TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/18 W180 2233855-2

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Veröffentlicht am 18.09.2020
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Entscheidungsdatum

18.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W180 2233855-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 22.09.2011 von Polizeiorganen bei der illegalen Einreise nach Österreich aufgegriffen.

Am gleichen Tage stellte er einen Asylantrag, wobei er angab aus Afghanistan zu stammen. Am 28.09.2011 wurde sein Verfahren zugelassen.

Mit Bescheid vom 02.01.2012 wies das Bundesasylamt seinen Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 1 AsylG ab. Er wurde gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob er fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2014 wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I als unbegründet abgewiesen, ihm jedoch gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 04.06.2015 erteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (infolge auch BFA bzw. Behörde genannt) vom 27.05.2015 wurde einem am 22.04.2015 eingebrachten Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung stattgegeben und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.06.2017 erteilt.

Mit Bescheid des BFA vom 07.06.2017 wurde dem am 02.05.2017 eingebrachten Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung stattgegeben und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.06.2019 erteilt.

Am 24.06.2017 wurde von einem Landesgericht gegen den BF die U-Haft verhängt.

Aufgrund des übermittelten Anlassberichtes wurde ein Verfahren zwecks Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet und dem BF im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

Mit Urteil eines Landesgerichtes wurde der BF am XXXX rechtskräftig wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer Haftstrafe von 3½ Jahren verurteilt.

Mit Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen festgelegt. Zudem wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 30.08.2018 in Rechtskraft.

Mit Bescheid des BFA vom 20.04.2020 wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 5 FPG widerrufen.

Während der BF sich in Strafhaft befand wurde ihm Parteiengehör zur geplanten Verhängung einer Schubhaft gewährt und mit Bescheid vom 17.04.2020 die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den BF verhängt.

Am 22.04.2020 wurde der BF direkt nach Beendigung der Strafhaft in die gegenständliche Schubhaft überstellt.

Mit 10.07.2019 wurde zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ein Verfahren eingeleitet.

Am 07.08.2020 legte das BFA den Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin die im Bescheid vom 17.04.2020 angeführten Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit vorlägen und Haftfähigkeit des BF bestehe. Ein Heimreisezertifikat sei von der afghanischen Botschaft bereits am 15.05.2020 zugesagt worden. Der BF habe sich aktuell nicht kooperationswillig gezeigt und sei bereits zwei Mal in Hungerstreik getreten. Er sei in Österreich straffällig geworden und bestehe bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung für seine Person. Er sei nicht rückkehrwillig und habe keine ausreichenden Barmittel zur Verfügung.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.08.2020, W171 2233855-1, wurde in der Folge festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht am 11.09.2020 die Akten gemäß § 22a BVA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

In der gleichzeitig übermittelten Stellungnahme wies das BFA in Ergänzung der letzten Stellungnahme zunächst darauf hin, dass sich der BF vom 02.09. bis 03.09.2020 abermals in Hungerstreik befunden habe. Als nächste Abschiebemöglichkeiten nach Afghanistan wurden vom BFA von Schweden organisierte Charterrückführungen genannt. Es seien bereits drei Charterrückführungen terminisiert, je eine im Oktober, eine im November und eine im Dezember 2020. Die tatsächliche Möglichkeit einer Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer sei damit gegeben.

Aufgrund einer Nachfrage des erkennenden Richters übermittelte das BFA am 15.09.2020 eine ergänzende Stellungnahme. Darin wird zu Einzelrückführungen mitgeteilt, dass derzeit keine zwangsweisen Einzelabschiebungen nach Afghanistan stattfinden. Eine freiwillige Rückkehr sei jedoch möglich. Zu den Charterrückführungen ergibt sich aus der ergänzenden Stellungnahme – im Unterschied zur Stellungnahme vom 11.09.2020 –, dass der nächste Afghanistan Charter nicht für Oktober, sondern (erst) für Mitte November geplant sei. Österreich beteilige sich an dieser von Schweden organisierten Charter Operation. Schweden halte bisher an der Organisation dieses Charters fest, aufgrund der bestehenden Covid-19-Problematik sei jedoch auch eine kurzfristige Stornierung möglich. Erläuternd wurde dazu noch angemerkt, dass eine Neubesetzung des europäischen Verbindungsbeamten durch einen schwedischen Mitarbeiter erfolgt sei; dieser werde in Afghanistan die entsprechenden Verhandlungen betreffend die zwangsweisen Rückführungen der EU führen.

Zum Heimreisezertifikat (HRZ) führte das BFA näher aus, dass, da der BF seit dem 15.05.2020 über die Zustimmung für die Ausstellung des HRZ verfüge, das HRZ grundsätzlich jederzeit bei Vorlage einer Flugbuchung (Charter/Einzelabschiebung) abholbereit sei und von der Botschaft ausgestellt werde.

In Zusammenhang mit § 80 Abs. 4 FPG wies das BFA darauf hin, dass die Ziffer 2 und 4 dieser Bestimmung erfüllt seien. Zu Z 2 („eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt“) führte das BFA aus, dass sich aus der Ausstellung des HRZ noch nicht eine automatische Einreiseerlaubnis des Abzuschiebenden ergebe. Aufgrund der derzeit herrschenden Covid-19-Situation stelle Afghanistan die erforderliche Bewilligung für die Einreise bei zwangsweisen Abschiebungen nicht aus.

Zu Z 4 des § 80 Abs. 4 FPG („die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint“) bemerkte das BFA, dass der BF sich bisher seinen Verfahren nicht entzogen habe, beurteilte den dreimaligen Hungerstreik, von dem davon auszugehen sei, dass er damit versucht habe, seine Abschiebung zu vereiteln, als vom BF auf sonstige Weise zu vertretenes Abschiebungshindernis.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 22.04.2020 in Schubhaft.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid ist nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell nicht vor. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde seitens der afghanischen Botschaft bereits zugesagt.

1.4. Der Beschwerdeführer begab sich während der Anhaltung in Schubhaft bislang dreimal in Hungerstreik, um seine Freilassung zu erwirken (vom 20.07. bis 23.07.2020, vom 30.07. bis 01.08.2020 und vom 02.09. bis 03.09.2020).

1.5. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF leidet an keinen unverhältnismäßigen, die Schubhaft unzulässig machenden gesundheitlichen Beschwerden und ist haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Frontex-Charterrückführungen nach Afghanistan sind derzeit beginnend mit November 2020 geplant.

Liegt eine Buchung des BF auf einem mit Afghanistan akkordierten Frontex-Charterflug vor, ist mit einer umgehenden Ausstellung des Heimreisezertifikates seitens der afghanischen Botschaft zu rechnen.

Eine Abschiebung des BF nach Afghanistan ist binnen weniger Monate – voraussichtlich noch 2020 – realistisch.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Kontakte in Österreich, hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit massiv gegen das Strafgesetz verstoßen.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes wurde der BF wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer Haftstrafe von 3 ½ Jahren verurteilt.

Der Verurteilung liegt folgender gerichtlich festgestellter Sachverhalt zugrunde:

Der BF verließ am XXXX seine Wohnung bereits mit dem Vorsatz, an einer Frau, notfalls mit Gewalt, einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Als er in einem öffentlichen Park eine leicht bekleidete junge Frau, die gerade auf der Wiese liegend ein Sonnenbad nahm, sah, beschloss er sein Vorhaben durchzuführen. Er versuchte sie mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes zu nötigen, indem er sich auf sie legte, sie an den Schultern zu Boden drückte und mit den Händen ihre Beine auseinander drückte sowie versuchte, seine Hose zu öffnen, wobei es aufgrund der Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb. Dem Opfer gelang es, den BF von sich wegzustoßen und davon zu robben. Zwei Zeugen kamen dem Opfer, das laut um Hilfe schrie, zu Hilfe und zogen dem BF endgültig von seinem Opfer weg.

Der Beweiswürdigung des Gerichts ist zu entnehmen, dass der BF die Tat sowohl hinsichtlich der objektiven als auch der subjektiven Tatbestandsmerkmale von Anfang an gestand, jedoch versuchte, sich auf eine Geisteskrankheit auszureden. Seinen Behauptungen zu Symptomen einer geistigen Beeinträchtigung war aufgrund eines Gutachtens eines Sachverständigen jedoch nicht zu folgen und das Vorliegen der Zurechnungsfähigkeit festzustellen. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit, das Tatsachengeständnis und den Umstand, dass es beim Versuch blieb, als mildernd.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl W171 2233855-1, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zu 1.1.: Die getroffene Feststellung zur Anhaltung des BF in Schubhaft ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des BFA und der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zu. 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde. Ebenso konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Die Zusage der afghanischen Botschaft, ein Heimreisezertifikat auszustellen, ist dem Akt (AS 181) zu entnehmen.

Zu 1.4.: Die Feststellungen zum Hungerstreik des BF ergeben sich aus der Stellungnahme des BFA und aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zu 1.5.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Rückkehrentscheidung vom 25.07.2018, rechtskräftig seit 30.08.2018, welche seinerzeit die rechtliche Grundlage für die Erlassung des Schubhaftbescheides darstellte, nach wie vor Durchsetzbarkeit hat.

Zu 2.1.: Aus dem Akt ergibt sich, dass der BF in seiner Stellungnahme vom 13.04.2020 (AS 129) angab, psychische Probleme mit Medikamenten zu behandeln. Aus der Anhaltedatei sind keine wesentlichen Beschwerden und ärztlichen Behandlungen ersichtlich. Das Gericht geht daher in weiterer Folge davon aus, dass für eine Haftunfähigkeit oder eine Unverhältnismäßigkeit der Haft keine Anhaltspunkte gegeben sind.

Zu 3.1: Dass Charterrückführungen nach Afghanistan ab November 2020 geplant sind und dass im Falle einer Buchung des BF auf einen Charterflug mit einer umgehenden Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu rechnen ist, stützt das Gericht auf die diesbezüglichen Angaben des BFA in der ergänzenden Stellungnahme vom 15.09.2020. Es ist im Übrigen notorisch, dass Heimreisezertifikate von Afghanistan regelmäßig und rasch ausgestellt werden. Mit Blick auf die grundsätzlich gute Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den Vertretungen und Behörden Afghanistans in Rückführungsangelegen in den letzten Jahren ist aus Sicht des Gerichtes damit zu rechnen, dass Charterabschiebungen nach Afghanistan bald wieder aufgenommen werden. Eine Abschiebung des BF nach Afghanistan binnen weniger Monate ist realistisch.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus den bisher unwidersprochen gebliebenen Angaben im Asylverfahren und im Schubhaftbescheid. Der BF hat diesbezüglich in seiner letzten Stellungnahme auch keine Änderungen angegeben. Bereits im abgeschlossenen Asylverfahren wurde festgehalten, dass keine familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich bestehen würden. Weder das Asylverfahren, noch das behördliche Schubhaftverfahren hat jedenfalls Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gebracht, dass der BF im Inland tatsächlich über derartige Anknüpfungspunkte verfügen würde. Es war daher diesbezüglich seitens des Gerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht angezeigt von familiären Bindungen auszugehen. Ein aufrechter Wohnsitz ist nicht gegeben (ZMR) und verfügt der BF nur über geringe Barmittel (€ 176,50 per 11.09.2020).

Zu 5.1.: Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister und dem vom BFA dem Bundesveraltungsgericht vorgelegten Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX . Der BF ist mit dieser Tat massiv straffällig geworden, sein gravierendes Fehlverhalten gefährdet die öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung ist im gegenständlichen Fall daher besonders hoch und überwiegt dieses Interesse die persönlichen Interessen des BF. Die Fortsetzung der Schubhaft ist daher auch weiterhin verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, und danach alle vier Wochen vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Im gegenständlichen Fall liegt auch weiterhin Fluchtgefahr vor, da aus dem vergangenen Verhalten des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Der BF ist während der Anhaltung in Schubhaft wiederholt in Hungerstreik getreten, um seine Enthaftung zu erwirken, womit Z 1 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt ist (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 20.02.2014, Zl 2013/21/0178). Es liegt gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und der Grad seiner sozialen Verankerung in Österreich ist gering, insbesondere bestehen keine familiären Beziehungen, der BF übte in Österreich vor der Verbüßung seiner Strafhaft keine legale Erwerbstätigkeit aus und war nicht selbsterhaltungsfähig; der BF verfügt nicht über ausreichende Existenzmittel und hat keinen gesicherten Wohnsitz. Zur Z 1 des § 76 Abs. 3 FPG kommen im gegenständlichen Fall daher auch noch die Fluchtgrundtatbestände der Z 3 und Z 9 leg.cit. hinzu.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, wie dargelegt, dass diesbezüglich keinerlei derartige Faktoren vorliegen. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich bisher gar nicht entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt ist, zumal er auch diesbezüglich bei Bedarf einer medizinischen Kontrolle unterzogen wird.

Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Entscheidung etwas weniger als 5 Monate in Schubhaft. Nach den getroffenen Feststellungen ist mit einer Rückführung des BF mittels Charter erst beginnend mit November 2020 zu rechnen. Zu diesem Zeitpunkt würde der BF bereits 7 Monate in Schubhaft angehalten werden. Im vorliegenden Fall beträgt die gesetzliche Höchstdauer allerdings gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG 18 Monate, da – wie von der Behörde vorgebracht – die für die Einreise des BF erforderliche Bewilligung Afghanistans fehlt, weshalb dieser Verlängerungstatbestand erfüllt ist. Anhaltspunkte, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan innerhalb von 18 Monaten nicht möglich sein sollte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen; wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist eine Abschiebung binnen weniger Monate, voraussichtlich noch 2020, realistisch, was eine Anhaltung von 8 oder 9 Monaten und damit etwa die Hälfte der gesetzlichen Höchstdauer bedeuten würde.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren verurteilt. Diese Straftat ist selbstredend als schwerwiegend zu betrachten und gefährdet der BF mit diesem gravierenden Fehlverhalten die öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Im vorliegenden Fall besteht daher ein erhöhtes öffentliches Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF.

In einer Gesamtschau kommt dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung des BF daher ein höherer Stellenwert zu als den persönlichen Interessen des BF. Die Straffälligkeit des BF und die damit einhergehende mangelnde Vertrauenswürdigkeit schließt überdies die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Untersuchungshaft Vergewaltigung Verhältnismäßigkeit versuchte Straftat Vertrauenswürdigkeit Wohnsitz Zurechnungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W180.2233855.2.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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