TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 W118 2188971-1

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Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W118 2188971-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.      In Stattgebung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

III.     XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 10.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2.       Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.12.2015 und der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.12.2017 begründete der Beschwerdeführer die Antragstellung im Wesentlichen dahingehend, dass sein Vater bei einem Autounfall ein Kind getötet habe. Der Vater des Unfallopfers habe daraufhin den Bruder des Beschwerdeführers getötet und sei auch der Beschwerdeführer mit dem Tode bedroht worden.

3.       Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

In der Begründung wertete die belangte Behörde das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubhaft und ging überdies von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul aus.

4.       Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid zur Gänze angefochten.

5.       Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6.       Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache mit Datum vom 03.07.2019 neu zugewiesen.

7.       Am 25.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der auch das Bundesamt teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten wurde seitens der Parteien keine Stellungnahme abgegeben; der Beschwerdeführer führte lediglich aus, er habe Afghanistan bereits vor vier Jahren verlassen, bekomme aber über „YouTube“ alles mit. Beinahe täglich würden sich Selbstmordanschläge mit „fast 20 bis 40 oder mehr“ Todesopfern ereignen.

Im Rahmen der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Unterlagen insbesondere zum Nachweis seiner Integration in Österreich sowie betreffend sein Privat- bzw. Familienleben und seinen Gesundheitszustand zur Vorlage.

8.       Mit Schreiben des Amtes der Burgenländischen Landesregierung vom 24.03.2020 wurde das Bundesamt betreffend den Beschwerdeführer von der Deaktivierung der Grundversorgung informiert, da dieser mit seinem leiblichen Kind zu seiner Lebensgefährtin gezogen sei.

9.       Mit Datum vom 07.05.2020 teilte das Amt der Burgenländischen Landesregierung dem Bundesamt mit, dass der Beschwerdeführer in die im Schreiben genannte private Unterkunft übersiedelt und die gesetzliche Krankenversicherung ab dem 24.03.2020 gewährt worden sei.

10.      Der Beschwerdeführer legte mit Datum vom 10.08.2020 eine Heiratsurkunde vom 01.08.2020 vor.

11.      Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.09.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen insbesondere Angaben zu seinem aktuellen Privat- und Familienleben in Österreich zu machen und zu den unter einem vorgehaltenen aktuellen Länderberichten betreffend die generelle Lage in Afghanistan einschließlich der derzeitigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Stellung zu nehmen.

12.      Mit Datum vom 06.10.2020 übermittelte die beschwerdeführende Partei eine aktuelle Meldebestätigung. Zu dem Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.09.2020 wurde nicht Stellung genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen sowie durch Einsicht insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019, aktualisiert mit 21.07.2020; EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019; EASO, Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen, Dezember 2017; EASO, Afghanistan: Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, September 2016; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.07.2020; ACCORD, ecoi.net-Themendossier „Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan“ vom 26.08.2020; EASO Country of Origin Information Report Afghanistan: Networks, Jänner 2018; ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 27.07.2020; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Antidepressiva, psychiatrische und psychologische Betreuung in Kabul-Stadt, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt, 15.05.2019 und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, 05.04.2017.

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Hauptstadt Kabul geboren und hat dort bis zu seinem siebenten Lebensjahr gelebt. Anschließend übersiedelte der Beschwerdeführer mit seiner Familie in die Provinz Kapisa, wo er bis zum Jahr 2015 gelebt und zumindest elf Jahre lang die Schule besucht hat. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan hielt sich der Beschwerdeführer etwa einen Monat lang bei einem Onkel mütterlicherseits in der Stadt Kabul auf. Dieser Onkel lebt weiterhin mit seiner Familie in Kabul in vergleichsweise guten finanziellen Verhältnissen; der Beschwerdeführer hat etwa einmal im Monat telefonischen Kontakt zu ihm. Die Mutter des Beschwerdeführers ist ungefähr im Jahr 2013 verstorben, in Kabul lebt aber außer dem bereits genannten Onkel auch noch eine Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und hat in Österreich am 01.08.2020 eine irakische Staatsangehörige geheiratet, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.09.2019 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die beiden hatten bereits im August 2018 nach muslimischem Ritus geheiratet und leben offenbar seit dem 02.01.2020 im gemeinsamen Haushalt. Am 07.02.2020 wurde ihr gemeinsames Kind geboren.

In Österreich lebt außerdem eine Cousine des Beschwerdeführers mit ihrer Familie, zu dieser besteht aber weder ein Abhängigkeitsverhältnis noch eine besonders enge Bindung. Sonst hat der Beschwerdeführer in Österreich keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen.

Der Beschwerdeführer wurde in den Jahren 2016 und 2017 wegen depressiver Episoden ohne somatische Symptome (F32.1), Panikattacken (F41.0) und posttraumatischer Belastungsstörung (F43.1) medikamentös und psychotherapeutisch behandelt, hat aktuell aber keine psychischen Probleme und nimmt daher auch keine Psychotherapie mehr in Anspruch. Er nimmt aktuell lediglich Medikamente gegen Kopfschmerzen, leidet an keinen schweren Erkrankungen und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er hat in Österreich unter anderem einen Werte- und Orientierungskurs, Deutschkurse (Niveau A1) sowie einen Brückenkurs zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss besucht und spricht etwas Deutsch. Der Beschwerdeführer hat gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet, ist in Österreich aber noch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung (seit 24.03.2020 allerdings lediglich im Umfang der Krankenversicherung). Er hat in Österreich neben seinen familiären Bindungen auch einen Bekannten- bzw. Freundeskreis, ist aber nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine physische oder psychische Gewalt im Zusammenhang mit Blutrache wegen eines vom Vater des Beschwerdeführers im Rahmen eines Verkehrsunfalles getöteten Kindes.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. aufgrund seiner Religionszugehörigkeit weder Gewalt noch Diskriminierung. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3.    Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 bis 42 % Paschtunen, 27 bis 30 % Tadschiken, 9 bis 10 % Hazara, 9 % Usbeken, ca. 4 % Aimaken, 3 % Turkmenen und 2 % Belutschen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag bestehen fort und werden nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30 % der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25 % in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Etwa 99,7 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.

Für als „verwestlicht“ wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko – insbesondere im urbanen Bereich.

Außereheliche bzw. voreheliche sexuelle Beziehungen können auch einen Grund für „Ehrenmorde“ darstellen. Viele Fälle werden allerdings von lokalen Schuras und Dschirgas beigelegt bzw. ohne Beteiligung von Gerichten oder Vermittlungsgremien gelöst, um den entstandenen „Ehrverlust“ lokal einzugrenzen. Wenn ein unverheiratetes Paar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte, folgt häufig eine Eheschließung zwischen dem Mann und der Frau. Familien mit hoher Bildung, Familien in Großstädten, Hazara und Tadschiken sind allgemein dafür offen, Lösungen zu finden, häufig auch mithilfe von Vermittlung. Insbesondere in Großstädten kommt es selten vor, dass solche Fälle in Gewalt bzw. Mord enden.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Kapisa ist eine Provinz im östlichen Zentralafghanistan; die wichtigsten ethnischen Gruppen sind Tadschiken, Paschtunen und Nuristani, wobei die Tadschiken als größte Einzelgruppe hauptsächlich im nördlichen Teil der Provinz leben. Eine Hauptstraße verbindet die Provinzhauptstadt Mahmood Raqi mit Kabul. Kapisa hat strategische Bedeutung und zählt zu den relativ volatilen Provinzen. Taliban sind in entlegeneren Distrikten der Provinz aktiv und versuchen oft, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung oder Sicherheitskräfte durchzuführen. Die Regierungstruppen führen, teils mit Unterstützung der USA, regelmäßig Operationen in Kapisa durch. Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 124 zivile Opfer (49 Tote und 75 Verletzte) in der Provinz Kapisa. Dies entspricht einem Rückgang von 11 % gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (ohne Selbstmordattentate) und Luftangriffe.

Die Provinz Kabul liegt in Zentralafghanistan östlich von Parwan und Wardak und hat laut Schätzungen etwa 5 Millionen Einwohner. Außerhalb der Hauptstadt sind von den aufständischen Gruppierungen in Afghanistan vor allem die Taliban aktiv, Berichten zufolge stehen aber keine Distrikte unter der Kontrolle von Aufständischen. Die Hauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist über den Flughafen gut zu erreichen. Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Die Lage in der Hauptstadt ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, dennoch führten Aufständische sowohl im gesamten Jahr 2018 als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2 % gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden. Dabei kam es auch zu zivilen Opfern. Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Nach Schätzungen leben nahezu 1,5 Millionen Menschen in der Provinz Balkh, davon etwa 470.000 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, die von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer mehrheitlich paschtunischen Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert und besonders der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt, die als „sehr sicher“ gilt, und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Auch in Herat-Stadt ist ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität zu verzeichnen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48 % gegenüber 2017. Die Hauptursachen für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft – wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung – auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre – insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes – weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert.

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an. Hinsichtlich des Ausmaßes und der Art von Unterstützung wird zwischen freiwillig und unfreiwillig zurückgeführten Personen unterschieden. Das von IOM durchgeführte Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR) Programme besteht aus einer Kombination von administrativen, logistischen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Personen, welche beschließen, freiwillig aus Europa, Australien und der Türkei in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Im Zuge des AVRR-Programmes wurden im Jahr 2018 von IOM 2.182 Rückkehrer unterstützt. Etwa die Hälfte von ihnen erhielt Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens. Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt. IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro sowie Informationen, etwa über Hotels. Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden. Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser – insbesondere in der Stadt Kabul – lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück. 90 % der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NROs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung.

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die medizinische Grundversorgung für alle Afghaninnen und Afghanen kostenlos. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten von UN OCHA zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Gesundheitsbehandlung stark einkommensabhängig.

Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. Zwar sieht das Basic Package of Health Services (BPHS) psychosoziale Beratungsstellen innerhalb der Gemeindegesundheitszentren vor, jedoch ist die Versorgung der Bevölkerung mit psychiatrischen oder psychosozialen Diensten aufgrund des Mangels an ausgebildeten Psychiatern, Psychologen, psychiatrisch ausgebildeten Krankenschwestern und Sozialarbeitern schwierig. Es gibt keine formelle Aus- oder Weiterbildung zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychische Erkrankungen sind in Afghanistan weiterhin hoch stigmatisiert, obwohl Schätzungen zufolge 50 % der Bevölkerung psychische Symptome wie Depression, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörung zeigen. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können auch beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Die WHO geht davon aus, dass in ganz Afghanistan im öffentlichen, wie auch privaten Sektor insgesamt 320 Spitäler existieren, an welche sich Personen mit psychischen Problemen wenden können. Bei Persönlichkeits- und Stressstörungen können Patienten insbesondere im Mazar-e Sharif Regional Hospital, im Herat Regional Hospital und im Karte Sae Mental Hospital in Kabul behandelt werden. In Mazar-e Sharif existiert auch ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Neuro Psychiatric Hospital). Wie auch in anderen Krankenhäusern Afghanistans ist eine Unterbringung im Kabuler Krankenhaus von Patienten grundsätzlich nur möglich, wenn sie durch Familienangehörige oder Bekannte mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt werden.

Zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan:

Berichten zufolge haben sich in allen Provinzen Afghanistans insgesamt mehr als 38.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt, mehr als 1.400 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet; von 37,6 Millionen Einwohnern wurden lediglich knapp 103.000 Personen getestet.

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben offiziell in Kraft, werden Berichten zufolge aber nicht mehr durchgesetzt. Die Vorgaben der Regierung werden von der Bevölkerung im Allgemeinen nicht befolgt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet.

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden.

Am 18.07.2020 kündigte die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken. Die Weltbank genehmigte am 15.07.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten.

Verschiedenen Modellen zufolge ist der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan noch nicht erreicht. Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 bis 31 Prozent gestiegen sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, Alter und Schulbildung des Beschwerdeführers sowie zu seinen afghanischen Familienangehörigen und den Aufenthaltsorten beruhen auf den diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der mündlichen Verhandlung dem Bundesverwaltungsgericht.

Hinsichtlich der familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich legte das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls dessen Angaben und die vorgelegten Dokumente den Feststellungen zugrunde. Der Beschwerdeführer hat angegeben, seine nunmehrige Ehefrau kennengelernt und um 30.08.2018 – „nur islamisch“ – geheiratet zu haben (vgl. hiezu § 16 Abs. 1 IPRG), nachdem diese in die selbe Unterkunft (in Eisenstadt) eingezogen sei. In Verbindung mit den vorgelegten Bestätigungen der Meldung aus dem Zentralen Melderegister (Meldung des Hauptwohnsitzes in derselben Unterkunft seit 28.11.2017) und der sowohl vor dem Bundesamt am 19.12.2017 als auch in der Beschwerde vom 05.03.2018 unterbliebenen Erwähnung einer Freundin bzw. Lebensgefährtin ist davon auszugehen, dass die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner nunmehrigen Lebensgefährtin erst etwa seit Anfang bzw. Mitte des Jahres 2018 besteht. Mangels eines Ehefähigkeitszeugnisses hätten die beiden laut den Angaben des Beschwerdeführers zunächst nicht standesamtlich getraut werden können. Mit Datum vom 10.08.2020 legte der Beschwerdeführer schließlich eine Heiratsurkunde vor. Die Feststellungen zu dem Kind des Beschwerdeführers und dem gemeinsamen Haushalt beruhen auf aktuellen Abfragen des Zentralen Melderegisters und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Eine Abhängigkeit oder besonders enge Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden Cousine wurde nicht behauptet; der Beschwerdeführer hat lediglich angegeben, seine Cousine – gemeinsam mit seiner nunmehrigen Ehefrau – etwa einmal wöchentlich zu treffen.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser in der mündlichen Verhandlung Fragen zu psychotherapeutischer Behandlung bzw. psychischen Problemen verneint und darüber hinaus angegeben hat, es sei ihm mit der Zeit bessergegangen und sei er deshalb (zu der Psychotherapie) nicht mehr hingegangen. Die Feststellungen zu den in der Vergangenheit bestehenden psychischen Problemen des Beschwerdeführers beruhen auf den vorgelegten Befunden aus den Jahren 2016 und 2017. Eine aktuelle schwere bzw. die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende Erkrankung des Beschwerdeführers ergibt sich daher weder aus dem Akteninhalt noch aus den in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen bzw. dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen ist im Übrigen auch hinsichtlich der in der Vergangenheit diagnostizierten psychischen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers festzuhalten, dass grundsätzlich auch in Afghanistan – insbesondere in Großstädten – Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Störungen vorhanden sind.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privatleben sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise den Feststellungen zugrunde gelegt. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor. Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Bedrohung in Afghanistan aufgrund vager und widersprüchlicher Angaben als unglaubhaft. Dieser Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers verstärkte sich in der Folge noch, da sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der Beschwerdeführer nicht schlüssig zu erklären vermochte.

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hat vor allem auch zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Fluchtvorbringens die Wahrheit gesagt hat. Im gegenständlichen Fall ist zunächst festzuhalten, dass eine vom Bundeskriminalamt im Jänner 2018 vorgenommene Untersuchung der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers ergeben hat, dass die Urkunde am XXXX ausgestellt worden sei, aus dem Abdruck des Stempels der Ausstellungsbehörde aber als Produktionsdatum des Stempels das Jahr XXXX hervorgeht. Eine autorisierte Ausstellung der Geburtsurkunde könne daher zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer ist diesem Untersuchungsergebnis nicht substantiiert entgegengetreten. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Mitwirkungspflichten (§ 15 AsylG 2005) angeblich in Afghanistan vorhandene Beweismittel betreffend den Tod seines Bruders (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 25.09.2019) bis dato nicht vorgelegt hat. Diesbezüglich ist auch anzumerken, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgefordert wurde, alle verfügbaren Beweismittel zur Verhandlung mitzubringen. Mangels einer nachvollziehbaren Erklärung des Beschwerdeführers für das erst ungefähr vier Jahre nach Antragstellung erfolgte Beweismittelanbot kann daher nur von einer Verletzung der Mitwirkungspflichten ausgegangen werden, die Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu berücksichtigen ist (§ 13 Abs. 5 BFA-VG).

Der Beschwerdeführer stützte seine vorgebrachten Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan im Wesentlichen auf drohende Blutrache seitens der Familie eines Kindes, das bei einem Autounfall, in den der Vater des Beschwerdeführers verwickelt gewesen sei, gestorben sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei aufgrund dieses Vorfalls inhaftiert worden und der Vater des Opfers habe aus Rache bereits den Bruder des Beschwerdeführers getötet und sei daraufhin ebenfalls verhaftet worden.

Bei dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung fällt allerdings auf, dass der Beschwerdeführer trotz der für ihn zweifellos gravierenden Bedeutung dieses Vorfalls und des weiteren Schicksals seines Vaters oft nur äußerst vage Angaben machen konnte und sich mehrmals in Widersprüche verwickelt hat. So ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bis dato nicht angeben kann, ob sein Vater von einem Gericht verurteilt wurde. Auch hinsichtlich des Vaters des Unfallopfers, von dem angeblich die Bedrohung des Beschwerdeführers ausgeht, konnte der Beschwerdeführer weder angeben, ob er bereits verurteilt wurde, noch wann mit einer Haftentlassung zu rechnen ist. Auch wenn der Onkel dem bei der Ausreise noch minderjährigen Beschwerdeführer keine Details nennen wollte, wäre davon auszugehen, dass sich der bereits seit 2016 volljährige Beschwerdeführer zwischenzeitlich über diese für seine ganze Familie wesentlichen Umstände informiert hätte.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel erklären, warum sein Onkel in Kabul, bei dem der Beschwerdeführer sich vor seiner Ausreise für etwa einen Monat aufgehalten hat, zahlreiche Drohanrufe erhalten habe („Oft drei bis vier Mal in der Nacht.“), es aber zu keinem Angriff auf den Beschwerdeführer gekommen sei. Hätte tatsächlich seitens der Familie des Unfallopfers bzw. in deren Auftrag Blutrache am Beschwerdeführer genommen werden sollen, ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer mit zahlreichen Drohanrufen vorgewarnt werden würde, ohne tatsächlich gegen ihn vorzugehen.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auch in Widerspruch zu den im Rahmen der Anamnese protokollierten Angaben des Beschwerdeführers im Allgemeinen Öffentlichen Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt (Erstbehandlung Neurologie-Ambulanz 30.10.2017) und im LKH Hochsteiermark (Ärztlicher Entlassungsbries 12.02.2016) steht. Beiden Schreiben zufolge sei der Bruder des Beschwerdeführers nicht – wie im Asylverfahren vorgebracht – erschossen, sondern aus Rache geköpft worden. Dem Schreiben vom 12.02.2016 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass das Opfer 16 Jahre alt gewesen sei, nicht acht oder neun Jahre, wie der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht behauptet hat. Der Beschwerdeführer konnte auch diese Widersprüche nicht schlüssig erklären, zumal sein diesbezüglich vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattetes Vorbringen, damals sei eine iranische Dolmetscherin bestellt worden, mangels Verwechselbarkeit der Begriffe für „köpfen“ bzw. „erschießen“ in den Sprachen Dari und Farsi (vgl. die Ausführungen des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung am 25.09.2019) ins Leere geht.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist der Beschwerdeführer sohin persönlich unglaubwürdig und weisen auch die Angaben zu seinen Fluchtgründen Widersprüche und Ungereimtheiten in zentralen Teilen des Vorbringens auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubhaft zu werten. In Anbetracht der zahlreichen, teils eklatanten Widersprüche und Ungereimtheiten vermag an dieser Beurteilung auch nicht zu ändern, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der behaupteten Vorfälle sowie bei der Erstbefragung noch minderjährig war, zumal auch in der Einvernahme durch das Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – bei denen der Beschwerdeführer bereits volljährig war – gravierende Ungereimtheiten festzustellen waren.

Der Beschwerdeführer könnte darüber hinaus einer Bedrohung in seiner Heimatregion in Kapisa bzw. in der Stadt Kabul auch durch eine Neuansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif entgehen, da jedenfalls keine Hinweise hervorgekommen sind, dass in ganz Afghanistan nach dem Beschwerdeführer gesucht wird. Vor dem Hintergrund der amtsbekannten Gegebenheiten in Afghanistan (Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister; vgl. auch EASO COI Report Afghanistan: Networks (Arbeitsübersetzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl), Stand Jänner 2018, Pkt. 3.1.1) ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mehr als vier Jahre nach seiner Ausreise bei einer Rückkehr in eine andere afghanische Großstadt gesucht bzw. gefunden würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Vater des Unfallopfers – dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge – bereits durch Tötung des Bruders des Beschwerdeführers Blutrache geübt hat und der Beschwerdeführer bereits bei seinem einmonatigen Aufenthalt in Kabul im Jahr 2015 keinen Angriffen ausgesetzt war.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein substantiiertes Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

2.3.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in den EASO-Bericht „Afghanistan – Security situation“, September 2020, sowie in den Bericht von UN OCHA, „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“, vom 02.09.2020) versichert hat.

Die Parteien sind überdies den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht konkret entgegengetreten. Zu den mit Schreiben vom 11.09.2020 übermittelten Länderberichten zur aktuellen Lage in Afghanistan einschließlich der derzeitigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul („UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.“) ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist („Indizwirkung“; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung in der von EASO im Juni 2019 publizierten Neuauflage der Guidance Notes, laut denen eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lage grundsätzlich weiterhin in Betracht kommt („It can be concluded that the general security situation in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif does not preclude the consideration of the three cities as IPA“). Sowohl hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) als auch hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird in dem Bericht ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt. Die in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vorherrschenden allgemeinen Bedingungen stehen der Zumutbarkeit einer innerstaatliche Fluchtalternative grundsätzlich nicht entgegen („Based on available COI, it is concluded that the general circumstances prevailing in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif, assessed in relation to the factors above, do not preclude the reasonableness to settle in the cities.“).

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung der EASO-Leitlinien ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information – COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Art. 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den – in den Kernaussagen mit dem Folgebericht vergleichbaren – EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass „in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht“, ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese „grundsätzlich“ nicht verfügbar sei.

Betreffend den vorliegenden Fall ist weiters darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bis zu seinem siebenten Lebensjahr in Kabul gelebt, sich auch im letzten Monat vor seiner Ausreise aus Afghanistan dort aufgehalten hat und weiterhin über Angehörige in Kabul verfügt.

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf den EASO-Leitfaden vom Juni 2019, dem etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die gleichlautenden Ausführungen betreffend die Stadt Mazar-e Sharif): „In the provincial capital of Herat City, indiscriminate violence is taking place at such a low level that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence within the meaning of Article 15(c) QD.“ Wie bereits oben ausgeführt, geht EASO hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif – insbesondere für „single able-bodied men“ – ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Die Feststellungen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan stützen sich ebenfalls insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie auf den ACCORD-Länderbericht „Afghanistan: Covid-19“ vom 05.06.2020 und die Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.07.2020, mit denen auch der aktuelle Bericht des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“ vom 02.09.2020 in Einklang zu bringen ist. Ergänzend beobachtet das Bundesverwaltungsgericht – insbesondere hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan – auch die diesbezügliche Medienberichterstattung (vgl. etwa TOLOnews, https://tolonews.com), aus der sich ebenfalls keine andere Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ableiten lässt.

Obwohl sich in der derzeitigen Situation eine Wiedereingliederung in Afghanistan wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten grundsätzlich schwieriger als vor Beginn der COVID-19-Pandemie darstellt, ist weiterhin davon auszugehen, dass gesunde leistungsfähige Männer – insbesondere wenn sie über familiäre Anknüpfungspunkte oder über hinreichende Schul- bzw. Berufsausbildung verfügen – in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen können, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zur Frage der Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif auf dem Luftweg ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die afghanische Zivilluftfahrtbehörde bekannt gegeben hat, dass die Inlandsflüge nach einer dreimonatigen Pause wiederaufgenommen wurden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1.  Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.2.2.  Wie bereits dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Eine Prüfung des Zusammenhanges der vorgebrachten Bedrohung mit einem Konventionsgrund erübrigt sich daher und kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer diesbezüglich asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass „verwestlichten“ Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019). Auch in den aktuellen UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 01.06.2017, [a-10159], Pkt. 5). Dies gilt umso mehr bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt.

Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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