TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 W282 2206876-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W282 2206876-1/11E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Albanien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , betreffend internationalen Schutz zu A) zu Recht und beschließt zu B):

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein albanischer Staatsangehöriger, stellte am 08.07.2018 nach legaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Zu seinem Antrag wurde der Beschwerdeführer am nächsten Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, er habe seine Heimat aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Ihm sei bekannt, dass das kein Asylgrund sei, jedoch bitte er um Hilfe. Seit 1996 sei der Beschwerdeführer zu 100 % Invalide zweiten Grades. In den letzten elf Jahren sei er dreimal am Dickdarm operiert worden. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte der Beschwerdeführer, dass er an seiner Krankheit sterben werde.

3. Im Zuge der mündlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.08.2018 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er habe psychische Probleme und sei auch im Besitz von Unterlagen betreffend seine ärztliche Behandlung. Von 1996 bis 2007 sei der Beschwerdeführer in Griechenland gewesen, wobei er aufgrund seines illegalen Aufenthaltes sowie seines psychischen Zustandes immer wieder nach Albanien zurückgekehrt sei. Nach 2007 hätten den Beschwerdeführer die psychischen Probleme gehindert, Albanien zu verlassen. Seine gesundheitlichen Probleme würden aus einer Blutrache resultieren. Arbeiter der Staatsanwaltschaft hätten den Beschwerdeführer angegriffen und seien anschließend suspendiert worden. Der Beschwerdeführer sei bei diesem Vorfall von einer Person der islamischen Glaubensgruppe mit dem Dschihad bedroht worden. Er habe von seinem Vater gehört, dass die Familie eine alte Feindschaft hätte. Zu wem die Feindschaft bestehe, wisse der Beschwerdeführer allerdings nicht. Der Beschwerdeführer wisse aber, dass er am Kopf verletzt und von der Polizei misshandelt worden sei. Insgesamt habe es drei Vorfälle gegeben. Beim zweiten Vorfall sei der Beschwerdeführer an der linken Bauchseite „niedergestochen“ und beim dritten Vorfall von einem Ermittler geschlagen worden. Jedes Mal, wenn der Beschwerdeführer in der Stadt gewesen sei, sei er in einer Form bedroht worden. Zu seinen gesundheitlichen Problemen führte der Beschwerdeführer aus, nach dem besten albanischen Chirurgen müsse er operiert werden. Er nehme seit 22 Jahren Medikamente und es gehe ihm nicht besser.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, aus den Gesamtangaben des Beschwerdeführers sei nicht ableitbar, dass er in Albanien konkrete Verfolgungshandlungen zu gewärtigen hätte, zumal sich aus den vorgetragenen Fluchtgründen eine glaubwürdige individuelle Verfolgung seiner Person nicht ergeben habe. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers könne nach Ansicht des Bundesamtes auch nicht von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK indizieren würde, gesprochen werden. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und es seien auch keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht erkennbar. Die Rückkehrentscheidung sei nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Da der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme, sei die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Demnach sei auch keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid im Wege seiner Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde und rügte die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei brachte er nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung zusammengefasst vor, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig, teilweise unrichtig und größtenteils veraltet. Der Beschwerdeführer benötige sowohl eine medikamentöse als auch eine psychotherapeutische Behandlung. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der tatsächlichen Situation von Menschen auseinanderzusetzen, die keinen (ausreichenden) Zugang zu medizinischer Versorgung in Albanien haben. Gerade hinsichtlich der bipolaren affektiven Störung und keiner bzw. inadäquaten Behandlung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wäre er einer Bedrohung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt. Unter anderem wurde abschließend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 03.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Aktenvermerk vom 08.10.2018 wurde festgehalten, dass aufgrund der durchgeführten Grobprüfung der gegenständlichen Beschwerde – unbeschadet anderslautender Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt – die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei.

8. Der Beschwerdeführer wurde in Folge nach Albanien abgeschoben; am 29.11.2018 bzw. 28.11.2018 wurde der Abschiebebericht sowie diesbezügliche Ausreisebestätigung übermittelt.

9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G303 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

10. Am 14.09.2020 wurde dem Beschwerdeführer zum aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Albanien“ idF 29.01.2019 Parteiengehör eingeräumt. Es langte keine Stellungnahme ein.

II.         Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.             Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers, seinen Fluchtgründen und seinem (Privat)Leben in Österreich:

Der volljährige Beschwerdeführer führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist albanischer Staatsangehöriger. Er bekennt sich zum katholischen Glauben, gehört der albanischen Volksgruppe an und ist ledig sowie kinderlos. Seine Muttersprache ist Albanisch.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX aufgewachsen, wo er auch die Grundschule absolviert hat. Anschließend hat der Beschwerdeführer die Mittelschule sowie das Gymnasium besucht und in der Landwirtschaft gearbeitet. Von 1996 bis 2007 war der Beschwerdeführer illegal in Griechenland aufhältig, wobei er immer wieder nach Albanien zu seiner Familie zurückkehrte. Er hat vier Brüder und drei Schwestern; seine Mutter ist gelähmt und sein Vater ist bereits verstorben. In Albanien leben nach wie vor zumindest seine vier Brüder, eine Schwester sowie seine Mutter. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit ihnen. Zudem besitzt der Beschwerdeführer ein Zimmer in einem Haus in XXXX , das der Familie gehört.

Im März 2010 wurde der Beschwerdeführer von einem betrunkenen, ermittelnden Polizisten im Rahmen einer Zeugeneinvernahme betreffend einen Einbruchsdiebstahl, der sich in der Nähe des Arbeitslatzes des Beschwerdeführers ereignete, mit dem Kolben einer Waffe geschlagen. Der Beschwerdeführer hat den Vorfall bei der Polizei angezeigt und es wurde auch ein gerichtliches Verfahren gegen den ermittelnden Polizisten geführt.

Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat ungefähr Ende Juni 2018 aus gesundheitlichen Gründen verlassen und am 08.07.2018 nach legaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es ist nicht zu erwarten, dass er nach seiner Rückkehr nach Albanien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein oder in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten würde. Hinweise auf eine Blutrache, der der Beschwerdeführer in Albanien ausgesetzt wäre, liegen ebenfalls nicht vor.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Ebenso konnten sonst keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Während seines Aufenthaltes in Österreich lebte der Beschwerdeführer von Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer leidet unter einer bipolaren affektiven Störung, wegen der er in Albanien in ärztlicher als auch in medikamentöser Behandlung stand. Weiters wurde er bereits mehrmals am Dickdarm operiert. In Österreich wurde beim Beschwerdeführer im August 2018 eine „rektale Raumforderung – organisiert thrombosierte Hämorrhoidalvene“ diagnostiziert, jedoch ohne Hinweis auf Malignität. Hinsichtlich seines psychischen Zustandes befand sich der Beschwerdeführer in Österreich nicht in ärztlicher Behandlung. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Unterlagen kann insgesamt keine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Krankheit abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer ist jedenfalls teilweise arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er wurde am 23.11.2018 nach Albanien abgeschoben.

1.2.    Zur Situation in Albanien:

1.2.1. Albanien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

1.2.2. Politische Lage:

Die Republik Albanien ist seit dem politischen Umbruch in den Jahren 1991/92 eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem. Politische Parteien können sich frei betätigen. Das demokratische System krankt jedoch an Defiziten, die auf historische, politische und kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das politische Leben ist stark polarisiert; Clanstrukturen dominieren die Parteien. Die großen Fortschritte, die Albanien in allen Bereichen erzielt hat, wurden durch die Verleihung des EU-Kandidatenstatus im Juni 2014 gewürdigt. Drei Parteien bestimmen die politische Landschaft: die Sozialistische Partei Albaniens, die aus der (kommunistischen) Partei der Arbeit Albaniens hervorgegangen ist und deren beherrschende Persönlichkeit Premierminister Edi Rama ist; die Demokratische Partei unter Lulzim Basha, bei der aber noch immer der langjährige Ministerpräsident Berisha wichtige Fäden zieht sowie die von der Ehefrau von Staatspräsident Meta, Monika Kryemadhi, geführte Sozialistische Bewegung für Integration. Aus den Parlamentswahlen vom 25.6.2017 ging die regierende Sozialistische Partei mit Edi Rama als Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit erneut als Sieger hervor. Die Parlamentswahlen im Juli 2017 waren weitgehend frei und fair, allerdings nach ODIHR-Bericht mit einigen Mängeln behaftet (insbesondere Stimmenkauf und Einschüchterungen). Eine Wahlrechtsreform ist angelaufen. Albanien ist seit 1991 Mitglied der OSZE, seit 1995 Mitglied des Europarates, seit 1.4.2009 NATO-Mitglied.

Dem Parlament der Republik (Kuvendi i Republikes) steht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik, dessen Wahl auf fünf Jahre durch das Parlament erfolgt. Höchstes Exekutiv-Organ ist der Ministerrat, der durch den Präsidenten ernannt und vom Parlament bestätigt wird. Regierungschef ist der Vorsitzende des Ministerrats (Ministerpräsident). Entscheidungen des Verfassungsgerichts binden die Staatsorgane.

Die EU-Kommission veröffentlichte am 17.4.2018 die sog. Fortschrittsberichte für die EUBeitrittskandidaten, einschließlich Albanien. Der Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Albanien wird von der Kommission empfohlen. Weitere Anstrengungen bei politischen und wirtschaftlichen Reformen seien nötig, insbesondere hinsichtlich der Lage und Integration der Roma, der Bekämpfung der Korruption sowie der Verbesserung der Medienfreiheit. Albanien bekommt eine positive Bewertung - gewürdigt wird der Beginn der umfassenden Justizreform, erste Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung und bei der Bekämpfung des illegalen Cannabis-Anbaus.

Die EU-Staaten haben der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien grundsätzlich zugestimmt. Die Europaminister hätten bei ihrem Treffen in Luxemburg „einen Weg in Richtung der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen“ im Juni 2019 vereinbart.

1.2.3. Sicherheitslage:

Nach jahrzehntelanger selbst gewählter Isolation, sieht Albanien seit dem Umschwung 1991 seine Zukunft in Europa. Es strebt die volle Integration in euro-atlantische Strukturen an. Albanien betreibt eine konstruktive Regionalpolitik. Albaniens Außenpolitik ist darauf gerichtet, gutnachbarschaftliche Beziehungen auszubauen und die Zusammenarbeit in der Region weiter zu fördern. Die bilateralen und multilateralen Kontakte sind rege. Dabei spielt Albanien eine konstruktive Rolle im Aufbau gemeinsamer Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen in der Region und beteiligt sich aktiv am sogenannten „Berlin-Prozess“. Albanien beteiligt sich an einer Vielzahl regionaler Initiativen, wie dem Schwarzmeer-Wirtschaftsrat (BSEC - Black Sea Economic Council), dem Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen (CEFTA) und dem South East Europe Cooperation Process (SEECP), dessen Vorsitz es von Mitte 2014 bis Mitte 2015 führte. Albanien erwartet und baut darauf, dass mit fortschreitender Integration des Balkan in europäische Strukturen die Nationalitätenprobleme relativiert werden. Neben den weitgehend normalisierten Beziehungen zur Mazedonien haben diejenigen zu Italien und Griechenland besondere Bedeutung. Die Verbindungen nach Kosovo, das mehrheitlich von albanischstämmiger Bevölkerung bewohnt wird, werden von beiden Seiten mit besonderer Intensität gepflegt. Immer wieder unterstellte Bestrebungen nach einem „Groß-Albanien“ sind kein Element der albanischen Außenpolitik.

Albanien hat die Antiterrormaßnahmen im Jahr 2017 stark unterstützt und die Teilnahme an der globalen Koalition zur Bekämpfung des ISIS fortgesetzt, indem es bedeutende Waffen- und Munitionsspenden geleistet hat, laut dem Terrorismus-Länderbericht 2017 des USAußenministeriums. Laut diesem Bericht haben die albanischen Behörden ihre Bemühungen verstärkt, potenziellen terroristischen Bedrohungen entgegenzuwirken. Die kürzlich personell aufgestockte albanische Antiterroreinheit arbeitete eng mit dem Internationalen Strafverfolgungshilfeprogramm (ICITAP) des US-Justizministeriums zusammen. Trotz der Knappheit der Ressourcen hat die Antiterroreinheit auch an mehreren erfolgreichen Fahndungen bekannter oder mutmaßlicher Terroristen teilgenommen. Die albanische Grenzpolizei berichtet, dass aufgrund strengerer Maßnahmen an den albanischen Grenzübergängen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 3.000 albanischen Staatsbürgern wegen fehlender Dokumente die Weiterreise Richtung Schengenraum verweigert wurde. Sie standen im Verdacht, Asylsuchende zu sein. Laut Direktion wurden im selben Zeitraum 246 Minderjährige daran gehindert, das Land zu verlassen.

1.2.4. Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Allerdings verhindern politischer Druck, Einschüchterung, weit verbreitete Korruption und beschränkte Mittel, dass die Justiz unabhängig und effizient arbeitet. Die Gerichtsanhörungen finden oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Das Gesetz bietet den Angeklagten ausreichend Zeit und Möglichkeiten, eine Verteidigung vorzubereiten. Im Allgemeinen respektiert die Regierung diese Rechte in der Praxis, obwohl die Gerichtsverfahren nicht immer öffentlich sind und der Zugang zu einem Anwalt manchmal problematisch ist.

Das EU-Parlament hat am 30.11.2018 die Entwicklung der westlichen Balkanländer im Hinblick auf einen EU-Beitritt bewertet. Albanien zeigt laut dieser Bewertung stetige Fortschritte bei den Reformen in Bezug auf die Unabhängigkeit und Professionalität der Justiz und bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Sorge bereitet das anhaltend hohe Maß an Korruption.

Das Strafgesetzbuch wird kontinuierlich überarbeitet, um westlichen Standards zu entsprechen. Aufgrund der Schwäche der Institutionen des Staates werden viele Rechtsverstöße entweder nicht oder nicht in ausreichendem Maße verfolgt. Untersuchungshäftlinge müssen teilweise sehr lange auf ihren Prozess warten. Verfahren können mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Mangelnde Qualifikation und Anfälligkeit der Richter für Korruption können zu rechtsstaatlich zweifelhaften Ergebnissen führen. Im Zuge der Justizreform zeigen sich erste Verbesserungen. Die von der IRZ [Internationale Rechtliche Zusammenarbeit; Anm.] geführte EU-Rechtsberatungsmission EURALIUS hat gemeinsam mit anderen internationalen und nationalen Experten das Reformpaket erarbeitet und unterstützt bei der Umsetzung. Bestandteil der Reform sind u.a. auch eine neue Strafprozessordnung und das Jugendstrafrecht.

Einer der wichtigsten Aspekte der Justizreform, um die Beitrittsverhandlungen zur EU im Juni 2019 zu eröffnen, ist der „Vetting“ Prozess. Dabei werden die Qualifizierung, die Integrität und die Vermögenswerte der Richter und Staatsanwälte überprüft. Bis Ende 2018 wurden 35 von insgesamt 77 Richter und Staatsanwälte, die bislang das Verfahren durch die unabhängige Kommission absolvieren mussten, ihres Amtes enthoben. Darunter auch die Mehrheit der Mitglieder des Verfassungsgerichts und der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, sowie mehrere Präsidenten einiger Bezirksgerichte und Bezirksstaatsanwaltschaften. 16 Richter und Staatsanwälte sind freiwillig zurückgetreten. Im Rahmen des Vetting-Prozesses, als Teil der umfassenden Justizreform, wurden Ende 2018 noch der „Hohe Rat der Justiz“, der „Hohe Rat der Staatsanwaltschaft“ und der „Rat für Ernennung in der Justiz“ als wesentliche Elemente zur Einrichtung neuer Justizinstitutionen in Albanien neu besetzt. Anfang 2019 begann zudem die Gründung der SPAK "Antikorruptionssondereinheit". Die Neu- bzw. Wiederbesetzung des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichts sowie der anderen Justizeinrichtungen stehen noch aus. Der bisherige Erfolg der Justizreform ist noch bescheiden, die Reform ist aber unumkehrbar und hat parteiübergreifende Unterstützung gefunden.

1.2.5. Sicherheitsbehörden:

Die zivilen Behörden üben effektive Kontrolle über alle Sicherheitskräfte aus. Während die Regierung über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption verfügt, bleibt die Polizeikorruption ein Problem. Die staatliche Dienstaufsicht für innere Angelegenheiten und Beschwerden erhielt bis zum 31.7.2017 3.811 telefonische Beschwerden über die sog. „grüne Linie“ zur Korruptionsbekämpfung. Die Mehrheit davon betraf „Untätigkeit von Polizeibeamten“, „ungerechte Geldstrafen“ oder „Verstoß gegen die üblichen Standardverfahrensabläufe“. Die Dienstaufsicht meldete 43 administrative Übertretungen und empfahl für 57 Polizisten die Einleitung von Disziplinarverfahren. Die Missbrauchsfälle von fünf Beamten wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Im Laufe des Jahres bearbeitete der Ombudsmann auch Beschwerden gegen Polizeibeamte, vor allem im Zusammenhang mit Problemen bei Verhaftungen und Inhaftierungen.

Dank personeller Umbesetzungen, Umstrukturierung und Lohnerhöhungen hat sich der Ruf der Polizei verbessert. Die albanische Staatspolizei ist stark hierarchisch ausgerichtet und unterliegt einer ausgeprägten politischen Steuerung. In Folge werden polizeiliche Aktivitäten oft von der jeweiligen politischen Interessenlage beeinflusst. Die Regierung unternimmt große Anstrengungen, die Professionalisierung der Polizei voranzutreiben. Auch für die Polizei hat ein Durchleuchtungsprozess ähnlich dem Vetting der Richter und Staatsanwälte begonnen. Personelle Veränderungen haben ebenfalls zu einem effizienteren Agieren der Polizei geführt. Die Staatspolizei ist in vier Abteilungen unterteilt, darunter: Generaldirektion zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität (Kriminalpolizei), Generaldirektion Migration und Grenze (Grenzpolizei) und Generaldirektion Öffentliche Sicherheit (uniformierte Polizei). Daneben wurde am 1.1.2015 eine Direktion zur Bekämpfung des Terrorismus eingerichtet. Eine neue Ressort übergreifende Spezial-Task Force bekämpft Organisierte Kriminalität. Eine Sonderstruktur zur Korruptionsbekämpfung befindet sich im Aufbau. Der Innenminister der zweiten Regierung Rama widmet sich der Bekämpfung der OK mit hohem Engagement.

In der Polizeidirektion Vlora wurde gegen elf Polizeibeamte ein Disziplinarverfahren wegen Kooperation mit einem kriminellem Cannabiskartell eingeleitet. Drei weitere Polizisten wurden diesbezüglich entlassen. Die Region Vlora (Hafenstadt in Südalbanien; Anm.) war eine der problematischsten Gebiete hinsichtlich Cannabisanbau und -handel. Am Flughafen Rinas (Tirana International Airport - liegt 17 Kilometer nordwestlich von Tirana beim Dorf Rina; Anm.) wurden am 14.1.2018 insgesamt 13 Polizisten und Spezialisten des Grenzpolizeikommissariats ihren bisherigen Aufgaben enthoben und in die Polizeidirektion Tirana versetzt. Offizielle Quellen berichteten, dass die neuen Polizeibeamten sehr genau ausgewählt werden würden, um die Situation der Grenzpolizei am Grenzübergang - Flughafen/Rinas zu verbessern. Laut Medien sollte dies der erste Schritt einer vollständigen Erneuerung der grenzpolizeilichen Strukturen sein. Am 21.9.2018 verhaftete die Behörde für innere Angelegenheiten und Beschwerden sechs Beamte der Grenz- und Migrationspolizei in Gjirokastra. Die Beamten werden verdächtig, den illegalen Übergang an der griechisch-albanischen Grenze, an albanische und ausländische Staatsbürger erleichtert zu haben. Sie werden wegen Korruption, Amtsmissbrauch und gesetzwidriger Grenzüberschreitung angeklagt.

Einer der wichtigsten Drahtzieher des Drogenhandels von Albanien nach West- und Nordeuropa, Klement Balili, hat sich freiwillig den Behörden gestellt, nachdem zwei Jahre nach ihm gefahndet wurde. Dem „Pablo Escobar des Balkans“ werden auch enge Verbindungen zu Spitzenpolitikern nachgesagt, er war selbst jahrelang Beamter in der staatlichen Verwaltung. Jahrelang galten die Drogenbarone in Albanien als unantastbar. Die US-Botschaft in Tirana und die Europäische Union hatten Zweifel an der Entschlossenheit der Behörden, die Drogenbanden zu zerschlagen. Die erfolgreiche Bekämpfung von Drogenkriminalität und organisierter Kriminalität sind Schlüsselkriterien für Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Mittlerweile macht das Land gute Fortschritte im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Erst im Oktober 2018 wurden 27 mutmaßliche Drogendealer verhaftet.

Im Zeitraum Jänner - Oktober 2018 wurden in Albanien 19.260 kg Cannabis sativa sichergestellt, ein wesentlicher Rückgang zum Vergleichsraum 2017. Im Jahre 2017 wurden im Zeitraum Jänner - Oktober 74.045 kg sichergestellt. Erwähnenswert ist auch, dass viele Sicherstellungen von Cannabis an der italienischen Küste, mit Schnellbooten aus Albanien, durchgeführt werden die natürlich nicht in der Statistik aufscheinen.

1.2.6. Folter und unmenschliche Behandlung:

Obwohl die Verfassung und das Gesetz Folter und unmenschliche Behandlung verbieten, werden Verdächtige und Gefangene von Polizei und Gefängniswärtern in manchen Fällen geschlagen und missbraucht. Bis September 2017 erhielt der Dienst für Innere Angelegenheiten und Beschwerden Beschwerden (ohne Zahlenangaben; Anm.) über Polizeimissbrauch und Korruption, die sowohl zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen als auch zu strafrechtlichen Verfolgungen führten. Der Ombudsmann berichtete, dass die meisten Fälle von behaupteten physischen oder psychischen Missbrauch während der Verhaftung und Befragung stattfanden. Bis August 2017 erhielt der Ombudsmann 104 Beschwerden von Häftlingen. Die Mehrheit der Beschwerden betraf die Qualität der Gesundheitsversorgung. Der Ombudsmann hat keinen Fall zur Verfolgung weitergeleitet.

Albanien hat die Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Bestrafungen samt Fakultativprotokoll ebenso wie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ratifiziert. Art. 25 der Verfassung verbietet explizit Folter und jegliche grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Nach übereinstimmenden Erkenntnissen nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen wird in Albanien in Polizeigewahrsam und in den Haftanstalten nicht auf staatliche Anweisung gefoltert. Es gibt jedoch immer wieder Fälle von Gewalt und Misshandlungen, insbesondere seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei, vorrangig während sich Personen in Polizeigewahrsam befinden.

1.2.7. Korruption:

Bei der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen ist ein gestiegenes Engagement der zweiten Regierung Rama zu verzeichnen. Eine Sonderstruktur zur Korruptionsbekämpfung befindet sich im Aufbau.

Die EU-Kommission veröffentlichte am 17.4.2018 die sog. Fortschrittsberichte für die EU-Beitrittskandidaten. Laut Fortschrittsbericht bekommt Albanien eine positive Bewertung; gewürdigt werden unter anderem die ersten Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung.

Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Albanien unter 180 Ländern und Territorien an 91. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100.

Die Ergebnisse des Transparency International Index (2017) für Albanien geben Anlass zu großer Sorge. Die Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Sektor bleibt eine der größten Herausforderungen. Transparency International erklärte, dass in Albanien Fortschritte bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität im öffentlichen Sektor erzielt wurden, aber bei den größeren Themen wie Korruption in der Justiz noch viel getan werden muss.

1.2.8. Allgemeine Menschenrechtslage:

Seit den Umbrüchen der 90er Jahre hat sich die Menschenrechtslage in Albanien beständig verbessert. Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten sind in Verfassung und Gesetzen verankert. Beim Aufbau eines Rechtsstaats und beim Schutz der Menschenrechte gibt es Fortschritte. Systematische Menschenrechtsverletzungen finden nicht statt. Politische Verfolgung, Folter, Zensur oder staatliche Repression gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen wegen ihrer Nationalität, politischen Überzeugung, Rasse oder Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder sozialen Gruppe finden nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nicht statt. Die albanische Regierung hat eine Ombudsperson eingesetzt, die die Bürger bei Menschenrechtsverletzungen anrufen können. Diese kann zwar keine Entscheidungen treffen oder durchsetzen, aber sie untersucht Missstände und kann gerichtliche Verfahren einleiten. Die albanische Verfassung vom 21.10.1998 enthält in ihren Artikeln 15 bis 58 einen ausführlichen Katalog von Grundrechten. Grundlage sind die Garantien der Europäischen Konvention für Menschenrechte. Der Grundrechtekatalog enthält neben persönlichen und politischen Rechten und Freiheiten auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Freiheiten. Die Europäische Menschenrechtskonvention (allerdings mit Erklärungen) sowie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe wurden von Albanien ratifiziert, ebenso die Mehrzahl VN-Übereinkommen zu den Menschenrechten. In den letzten Jahren liegen keine Kenntnisse über Fälle von Verschwindenlassen vor. Es gibt Berichte über Festnahmen, die nicht im Einklang mit dem albanischen Recht erfolgen. Die im albanischen Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen orientieren sich auch hinsichtlich des Strafmaßes an europäischen Standards. Es gibt keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass es zu Verletzungen der Rechte von Angeklagten im Rahmen des Gerichtsprozesses kommt.

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen agieren im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersuchen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte sind im Allgemeinen kooperativ. Das Büro des Bürgerbeauftragten ist die wichtigste unabhängige Institution zur Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte. Der Ombudsmann ist gesetzlich ermächtigt, Gefängnisse und Haftanstalten zu überwachen und zu berichten. Das Amt kann eine Untersuchung aufgrund von Beschwerden oder von Amts wegen einleiten. Obwohl dem Ombudsmann die Befugnis zur Vollstreckung von Entscheidungen fehlt, fungiert sie als Kontrollinstanz auf dem Gebiet der Menschenrechtsverletzungen. Das Ombudsbüro ist unterfinanziert und unterbesetzt. Die Nationalversammlung hat einen Ausschuss für Rechtsfragen, öffentliche Verwaltung und Menschenrechte, der den Jahresbericht des Ombudsbüros prüft. Der Ausschuss ist in Gesetzgebungsfragen engagiert und effektiv. Tausende von Ansprüchen auf privates und religiöses Eigentum, die während der kommunistischen Ära beschlagnahmt wurden, bleiben bei der staatlichen Immobilienagentur ungelöst. Der Ombudsmann berichtete, dass die Regierung 26.000 Gerichtsurteile bisher noch nicht ausgeführt und 11.000 Ansprüche im Zusammenhang mit Eigentumsrechten nicht überprüft hat. Die Kläger können ihre Fälle an den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) richten; im Laufe des Jahres (2017) waren Hunderte von Fällen - viele davon im Zusammenhang mit Eigentum - beim EGMR anhängig.

1.2.9. Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition:

Die Verfassung garantiert Meinungs- und Pressefreiheit und die Regierung respektiert im Allgemeinen diese Rechte. 2017 gab es jedoch Berichte, dass Regierungsstellen, die Wirtschaft und kriminelle Gruppen versuchen, die Medien in missbräuchlicher Weise zu beeinflussen. Mangelnde wirtschaftliche Sicherheit mindert die Unabhängigkeit der Journalisten und trägt zur Verschlechterung der Berichterstattung bei.

Laut der aktuellen „Rangliste der Pressefreiheit der 180 Länder weltweit“ von Reporter ohne Grenzen liegen die Balkanstaaten im mittleren Bereich. Allgemein würden die Medien stark kontrolliert und viele Politiker gegen Journalisten hetzen. In der Region schneidet Bosnien und Herzegowina (62) am besten ab, gefolgt von Albanien am 75. Platz.

Kriminelle und Privatunternehmer begingen im Jahr 2017 tätliche Angriffe gegen investigative Journalisten. Im März 2017 wurde ein Journalist in der Hauptstadt Tirana von Angreifern, die Verbindungen zur organisierten Kriminalität haben sollen, geschlagen. Im Juni wurde der Eigentümer eines Fernsehsenders, zusammen mit einem Regierungsbeamten in Vlora erschossen.

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit sind gewahrt. Die Medien sind frei, aber wirtschaftlich zumeist von Eigentümern und Interessengruppen abhängig, die wiederum mit Parteien verbunden sind. Die politische Opposition kann sich frei betätigen und macht davon ausgiebig Gebrauch, u.a. durch Demonstrationen und Blockadeaktionen. Es gibt eine Vielzahl offiziell registrierter Parteien verschiedener Ausrichtung.

1.2.10. Haftbedingungen:

Die Haftbedingungen in den meisten albanischen Gefängnissen entsprechen mittlerweile westeuropäischen Standards. Angemessene ärztliche Versorgung ist gewährleistet. Psychisch erkrankte Gefängnisinsassen erhalten die erforderliche Fürsorge und Behandlung; eine spezialisierte Haftanstalt für diese Fälle existiert, entspricht aber nicht westeuropäischen Standards. Ausbildungsangebote und Freizeitaktivitäten sind vorhanden. Besuch von Familienangehörigen wird zu festen Zeiten erlaubt, Familienzimmer sind eingerichtet. Ein Rechtsbeistand hat jederzeit die Möglichkeit des Besuches, hierfür stehen eigene Besprechungszimmer zur Verfügung. Für verurteilte minderjährige Straftäter gibt es eine reine Jugendstrafanstalt in Kavaje, für minderjährige U-Häftlinge existieren Jugendabteilungen in vier weiteren Haftanstalten. Die Jugendhaftanstalt Kavaje entspricht ebenfalls den Anforderungen der europäischen Strafvollzugsgrundsätze. Die Insassen haben bspw. die Möglichkeit der Teilnahme am Schulbesuch mit regulären staatlichen Abschlüssen und die Wahl zwischen vier Berufsausbildungen. Neben der JVA (Justizvollzugsanstalt; Anm.) in Fier entsprechen die JVAs in Fushe Kruja, Korça, Peqin, Shkodra und das Frauengefängnis in Tirana den Anforderungen der europäischen Strafvollzugsgrundsätze.

Die Regierung, der Ombudsmann und die AHC berichten, dass Überbelegung in den Gefängnissen weiterhin ein Problem darstellt. Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten für Frauen sind im Allgemeinen besser als die für Männer. Bis August 2017 erhielt das Ombudsbüro 104 Beschwerden von Häftlingen, wobei die Mehrheit davon die Qualität der Gesundheitsversorgung betrifft. Der Ombudsmann und NGOs berichten, dass Behörden Häftlinge mit geistigen Behinderungen in regulären Gefängnissen festhalten in denen der Zugang zur psychiatrischen Versorgung völlig unzureichend ist.

Das albanische Helsinki-Komitee berichtete über einen Rückgang der Zahl von Personen, die sich im Jahr 2017 während der Polizeigewahrsam über Missbrauch beschwert haben. Die Situation der inhaftierten Personen ist jedoch aufgrund der Überbelegung und der schlechten Infrastruktur der albanischen Gefängnisse weiterhin schwierig. Auch die Situation der inhaftierten Minderjährigen bleibt problematisch, obwohl das Parlament im März 2017 ein neues Strafgesetzbuch für Minderjährige verabschiedet hat.

1.2.11. Todesstrafe:

Die Todesstrafe wurde im Jahr 1999 abgeschafft. Das Gesetz schreibt keine Todesstrafe vor.

1.2.12. Religionsfreiheit:

Die Verfassung und andere Gesetze schützen die Religionsfreiheit und die Regierung respektiert im Allgemeinen dieses Recht in der Praxis. Die Verfassung verbietet religiöse Diskriminierung und sieht die Gleichberechtigung aller Bürger unabhängig von ihrer Religion vor.

In Albanien sind folgende Religionsgemeinschaften vertreten (Zensus 2011): Muslimische 56,7%, Römisch-katholische 10%, Orthodoxe 6,8%, Bektashi (eine sufische Glaubensrichtung) 2,1%, andere 5,7%, nicht spezifizierte 16,2% sowie Atheisten 2,5%.

Durch Aufhebung des während der kommunistischen Diktatur 1967 erlassenen Verbots der Religionsausübung wurde die Religionsfreiheit 1990 wieder hergestellt. Die Verfassung garantiert die freie Religionsausübung. Keine Religionsgemeinschaft wird durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert. Eine große Anzahl in- und ausländischer Religionsgemeinschaften ist ungehindert, auch missionarisch, in Albanien tätig. Es gibt keine religiös motivierten Konflikte und die wichtigsten religiösen Gruppen (sunnitische Muslime und Muslime des Bektashi-Ordens, katholische Christen, griechisch-orthodoxe Christen) leben in bemerkenswerter Harmonie und Toleranz miteinander, was von Papst Franziskus bei seinem Besuch am 21.9.2014 in Tirana – seinem ersten in einem europäischen Land – als beispielhaft gewürdigt wurde.

1.2.13. Bewegungsfreiheit:

Es besteht die Freiheit sich niederzulassen, zu reisen, zu emigrieren und wieder einzureisen, und die Regierung respektiert diese Rechte grundsätzlich. Die Regierung kooperiert mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung von Schutz und Hilfe für Flüchtlinge, rückkehrende Migranten, Asylbewerber, Staatenlose und andere Personen in Not. Binnenmigranten müssen sich am neuen Wohnort wieder registrieren lassen, um in den Genuss von wichtigen staatlichen Leistungen zu kommen. Auch muss der rechtmäßige Erwerb einer neuen Immobilie oder ein Mietvertrag nachgewiesen werden können. Insbesondere Roma und Balkan-Ägypter haben dabei allerdings Schwierigkeiten.

Laut einer im Oktober veröffentlichen Studie möchte mehr als die Hälfte der albanischen Bevölkerung in wohlhabendere Länder ziehen. Die von der University of Sussex und dem albanischen Forscher Ilir GEDESHI durchgeführte Untersuchung ergab, dass die potenzielle Migration des Landes von 44% im Jahr 2007 auf 52% im Jahr 2018 gestiegen ist. Die derzeitige Situation der illegalen Migration in Albanien ist auf einem gleichbleibenden hohen Niveau. Die wöchentlichen Zahlen belaufen sich zwischen 106 und 181 aufgegriffene illegale Migranten. Die albanische Grenzpolizei berichtet, dass aufgrund strengerer Maßnahmen an den albanischen Grenzübergängen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 3.000 albanischen Staatsbürgern wegen fehlender Dokumente die Weiterreise Richtung Schengenraum verweigert wurde. Sie standen im Verdacht, Asylsuchende zu sein. Im selben Zeitraum wurden 246 Minderjährige daran gehindert, das Land zu verlassen.

1.2.14. Grundversorgung / Wirtschaft:

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.000 ALL (ca. 21 €) und - für Familienoberhäupter - 8.000 ALL (ca. 57 €) sowie gegebenenfalls einem Invalidengeld von 9.900 ALL (ca. 70 €) und einem gleichen Betrag für Betreuung bewegen, sowie Sozialdienstleistungen durch soziale Pflegedienste. Das Gesetz Nr. 9355 für Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen bestimmt als Empfänger von Geldleistungen Familien mit keinem oder geringem Einkommen, Waisen ohne Einkommen, Familien mit Mehrlingsgeburten, Opfer von Menschenhandel oder Gewalt in der eigenen Familie und - als Empfänger von Invalidengeld - Menschen mit Behinderung. Im Ausland lebende Albaner, Asylsuchende, Opfer von Naturkatastrophen oder Kriegen, Gefängnisinsassen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen sind von Sozialhilfe ausgeschlossen. Daneben können die einzelnen Sozialhilfebüros 3% ihrer Mittel nach eigenen Kriterien verteilen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt der Großfamilie nach wie vor die Rolle zu, Familienmitglieder in Notlagen aufzufangen.

Das albanische Institut für Statistik (INSTAT) berichtet, dass die Arbeitslosigkeit in Albanien in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 auf den niedrigsten Stand seit fast 30 Jahren gesunken ist. Laut INSTAT ist die Arbeitslosigkeit auf 12,5% zurückgegangen, etwa 1,7% niedriger als 2017. Die niedrigere Arbeitslosenquote hat jedoch nicht zu höheren Gehältern wie in den letzten Jahren geführt.

Albanien hat seit 1998 bedeutende Fortschritte auf dem Weg der Transformation von einer kommunistischen in eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft erzielt. Dabei zeigte sich die Konjunktur inmitten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre relativ stabil und wies - auch wegen des geringen Ausgangsniveaus - durchgehend Wachstum auf. Albanien gehört weiter zu den ärmsten Ländern Europas. Das Pro-Kopf BIP betrug im Jahr 2016 nach Angaben des Finanzministeriums rund 3.780 Euro. In absoluter Armut (Pro-Kopf-Einkommen unter 60 USD/ Monat oder weniger als 2,5 USD/Tag) leben sieben Prozent der Bevölkerung (Angaben der Weltbank). Der Durchschnittslohn (im staatlichen Sektor) lag im Jahr 2016 bei 396 Euro. Rückgrat der Ökonomie bleibt die Landwirtschaft. Die albanische Wirtschaft wird dominiert vom Handels- und Dienstleistungssektor. Wirtschaftliche Aktivität verteilt sich regional sehr unterschiedlich. Der Großteil des BIP wird in der Küstenregion erwirtschaftet, insbesondere im Raum Tirana/Durrës. Dagegen ist in vielen unwegsamen Bergregionen, in denen sich Wirtschaft weitgehend auf Subsistenzlandwirtschaft beschränkt, soziale und ökonomische Entwicklung kaum spürbar. Es findet eine erhebliche Binnenwanderung aus strukturschwachen Gebieten in die Städte statt.

Das Geschäftsklima in Albanien hat sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert, sagen albanische Wirtschaftsexperten unter Bezugnahme auf Daten, die im aktuellen Bericht der Weltbank „Doing Business 2018“ veröffentlicht wurden. In diesem Bericht belegte Albanien den 65. Platz und hat dabei sieben Positionen gegenüber dem 58. Platz unter den 190 Ländern im vergangenen Jahr verloren.

1.2.15. Medizinische Versorgung:

Die albanische Verfassung von 1998 garantiert den Bürgern ein Anrecht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung und Gesundheitsversicherung. Das Budget für das Gesundheitswesen beträgt in den letzten Jahren zwischen 5,3% und knapp 6% des Bruttosozialproduktes. Im Rahmen einer Gesetzesanpassung wurde aus dem Krankenversicherungsinstitut ein Obligatorischer Krankenversicherungsfonds FSS (Fondi i Sigurimeve Shëndetësore - Health Insurance Fonds HIF). FFS-Versicherte profitieren unter anderem, falls das Referenzsystem eingehalten wird, von einer Gratisversorgung in den staatlichen medizinischen Einrichtungen, Hausbesuchen, wenn die medizinischen Einrichtungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbständig aufgesucht werden können, Behandlungsmöglichkeiten bei privaten Vertragspartnern, vollständigen Kostenübernahmen bei Medikamenten, respektive von Kostenbeteiligungen bis zu 50% bei Medikamenten. Auch bietet der FSS «Behandlungspakete» (Health services package) bei Dialysen, kardiologischen Untersuchungen, kardio-chirurgischen Interventionen, Nierentransplantationen und Hörprothesen sowie solche für ältere Menschen und Personen mit psychischen Problemen. Seit 1992 ist es in Albanien möglich, sich auch privat krankenversichern zu lassen. Die medizinische Versorgung ist im Wesentlichen dreistufig aufgebaut und umfasst staatliche und private Einrichtungen: die primäre Versorgungsstufe besteht aus 420 Einrichtungen. In ländlichen Regionen sind das Gesundheitszentren und mit diesen verbunden jeweils vier bis fünf „Gesundheitsposten“. In Städten und Quartieren größerer Städte finden sich Gesundheitszentren und „Polikliniken“. Auf der sekundären Stufe existieren elf Regionalspitäler und 23 Distriktspitäler in unterschiedlicher Größe und mit variierenden Dienstleistungsangeboten. In der Hauptstadt Tirana befindet sich die Universitätsklinik der tertiären Stufe, das einzige Spital der Maximalversorgung. Stationäre und oder spitalbasierte psychiatrische Einrichtungen bestehen auf der Psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Tirana und in den Psychiatrischen Spitälern in Vlorë und Elbasan. Patienten mit Alkohol- und Drogenproblemen können behandelt werden.

Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. Da Ärzte und Pflegepersonal jedoch nur geringe Gehälter erhalten, sind Zuzahlungen häufige Praxis, insbesondere von Patienten, die nicht über Privilegien oder Beziehungen verfügen, auch aus der Erwägung heraus, auf diese Weise eine bessere medizinische Behandlung zu erhalten. Ausstattung und Hygiene der staatlichen Krankenhäuser und Polikliniken liegen weit unter westeuropäischen Standards. Die Ärzte sind zwar im Regelfall gut ausgebildet, beim Pflegepersonal gibt es jedoch Defizite. Kompliziertere Behandlungen können nur in Tirana und in anderen größeren Städten durchgeführt werden. Die Versorgungslage in den psychiatrischen Kliniken ist schlecht. Einige gut ausgestattete Privatkliniken bieten in den größeren Städten ihre Dienste an; sie sind jedoch für einen Großteil der Bevölkerung zu teuer. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten. Teurere Medikamente oder solche für außergewöhnliche Krankheiten gehen zu Lasten des Patienten.

In Albanien existiert im staatlichen Sektor eine Liste der registrierten Medikamente. Weiter gibt es eine spezielle Liste von Medikamenten, deren Kosten den Patienten rückerstattet werden. Diese Liste enthält unentbehrliche Medikamente für die meisten Krankheitskategorien und stellt somit eine Art «Essential Drug List» dar. Die Listen werden laufend an möglicherweise veränderte medizinische Bedürfnisse und Krankheitsbilder angepasst. Generell verfügen die Spitäler der sekundären und der tertiären Stufe und auch die psychiatrischen Kliniken über die benötigten, respektive vom staatlichen Sektor angebotenen Medikamente. Budgetknappheit, ungenügende Budgetallokation, bürokratische Prozesse oder Managementfehler können dazu führen, dass Medikamente in staatlichen medizinischen Einrichtungen temporär nicht vorrätig sind. Generell ist heute unter Einbezug privater Apotheken ein Großteil der Medikamente zur Behandlung der gängigen Krankheitsbilder in Albanien zumindest in den größeren Städten verfügbar. Teurere Produkte der jüngeren Medikamentengenerationen befinden sich nicht auf der Liste der rückvergüteten Medikamente. Ein Teil der medizinischen Dienstleistungen, namentlich die Betreuung älterer Menschen, chronisch Kranker oder von Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Behinderungen, wird in Albanien traditionell durch die Familie abgedeckt.

Die medizinische Versorgung ist teilweise nur beschränkt gewährleistet. Die privaten Spitäler verfügen über einen umfänglichen Pflegedienst und sind technisch besser ausgerüstet als die staatlichen Krankenhäuser. Sie verlangen jedoch einen Kostenvorschuss oder eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln.

Im Gesetz über das Gesundheitswesen aus dem Jahr 2008 und in der Verfassung Albaniens wird festgehalten, dass alle Bürger ein Recht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung haben. Zudem werden besondere Anstrengungen für Gruppen unternommen, deren Zugang aus verschiedenen Gründen erschwert ist. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für spezielle Fälle von Diskriminierungen von Angehörigen der Roma-Minderheit. Im Einzelfall können jedoch wie auch immer motivierte Diskriminierungen nicht ausgeschlossen werden. In den besuchten Gesundheitseinrichtungen in Albanien gibt es keine Hinweise auf eine offensichtliche Diskriminierung von Roma oder darauf, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung für diese Bevölkerungsgruppe nicht gewährleistet wäre. Roma suchen staatliche Gesundheitseinrichtungen an ihren jeweiligen Wohnorten und namentlich auch die Universitätsklinik in Tirana auf. Der Fortschrittsbericht der EU von April 2018 hält fest, dass sich der Zugang von Roma zum Gesundheitswesen insgesamt verbesserte, die Erlangung der Gesundheitskarte für oft im informellen Erwerbssektor tätige Roma jedoch mit administrativ-bürokratischen Hürden verbunden sein kann. Die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Roma können es im Einzelfall schwierig machen, für die geforderten Patientenbeteiligungen oder andere finanzielle Auflagen aufzukommen.

1.2.16. Rückkehr:

Rückgeführte Staatsangehörige unterliegen keiner Form der Diskriminierung und haben nicht mit staatlichen Maßnahmen zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Zu einer Festnahme kommt es nur dann, wenn gegen die Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Ein Rückübernahmeabkommen mit der EU trat am 1.5.2006 in Kraft. Albanien kommt seinen darin kodifizierten Verpflichtungen nach. Die Einreisekontrollen gestalten sich unproblematisch.

Albanische Staatsangehörige, die wegen nicht ordnungsgemäßer Reisedokumente durch die Bundespolizei zurückgewiesen wurden, können nach routinemäßiger Vorankündigung durch die Fluggesellschaft und kurzer Befragung durch die albanische Grenzpolizei auch ohne Vorlage regulärer Reisedokumente wieder einreisen. Als Heimreisepapiere werden EU-Laissez-passer anerkannt.

Unbegleitete Minderjährige und Familien mit Kindern wurden zum Teil in Karreç in einem geschlossenen Zentrum für Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, die abgeschoben werden sollen, festgehalten.

Albanien hat die Rückkehr unbegleiteter Minderjähriger aus Österreich bzw. anderen EU-Ländern mit einer gemeinsamen Vereinbarung (Beschluss Nr. 332/3 vom 7.3.2014) zwischen der Generaldirektion der albanischen Polizei und dem staatlichen Sozialdienst geregelt. Dabei werden insbesondere das Empfangsprozedere und die soziale Behandlung der unbegleiteten minderjährigen Rückkehrer festgelegt. In jenen Fällen, in welchen ein unbegleiteter Minderjähriger nach Albanien zurückkehrt, informiert die entsprechende Direktion für Grenz- und Migrationsfragen die zuständigen Dienststellen für die Bekämpfung des Menschenhandels in der entsprechenden Polizeidirektion; es wird geprüft, ob es sich um einen Fall von Schlepperei handelt. Wenn der Minderjährige nicht von Familienangehörigen abgeholt wird, wird er vom staatlichen Sozialdienst in Schutz genommen.

1.2.17. Blutrache:

Auf traditionellen Wertvorstellungen beruhende Blutrachefehden werden häufig als Grund für Verfolgung angeführt. Echte Blutrachefehden betreffen nach jüngsten Schätzungen etwa 300 Familien und können über das Innenministerium verifiziert werden. Sie stellt eine Form der Selbstjustiz dar und basiert auf klaren Regelungen des traditionellen albanischen Rechtsverständnisses (niedergeschrieben im „Kanun“ von Leke Dukagjin). Insbesondere in den ländlichen Gebieten, in denen der Staat faktisch nicht präsent war, hat der Kanun bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts die staatliche Rechtsordnung ersetzt. Obwohl die Fälle, in denen Blutrache angewandt werden kann, vom Kanun eng umgrenzt werden, ist seit den 90er Jahren eine Vermischung zwischen traditionellen Wertvorstellungen und kriminellen oder politischen Motiven festzustellen. Die sozialen Folgen dieses Phänomens sind für die Betroffenen beträchtlich. Betroffene isolieren sich, Familienangehörige können keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Kinder, insbesondere Söhne, haben häufig keine Möglichkeit zur Schulausbildung. Der Staat lehnt die Blutrache ab, bekämpft sie und kann Schutz vor ihr gewähren, aufgrund seiner begrenzten Kapazitäten und der langsamen und korruptionsanfälligen Justiz jedoch nur mit eingeschränktem Erfolg. Es gibt einige NROs, die sich um die Schlichtung von Blutrachefehden bemühen, aber auch einige, die daraus ein Geschäft entwickeln (Verkauf von Blutrachebescheinigungen, die dann Asyl ermöglichen sollen).

Die Behörden haben bis August 2017 nur einen Fall von Blutrache-Mord gemeldet. Der Ombudsmann berichtete, dass die Bemühungen der Behörden zum Schutz der Familien oder zur Verhinderung von Blutrache-Morden unzureichend sind, obwohl die Regierung die Bemühungen zur Verfolgung solcher Verbrechen verstärkt hat.

Eine im Frühjahr 2014 von der Staatsanwaltschaft Shkodra unternommene Untersuchung im besonders betroffenen Norden des Landes kontaktierte ca. 200 von Blutrache betroffene Familien. Davon lebten lediglich 21 „Eingeschlossen“. Diese Familien gaben auf Befragung übereinstimmend an, niemand habe sie bedroht oder gezwungen, eingeschlossen zu leben. Sie täten dies vielmehr aus freiem Willen aus Tradition und Respekt vor den Familien der Opfer sowie aus einer unbestimmten Angst, die jedoch nicht aus einer konkreten Bedrohung herrühre. Hauptansprechpartner zur Verifizierung von Einzelfragen in Blutrache-Fällen war bis 2012 das Nationale Komitee für Versöhnung, welches je nach Fall entsprechende Bestätigungen ausstellte. Gegen den Vorsitzenden des Komitees Gjin Marku wurden damals Korruptionsvorwürfe erhoben. Seither werden Angaben zu Asylanträgen ausschließlich über die Direktion der albanischen Staatspolizei beim Innenministerium verifiziert.

Ein hundertprozentiger Schutz für betroffene Personen in Blutrachefällen ist aus Sicht der albanischen Gesprächspartner absolut unmöglich zu gewährleisten. Verstärkte Kontrollen der Aufenthaltsorte von möglichen Tätern und Opfern stellt da schon ein Maximum des Möglichen dar. Dazu muss angemerkt werden, dass dies in Österreich auch nicht besser gehandhabt werden kann bzw. könnte. Drohungen werden nicht ausgesprochen oder signalisiert und somit fehlt die gesetzliche Grundlage für ein präventives Einschreiten der Behörde. Bis dato sind dem VB-Büro in Tirana keine Fälle hinsichtlich der Ausstellung der Dokumente, die bestätigen sollten, dass die Inhaber potentielle Blutracheopfer wären, bekannt geworden.

Für potentielle Blutracheopfer bzw. Individuen, die von Gruppen des organisierten Verbrechens bedroht werden, sind die inländischen Fluchtalternativen begrenzt. Zwar bieten die Hauptstadt Tirana und andere urbane Zentren eine gewisse Anonymität, die wegen der geringen Größe des Landes und seiner Bevölkerung jedoch jederzeit aufgelöst werden kann. Bei hartnäckiger Verfolgung bietet die Flucht an einen anderen Ort im Inland wenig Schutz. In der Vergangenheit wurden neben gefälschten und verfälschten Dokumenten auch echte Dokumente unwahren Inhalts vorgelegt, um einen Asylantrag zu begründen. Bei echten Dokumenten mit unwahrem Inhalt handelt es sich häufig um Gefälligkeitsbescheinigungen. Dies gilt insbesondere bei Bescheinigungen über angebliche Blutrachefehden. Die Lancierung unwahrer Zeitungsmeldungen ist leicht zu bewerkstelligen und wird z.B. durch mangelnde Professionalität und geringe Auflagen erleichtert. Die Verifizierung des Asylgrunds Blutrache erfolgt seit geraumer Zeit nur noch über die Staatspolizei.

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes sowie den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Auszug aus dem Zentralen Melderegister, Strafregister, Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und Grundversorgungs-Informationssystem).

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung (AS 33) und der Kopie seines Reisepasses (AS 21 ff). Dass seine Muttersprache Albanisch ist und der Beschwerdeführer der albanischen Volksgruppe angehört, stützt sich ebenfalls auf die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung (AS 34). Die Feststellungen zu seinem Leben, seinem Familienstand, seinem Glaubensbekenntnis, seiner Schulbildung, seinem Aufenthalt in Griechenland, seiner Familienangehörigen sowie seinen Besitztümern beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung sowie in der Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 33 ff, 77 ff). Dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, resultiert aus seiner unbedenklichen Aussage in der verwaltungsbehördlichen Einvernahme (AS 87). Im gesamten Verfahren sind – insbesondere vor dem Hintergrund des kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet – auch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht hervorgekommen. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem.

Dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat ungefähr Ende Juni 2018 aus gesundheitlichen Gründen verlassen hat, stützt sich auf seine dahingehenden Angaben in der Erstbefragung, wonach ihm bekannt sei, dass es in Österreich die besten Ärzte gebe, und er seine Heimat aus gesundheitlichen Gründen verlassen habe (AS 36, 38). Die Feststellungen zu seiner Einreise sowie der Antragstellung ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt des Verwaltungsaktes.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Beschwerdeführers (siehe insb. AS 29, 107 ff) sowie seinen diesbezüglichen Ausführungen in der verwaltungsbehördlichen Einvernahme und in der Beschwerde. Der englischsprachigen Übersetzung der „internen Empfehlung“ des Krankenhauses in Tirana vom Januar 2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine bipolare Störung der ersten Stufe aufweist (siehe dazu das Konvolut von ärztlichen Unterlagen, AS 29). Aus den von einem österreichischen Krankenhaus ausgestelltem Entlassungsbrief vom Juli 2018 resultiert (AS 107 ff), dass beim Beschwerdeführer eine „rektale Raumforderung – organisiert thrombosierte Hämorrhoidalvene“, jedoch ohne Hinweis auf Malignität, diagnostiziert wurde. Dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seines psychischen Zustandes in Österreich nicht in ärztlicher Behandlung war, ergibt sich daraus, dass er in der Einvernahme vor dem Bundesamt angab, ihm sei gesagt worden, dass er erst später einen Termin bekommen würde, um zu einem Facharzt zu gehen (AS 99). Dass der Beschwerdeführer mit den oben genannten Leiden an einer schwerwiegenden bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würde, lässt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen. Daran vermag auch die vorgelegte Gesundheitskarte, mit welcher der Beschwerdeführer der Patientenkategorie „Full disability“ zugeordnet wird (AS 29), nichts zu ändern, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei dem in Österreich entnommenen Material des Beschwerdeführers, der aufgrund des Verdachts auf Hämorrhoiden nach seiner Einreise ins Bundesgebiet in einer Ambulanz vorstellig wurde, kein Hinweis auf Malignität vorlag (AS 107), und sich der Beschwerdeführer darüber hinaus hinsichtlich seines psychischen Zustandes während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht in ärztlicher Behandlung befand. Dass seine vorgebrachten Leiden eine solche Schwere und Intensität aufweisen würden, welche dazu führen könnten, dass es im Fall der Rückführung in den Heimatstaat des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinne der unter Pkt. II.3.2. noch näher dargestellten Rechtsprechung kommen werde, wurde insgesamt somit nicht dargetan.

Dass der Beschwerdeführer jedenfalls teilweise arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt, wonach er in seinem Herkunftsstaat in der Landwirtschaft gearbeitet habe, allerdings „nicht so intensiv“ (AS 83).

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellung zur Abschiebung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Bericht des Stadtpolizeikommandos (OZ 6).

Der Beschwerdeführer bringt als Fluchtgrund im Wesentlichen vor, er sei mehrmals Opfer von staatlicher Gewalt geworden. Aus den nachstehenden Gründen kann dieser Behauptung des Beschwerdeführers allerdings nicht gefolgt werden:

Zunächst fällt besonders auf, dass der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung lediglich gesundheitliche Erwägungen ins Treffen führte. So gab er zusammengefasst an, in Österreich gebe es die besten Ärzte, welche öfters in ein näher genanntes Krankenhaus in Albanien kommen würden. Der Beschwerdeführer habe mehrmals versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, allerdings sei ihm dies von den einheimischen Ärzten nicht erlaubt worden. Er wisse, dass das kein Asylgrund sei, jedoch bitte er um Hilfe (AS 36, 38). Der Beschwerdeführer führte zu diesem Zeitpunkt weder die ihm drohende Verfolgung wegen Blutrache noch die drei Übergriffe gegen ihn an. Wenngleich die Erstbefragung hauptsächlich die Ermittlung des konkreten Reisewegs und die Erfassung der Personendaten zum Ziel hat, stellt das völlige Abweichen des Fluchtgrundes im Abgleich mit späteren Darstellungen ein objektiv klar glaubwürdigkeitsreduzierendes Indiz dar. So wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden; dass der Beschwerdeführer jedoch lediglich gesundheitliche Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes anführte und die eigene angebliche Verfolgung nicht einmal ansatzweise erwähnte, obwohl derartige Umstände eine besondere persönliche Betroffenheit auslösen, ist für

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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