Entscheidungsdatum
28.09.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W141 2224191-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , VN. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 29.08.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Vekehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Wirksamkeit ab 23.06.2009 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde genannt) dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 50 vH eingetragen.
1.1. Der Beschwerdeführer hat am 24.04.2019 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes, einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß
§ 29b StVO sowie auf Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gestellt.
1.2. Mit Schreiben vom 21.05.2019 brachte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen in Vorlage.
1.3. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.06.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
1.4. Mit Schreiben vom 30.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt und ihm gemäß § 45 AVG die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
1.5. Mit Schreiben vom 11.08.2019, eingelangt am 14.8.2019, brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zum Parteiengehör ein. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass ihm die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich wäre. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich im Juli massiv verschlechtert. Neben seiner rheumatischen Erkrankung und den weiteren Beschwerden, wäre nun ein Bandscheibenvorfall, konkret eine breitbasige rechtsbetonte dorsale Diskusherniation C5/C6 mit Nahebezug zur Nervenwurzel, C6 rechts bei gering ödematös aktivierter Osteochondrosis intervertebralis, diagnostiziert worden.
Der Beschwerdeführer führte aus, zudem unter Taubheitsgefühl in der rechten Körperhälfte zu leiden, was seine Mobilität zusätzlich massiv einschränken würde. Der entsprechende Befund vom 10.07.2019 liege diesem Schreiben bei.
Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund einer akuten Knieentzündung nicht lange stehen könne. Der entsprechende Befund seines Hausarztes wäre ebenfalls in der Beilage. Ruckartige Bewegungen der U-Bahn oder S-Bahn würden zu unerträglichen Schmerzen führen, weshalb er in jedem Verkehrsmittel zwingend auf einen Sitzplatz angewiesen wäre.
Darüber hinaus würde er seinen täglichen Arbeitsweg mit seinem Privatauto zurücklegen, welches ihm Sicherheit gebe und eine weniger strapaziöse Anreise ermögliche. Das Parken in Kurzparkzonen stelle eine hohe finanzielle Belastung für ihn da. Auch aus diesem Grund würde er die Zusatzeintragung in den Behindertenpass begehren.
Zur Linderung seiner Rheuma bedingten Schmerzen, habe er eine weitere Spritzentherapie „Rheumesser" erhalten (die Bestätigung seines Hausarztes liege diesem Schreiben bei). Im September werde er sich zusätzlich einer privat bezahlten Heilstollen-Therapie unterziehen.
1.6. Zur Überprüfung der neu vorgelegten Befunde und Einwendungen des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde eine medizinische Stellungnahme der selben Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der Aktenlage am 28.08.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk nicht vorlägen. Ausgeführt wurde unter anderem, dass die vorgebrachten Argumente keine neuen Erkenntnisse beinhalten würden, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
Dem Bescheid waren das Sachverständigengutachten sowie die Stellungnahme der Fachärztin für Orthopädie beigelegt.
3. Gegen den Bescheid vom 29.08.2019 wurde vom Beschwerdeführers am 06.10.2019 Beschwerde erhoben.
Ohne Vorlage weiterer medizinischer Beweismitte wurden im Wesentlichen die bereits gemachten Angaben wiederholt und führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen sowie der massiven psychischen Belastung nicht möglich wäre. Durch die massiven Funktionsbeeinträchtigungen seiner Wirbelsäule wäre ihm weder langes Stehen oder Sitzen möglich, noch wäre das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken bewältigbar. Durch Kuraufenthalte, zuletzt selbstfinanziert im September 2019, werde eine kurzzeitige Schmerzlinderung und ein Mobilitätsgewinn erwirkt. Eine dauerhafte Entlastung der körperlichen Einschränkungen lasse sich dadurch nicht bewirken. Die Steh- und Gehleistung des Beschwerdeführers für den täglichen Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln von insgesamt 4 Stunden (Hin- und Rückreise vom Hauptwohnsitz zum Arbeitsort) wäre nicht ausreichend. Sein körperlicher Zustand erlaube ihm diese extreme Belastung nur unter starken Schmerzen und nur mit Hilfe von Schmerzmitteln. Aus den vorgenannten Gründen wäre er gezwungen seinen Arbeitsweg mit seinem Privatauto zurückzulegen. Dies verschaffe ihm eine weniger psychisch und körperlich belastende Anreise, um den Belastungen im Arbeitsleben Stand zu halten. Das Fahren mit dem Auto erlaube ihm auch, dass er bei akuten Reizdarm-Beschwerden sofort stehen bleiben könne.
4. Mit Schreiben vom 09.10.2019 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
5. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie, basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 15.06.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
5.1. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs am 07.07.2020 haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.
1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:
- Morbus Bechterew - HLA B 27 positiv - ED 2007
- Reizdarmsyndrom DD Chronisch entzündliche Darmerkrankung
- Oberes und unteres Cervikalsyndrom bei Rotationseinschränkung (Blockierungen) der HWS und muskulärem Hartspann im Schulter- Nackenbereich
- Z.n. M. Scheuermann im thoracolumbalen Übergang
- Disusprolaps L5/S1 mit Tangierung der Nervenwurzel rechts und radikulärer Schmerzsymptomatik
- Z.n. Arthroskopie linkes Knie wegen Kreuzbandriß 08/2014
- Allergisches Asthma bronchiale
- Z.n. Nasenscheidewand OP
- Histaminintoleranz
- Hausstaubmilben-Sensibilisierung (sowie Katzen-, Hunde-, Pferdeepithelien)
- St.p. Refluxösophagitis, erosive Antrumgastritis
- Z.n. TE
1.2.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Größe: 180 cm Gewicht: 82,5 kg
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: normal
Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,
Hörvermögen gut, Sehvermögen gut,
Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich,
Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent,
Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich
Bauch: weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, Leber und Milz nicht tastbar,
Caput: unauffällig
HWS: Rotation der HWS leicht eingeschränkt nach links > rechts, KJA 3cm
Rechte obere Extremität:
Schulter: endlagig schmerzbedingt in der Beweglichkeit eingeschränkt, Ab und Adduktion möglich, Schürzen und Nackengriff möglich
Ellbogen- Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei, keine synovitischen Schwellungen
Periphere Sens, und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.
Linke obere Extremität:
Schulter uneingeschränkt in der Beweglichkeit, Nacken und Schürzengriff möglich Ellbogen- Hand-und Fingergelenke aktiv und passiv frei, keine synovitischen Schwellungen
Periphere Sens, und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.
Gebrauchshand: rechts
BWS: achsengerade, nicht klopfdolent
LWS: Klopfschmerz in der Lendenwirbelsäule,
Becken: stabil Rechte untere Extremität:
Hüfte: leichter Rotation- oder Stauchungsschmerz
Knie: unauffällig Untersuchungszeitpunkt o.B.
Linke untere Extremität:
Hüfte: geringer Rotation- oder Stauchungsschmerz
Knie: Beugung und Streckung eingeschränkt
Muskulatur der oberen und unteren Extremität seitengleich ausgebildet.
Keine Sensibilitätsstörungen Hautkolorit: unauffällig
Status Psychicus: Klar orientiert in allen Qualitäten
Gehfähigkeit: Kommt in normaler Straßenkleidung in die Ordination, es werden normale Straßenschuhe getragen, das Gangbild flott, elastisch, keine Gehbehinderung, keine Verwendung eines Hilfsmittels.
1.2.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der oberen Extremitäten, der unteren Extremitäten, noch der körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
1.3. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 09.10.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit Stichtag 17.08.2020 aus dem zentralen Melderegister eingeholten Datenauszug.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie. Dieses ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung des vorgelegten Beweismittels den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:
- Bestätigung Dr. Hans Bartl, Allgemeinmedizin, 09.08.2019: Pat. leidet an einer akuten Bursitis Praepatellaris, re Knie.
- MRT der HWS, 10.07.2019: Breitbasige rechtsbetonte dorsale Diskusherniation C5/C6 mit Nahebezug zur Nervenwurzel C6 rechts bei gering ödematös aktivierter Osteochondrosis intervertebralis (Typ Modic I). Geringe entzündliche Veränderung der Ligamenta interspinalia C4/C5 und C5/C6 bei bekannter seronegativer SpA, Streckfehlhaltung
- Befundbericht Dr. Werner Heindl, FA für Lungenerkrankungen, 31.03.2009: Allergisches Asthma bronchiale
- Befundbericht Dr. Thomas Schwingenschlögl, FA für Innere Medizin und Rheumatologie, 12.04.2019: Morbus Bechterew - HLA B 27 positiv - ED 2007 Chronisch entzündliche Darmerkrankung in Abklärung
Oberes und unteres Cervikalsyndrom bei Rotationseinschränkung (Blockierungen) der HWS und muskulärem Hartspann im Schulter-Nackenbereich
Dorsalgien bei Fehlhaltung der BWS (Skoliose und verstärkte arcuäre Brustkyphose), Syndesmophyten im Rahmen der Grunderkrankung und Hartspann der paravertebralen Rückenmuskulatur
Rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien bei Fehlhaltung (Streckfehlhaltung und Rotationsfehlstellung) und Aufbraucherscheinungen (Spondylose, Facettengelenksarthrose, Chondrose L5/S1) der LWS
z.n. M. Scheuermann im thoracolumbalen Übergang
Disusprolaps L5/S1 mit Tangierung der Nervenwurzel rechts und radikulärer Schmerzsymptomatik
z.n. CT gezielter Infiltration Nervenwurzel
Coxalgie, Hüftgelenkserguß beidseits
z.n. Arthroskopie linkes Knie wegen Kreuzbandriß 08/2014
Allergisches Asthma bronchiale
z.n. Nasenscheidewand OP
Histaminintoleranz
Hausstaubmilben-Sensibilisierung (sowie Katzen-, Hunde-, Pferdeepithelien)
Rez. Infekte im Bereich der oberen und unteren Atemwege
Refluxösophagitis, erosive Antrumgastritis
z.n. TE
MRT der LWS, 09.04.2019: Minimale Intervertebralgelenksarthrose, rechtsbetonter Prolaps L5/S1 mit kurzer Kontaktstrecke zur Nervenwurzel
CT. Gezielte Intervention, 14.02.2019: Discusprolaps L5/S1 rechts M51.1
Coloskopie, Dr. Marion Kara,16.08.2018: Unauffällige Coloskopie, Stufen PE entnommen
Gastroskopie, 13.08.2015, OA Dr. Mensdorff Pouilly: Antrumgastritis
Die medizinische Sachverständige beschreibt die wahrgenommene Gesamtmobilität anschaulich. Das Gangbild des Beschwerdeführers in normalen Straßenschuhen kann als flott und elastisch beschrieben werden. Beim Beschwerdeführer ist keine Gehbehinderung vorliegend und werden keine Hilfsmittel verwendet.
Weiter führt die Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie nachvollziehbar aus, dass erhebliche Einschränkungen der unteren Extremität nicht vorliegend sind. Der Beschwerdeführer kann sowohl eine Hüftbeugung durchführen, als auch die Kniegelenke problemlos bewegen. Trotz des Zustandes nach Kreuzbandplastik bestehen hier keine wesentlichen Einschränkungen. Somit kann der Beschwerdeführer eine Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min zurücklegen und können Niveauunterschiede, wie sie zum Einsteigen in ein Transportmittel notwendig sind, überwunden werden. Laut der Sachverständigen sind Hilfsmittel zur Fortbewegung derzeit zudem nicht notwendig.
Die medizinische Sachverständige hält zudem nachvollziehbar fest, dass keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen und auch keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten beim Beschwerdeführer vorliegen. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems ist ebenfalls nicht dokumentiert und wird dies auch nicht vorgebracht. Beim Beschwerdeführer liegt auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.
Bei dem Beschwerdeführer besteht eine chronisch entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule und peripheren Gelenke, ein Morbus Bechterew. Die Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie erklärt nachvollziehbar, dass diese Erkrankung einem schubhaften Verlauf unterliegt und entsprechend therapiert wird. Trotz der Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäle und des Skelettsystems aufgrund dieser Erkrankung, ist dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min möglich. Das Überwinden von Niveauunterschieden, wie es zum Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel notwendig ist, ist vom Beschwerdeführer ebenso durchführbar, da keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke bestehen. Es kann eine Beugung und Streckung der Gelenke in normalem Ausmaß durchgeführt werden und liegen hier keine funktionellen Defizite vor. Der Zustand nach Operation am linken Knie stellt ebenfalls kein Hindernis dar, um in ein öffentliches Verkehrsmittel einzusteigen. Der Transport in einem Verkehrsmittel kann ebenso durchgeführt werden. Haltegriffe können verwendet werden, da keine durchgehenden wesentlichen Funktionseinschränkungen in den Schultergelenken festgestellt werden konnten.
Laut der untersuchenden Sachverständigen ist im Bedarfsfall auch die Unterstützung durch eine Gehhilfe möglich (Stock) bzw. stellt das Tragen von Orthesen eine Möglichkeit zur Gelenksentlastung dar. Schmerzmedikamente und andere medikamentös therapeutische Mittel werden vom Beschwerdeführer bereits eingesetzt, können bei progressivem Verlauf durch den behandelnden Facharzt adaptiert werden.
Die Reizdarmbeschwerden - chronisch entzündliche Darmerkrankung DD - führen ebenfalls zu keiner Einschränkung betreffend den Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Die Stuhlabgänge wurden nicht als imperativ und Unaufhaltsam beschrieben, Inkontinenzmaterial wird nicht verwendet.
Auch dem Einwand des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund der psychischen Belastung nicht in der Lage wäre öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, kann nicht gefolgt werden. Laut der untersuchenden Sachverständigen kann hier keine Beurteilung abgegeben werden, da der Beschwerdeführer keine fachärztlichen Befunde vorgelegt hat und auch keine medikamentöse Therapie etabliert ist.
Es kommt daher zu keiner abweichenden Beurteilung im Vergleich zum Vorgutachten.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern berücksichtigt.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.
Zu 1.3.) Das Schreiben, mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist, weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 09.10.2019 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichtes mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
? nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei dem Beschwerdeführer besteht eine chronisch entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule und peripheren Gelenke, ein Morbus Bechterew. Trotz der Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäle und des Skelettsystems aufgrund dieser Erkrankung, kann sich der Beschwerdeführer im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe (Stock bzw. das Tragen von Orthesen), ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung des erforderlichen Behelfes die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Der Beschwerdeführer kann sowohl eine Hüftbeugung durchführen, als auch die Kniegelenke problemlos bewegen. Trotz des Zustandes nach Kreuzbandplastik bestehen daher keine wesentlichen Einschränkungen. Beim Beschwerdeführer liegen somit weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Ein- und Aussteigen und ein gesicherter Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich.
Unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Fachärztliche Befunde welche eine psychische Belastung dokumentieren würden, wurden nicht in Vorlage gebracht.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.
Da es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, ist das Vorbringen betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel) nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragungen „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Weder von Seiten des Beschwerdeführers noch von Seiten der belangten Behörde wurden gegen dieses Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs Einwände vorgebracht. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten ZumutbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W141.2224191.1.00Im RIS seit
10.12.2020Zuletzt aktualisiert am
10.12.2020