TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 W191 2226852-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55 Abs2

Spruch

W191 2226852-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Sri Lanka, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Astrid Wagner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019, Zahl 1239156302-190742122, zu Recht (Teilerkenntnis):

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. gemäß §§ 10, 55 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 46 und 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes IV. wird stattgegeben und dieser gemäß § 53 Fremdenpolizeigesetz 2005 behoben.

III.    Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, wurde am 21.07.2019 wegen des Verdachts der illegalen Einreise bzw. des illegalen Aufenthaltes gemäß den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (in der Folge FPG) bei dem Versuch der Grenzübertretung nach Österreich in 7472 Schachendorf mit zehn weiteren srilankesischen Staatsangehörigen festgenommen und noch am selben Tag von Beamten des Landeskriminalamtes vernommen.

1.2. Laut der Berichterstattung des Landeskriminalamtes Burgenland vom 22.07.2019 waren sämtliche geschleppte Personen von verschiedenen Organisationen in Sri Lanka mit Arbeitsvisa für Rumänien ausgestattet und so legal mit dem Flugzeug nach Rumänien geschleppt worden. Dort hätten sie als Hilfsarbeiter in verschiedenen Fabriken gearbeitet. Anschließend sei ihre Schleppung nach Italien zu einem Preis von € 3.500 bis € 5.000 vereinbart worden, um dort einer Arbeit nachgehen zu können. Die Auftraggeber hätten den BF und einen weiteren srilankesischen Staatsangehörigen beauftragt, die geschleppten Personen in Rumänien abzuholen und an die rumänisch – ungarische Grenze zu bringen, die diese zu Fuß mit Hilfe von Navigationsgeräten überquert hätten. Nach dem Grenzübertritt seien die geschleppten Personen in Ungarn wieder in das Auto aufgenommen und bis zu ihrer Anhaltung in Österreich Richtung Italien gefahren. Der BF habe für die Schlepperfahrt € 1.000 erhalten.

1.3. Mit Kurzbrief vom 23.07.2020 informierte die Landespolizeidirektion (LPD) Kärnten das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) über einen Anruf des Bruders des BF, der um Unterstützung bei der Auffindung des BF ersucht habe, da sich der BF seit 21.07.2019 vermutlich in Österreich aufhalte, jedoch nicht erreichbar sei.

1.4. Mit Schreiben vom 25.07.2019 wurde das BFA von der Verhängung der Untersuchungshaft über den BF informiert. Dieser sei verdächtig, am 21.07.2019 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter die rechtswidrige Einreise von Fremden, die über keine gültigen Reisedokumente für die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügt hätten, über Rumänien nach Ungarn, Österreich und Italien mit dem Vorsatz, sich und die kriminelle Vereinigung durch ein geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert zu haben, indem er gemeinsam mit dem Beifahrer des Fahrzeuges neun Staatsangehörige der Republik Sri Lanka gegen Bezahlung eines Schlepperlohns transportierte, wobei sie einer Kontrolle unterzogen und festgenommen worden seien.

Es sei zu erwarten gewesen, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entziehen oder sich verborgen halten würde, insbesondere, da er ohne soziale Integration und ohne Wohnsitz im Inland sei.

1.5. Am 02.08.2019 führte das BFA eine Einvernahme des BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Singhalesisch durch.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei in XXXX , Sri Lanka, geboren und habe 13 Jahre die Grundschule besucht. Seine Mutter und seine Geschwister würden nach wie vor in Sri Lanka leben, sein Vater und seine Ehefrau, XXXX , seien in Italien wohnhaft. Er habe eine Aufenthaltsberechtigung in Italien und arbeite als Pfleger, wo er zwei Leute zu betreuen habe. Seine Frau, mit der er in Neapel wohne, sei im ersten oder zweiten Monat schwanger.

Den Tatverdacht der Schlepperei vorgehalten erklärte der BF lediglich: „Das stimmt.“

1.6. Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 25.10.2019, 7 HV 51/19w-36, rechtskräftig am 29.10.2019, wurde der BF gemäß §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2, Abs. 4 erster Fall FPG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

1.7. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 20.11.2019, Zahl 1239156302-190742122, erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) (Spruchpunkt I.), erließ in Spruchpunkt II. gemäß § 52 Abs. 5 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung und stellte in Spruchpunkt III. fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des BF nach Sri Lanka gemäß § 46 FPG zulässig sei.

In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 „Z 0“ ein auf die Dauer von „5“ [fünf] Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, in Spruchpunkt V. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und in Spruchpunkt VI. einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Hinsichtlich des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet wurde ausgeführt, dass der BF in Österreich nicht aufrecht gemeldet sei, über keine Barmittel verfüge, um seinen Unterhalt zu finanzieren, und keiner legalen Beschäftigung nachgehe. Sein Aufenthalt sei nicht rechtmäßig und er sei lediglich in das Bundesgebiet gereist, um den Tatbestand der Schlepperei zu begehen.

Bezüglich des Privat- und Familienlebens des BF sei festzuhalten, dass er keine besonderen Bindungen in Österreich habe, die über das normale Maß der Beziehungen zu anderen Personen außerhalb der Kernfamilie hinausgehen würden. Die Anbindungen und Verwurzelungen in den Heimatstaat seien weitaus stärker verfestigt, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass der BF im Falle einer Rückkehr in besondere Schwierigkeiten geraten würde.

Der BF sei in Österreich massiv straffällig geworden, weshalb eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei. Aufgrund der mehrfachen Deliktsqualifikationen müsse von einer besonders kriminellen Neigung ausgegangen werden. Die Einreise in das österreichische Bundesgebiet sei nur zwecks Begehung des Tatbestandes der Schlepperei erfolgt. Aus diesem Grund könne nur eine negative Verhaltensprognose erteilt werden, da das Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig gefährde. Aus diesem Grund sei ein Einreiseverbot auszusprechen gewesen.

1.8. Am 29.11.2019 stellte der BF einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr nach Sri Lanka. Aus den Unterlagen des Vereins Menschenrechte Österreich (Ergänzende Fragen zur freiwilligen Rückkehr) ist jedoch ersichtlich, dass der BF eine Rückkehr nach Neapel (Italien) wünschte.

1.9. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seines Vertreters vom 17.12.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG).

Ausgeführt wurde, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe zu ermitteln, ob der BF in Italien ein schützenswertes Privat- und Familienleben habe. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich dort, zumal seine Ehefrau dort lebe, die ihr gemeinsames Kind erwarte, sein Vater ebenfalls in Italien wohnhaft sei und der BF als Pfleger dort arbeite. In Sri Lanka habe der BF lediglich schwache Anknüpfungspunkte. Der BF sei zu einer freiwilligen Ausreise nach Italien bereit. Aufgrund seines gültigen Aufenthaltstitels und der Tatsache, dass der BF über ein gültiges Identitätsdokument verfüge, hätte der BF gemäß § 52 Abs. 6 FPG angewiesen werden müssen, sich nach der Entlassung aus der Haft unverzüglich in das italienische Hoheitsgebiet zu begeben. Die belangte Behörde habe es zudem unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob vom BF weiterhin eine Gefahr ausgehe.

Die Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung wurde beantragt.

1.10. Mit Schreiben vom 14.04.2020 wurde das BVwG darüber in Kenntnis gesetzt, dass der BF nach Verbüßung von zehn Monaten seiner Haftstrafe am 21.05.2020 bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen werde.

1.11. Mit Teilerkenntnis vom 30.12.2019, W191 2226852-1/5Z, hielt das BVwG fest, dass in teilweiser Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides behoben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

Begründend wurde ausgeführt, dass der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage könne nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des BF nach Sri Lanka aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

1.12. Mit Schreiben vom 20.12.2019 teilte der Verein Menschenrechte Österreich dem BFA mit, dass der BF seinen Antrag auf freiwillige Rückkehr widerrufen habe und nicht nach Sri Lanka ausreisen wolle.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend insbesondere die Aktenbestandteile bezüglich der Beschuldigtenvernehmung und Berichterstattung der LPD bzw. des Landeskriminalamtes Burgenland, der Verhängung der Untersuchungshaft und der rechtkräftigen Verurteilung des BF, Kopien des Reisepasses und Führerscheins sowie der italienischen Aufenthaltsberechtigung des BF und die Gewährung von Parteiengehör mit Einvernahme vom 02.08.2019 sowie die Beschwerde vom 17.02.2019

?        Einsicht in den Gerichtsakt des BVwG

?        Einsicht in Erkenntnisquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 05.05.2020)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er stammt aus dem Dorf XXXX in Sri Lanka und ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Seine Muttersprache ist Singhalesisch, er spricht auch etwas Italienisch und Englisch.

Der BF besuchte im Heimatland 13 Jahre die Grundschule. In Sri Lanka leben nach wie vor die Mutter und die Geschwister des BF, zu denen er regelmäßig Kontakt hat.

Der Vater des BF lebt ebenso wie die Ehefrau des BF in Neapel (Italien). Die Frau des BF war zum Zeitpunkt der Einvernahme des BF am 02.08.2019 mit dem gemeinsamen Kind im ersten oder zweiten Monat schwanger. Der BF arbeitet als Pfleger zweier Personen in Neapel und verdient etwa € 1.000 pro Monat.

Der BF ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte auch sonst keine Probleme in seinem Herkunftsstaat.

Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten.

3.2. Zur Situation des BF in Österreich:

3.2.1. Dem BF steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht zu.

3.2.2. Der BF schleppte mindestens drei Fremde, die über keine gültige Einreise- oder Aufenthaltsberechtigung für den EU- und Schengenraum verfügten, in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem er als Beifahrer gegen einen Schlepperlohn in der Höhe von € 1.000 in Rumänien neun Drittstaatsangehörige in einen italienischen PKW aufnahm, sie bis zur rumänisch-ungarischen Grenze brachte, die die Fremden zu Fuß passierten, sie anschließend in Ungarn wieder in das Fahrzeug aufnahm und über SCHACHENDORF nach Österreich transportierte, wo sie einer Einreisekontrolle unterzogen wurden.

Aus diesem Grund wurde der BF in Österreich mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 25.10.2019 wegen des Verbrechens der Schlepperei, 7 HV 51/19w-36, rechtskräftig am 29.10.2019, gemäß §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2, Abs. 4 erster Fall FPG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt und am 21.05.2020 bedingt aus der Strafhaft entlassen.

Der BF stellte am 29.11.2019. einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr nach Sri Lanka, den er am 20.12.2019 jedoch zurückzog.

3.2.3. Zur Integration des BF in Österreich:

Da sich der BF lediglich für den Zweck der Schleppung von mehreren srilankesischen Staatsbürgern und anschließend in Strafhaft in Österreich aufgehalten hat, weist er keinerlei Integration im Bundesgebiet auf.

3.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Der BF ist männlich, im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig. Ihm würde im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen.

Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonstwie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er über dreizehnjährige Schulbildung und Berufserfahrung (in Italien, in einem fremden Land auf fremdem Kontinent mit fremder Sprache und fremder Kultur) und soziale Anknüpfungspunkte (Familie) verfügt.

3.4. Familienleben des BF:

Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Der BF ist mit XXXX verheiratet, die zum Zeitpunkt der Einvernahme am 02.08.2019 mit dem gemeinsamen Kind im ersten oder zweiten Monat schwanger war. Der BF arbeitet als Pfleger zweier Personen in Neapel und verdient etwa € 1.000 pro Monat.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Feststellungen zur Lage in Sri Lanka (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.05.2020, Schreibfehler teilweise korrigiert):

„1. Politische Lage

Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 11.03.2020; vgl. AA 06.03.2020). Die bestehende Präsidialrepublik räumt dem Staatsoberhaupt eine starke Position vor allem bei der Zusammensetzung der Regierung und in der Außenpolitik ein. Die Legislative ist in einem Ein-Kammer-System mit 225 Mitgliedern organisiert, wobei die Abgeordneten direkt gewählt und bei Freiwerden eines Mandats von der jeweiligen Partei nachbesetzt werden. Die eher linksgerichtete United People's Freedom Alliance (UPFA) steht der eher konservativen United National Party (UNP) gegenüber. Letztere war über Jahrzehnte die stärkste Kraft im Land (ÖB 9.2019). Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BTI 2020). Am 16.11.2019 wählten die Wähler bei der Präsidentschaftswahl Gotabaya Rajapaksa zum Präsidenten. Akkreditierte einheimische und internationale Beobachter beschreiben die Wahl als friedlich und gut organisiert, stellten jedoch fest, dass aufgrund nicht regulierter Wahlkampfausgaben, des Missbrauchs staatlicher Ressourcen und der Voreingenommenheit der Medien die Chancengleichheit im Wahlkampf beeinträchtigt wurde (USDOS 13.03.2020). Die Wahl, die so friedlich verlaufen ist wie wenige vor ihr, verlief jedoch nicht frei von Gewalt. Auf offener Straße wurde ein Bus beschossen, der Muslime ins Wahlbüro fahren sollte. Zudem versuchten radikale Gruppierungen vor allem im Norden des Landes, Menschen gewaltsam von einem Wahlboykott zu überzeugen. Im Vergleich zu den Ausschreitungen und zahlreichen Toten, die es bei früheren Wahlen gegeben hatte, kann aber dieses Mal tatsächlich von einer insgesamt friedlichen Wahl gesprochen werden (KAS 29.11.2019). Verschiedenen Berichten zufolge kam es nach den Wahlen zu Ausschreitungen, nachdem der neue Präsident Gotabaya Rajapaksa seinen Bruder und ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa zum Premierminister ernannte (TG 22.11.2019; vgl. ACLED 26.11.2019).

Am 01.10.2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens mit Sri Lanka die Resolution „Promoting reconciliation, accountability and human rights in Sri Lanka“ (A/HRC/30/L.29) beschlossen (AA 12.01.2020). Nachdem sich 2015 die Regierung zu nationaler Wiederversöhnung bekannte und gegenüber dem Menschenrechtsrat erklärte, Maßnahmen zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs umzusetzen, kamen wichtige Schritte, darunter auch die Verfassungsreform, ins Stocken (AA 06.03.2020a). Nach einer ersten Verlängerung (Res. 34/1) 2017 wurden Sri Lanka im März 2019 zwei weitere Jahre Zeit gegeben, die Maßnahmen zu implementieren. Sri Lanka hat sich damit bereit erklärt, die mutmaßlichen im Bürgerkrieg begangenen Kriegsverbrechen rechtlich aufzuklären (AA 12.01.2020). Allerdings kündigte im Nachgang der Präsidentschaftswahlen 2019 die Regierung am 27.02.2020 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an, den von der internationalen Gemeinschaft in einer Resolution eingeforderten Aufarbeitungsprozess nicht fortzuführen (AA 06.03.2020a; vgl. HRW 03.03.2020).

Am 02.03.2020 löste Präsident Rajapaksa gemäß geltender Verfassung das Parlament nach viereinhalb Jahren – also bereits ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende der Legislaturperiode – mit dem Zweck auf, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zugunsten seiner Fraktion auszubauen. Wird das Parlament durch den Präsidenten aufgelöst, muss es spätestens drei Monate später (02.06.2020) wieder zusammentreten (DS 23.04.2020). Doch entschied sich die Wahlkommission Sri Lankas, wegen der Coronavirus-Pandemie die Parlamentswahlen im Land nicht wie geplant am 25.04.2020 durchzuführen (Reuters 19.03.2020; vgl. TH 17.03.2020). Als neuer Wahltermin wird der 20.06.2020 angegeben (TH 21.04.2020; vgl. News1st 20.04.2020). Der Aufforderung der Opposition, das alte Parlament wiedereinzusetzen, lehnte der Präsident jedoch bisher ab. Der Disput zwischen dem Parlament, der Wahlkommission und dem Präsidenten führt das Land nun immer weiter in eine wirtschaftliche Krise (DS 23.04.2020).

2. Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die bewaffnete Opposition gegen den Staat nicht völlig aufgegeben wurde (BTI 2020), dennoch dürfte der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein (AA 12.01.2020). Am 21.04.2019 verübten sri-lankische islamistische Terroristen Selbstmordanschläge auf katholische Kirchen im Westen und Osten des Landes sowie drei Luxushotels in Colombo. Unter den rund 260 Todesopfern befanden sich 45 ausländische Staatsbürger. Der Großteil der Opfer waren sri-lankische Christen. Verantwortlich für die Anschläge war die National Thowheed Jamath (NTJ), deren Mitglieder dem sog. Islamischen Staat die Treue geschworen haben. Am 22.04.2019 rief die Regierung den Notstand gemäß der Verordnung über die öffentliche Sicherheit aus, setzte die Streitkräfte im Inland ein und erteilte ihnen Festnahmebefugnisse. Nach Ablauf des Notstands am 22.08.2019 ordnete der damalige Präsident Maithripala Sirisena an, dass das Militär auch nach Ablauf des Notstands im ganzen Land stationiert bleibt. Dieser Befehl wurde durch den derzeitigen Präsidenten Rajapaksa am 22.11.2019 verlängert (CT 22.04.2019; vgl. USDOS 11.03.2020, ÖB 9.2019). Mögliche Hintergründe für die erfolgten Anschläge wurden durch die Regierung auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.04.2019). Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass mehr als eine islamistische Zelle in Sri Lanka aktiv ist (GW 08.02.2020). Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 12.01.2020). Für das gesamte Land gelten derzeit auf Grund der COVID-19 Pandemie bis auf weiteres Ausgangsbeschränkungen (BMEIA 22.04.2020). Seit der am 20.03.2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 03.04.2020).

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Von sogenannten „Altfällen“ mit Bezug auf die „Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)“ befindet sich nach Einschätzung des OHCHR niemand mehr aufgrund des Prevention of Terrorism ACT (PTA) in Haft. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 12.01.2020). Das schwache Justizwesen ist nach wie vor politischem Druck ausgesetzt und wird durch eine politisierte Polizei, auf die das Gerichtssystem bei der Beweisführung häufig angewiesen ist, behindert. Seit Anfang 2015 sind in der früheren Verwaltung eine Reihe von Staatsbeamten und Militärs strafrechtlich verfolgt worden. Ebenso werden Verdachtsfälle von Korruption von Beamten und Politikern, die seit Anfang 2015 an der Macht sind, untersucht (BTI 2020; vgl. AA 12.01.2020). Die Untersuchungshaftzeiten sind lang. Es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate – verlängerbar in dreimonatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt. Insbesondere bei Inhaftierungen nach dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) kam es oft zu sehr langen, in einzelnen Fällen bis zu fast zwanzigjährigen Gefängnisaufenthalten ohne Urteil oder richterliche Entscheidung (AA 12.01.2020). Im Rule of Law Index 2020 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 66 von 128 Ländern (2017-18: Platz 59 von 113 Ländern), was eine Verschlechterung um zwei Plätze zum Ergebnis von 2019 bedeutet (WJP 27.02.2020; vgl. WJP 31.01.2018). In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land 2020 den Rang 99 von 128 Staaten ein (2018: Rang 91 von 113 Staaten) und in der Subskala Strafjustiz den Rang 65 von 128 Staaten (2018: Platz 53 von 113 Staaten) (WJP 27.02.2020; vgl. WJP 31.01.2018).

4. Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Verteidigungsministerium. Das Militär ist für die äußere Sicherheit zuständig. Das Militär kann aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 11.000 Mitglieder zählende paramilitärische Sondereinsatzgruppe [Specila Tasc Force, STF] ist eine dem Generalinspekteur der Polizei unterstellte Polizeieinheit, die gelegentlich Operationen zur inneren Sicherheit mit dem Militär koordiniert. Der Präsident handelt als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 11.03.2020). Die Regierung hat die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen (USDOS 11.03.2020; vgl. AA 12.01.2020). Freie Meinungsäußerungen ist in jenen Teilen des Nordens, in denen die Sicherheitskräfte stark vertreten sind, eingeschränkter als in anderen Teilen des Landes. Offene Kritik am Militär bleibt selten (BTI 2020). Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter an. Von solchen Maßnahmen sind Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen (FH 04.02.2020). Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Im April 2019 ernannte die Regierung fünf Beauftragte für das Amt für Wiedergutmachung, eine unabhängige Behörde, die durch das im Oktober 2018 verabschiedete, gleichlautende Gesetz geschaffen wurde. Das Büro hat den Auftrag, geschädigte Opfer, die für Reparationen in Frage kommen, zu ermitteln und einzeln oder kollektiv angemessene Entschädigungen zu leisten (USDOS 11.03.2020). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2.2020). Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen. Zwar leitete die Regierung Ermittlungen gegen einige Beamte ein, die im Verdacht stehen, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, doch gelang es nicht, Verurteilungen zu erwirken (USDOS 11.03.2020).

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter ist in Art. 11 der Verfassung verankert. Internationalen Organisationen und Presseberichten zufolge war Folter durch Polizisten bis 2016 verbreitet (UN-Sonderberichterstatter über Folter Méndez hat nach seinem Besuch im April/Mai 2016 festgestellt und darauf hingewiesen, dass 90 Prozent der Verurteilungen in Sri Lanka aufgrund von Aussagen in Polizeigewahrsam erfolgten), um Geständnisse zu erpressen. Eine systematische Anwendung von Folter im Rahmen von Ermittlungen wurde aber nicht mehr beobachtet, auch wenn weiterhin einzelne Menschenrechtsvertreter im Norden und Osten gelegentlich überwacht und drangsaliert werden (AA 12.01.2020; vgl. AA 16.12.2017), jedoch berichtet die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (HRCSL), dass Folter im ganzen Land Routine ist und weiterhin angewandt wird. Berichte beziehen sich dabei auf Polizeibeamte, die angeblich Verdächtige „zusammenschlagen“, um Geständnisse zu erhalten (USDOS 11.03.2020; vgl. AA 12.01.2020, BTI 2020). Das Gesetz macht Folter strafbar und schreibt eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als sieben Jahren und nicht mehr als zehn Jahren vor. Die Regierung unterhält einen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der den Vorwurf der Folter prüft und vorbeugende Maßnahmen ergreift (USDOS 11.03.2020). Die gerichtliche Verfolgung von Folter ist mit enormem Zeit- und Geldaufwand für die Opfer verbunden, sodass in der Realität kaum ein Fall zur Anzeige kommt. HRW zufolge haben auch Fälle, die vor Gericht behandelt werden, auf Grund langer Verfahren, hoher Gerichtskosten und Einflussnahme durch die Polizei kaum eine Chance auf Verurteilung der Täter (AA 12.01.2020). Polizei- und Militärkräfte setzten unter dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) Folter und sexuellen Missbrauch ein, um Geständnisse zu erwirken (USDOS 11.03.2020). Sri Lankas Verpflichtungserklärungen beim UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) im Jahre 2015, welche auf die Etablierung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und Reformen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen abzielen, blieben am Jahresende 2019 weitgehend unerfüllt (AI 30.01.2020).

Der PTA wurde 1979 als Reaktion auf separatistische Aufstände, insbesondere der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), erlassen und während der 26 Jahre des Bürgerkriegs weitreichend eingesetzt. Doch während andere Notfallregelungen mit dem Ende des Konflikts im Mai 2009 ausgelaufen sind, blieb der PTA in Kraft (HRW 29.01.2018). Das Gesetz zur Verhütung des Terrorismus (Prevention of Terrorism ACT-PTA), eine der Hauptursachen für Menschenrechtsverletzungen, wurde nicht aufgehoben (AI 30.01.2020; vgl. HRW 14.01.2020). Die Polizei darf körperlichen Zwang ausüben, um Aussagen zu erhalten. Gemäß PTA sind diese Aussagen grundsätzlich vollständig verwertbar (AA 12.01.2020; vgl. USDOS 11.03.2020). Der den PTA ablösende Counter Terrorism Act (CTA) wurde noch nicht verabschiedet (AA 12.01.2020).

Misshandlungen bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen sind zwar verboten, kommen aber weiterhin vor (AA 12.01.2020).

6. Korruption

Es besteht die verbreitete Ansicht, dass Korruption nach wie vor in der Verwaltung präsent ist (BTI 2020; vgl. GW 18.12.2019). Die öffentlichen Beschaffungssysteme sind anfällig für Bestechung, und es gibt praktisch keine Rechenschaftspflicht der Amtsinhaber in Form von Vermögenserklärungen oder Regeln für Interessenkonflikte (BTI 2020). Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um. Regierungsbeamte sind manchmal in korrupte Aktivitäten unter Straffreiheit involviert. Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 11.03.2020). Das Gesetz verpflichtet alle Kandidaten für Parlaments-, Kommunal-, Provinz- und Präsidentschaftswahlen, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Parlamentspräsidenten zu erklären. Einige, aber nicht alle Kandidaten bei den Parlamentswahlen, haben ihre Finanzberichte vorgelegt. Die Behörden haben die Einhaltung nicht durchgesetzt. Nach dem Gesetz kann man gegen Zahlung einer Gebühr auf die Aufzeichnungen über das Vermögen und die Schulden der gewählten Amtsträger zugreifen (USDOS 11.03.2020). Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Sri Lanka unter 180 Ländern und Territorien an 93. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (2018: 91/38) (TI 2020; vgl. TI 2017). In der Unterskala „Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Sri Lanka 2020 Rang 61 von 128 Staaten (2018: 58/113) ein (WJP 27.02.2020; vgl. WJP 31.01.2018). Im November 2019 verhaftete die Kommission zur Untersuchung von Bestechungs- oder Korruptionsvorwürfen 42 Personen wegen des Verdachts, im Laufe des Jahres Bestechungsgelder angenommen oder bezahlt zu haben (USDOS 13.03.2020).

[…]

8. Wehrdienst und Rekrutierungen

Es gibt in Sri Lanka keine allgemeine Wehrpflicht (AA 12.01.2020). Man kann sich im Alter von 18 bis 22 Jahren freiwillig zum Militärdienst melden (CIA 16.04.2020).

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert (AA 12.01.2020). Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstellen gehören unrechtmäßige Tötungen, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten und Blockaden sozialer Medien, Korruption, Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle (LGBTI) Personen und die Kriminalisierung gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens (USDOS 11.03.2020). Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen und kann nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung. Die HRCSL erhielt bis November 2019 zahlreiche Beschwerden über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, ein Abschlussbericht steht jedoch noch aus (USDOS 11.03.2020). Einige tamilische Politiker und lokale Menschenrechtsaktivisten bezeichnen mutmaßliche ehemalige LTTE-Kämpfer, denen terrorismusbezogene Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, als „politische Gefangene“. NGOs berichten, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und dem Board of Prison Visits Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 11.03.2020). Als Folge des Bürgerkrieges mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden (IPS 30.04.2018). Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Behörde für vermisste Personen (Office of Missing Persons, OMP), die mit der Untersuchung solcher Fälle beauftragt ist (IPS 30.04.2018). Das OMP eröffnete 2019 drei Regionalbüros in Mannar, Matara und Jaffna und setzt seine Bemühungen um die Familien der Vermissten und Verschwundenen fort (USDOS 11.03.2020). Dennoch wurden die von Sri Lanka im Jahr 2015 eingegangenen Verpflichtungen zur Schaffung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und zu Reformen zur Verhinderung, dass sich diese Verbrechen wiederholen, bis Ende des Jahres 2019 nicht umgesetzt (AI 30.01.2020). Die Regierung hat keinen Mechanismus eingeführt, um Angehörige des Militär- und der Sicherheitskräfte, die Gräueltaten während des Bürgerkrieges von 1983 bis 2009 beschuldigt werden, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 11.03.2020).

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, und die Regierung hat diese Rechte im Allgemeinen respektiert (USDOS 11.03.2020; vgl. FH 04.02.2020). Auf dem World Press Freedom Index 2020 der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ belegt Sri Lanka Platz 127 von 180 Ländern, eine Verschlechterung um einen Rang im Vergleich zu 2019 (RwB 2020). Zwar kontrolliert der Staat einige wichtige Medien, doch gibt es Spielraum für Meinungsvielfalt. Die Opposition hat zwar nur begrenzten Zugang zu den staatlichen Medien, nichtstaatlich kontrollierte Medien stehen der Regierung jedoch oft offen kritisch gegenüber (BTI 2020). Unabhängigen Medien sind aktiv und äußern sich sehr unterschiedlich. Journalisten im tamilischen Norden und Osten berichteten jedoch von Schikanen, Einschüchterungen und Einmischungen durch den Sicherheitsapparat, wenn sie über sensible Themen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg oder seinen Folgen berichteten. Journalisten berichten, dass das Militär sie kontaktiert habe, um Kopien von Fotos, Listen der Teilnehmer an Veranstaltungen und Namen von Quellen aus Artikeln anzufordern und ersuchte, nicht über Themen wie tamilische Kriegsdenkmäler oder Proteste gegen die Landbesetzung zu berichten (USDOS 11.03.2020).

Über Fälle von Einschüchterungen von Journalisten wie auch deren Familien und Medienvertreter im Jahr 2019 wird berichtet (AI 16.01.2020). Journalisten berichten von Anrufen von Anhängern der Regierung, in denen sie aufgefordert wurden, alles zu unterlassen, was ein negatives Licht auf die Regierungspartei oder die Oppositionspolitiker wirft (USDOS 11.03.2020).

In den letzten zwei Jahren hat die Medienfreiheit zugenommen, und die zunehmende Verbreitung elektronischer Geräte hat zu einem Wachstum der sozialen Medien geführt (BTI 2020). Es gab keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung erlässt begrenzte Beschränkungen für Webseiten, die sie als pornografisch einstuft. Nach den Angriffen am Ostersonntag verhängte die Regierung ein vorübergehendes Verbot für mehrere soziale Medienplattformen, darunter Facebook, WhatsApp und Instagram. Das neuntägige Verbot sozialer Medien wurde am 13.05.2019 nach anti-muslimischen Unruhen kurzzeitig wieder verhängt (USDOS 11.03.2020). In einer am 01.04.2019 erlassenen Anordnung wird die Polizei angewiesen, Personen, die Amtsträger in ihrer Dienstverrichtung mit Bezug auf Maßnahmen zur Verbreitung der COVID-19 Pandemie „kritisieren“ oder „falsche“, wie auch „bösartige“ Nachrichten zur Pandemie weitergeben, zu verhaften. Seit der am 20.03.2019 verhängten landesweiten Ausgangssperre wurden mehr als 10.000 Menschen verhaftet (HRW 03.04.2020).

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Freiheiten der friedlichen Versammlung und der Vereinigung sind gesetzlich garantiert. Sie werden von der Regierung im Allgemeinen respektiert. Diese Rechte wurden aber in einer begrenzten Anzahl von Fällen durch die Regierung 2019 eingeschränkt (USDOS 11.03.2020). Auch erlaubt die Verfassung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Interesse der religiösen Harmonie, der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit oder Moral, im Interesse der Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer oder im Interesse des allgemeinen Wohlergehens der demokratischen Gesellschaft (USDOS 11.03.2020). Nach Artikel 77 (1) der Polizeiverordnung müssen Demonstrationen bei der örtlichen Polizei genehmigt werden. Die nach den Angriffen am Ostersonntag vom 22.04. bis zum 23.08.2019 geltenden Notstandsverordnungen räumten den Sicherheitsdiensten weitreichende Befugnisse ein, u.a. Verdächtige ohne Gerichtsbeschluss bis zu 90 Tage lang festzuhalten und zu vernehmen. Im Rahmen des Notstands führte die Regierung nächtliche Ausgangssperren ein, beschränkte die Bewegungsfreiheit und gestattete dem Präsidenten, öffentliche Versammlungen zu verbieten (USDOS 11.03.2020). Unter der Regierung von Mahinda Rajapaksa vor 2015 wurden unerwünschte Veranstaltungen von NGOs entweder verboten oder verhindert, indem Störer – hier kamen regelmäßig radikalnationalistische buddhistische Mönche zum Einsatz – nicht zurückgehalten wurden. Nach Anfang 2015 sind Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich nicht mehr eingeschränkt (AA 12.01.2020). Oppositionsparteien und regierungskritische Gruppen der Zivilgesellschaft agieren relativ offen (BTI 2020). Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen agieren in der Regel ohne staatliche Einschränkung und untersuchten und veröffentlichten ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte waren einigermaßen entgegenkommend gegenüber ihren Ansichten (USDOS 11.03.2020). Infolge von Ausschreitungen im Bezirk Kandy wurden im März 2018 Ausgangssperren und Einschränkungen wie auch Blockaden der sozialen Medien im Rahmen des Ausnahmezustands verhängt. Ähnliche Maßnahmen ergriff die Regierung unter Wickremesinghe nach den Anschlägen am 21.04.2019 und den lokalen Unruhen in der Nordwestprovinz Mitte Mai 2019 (AA 12.01.2020). Vereinigungsfreiheit ist durch das Gesetz garantiert. Eine Verbindung zu oder eine Mitgliedschaft bei einer verbotenen Organisation wird jedoch kriminalisiert. Das Gesetz sieht das Recht der Arbeitnehmer vor, Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Davon ausgenommen sind Angehörige der Streitkräfte, Polizisten, Justiz- und Gefängnisbeamte (USDOS 11.03.2020). Das Gesetz erkennt das Streikrecht zwar nicht ausdrücklich an, aber die Gerichte haben ein implizites Streikrecht auf der Grundlage der Gewerkschaftsverordnung und des Arbeitskonfliktgesetzes anerkannt (USDOS 11.03.2020). Dennoch kommt es Berichten zufolge zu Vorfällen, bei denen der Staat zur Unterdrückung friedlicher Proteste zur Abschreckung Einschüchterungsmaßnahmen eingesetzt hat (CPA 2.2020). Gemäß den Notfallregelungen der Verordnung über die öffentliche Sicherheit hat der Präsident einen weit gefassten Ermessensspielraum, um Sektoren als „wesentlich“ für die nationale Sicherheit, das Leben der Gemeinschaft oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu erklären und damit die Rechte der Arbeiter, legale Streiks durchzuführen, zu widerrufen. Mit dem Essential Public Services Act von 1979 kann der Präsidenten auch „Dienstleistungen“ von Regierungsstellen als „wesentliche“ öffentliche Dienstleistungen deklarieren. 2018 und 2019 beispielsweise berief sich die Regierung auf den Essential Public Services Act, um die srilankische Eisenbahn und den Erdölsektor zu wesentlichen Sektoren zu erklären und somit streikende Gewerkschaftsmitglieder zur Rückkehr an ihren Arbeitsplatz zu zwingen (USDOS 11.03.2020).

12. Haftbedingungen

Mit Dezember 2018 befanden sich rund 23.355 Personen in Haft (2017: 20.598), was einer Rate von 105 Häftlingen auf 100.000 Einwohner entspricht (2017: 94). Der Prozentsatz von Untersuchungshäftlingen lag bei 60,2 Prozent aller Insaßen (2017: 53,4 Prozent). 4,9 Prozent der Häftlinge waren zur Jahresmitte 2018 Frauen, 0,1 Prozent waren Jugendliche unter 18 Jahren (ICPR 2018; vgl. ICPR 2017, WPB 2019). Offiziellen Statistiken zufolge übersteigt die Zahl der Gefangenen die Kapazität der Gefängnisse zwischen 50 und fast 64 Prozent (2013: 190,6 Prozent). Schätzungen zufolge wartet mehr als die Hälfte der Gefängnisinsaßen jahrelang auf ihren Prozess (USDOS 11.03.2020; vgl. DFAT 04.11.2019; vgl. WPB 2020). In einigen Fällen werden Jugendliche und Erwachsenen zusammen untergebracht. Untersuchungshäftlinge sind oft nicht von verurteilten Straftätern getrennt inhaftiert (USDOS 11.03.2020). In den Gefängnissen soll es zu Misshandlungen und Folter kommen (DFAT 04.11.2020). Die Haftbedingungen sind schlecht und entsprechen aufgrund mangelnder sanitärer Einrichtungen und starker Überbelegung nicht internationalen Standards. In vielen Gefängnissen schlafen Insaßen auf Betonböden, und es mangelt ihnen an natürlichem Licht und ausreichender Belüftung (USDOS 11.03.2020; vgl. DFAT 04.11.2019). Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist ausreichend, die Bewegungsmöglichkeiten für Gefangene erscheinen relativ gut (viel Freigang, soweit keine Verurteilung zur Todesstrafe). In minder schweren Fällen können sich Gefangene bei Hinterlegung einer Sicherheitsleistung frei im Land bewegen. Zwangsarbeit ist in Sri Lanka kaum verbreitet (AA 12.01.2020).

Einige der größeren Gefängnisse verfügten über eigene Krankenhäuser. Meist existiert jedoch nur eine medizinische Abteilung. Häftlinge kleinerer Gefängnisse, die medizinisch versorgt werden mussten, werden zur Behandlung in das nächstgelegene Krankenhaus transferiert (USDOS 11.03.2020). Die Haftbedingungen für politische Straftäter waren und sind noch immer etwas härter, seit Anfang 2015 aber verbessert (AA 12.01.2020).

Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (Human Rights Commission of Sri Lanka, HRCSL) prüft Haftbeschwerden und leitet sie bei Bedarf an die zuständigen Behörden weiter. Die HRCSL berichtete, dass es einige glaubwürdige Behauptungen über Misshandlungen von Gefangenen erhalten habe, das Ministerium für Gefängnisreformen jedoch berichtete, keine Beschwerden erhalten zu haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat ebenfalls ein Mandat zur Überwachung der Haftbedingungen. 2019 führte das HRCSL eine nationale Studie über Gefängnisse durch und besuchte 20 Gefängnisse im ganzen Land. Zum Jahresende lag kein Bericht vor (USDOS 11.03.2020). Willkürliche Verhaftungen sind gesetzlich verboten, und jede Person hat das Recht, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Dennoch gab es weiterhin Berichte über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen im November 2019 [und] zahlreiche Beschwerden wegen willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen. Die Polizei hält Häftlinge manchmal ohne Kontakt zur Außenwelt fest, und Rechtsanwälte müssen eine Erlaubnis beantragen, um sich mit Klienten zu treffen, wobei die Polizei bei solchen Zusammenkünften häufig anwesend ist. In einigen Fällen umfassten die unrechtmäßigen Festnahmen Berichten zufolge auch Verhöre mit Misshandlung oder Folter (USDOS 11.03.2020).

13. Todesstrafe

Die Todesstrafe wird weiterhin verhängt, seit 1976 aber nicht mehr vollstreckt (CLS 2020; vgl. FAZ 06.02.2019; AFP 07.02.2019, Himal 28.09.2018), wobei kein offizielles Moratorium existent ist (Himal 28.09.2018). Die Todesstrafe ist in Sri Lanka für zahlreiche Verbrechen im Strafgesetzbuch definiert (Himal 28.09.2018) und wird für Mord, Vergewaltigung und Drogendelikte häufig verhängt (AA 12.02.2020; vgl. AFP 07.02.2019). Seit Mitte Juli 2018 sprach sich Sri Lankas ehemaliger Präsident Sirisena angesichts der Häufung von schweren Drogendelikten dafür aus, die Todesstrafe in besonders schweren Fällen wieder zu vollziehen (AA 12.01.2020; vgl. Guardian 07.02.2019). 2018 waren insgesamt 1.299 zum Tode verurteilte Personen inhaftiert, darunter 84 Frauen (Guardian 07.02.2019). 48 Personen wurden wegen Drogenvergehen zum Tode verurteilt (Guardian 14.02.2019). Sri Lanka stimmte aber am 17.12.2018 bei der Generalversammlung der VN für das „Moratorium on the use of the death penalty“. Seine Aussage zur Todesstrafe bekräftigte der ehemalige Präsident erneut im Juni 2019 und nannte dabei vier konkrete Fälle von kommerziellen Drogendealern, bei denen die Todesstrafe vollstreckt werden sollte. Der Supreme Court in Sri Lanka blockiert jedoch auch in diesen Fällen die Vollstreckung. Alle im Parlament vertretenen Parteien haben sich zudem gegen die Initiative des ehemaligen Präsidenten ausgesprochen (AA 12.01.2020). 2019 wurden in mindestens 34 Fällen die Todesstrafe ausgesprochen. Zum Jahresende 2019 wurde die Anzahl der zum Tode verurteilten Personen in Sri Lanka auf mehr als 1.000 beziffert (AI 4.2020).

14. Religionsfreiheit

Die in Sri Lanka vertretenen Religionen sind Buddhismus (70,2 Prozent), Hinduismus (12,6 Prozent), Muslime (9,7 Prozent), Christen (4 Prozent) und Sonstige (0.05 Prozent) - (CIA 160.4.2020; vgl. AA 12.01.2020, USDOS 21.06.2019). Das Gesetz erkennt vier Religionen an: Buddhismus, Islam, Hinduismus und Christentum (USDOS 21.06.2019). Die sri-lankische Verfassung gibt keine Staatsreligion vor und garantiert Religionsfreiheit, weist aber dem Buddhismus eine herausgehobene Rolle zu. Die Religionen begegnen sich in Sri Lanka traditionell mit Respekt und Toleranz. Nach den Terroranschlägen auf Kirchen und Hotels durch islamische Extremisten zu Ostern 2019 hat sich allerdings eine skeptische Grundstimmung gegen die muslimische Minderheit entwickelt, die zeitweise zu einem informellen Boykott muslimischer Geschäfte führte (AA 12.01.2020). Die erfolgten islamistischen Angriffe vom April 2019 verschärfen die bestehenden kommunalen Bruchlinien zwischen der buddhistischen Mehrheit Sri Lankas und der muslimischen Minderheit (GW 18.12.2019). Übergriffe radikaler buddhistisch-nationalistischer Gruppierungen auf Minderheiten sind immer wieder öffentlich bemerkbar. Dabei werden insbesondere seit den Terroranschlägen Muslime mit rassistisch-aggressiver Rhetorik angegriffen (AA 12.01.2020; vgl. HRW 14.01.2020). Die Behörden schränkten „Hassrede“, einschließlich der Beleidigung von Religion oder religiösen Überzeugungen durch die Polizeiverordnung und das Strafgesetzbuch, ein (USDOS 11.,3.2020).

Rechtliche Einschränkungen für andere Religionen oder Ideologien, einschließlich der Freiheit zum Religionsübertritt, gibt es nicht (AA 12.01.2020). Religiöse Gruppen müssen sich registrieren, um die Genehmigung zum Bau neuer Gotteshäuser zu erhalten. Eine Registrierung als Treuhandgesellschaft, Verein oder NGO ist notwendig, um finanzielle Transaktionen durchführen, ein Bankkonto eröffnen oder Eigentum besitzen zu können. Religiöse Organisationen können auch durch ein vom Parlament mit einfacher Mehrheit verabschiedetes Gesetz staatliche Anerkennung und die Erlaubnis zum Betrieb von Schulen beantragen (USDOS 21.06.2019).

Nach den Bombenanschlägen am Ostersonntag 2019 erließ die Regierung Anordnungen, die Gesichtsbedeckungen verbieten, insbesondere die Schleier, die einige muslimische Frauen tragen. Nach dieser Anordnung sahen sich muslimische Frauen, auch solche, die andere Formen der Kleidung wie Kopftücher und Abayas trugen, am Arbeitsplatz und an öffentlichen Orten Schikanen ausgesetzt. Einigen wurde der Zugang zu öffentlichen Diensten wie Schulen, Krankenhäusern und Universitäten verweigert (HRW 14.01.2020).

15. Ethnische Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9 Prozent die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2 Prozent Tamilen, 4,2 Prozent sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2 Prozent sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 12.01.2020; vgl. CIA 16.04.2020). Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren (AA 12.01.2020). Der Zugang zu öffentlichen Diensten ist nach geltendem Recht für alle gleich. In der Praxis bestehen jedoch Ungleichheiten. Während Nicht-Singhalesen während der Kolonialzeit einen bevorzugten Zugang zu wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Möglichkeiten genossen, verfolgten die Regierungen nach der Unabhängigkeit eine Politik, die darauf abzielte, Singhalesen zu begünstigen. Dies führte in der postkolonialen Zeit zu einer Umkehrung der horizontalen Ungleichheitsmuster der Kolonialzeit. Fast drei Jahrzehnte Bürgerkrieg vergrößerten die Kluft zwischen tamilischen Hindus und buddhistischen Singhalesen weiter (BTI 2020). So ist die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (ganz überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Darüber hinaus lebt im Land eine große Minderheit von Tamilen sowie Christen und Muslime. Nach wie vor ist die Innenpolitik vom Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung geprägt (AA 06.03.2020a). Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 16.04.2020).

[…]

17. Bewegungsfreiheit

Gesetzlich sind die Rechte auf Freizügigkeit, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung gewährleistet, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Die Regierung arbeitete mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Staatenlosen oder anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 11.03.2020). Bis auf kleine, noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ (HSZs) um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Personen im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 12.01.2020).

18. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Es bestehen keine offiziellen Beschränkungen für interne Umsiedlungen (DFAT 04.11.2020). Der Bürgerkrieg, der 2009 endete, führte zu einer weit verbreiteten und noch anhaltenden Vertreibung, insbesondere von Tamilen (USDOS 11.03.2020). Nach Angaben des Ministeriums für Umsiedlung, Rehabilitation, hinduistische Religionsangelegenheiten und Gefängnisreformen gab es am 31.08.2019 noch 25.889 Binnenvertriebene (2017: 40.808), von denen der Großteil in den Distrikten Jaffna, Kilinochchi, Mannar und Batticaloa im Norden und Osten ansäßig war. Während alle Binnenvertriebenen zwar volle Bewegungsfreiheit hatten, konnten die meisten von ihnen aufgrund von Landminen, Beschränkungen, die ihre Heimatregionen als HSZs ausweisen, mangelnder Arbeitsmöglichkeiten, nicht vorhandenen Zugangs zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich des Erwerbs von Dokumenten, die Landbesitz belegen, und des Fehlens einer staatlichen Lösung für damit einhergehende konkurrierende Landbesitzansprüche, sowie anderen kriegsbedingten Gründen, nicht nach Hause zurückkehren. Binnenvertriebene in Flüchtlingslagern haben keinen Schutz und keine Unterstützung durch die Regierung erhalten (USDOS 11.03.2020; vgl. USDOS 20.04.2018). Die Regierung förderte die Rückkehr und Umsiedlung von Binnenvertriebenen, indem sie etwa 2.000 Hektar militärisch genutzten Landes zurückgab und Land für landlose Binnenvertriebene zur Verfügung stellte. Das Militär und andere Regierungsbehörden unterstützten die Umsiedlung von Binnenvertriebenen durch den Bau von Häusern, Schulen, Toiletten und durch die Zurverfügungstellung weiterer sozialer Dienstleistungen auf neu herausgegebenem Land (USDOS 11.03.2020). In der praktischen Umsetzung kann das Fehlen familiärer Verbindungen oder fehlender finanzieller Ressourcen die Möglichkeiten einer internen Umsiedlung einschränken. Fehlende singhalesische Sprachkenntnisse können für diejenigen Sri Lanker, für die Singhalesisch nicht ihre Muttersprache ist, ein zusätzliches Hindernis für eine interne Umsiedelung darstellen. Die fortgesetzte militärische Besetzung von privatem Land, Schwierigkeiten beim Erwerb von Grundbesitz, nicht geräumte Landminen oder nicht explodierte Sprengkörper erschweren ebenfalls die interne Umsiedlung, insbesondere im Norden Sri Lankas (DFAT 04.11.2019). Nach Auskunft UNHCR gab es (Stand September 2019) 518 registrierte Asylbewerber und 947 Flüchtlinge (AA 12.01.2020). Hatte im Jahr 2015/16 die Zahl der Asylsuchenden insbesondere aus Pakistan, Afghanistan und Myanmar zugenommen (AA 17.12.2017), flüchteten nach den Osterattentaten etwa 1.000 ausländische muslimische Schutzsuchende (v.a. afghanische Flüchtlinge und aus Pakistan stammende Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft) aus Angst vor Repressalien in Moscheen und Gemeindezentren. Davon hielten sich Ende Oktober 2019 noch ca. 20 in einem Zentrum in Pasyala im Raum Colombo auf. Die Regierung sucht mit dem UNHCR nach dauerhaften Aufnahmemöglichkeiten im Ausland. Abschiebemaßnahmen von Schutzsuchenden sind im Berichtszeitraum keine bekannt (AA 12.01.2020). Das Gesetz sieht keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor. Die Regierung verließ sich darauf, dass der UNHCR den Flüchtlingen im Land Nahrung, Unterkunft und Bildung zur Verfügung stellte und deren Umsiedlung in Drittländer vorantrieb. Flüchtlingen und Asylbewerbern ist es nicht erlaubt, im staatlichen Schulsystem zu arbeiten oder sich einzuschreiben, viele arbeiten informell (USDOS 11.03.2020).

19. Grundversorgung und Wirtschaft

Sri Lankas Wirtschaft ist von strukturellen Unterschieden geprägt. Einerseits gibt es viele kleine Unternehmen, v.a. in der Landwirtschaft, die meist mit veralteter Technik und in Handarbeit produzieren. Andererseits entsteht eine hochmoderne Geschäfts- und Industriekultur. Das Land verfügt über ein gutes Bildungsniveau und eine Alphabetisierungsrate von ca. 92 Prozent, jedoch fehlt es oft an praxisbezogenen Qualifikationen. Zentrale Herausforderung ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Der protektionistisch geprägte Inselstaat ist trotz einer hohen marktwirtschaftlichen Orientierung auf weitreichende Reformen angewiesen, um sich strukturell weiterzuentwickeln. Zu den wichtigsten Branchen gehört die Textil- und Bekleidungsindustrie. Aber auch andere Industriezweige wie die Nahrungsmittelbranche, die Kautschukindustrie und die im Aufbau befindliche Kühllagerlogistik gewinnen immer mehr an Bedeutung. In der Landwirtschaft ist fast ein Drittel der Bevölkerung beschäftigt, die Ausfuhr von Tee erzielt nach wie vor einen großen Teil der Deviseneinnahmen. Der Dienstleistungssektor ist der dynamischste Bereich der Wirtschaft und wird vor allem durch das rapide Wachstum in der Kommunikationsbranche, bei Versicherungen und Banken begünstigt. Vielversprechend entwickelt sich das Feld der Informationstechnologie. Die Exporteinnahmen dieser Branche stiegen von 311 Mio. US$ in 2008 auf geschätzte 1 Mrd. US$ im Jahr 2018 (GIZ 10.10.2019).

Die Arbeitslosigkeit lag 2019 bei 2 Prozent. Problematisch ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die im Jahr 2019 bei 21,2 Prozent lag. Die öffentliche Verschuldung lag Ende 2019 bei 83 Prozent des BIP (WKO 2020). Der Staat hat eine Reihe von Programmen zur Armutsbekämpfung gefördert. Dazu gehören die Subventionierung des Samurdhi-Programms, eines Ernährungszulagenprogrammes sowie Sozialversicherungs- und Rentenprogramme. Die neue Regierung hat die an arme Senioren gezahlte Armutszulage erhöht und eine neue Ernährungszulage als Hilfe bei Geburten eingeführt (BTI 2020). Rückkehrer sind auf sich allein gestellt bzw. von der Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte abhängig. Ohne solche Unterstützung ist es für Rückkehrer nach wie vor schwierig, in angemessener Zeit wirtschaftlich und sozial wieder in Sri Lanka Fuß zu fassen. Die in der Vergangenheit große Beteiligung des Militärs am privatwirtschaftlichen Sektor, insbesondere in der Fischerei und in Form von „Army Shops“, erschwerte Heimkehrern im Norden die Wiederaufnahme ihres Gewerbes. Durch den angekündigten Rückzug des Militärs aus kommerziellen Aktivitäten ist jedoch in dieser Hinsicht Besserung zu erwarten. Eine Grundversorgung von staatlicher Seite gibt es nicht (AA 12.01.2020; vgl. DFAT 04.11.2019).

20. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Sri Lanka ist landesweit gut (AA 12.01.2020). Das öffentliche Gesundheitssystem bietet eine umfassende, kostenlose Gesundheitsversorgung (AA 12.01.2020; vgl. DFAT 04.11.2019). Die Gesundheitsausgaben belaufen sich laut WHO auf 3 bis 3,8 Prozent des BIP (97 USD$/Kopf). Es besteht freier Zugang zu medizinischen Dienstleistungen, jedoch werden ca. 40 Prozent aller medizinischen Dienstleistungen aus eigener Tasche bezahlt (ÖB 9.2019; vgl. AA 12.01.2020). Auch bestehen regionale Unterschiede in der Qualität der Versorgung und der Einrichtungen, insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Gebieten (DFAT 04.11.2019). Die medizinische Versorgung ist in den großen Städten ausreichend bis gut, entspricht aber nicht überall europäischem Standard. Im Colombo ist die medizinische Versorgung in einzelnen Fachbereichen durchaus auch auf einem hohen bis sehr hohen Niveau (AA 06.04.2020). Vor allem in Colombo gibt es einige Privatkrankenhäuser mit gutem medizinischem Standard (AA 12.01.2020). Außerhalb der Großstädte ist mit erheblichen Engpässen bei der ärztlichen und medikamentösen Versorgung zu rechnen (CRM 28.04.2020; vgl. BMEIA 22.04.2020). Im Norden und Osten gestaltet sich die Gesundheitsversorgung schlechter, was zum Teil auf die Verzögerungen beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und den Rückgang des vorhandenen Fachpersonals während des Krieges zurückzuführen ist. Es gibt nur wenige Krankenhäuser in den vom Krieg betroffenen Gebieten im Landesinneren des Ostens (DFAT 04.11.2019). Einige Medikamente und Behandlungen sind nur von privaten Anbietern erhältlich (DFAT 04.11.2019). Die medizinische Versorgung ist zweigeteilt. Auf dem Land wird Medizin oft noch nach alter Tradition praktiziert. In vielen Dörfern gibt es einen Arzt und eine Hebamme, die sich um die Primärversorgung der Bevölkerung kümmern. Schlangenmedizinmänner versorgen Menschen nach Bissen von giftigen Reptilien. In den städtischen Gebieten dominiert dagegen westliche Medizin, die als Überbleibsel aus der Kolonialzeit auf den Grundpfeilern des britischen Gesundheitswesens fußt (DÄ 2016). In Sri Lanka gibt es auf 1.000 Einwohner 0,96 Mediziner (Stand: 2017), 2.116 Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte (Stand: 2015) und 3,6 Krankenbetten (Stand: 2012) (CIA 16.04.2020; vgl. TWB 2018). Die Investitionen in das Gesundheitssystem betrugen 2919 insgesamt 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten Jahren gestiegen und betrug 2019 77,3 Jahre (WKO 2020; vgl. DFAT 04.11.2019). Die Regierung ist bestrebt, einen Rahmen zu nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG) zu schaffen, die die behördenübergreifende Zusammenarbeit zur Erreichung und Überwachung der Fortschritte hinsichtlich der Erreichung der nationalen Ziele erleichtern soll. Der Sri Lanka-Sustainable Development Act, Nr. 19 von 2017 über nachhaltige Entwicklung wurde verabschiedet, um die Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie und Politik für nachhaltige Entwicklung im Land zu gewährleisten (WHO 2018). Es gibt 23 UN-Organisationen, darunter auch die WHO, die eng mit der Regierung Sri Lankas zusammenarbeiten und sich dabei vom Rahmen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung leiten lassen (WHO 2018). Personen, die HIV-Präventionsdienste angeboten haben, und Gruppen mit hohem Infektionsrisiko wurden Berichten zufolge diskriminiert. Darüber hinaus haben Krankenhausbeamte Berichten zufolge den HIV-positiven Status ihrer Klienten veröffentlicht und sich gelegentlich geweigert, HIV-positive Personen zu behandeln (USDOS 11.03.2020).

21. Rückkehr

Rückkehrer müssen grundsätzlich keine staatlichen Repressalien fürchten, jedoch müssen sie sich nach der Rückkehr Vernehmungen durch das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen. Ob es dabei zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt. Spezielle Ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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