dem BF zur Kenntnis gelangt sein sollen. Der Befehl Kommando Luftstreitkräfte vom 22.5.2018 sei während des Auslandseinsatzes des BF an das Kommando Luftunterstützung ergangen, dieser Befehl wäre eine wirksame Einteilung, sei dem BF allerdings nie zur Kenntnis gebracht worden, worauf er in seiner Niederschrift auch hingewiesen habe.

Der Zeuge Oberstabswachtmeister M sei Werkmeister in der zweiten Staffel, gehöre nicht der 1. Staffel an und habe organisatorisch auch keine Vorgesetztenfunktion gegenüber dem BF inne. Als der BF im Jänner von einem Auslandseinsatz zurückkehrt sei, wurde ihm mitgeteilt, er solle jetzt in der 2. Staffel Dienst versehen, weshalb er die Urlaubsplanung für den Sommer abgegeben, und zwar ab 25.06. bis 29.06.2018 und sei der Urlaubsbeginn später auf seinen Wunsch hin von 25.06. auf 26.06. geändert worden. Am 25.06.2018, dem Tag der angeblichen Pflichtverletzung, sei der BF zum (alltäglichen) Morgenbriefing der 1. Staffel gegangen. Er sei dort vom Dienstführenden, vom Staffelkommandanten und auch vom Zeugen M wahrgenommen worden. Niemand der Anwesenden habe jedoch dem BF mitgeteilt, er solle doch in der Werft Dienst versehen. Erst gegen 11:00 Uhr sei er von Mjr R. angesprochen worden, dass die Werft angerufen hätte, wo er denn bliebe. Der BF wies darauf hin, dass er dies nicht wisse, und kam unverzüglich der erstmals erhaltenen Weisung des vorgesetzten Staffelkommandanten nach, begab sich in die Werft, wo ihm allerdings beschieden wurde, dass er am 25.6. nicht mehr benötigt werde, da keine Arbeiten angefangen werden sollten, die er zufolge des Urlaubs nicht zu Ende führen könne. Im Oktober 2018 sei der BF dann von Mjr R. angesprochen worden, der ihm mitteilte, er hätte nun erkannt, dass der BF ihn seinerzeit angelogen habe. Bei diesem Gespräch sei auch der Zeuge M anwesend gewesen und habe ausgesagt, dass die Einteilung des BF in der Werft ab Juli bis September geplant gewesen und so auch bekanntgegeben worden sei. Richtig sei, dass der BF gegenüber Kameraden gemeint hat, er würde den Dienst in der Werft ab 25.6. nicht antreten, da er ja der Überzeugung war, erst ab Juli erwartet zu werden. Am 25.6. 2018 sei der BF daher mit gutem Grund der Überzeugung gewesen, erst ab Juli in der Werft erwartet zu werden.

Der BF versehe seit 44,5 Jahren tadellos Dienst und werde im Mai 2020 seinen Ruhestand antreten. Es habe während der langen Dienstzeit nie irgendwelche Vorfälle gegeben, die Anlass zu disziplinären Maßnahmen gewesen wären. Der BF sei immer diensteifrig und bereit für jegliche Sonderaufgaben gewesen, weshalb es für ihn völlig unverständlich sei, wie der bloße Erklärungsversuch gegenüber dem Staffelkommandanten, warum er nicht in der Werft wäre, zu so einer Bestrafung führen könne.

4. Mit Schriftsatz vom 09.03.2020, somit fast sechs Monate nach Einlangen der Beschwerde, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt mit näheren Erläuterungen zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

1.1. Zur Person des Beschuldigten (BF)

Der BF ist Unteroffizier beim Österreichischen Bundesheer und führt den Dienstgrad Vizeleutnant.

1.2. Zum Sachverhalt

Der oben im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden.

Der Sachverhalt im Zusammenhang mit der angelasteten Pflichtverletzung lässt sich allein aus dem angefochtenen Bescheid nicht schlüssig nachvollziehen. Erst aufgrund der Erläuterungen der belangten Behörde zur Beschwerdevorlage bzw. der Beschwerde selbst, ergibt sich, dass dem BF offenkundig angelastet wird, einer Weisung, nämlich am 25.06.2019 in einer anderen Dienststelle Dienst zu versehen, nicht (sofort) nachgekommen zu sein und vorgegeben zu haben, von der Weisung nichts gewusst zu haben. Dieser Sachverhalt ergibt sich jedoch keineswegs schlüssig aus der Aktenlage, insbesondere auch nicht aus den Zeugenaussagen, zumal der BF angibt, dass ihm die Weisung nicht bekannt war.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit

Art 131 B-VG regelt die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Das Dienstrecht und damit auch das Disziplinarrecht der Beamten ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG ebenso wie das Heeresdisziplinargesetz - HDG (als militärische Angelegenheit gemäß Art 102 Abs 2 B-VG) unmittelbar von Bundesbehörden zu vollziehen.

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor (vgl. § 75 HDG).

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Letzteres ist hier der Fall.

Zu A)

2.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 – HDG 2014, BGBl I. Nr. 2/2014, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I. 16/2020 von Bedeutung (auszugsweise, Hervorhebungen durch BVwG):

„Kommandantenverfahren

Anwendungsbereich

§ 59. Im Kommandantenverfahren ist zu entscheiden über Pflichtverletzungen von
1.         Soldaten, die Präsenzdienst leisten,
2.         Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, sofern keine strengere Strafe als die Geldbuße erforderlich ist, und
3.         Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes.

Zuständigkeit

§ 60. (1) Zur Entscheidung über Pflichtverletzungen von Soldaten sind als Disziplinarkommandanten zuständig
1.         der Einheitskommandant für die Erlassung von Disziplinarverfügungen und
2.         der Disziplinarvorgesetzte für die Erlassung von Disziplinarerkenntnissen.

(2) Zur Entscheidung über Pflichtverletzungen von Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes ist jedenfalls der Disziplinarvorgesetzte zuständig.

Einleitung des Verfahrens

§ 61. (1) Gelangt dem für den Verdächtigen zuständigen Disziplinarkommandanten der Verdacht einer Pflichtverletzung zur Kenntnis, so hat diese Behörde zunächst den Sachverhalt zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so hat der zuständige Disziplinarkommandant, der von diesem Sachverhalt zuerst Kenntnis erlangt hat, das Verfahren durch eine erste Verfolgungshandlung gegen den Verdächtigen einzuleiten. Die erfolgte Einleitung ist dem Beschuldigten, sofern das Verfahren nicht unmittelbar nach dieser Verfolgungshandlung eingestellt wird, unter Angabe der näheren Umstände der zugrunde liegenden Pflichtverletzung unverzüglich formlos mitzuteilen.

(2) Hinsichtlich Wehrpflichtiger des Miliz- und Reservestandes tritt an die Stelle des Einheitskommandanten der für den Verdächtigen zuständige Disziplinarvorgesetzte.

Durchführung des ordentlichen Verfahrens

§ 62. (1) Dem Beschuldigten sind die Erhebungsergebnisse vorzuhalten. Eine mündliche Verhandlung ist durchzuführen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint. Die Disziplinarbehörde darf aus ihrem Zuständigkeitsbereich erforderliche Hilfskräfte zu einer solchen Verhandlung beiziehen. Findet keine mündliche Verhandlung statt, so ist das Ermittlungsverfahren schriftlich durchzuführen.

(2) Liegen die Voraussetzungen für das abgekürzte Verfahren nicht vor, so hat der Einheitskommandant dem Disziplinarvorgesetzten Meldung zu erstatten. In diesem Falle hat der Disziplinarvorgesetzte
1.         das Disziplinarverfahren als ordentliches Verfahren durchzuführen oder
2.         die Disziplinaranzeige zu erstatten, wenn bei einem Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, eine Geldstrafe oder die Entlassung oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung erforderlich erscheint.

(3) Das Verfahren ist durch die Disziplinarkommandanten formlos einzustellen, wenn
1.         der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder
2.         die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder
3.         Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.         die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.

Wurde einem Beschuldigten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bereits mitgeteilt, so ist ihm auch die formlose Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf den Einstellungsgrund nach Z 1 bis 4 mitzuteilen.

(4) Wird hinsichtlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine Disziplinaranzeige erstattet, so gilt das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Erstattung dieser Anzeige als eingestellt. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte hinsichtlich einer solchen Pflichtverletzung die Einleitung eines Kommissionsverfahrens gegen sich selbst beantragt, ab dem Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages beim Disziplinarvorgesetzten.

(5) Wird das Disziplinarverfahren nicht eingestellt, so ist ein Disziplinarerkenntnis zu fällen.

Disziplinarerkenntnis

§ 63. (1) Disziplinarerkenntnisse können mündlich oder schriftlich ergehen. Sie sind in jedem Fall schriftlich zu erlassen, sofern
1.         eine Geldstrafe oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung verhängt wird oder
2.         der Beschuldigte im Zeitpunkt der Erlassung dem Miliz- oder Reservestand angehört.

(2) Ergeht ein Disziplinarerkenntnis nach einer mündlichen Verhandlung, so ist nur darauf Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

(3) Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses hat zu enthalten
1.         die als erwiesen angenommenen Taten,
2.         die durch die Taten verletzten Pflichten,
3.         die verhängte Strafe oder einen Schuldspruch ohne Strafe,
4.         den allfälligen Ausschluss der Veröffentlichung und
5.         die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen.

(4) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlich ergangenen Disziplinarerkenntnisses ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

Beschwerden gegen Disziplinarerkenntnisse

§ 65. (1) Die Beschwerdefrist gegen Disziplinarerkenntnisse beträgt zwei Wochen. Gehört der Beschuldigte in jenem Zeitpunkt, in dem das Disziplinarerkenntnis gefällt wird, dem Miliz- oder Reservestand an, so beträgt die Beschwerdefrist vier Wochen.

…….

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat zu § 28 VwGVG ua. folgende einschlägigen Aussagen getroffen:

Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

Für eine den §§ 58, 60 AVG entsprechende Begründung eines Bescheides ist es erforderlich, jenen Sachverhalt, den die Behörde als erwiesen annimmt, unzweideutig in eigenen Worten festzustellen. Eine Begründung, in der die belangte Behörde nicht preisgibt, von welchem konkreten Sachverhalt sie überhaupt ausgegangen ist, genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. E 16. November 2012, 2012/02/0203, VwGH 09.10.2014, 2013/02/0269).

Dem Verstoß gegen die Begründungspflicht gem. §§ 58 Abs 2 und 60 iVm § 67 AVG 1950 liegt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dann vor, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (Hinweis E 14.11.1980, 753/78, VwGH 19.03.1991, 87/05/0196).

2.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes (Zurückverweisung)

Gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Im vorliegenden Fall war das Disziplinarverfahren als ordentliches Verfahren zu führen.

Gemäß § 61 Abs. 1 HDG sind in diesem Verfahren dem Beschuldigten die Erhebungsergebnisse vorzuhalten, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint, oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, ein schriftliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Diese Verfahrensvorschriften wurden nicht eingehalten. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden, ein schriftliches Ermittlungsverfahren hat nur insofern stattgefunden, als mehrere Zeugen erst siebeneinhalb Monate nach der angelasteten Tat niederschriftlich befragt wurde, das Ergebnis dieser Befragung ist nach der Aktenlage dem Beschuldigten aber zumindest vor Erlassung des Erkenntnisses nicht vorgehalten worden.

Zu den von der belangten Behörde befragten Zeugen OStWm XXXX ist zu bemerken, dass dieser dazu befragt wurde, welche Planungen er im November 2017 mit dem BF hinsichtlich dessen geplanter Dienstzuteilung ab Sommer 2018 getroffen habe. Allerdings sind derartige Planungen oder Abmachungen genauso wenig eine Rechtsgrundlage für eine Dienstzuteilung oder Weisung, wie Aushänge „am schwarzen Brett“, sofern diese dem Betroffenen nicht nachweislich zur Kenntnis gebracht wurden. Dies scheint der belangten Behörde offenkundig bewusst zu sein, da sie dem BF spruchgemäß keinen Weisungsverstoß anlastet, sondern eine bewusste Falschmeldung. Auch eine bewusste Falschmeldung eines Soldaten kann unter Umständen eine Dienstpflichtverletzung darstellen, allerdings kann im Gegenstand nicht erkannt werden, inwiefern der BF durch eine Falschmeldung gegen seine Pflicht zum Gehorsam gemäß § 7 ADV verstoßen haben soll. Insoweit die belangte Behörde, die „Falschmeldung“ des BF durch Aussagen von Zeugen als bewiesen ansieht, ist Folgendes zu bemerken. Aus der Aussage des BF vor Zeugen im Rahmen einer dienstlichen Feier, wonach er in der nächsten Woche bzw. am 25.06.2018 den Dienst in der Werft nicht antreten werde, folgt allein nicht zwingend, dass der BF diese Aussage im Wissen, dass er an diesem Tag dazu eingeteilt sei, tätigte. Insbesondere unter Bedachtnahme darauf, dass der BF angibt, immer davon ausgegangen zu sein, den Dienst in der Werft erst ab Juli versehen zu müssen, werden im allenfalls fortgesetzten Verfahren die befragten Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu den näheren Umständen im Detail zu befragen sein.

Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Dies trifft hier zu, die belangte Behörde hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt obwohl nach Angaben des BF der Sachverhalt offenkundig klärungsbedürftig gewesen ist. Das Ergebnis einer niederschriftlichen Zeugenbefragung wurde dem BF jedenfalls schriftlich nicht vorgehalten. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich ist. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten Mängeln behaftet, weil schriftliche Ermittlungsergebnisse dem BF nicht vorgehalten wurden und zudem eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Im fortgesetzten Verfahren wird die zuständige Disziplinarbehörde die dargestellten Mängel zu verbessern und sodann ein neues Erkenntnis mit einer nachvollziehbaren Begründung zu erlassen haben.

Die Vornahme der notwendigen Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten. Die ausstehenden Ermittlungen bzw. Vernehmungen müssten aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips in einer oder mehreren Verhandlungen vor dem BVwG durchgeführt werden, was jedenfalls kostenintensiver ist, als die Einvernahme durch die Disziplinarbehörde vor Ort.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.

Schlagworte

Begründungspflicht Dienstpflichtverletzung Disziplinarerkenntnis Disziplinarstrafe Disziplinarverfahren Ermittlungspflicht Geldbuße Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pflichtverletzung Unmittelbarkeitsgrundsatz Weisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2229388.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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