TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/28 W141 2224598-1

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Veröffentlicht am 28.09.2020
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Entscheidungsdatum

28.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W141 2224598-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter
Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Lic. Claudiu DORNSTAUDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 02.10.2019, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gemäß § 41, § 43 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von sechzig (60) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Wirksamkeit ab 19.01.2015 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von
50 vH eingetragen.

1.2.    Der Beschwerdeführer hat am 19.02.2019 bei der belangten Behörde unter Vorlage von diversen Unterlagen einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.

2.1.    Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.03.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 40 vH bewertet wurde.

2.2.    Auf Grund der im Zuge des Parteiengehörs erhobenen Einwände und der neu vorgelegten Unterlagen wurde von der belangten Behörde eine abermalige Überprüfung durch denselben Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage am 27.09.2019, mit dem Ergebnis durchgeführt, dass der Grad der Behinderung 40 vH betrage.

2.3.    Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß § 41, § 43 und § 45 BBG abgewiesen und von Amts wegen einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliegen würde.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

3.       Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

Ohne Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen hervorgehe, dass die Krankheiten schlimmer geworden wären. Der Beschwerdeführer wäre vom Sachverständigen nicht ordnungsgemäß untersucht worden und hätte dieser die vorliegenden Beweismittel nicht ausreichend bewertet.

3.1.    Mit Beschwerdevorlage vom 21.10.2019 wurde das Beschwerdevorbringen samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4.       Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes ein Sachverständigengutachten von einem Lungenfacharzt und Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.06.2020, und ein weiteres Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.06.2020, eingeholt und ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 vH festgestellt.

4.2.    Mit Schreiben vom 04.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG unter Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gem. § 46 BBG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu einlangend binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens zu äußern.

Es wurden weder von Seiten der belangten Behörde noch von Seiten des Beschwerdeführers Einwendungen vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH.

1.2.1.  Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut
Ernährungszustand gut
Größe 167 cm, Gewicht 102 kg

Orthopädisch:

Wirbelsäule:

Wirbelsäule im Lot.
HWS in R 10-0-10, F 5-0-5, KJA 7 cm, Reklination 8 cm.
Normal Brustkyphose, BWS-drehung nicht gezeigt,
FKBA und Seitneigung wegen Schmerzen nicht gezeigt

Obere Extremitäten:

Schultern in S 30-0-110, passiv besser, F 105-0-35 passiv besser, R passiv 60-0 60,
Ellbogen 0-0-125, Handgelenke 45-0-50 passiv, Faustschluß beidseits möglich.
Nacken- und Kreuzgriff nicht gezeigt.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke passiv in S 0-0-100, F 25-0-15, R 25-0-10, Kniegelenke passiv in S 0-0-125, bandfest, reizfrei.
Sprunggelenke aktiv nicht gezeigt, passiv 10-0-45

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gang in Straßenschuhen mit einem Gehstock rechtshinkend möglich, langsames Gehtempo. Zehenspitzen- und Fersenstand mit Anhalten möglich.

Lungenfachärztlich:

Kopf, Hals: keine obere Einflussstauung, keine Struma, keine Lippenzyanose, die Hirnnerven frei
Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: 71 pro Minute
Lunge: hypersonorer Klopfschall, abgeschwächtes Atemgeräusch wie bei Emphysem ohne spastische Nebengeräusche

Leib: weich, adipös, über Brustkorbniveau, Leber und Milz nicht tastbar, die Nierenlage frei Gliedmaßen: Knöchelödeme beidseits, keine Krampfadernbildung, zum Stütz- und Bewegungsapparat wird auf das orthopädische Gutachten verwiesen Lungenfunktionsprüfung: höhergradige obstruktive Ventilationsstörung, Überblähungszeichen, Sauerstoffsättigung bei Raumluftatmung mit 97% im Normbereich

1.2.2.  Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

1

moderates persistierendes allergisches Asthma bronchiale

Unterer Rahmensatz und Wahl der Position, da ständig mittelgradige eingeschränkte Atemfunktion mit regelmäßigen Beschwerden und mehrmals wöchentlich und auch nachts auftretenden Atemnotanfällen

06.05.03

50 vH

2

Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke

Unterer Rahmensatz, da polytope Beschwerden bei Hypermobilität vor allem im Bereich der Schulter-, Ellbogen- und Kiefergelenke und der Wirbelsäule mit geringgradigen funktionellen Einschränkungen

02.02.02

40 vH

3

Depressive Störung

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da regelmäßige psychiatrische Behandlung und Medikation

03.06.01

20 vH

4

Leichtes Schlafapnoesyndrom

Unterer Rahmensatz und Wahl der Position, da keine Indikation für nächtliche Beatmung

06.11.01

10

5

Chronisch venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten

Unterer Rahmensatz und Wahl der Position, da fehlende Varizenbildung und keine trophischen Hautveränderungen

05.08.01

10

6

Karpaltunnelsyndrom beidseits

Unterer Rahmensatz und Wahl der Position, da geringe und nur sensible Beschwerden

04.05.06

10

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH, da das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da dieses schwerwiegend ist. Alle anderen Leiden erhöhen nicht weiter, da keine ungünstige, erhöhende Leidensbeeinflussung besteht.

1.3.    Der gegenständliche Antrag ist am 19.02.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in Auftrag gegebenen Gutachten von einem Lungenfacharzt und einem Facharzt für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.06.2020 und 26.06.2020 schlüssig und nachvollziehbar.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen sie auch die an ärztliche Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. In den eingeholten Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befunden und der Aktenlage entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der Lungenfacharzt stufte das führende Leiden 1 „moderates persistierendes allergisches Asthma bronchiale“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 06.05.03 mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ein, da der Beschwerdeführer an ständig mittelgradig eingeschränkter Atemfunktion und an mehrmals wöchentlich und nachts auftretenden Atemnotanfällen leidet. Der lungenfachärztliche Sachverständige führte schlüssig und nachvollziehbar aus, dass sich die Asthma Erkrankung des Beschwerdeführers seit der Erstellung des Vorgutachtens 2014 verschlechtert hat und eine Anhebung des Grades der Behinderung um eine Stufe vorzunehmen war. Zur Einstufung des führenden Leidens 1 im verwaltungsbehördlichen Sachverständigengutachten führte der Sachverständige aus, dass die Einstufung des allgemeinmedizinischen Sachverständigen mit 30 vH jedenfalls zu niedrig ist und entgegen diesem Gutachten die Positionsnummer 06.05.03 heranzuziehen ist. Da die Einstufung nunmehr durch einen Facharzt erfolgte, folgt das Bundesverwaltungsgericht der nunmehr lungenfachärztlich erfolgten Einstufung von 50 vH.

Das Leiden 2 „Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke“ wurde vom orthopädischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 40 vH unter der Positionsnummer 02.02.02 eingestuft. Nach erfolgter Untersuchung kam der Sachverständige zum Schluss, dass beim Beschwerdeführer eine anhaltende Cervicalgie und Lumbalgie bei Osteochondrose Modic II L4/5 bei ungestörter peripherer Sensomotorik vorliegt. Die Hüft- und Kniegelenke sind nur geringfügig mehr als alterstypisch abgenützt. Der orthopädische Sachverständige führte schlüssig und nachvollziehbar aus, dass sich das orthopädische Leiden seit der Gutachtenserstellung 2014 um eine Stufe verschlechtert hat und der Grad der Behinderung auf 40 vH zu erhöhen war. Im Vergleich zum verwaltungsbehördlichen Gutachten eines Allgemeinmediziners erfolgte die Einstufung des Leidens 2 um eine Stufe höher.

Die „depressive Störung“ unter laufender Nummer 3 wurde unverändert zum verwaltungsbehördlichen Gutachten unter der Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft, da der Beschwerdeführer noch laufend in psychiatrischer Behandlung unter Einnahme von Medikamenten steht.

Das Leiden 4 „leichtes Schlafapnoesyndrom“ wurde unter der Positionsnummer 06.11.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da keine Indikation für eine nächtliche Beatmung vorliegt.

Das Leiden 5 „chron. Venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten“ stufte der medizinische Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 05.08.01 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da keine Varizenbildung vorliegend ist und keine trophischen Hautveränderungen.

Das Leiden 6 „Karpaltunnelsyndrom beidseits“ wurde unter der Positionsnummer 04.05.06 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft, da geringe und nur sensible Beschwerden objektivierend sind.

Die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung mit 60 vH begründete der Sachverständige im verwaltungsgerichtlichen Gutachten mit der Erhöhung des Grades der Behinderung von Leiden 1 durch Leiden 2, da dieses schwerwiegend ist. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2014 erfolgte nunmehr die Einstufung des Grades der Behinderung um eine Stufe höher, da eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers objektivierbar ist. Die Leiden 3 bis 6 wurden im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2014 erstmalig eingestuft, da nunmehr objektivierbar.

Die beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden somit in den eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

Der Inhalt der Gutachten der Fachärzte für Orthopädie und Lungenheilkunde wurden von der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.

Die Abweichung zur Beurteilung der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten resultiert aus den nunmehr fachärztlichen Beurteilungen.

Zu 1.3.) Der Antrag des Beschwerdeführers weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 19.02.2019 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung am 19.02.2019 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1. hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auftretende Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Da ein Grad der Behinderung von 60 vH festgestellt wurde und somit eine Änderung zu dem bisherigen Grad der Behinderung festgestellt werden konnte, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W141.2224598.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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