TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/10 97/21/0375

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Veröffentlicht am 10.09.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des RÖ, geboren am 15. Mai 1978, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 13. Mai 1997, Zl. Frb-4250a-17/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. September 1996 für schuldig erkannt worden, in der Zeit von Anfang September 1995 bis Ende November 1995 Suchtgift in einer großen Menge ein- und ausgeführt bzw. in Verkehr gesetzt zu haben, indem er insgesamt ca. 100 g Heroin aus der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt und mindestens 50 g Heroin verkauft habe. Dadurch habe er das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz, teilweise in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB begangen. Weiters habe er im Mai 1994 und im Sommer 1994 Cannabisharz konsumiert, im Herbst 1995 einer namentlich genannten Person Cannabisharz überlassen, Mitte Juni 1995 in Feldkirch ein Gramm Heroin gekauft und konsumiert und ein Gramm Heroin aus der Schweiz nach Österreich geschmuggelt und in Vorarlberg konsumiert und im Sommer 1994 Ecstasy-Tabletten konsumiert. Dadurch habe er das Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG begangen. Weiters habe er am 5. Mai 1996 in der Justizanstalt Feldkirch einen Mithäftling durch Faustschläge und Fußtritte am Körper verletzt und dadurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen. Für diese Delikte sei er nach § 12 Abs. 1 SGG in Anwendung des § 28 StGB sowie des § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt worden.

Durch diese Verurteilung sei die Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Gerade der verantwortungslose Umgang mit harten Drogen gefährde massiv die öffentliche Sicherheit und die Volksgesundheit.

Der Beschwerdeführer sei am 15. Mai 1978 in Bregenz geboren worden, sei hier zur Schule gegangen und in Vorarlberg voll integriert. Wegen der Scheidung seiner Eltern sei er auf verschiedenen Pflegeplätzen aufgewachsen. Derzeit übe er eine Lehre als Kellner in Bludenz aus. Ungeachtet des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei diese Maßnahme gemäß § 19 FrG zulässig. Die aus der berücksichtigten Integration abzuleitende wesentliche soziale Komponente sei durch die wiederkehrenden Gesetzesverstöße erheblich beeinträchtigt und das Ausmaß der Integration damit relativiert. Den zweifellos bestehenden bedeutenden privaten Interessen des Beschwerdeführers stünden gewichtige öffentliche Interessen gegenüber. Nachdem der Beschwerdeführer vom Gendarmerieposten Höchst wegen des Verdachts der Körperverletzung und des Verdachts der Sachbeschädigung angezeigt worden sei, sei er von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz von der Absicht der Behörde in Kenntnis gesetzt worden, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Der Beschwerdeführer habe im Wissen, daß bei einem weiteren Straffälligwerden ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen würde, weitere strafbare Handlungen und vor allem im Suchtgiftbereich sich stets steigernde kriminelle Aktivitäten gesetzt. An der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität bestehe ein immenses öffentliches Interesse. Diesfalls sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig.

Gemäß § 20 Abs. 2 FrG dürfe ein Aufenthaltsverbot dann nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG 1985 hätte verliehen werden können. Maßgeblich für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. September 1996 bzw. jene diesem Urteil zugrundeliegenden Vergehen und Verbrechen des Beschwerdeführers gewesen. Der Beschwerdeführer sei am 17. Februar 1993 wegen des Verdachts der Sachbeschädigung nach § 125 StGB angezeigt worden und habe zugegeben, Ende August 1992 in einem Abstellraum bei der Turnhalle der Hauptschule in Höchst einen dort abgestellten Schubkarren angezündet zu haben. Am 21. Jänner 1994 habe er wegen des Verdachts der Körperverletzung angezeigt werden müssen. Eine weitere Strafanzeige sei am 25. August 1994 erfolgt, weil der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben im Mai 1994 Haschisch geraucht habe. Schließlich sei am 28. Juli 1995 wegen des Verdachts des Einbruchsdiebstahls in Dornbirn eine Anzeige erfolgt. Diese Anzeigen seien gemäß § 6 Abs. 1 JGG zurückgelegt worden. Dennoch ließen sie ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das zweifellos den Schluß rechtfertige, daß er gegenüber der österreichischen Rechtsordnung negativ eingestellt sei und solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Diese mangelnde Achtung vor den österreichischen Gesetzen werde darüber hinaus durch den Umstand dokumentiert, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1994 zweimal wegen § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz und einmal wegen § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Jugendgesetz habe bestraft werden müssen. Angesichts dieser Verwaltungsübertretungen und der zuvor angeführten Straftaten seien die Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG 1985 nicht erfüllt. Damit sei auch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG nicht unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer gesteht zu, daß durch die genannte Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 FrG vorliegt. Er bestreitet weiters nicht, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten sei; auch der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer hält die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Die belangte Behörde berücksichtigte die hier vom Beschwerdeführer für seine Integration angeführten Umstände und wertete die auf diese Integration zurückzuführenden negativen Auswirkungen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers als beträchtlich. Sie stellte aber ebenso zutreffend das sehr große Gewicht der maßgeblichen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegenüber. Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, daß sie wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig schwerer wiegend ansah als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/21/0449). Der Beschwerdeführer wurde unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 Abs. 1 SGG verurteilt. Gemäß dieser Bestimmung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer den bestehenden Vorschriften zuwider, Suchtgift in einer großen Menge erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt, wobei eine Suchtgiftmenge dann als groß anzusehen ist, wenn die Weitergabe einer solchen Menge geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Vorliegend schmuggelte der Beschwerdeführer mehrmals Heroin - somit eines der schwersten Suchtgifte - aus der Schweiz nach Vorarlberg und verkaufte eine beträchtliche Menge in Vorarlberg. Angesichts dieses der genannten Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens des Beschwerdeführers vermag die nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung keinesfalls zu seinen Gunsten auszugehen.

Soweit der Beschwerdeführer meint, er habe zur Türkei keinen Bezug, kenne dort niemanden und habe seines Wissens dort keine Verwandten, ist ihm zu entgegnen, daß mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht auch darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er abgeschoben werde (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 96/21/0449).

Für rechtswidrig hält der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid weiters im Hinblick auf § 20 Abs. 2 FrG. Demzufolge darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 hätte verliehen werden können. Der Ausnahmefall einer Verurteilung wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung kommt vorliegend nicht zum Tragen.) Der Beschwerdeführer unterliegt einem Irrtum, wenn er meint, daß für die Beurteilung, ob vor Begehung der mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. September 1996 abgeurteilten Straftaten die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG 1985 erfüllt seien, lediglich die Strafanzeige des Gendarmeriepostens Höchst vom 17. Februar 1993 wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung und die Anzeige des Gendarmeriepostens Vorkloster vom 21. April (richtig wohl: Jänner) 1994 wegen des Verdachtes der Körperverletzung heranzuziehen seien. Der maßgebliche Sachverhalt für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes besteht im Heroinschmuggel und -verkauf im Zeitraum September 1995 bis Ende November 1995. Das gesamte vor Beendigung dieses Zeitraumes liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 StbG 1985 zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind somit die Vergehen der Sachbeschädigung (Anzeige vom 17. Februar 1993), der Körperverletzung (Anzeige vom 21. Jänner 1994), des Suchtgiftkonsums (Anzeige vom 25. August 1994) und das Verbrechen des Einbruchsdiebstahls (Anzeige vom 28. Juli 1995). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die diesen Anzeigen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen begangen zu haben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Beschwerdeführer durch dieses Verhalten die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StBG 1985 - derzufolge die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet - vor der Begehung seiner der Verurteilung vom 27. September 1996 zugrundeliegenden Delikte nicht mehr erfüllt hat. Die belangte Behörde erachtete somit zu Recht die Verhängung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG für nicht unzulässig.

Letztlich wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung des Parteiengehörs vor, unterläßt es jedoch, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, indem nicht dargelegt wurde, welches Vorbringen dem Beschwerdeführer zu erstatten verwehrt worden wäre.

Die Beschwerde, deren Inhalt bereits erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997210375.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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