TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/14 W174 2126255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2020
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Entscheidungsdatum

14.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W174 2126255-1/21E

IM NAMEN der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria Mugli-Maschek, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2016, Zl. 1053615007/150266992, nach einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2020 und am 12.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 14.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.03.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, in Ghazni geboren zu sein und seit zehn Jahren in Teheran gelebt zu haben. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Glaubens.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, sein Vater habe in Afghanistan wegen seiner Religion Probleme bekommen, weshalb er ausgereist sei. Im Iran sei der Vater nicht mehr mit der Mutter des Beschwerdeführers zusammen gewesen, der Beschwerdeführer habe nicht alleine leben können und deshalb den Iran verlassen. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht. Würde er ihn den Iran zurückgeschoben, würden ihn die nach Afghanistan ausweisen. Dort gebe es Taliban und Krieg und der Beschwerdeführer könne in Afghanistan nicht leben.

3. Auf Basis eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Altersfeststellung vom 16.5.2015 wurde das Alter des Beschwerdeführers mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom 06.07.2015 wie im Spruch erstgenannt festgelegt.

4. Am 09.03.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen an, im Alter von sechs Jahren von Afghanistan in den Iran gezogen zu sein und dort zehn Jahre gelebt zu haben. Er habe als Schweißer und Tischler gearbeitet, sei handwerklich sehr geschickt und könne auch kochen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, seine Eltern hätten Probleme mit Leuten gehabt, sein Onkel sei getötet worden, mehr könne er nicht angeben. Sein Vater habe Probleme mit den benachbarten Afghanen gehabt, sein Großvater sei auch getötet worden. Bei den Nachbarn handle es sich um Paschtunen oder Taliban, das wisse der Beschwerdeführer aus den Erzählungen seines Vaters. Der Beschwerdeführer glaube, bei der Auseinandersetzung sei es um die Religion und Volksgruppenzugehörigkeit gegangen. Über ein konkretes fluchtauslösendes Ereignis wisse er nichts.

Bei einer Rückkehr wäre der Beschwerdeführer auf sich alleine gestellt und habe Angst, dass es dort eine schlechte Sicherheitslage gebe. Wegen dieser allgemeinen schlechten Sicherheitslage und dem Konflikt zwischen Paschtunen und Hazara befürchte er, getötet zu werden. Eine konkretere Verfolgung könne er nicht angeben.

5. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

6. Am 31.03.2016 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde.

7. Mit Bescheid vom 12.05.2016 wies das Bundesamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Rechtzeitigkeit der Beschwerde zurück.

8. Am 27.12.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeergänzung wegen Homosexualität und der Taufe des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben eingebracht.

Darin wurde angeführt, der Beschwerdeführer lebe hier in Österreich nach seinen Vorstellungen, führe keine Beziehung, lebe aber seine Sexualität aus. Bisher sei es ihm nicht möglich gewesen, sich offen zu seiner Homosexualität zu äußern, die ihm lange Zeit peinlich gewesen wäre. Wegen der strengen islamischen Regelungen in Afghanistan und im Iran sei es ihm nicht möglich gewesen, darüber frei zu sprechen.

Der Beschwerdeführer beschäftige sich mit dem Christentum, besuche regelmäßig Gottesdienste sowie Veranstaltungen der Gemeinde und sei am 12.05.2019 getauft worden.

Beigelegt wurde ein Zertifikat über seine Taufe in einer christlichen Gemeinde.

9. Am 9.7.2020 und am 12.8.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei gab der Beschwerdeführer zunächst an, aus der Provinz Ghazni zu stammen, der Volksgruppe der Hazara anzugehören und Christ zu sein. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr habe er in seinem Geburtsort gelebt und sei danach mit seiner Familie (den Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester) in den Iran gezogen. Seine Familie wohne immer noch in Isfahan, zuletzt habe er vor zwei Jahren Kontakt zu ihnen gehabt. Seit sie von seiner Konversion wüssten, wollten sie nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Sein Großvater und sein Onkel väterlicherseits seien im Krieg verstorben, weitere Verwandte kenne er nicht.

Im Iran habe der Beschwerdeführer mangels Aufenthaltsberechtigung keine Schule besuchen können und sei deshalb sechs Jahre von einem Nachbarn unterrichtet worden. Sein Vater sei im Iran als Steinmetz tätig gewesen, auch der Beschwerdeführer habe neben seiner Schule gearbeitet, und zwar als Tischler und Schweißer.

Verlassen habe der Beschwerdeführer den Iran, weil er Probleme mit seiner Familie gehabt habe. Sein Vater sei drogensüchtig gewesen, weshalb sich die Eltern getrennt hätten. Damals habe der Beschwerdeführer als Tischler gearbeitet, sein Vater habe ihn immer gefoltert und geschlagen, wovon er noch Brandnarben und Abdrücke von Gürtelschlägen habe. Da der Vater auch immer sein Geld gewollt hätte, sei der Beschwerdeführer ausgezogen und habe in der Arbeitsstätte bei der Tischlerei gewohnt, wo es einen homosexuellen Mitarbeiter gegeben habe. Der Beschwerdeführer sei von klein auf sexuell belästigt worden und habe mit Homosexuellen Geschlechtsverkehr ausüben müssen, bis er sich damit abgefunden und es auch selbst gemacht hätte. Im Iran sei das aber eine große Sünde, weshalb er sein sexuelles Leben vor jedem verheimlicht habe. Sein Vater habe es jedoch irgendwann erfahren. Dass er das bei der Behörde mit keinem Wort erwähnt habe, begründete er damit, dass er sich geschämt hätte. Die afghanische Kultur und Religion verbiete so etwas und er habe Angst gehabt. Laut seinem rechtlichen Vertreter hätte der Beschwerdeführer geäußert, mittlerweile keine homosexuellen Handlungen mehr zu setzen.

Nach einer Vertagung wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.8.2020 fortgeführt und wurden seitens der rechtlichen Vertretung folgende Unterlagen vorgelegt:

- Bestätigung des XXXX von 2020,

- ÖIF Integrierungsmaßnahmen vom 22.6.2020,

- B1-Zertifikat vom 20.12.2017,

- A2-Zertifikat vom 13.6.2017,

- Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 23.2.2018,

- Zeugnis Pflichtschulabschlussprüfung vom 7.6.2018,

- A2-Zeugnis des IKI Internationales Kulturinstitut A2-Niveau vom 11.5.2017 und

- Schreiben des AMS vom 09.5.2017 betreffend den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, nicht mehr homosexuell zu sein, seine Vergangenheit vergessen und ein neues Leben beginnen zu wollen. Weil er nicht mehr homosexuell sei, habe er deswegen in Afghanistan kein Problem mehr.

Als er in den Iran gegangen sei, sei er sechs Jahre alt gewesen, er habe in Afghanistan keine Verwandten und kenne die Kultur nicht. Es sei für ihn dort schwer zu leben und Afghanistan sei auch sehr unsicher. Die Hazara seien dort im Allgemeinen sehr benachteiligt und würden schlecht behandelt, ebenso wegen der Religion.

Es gebe einen konkreten Grund, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne und der sei, dass er Christ geworden sei.

Seine Familie wäre religiös, vor allem die Mutter, die den Islam liebe und ausführe. Der Beschwerdeführer selbst möge ihn nicht. Die Mutter und Geschwister hätten gebetet und darauf bestanden, dass der Beschwerdeführer dies auch tue und die Moschee besuche. Er hätte dies jedoch nie aus eigenem Willen getan. Persönlich sei ihm die Religion wichtig.

Erstmals habe der Beschwerdeführer im Jahr 2016 vom christlichen Glauben gehört. Damals habe er in einer Pension gewohnt und zweimal wöchentlich Deutschkurse in der Kirche besucht, wo er Christen kennengelernt habe. Er habe immer eine gewisse Angst in sich gehabt, sei unruhig gewesen und habe gedacht, ein starker Sünder zu sein. Als er das Christentum kennengelernt habe, sei es für ihn von vornherein sehr interessant gewesen, wie ein Licht im Dunkeln. Vor allem, als er erfahren habe, dass Jesus Christus für unsere Sünden gestorben sei, habe er sich erleichtert gefühlt und gelernt, dass das Christentum der einzige Weg für die Befreiung von Sünden sei. Der einzige Weg zu Gott sei der Weg von Jesus Christus.

Nachdem er das Christentum entdeckt habe, sei er nach ungefähr 6 bis 9 Monaten umgezogen und habe durch seinen Deutschkurs die Zeugin kennengelernt, bei der es sich um eine Religionslehrerin handle. Nach dem Deutschkurs habe er sich mit ihr und einem anderen Christen unterhalten und über das Christentum gesprochen. Im Jahr 2019 sei er dann schließlich mit einem Freund in die Kirche gegangen.

Seine Informationen über das Christentum habe der Beschwerdeführer über die genannte Lehrerin und seinen Freund, einen gewordenen Christen, sowie über viele weitere christliche Freunde.

Der Beschwerdeführer führe eine Bibel auf Dari mit sich. Diese legte er vor und beantwortete in weiterer Folge zahlreiche konkrete Fragen der erkennenden Richterin zum Aufbau und Inhalt der Bibel, den zehn Geboten, dem Glaubensbekenntnis, das er vor Gericht betete, weiteren Gebeten, Vergebung und Sühne sowie den Sakramenten, vor allem auch seiner Taufe.

2019 sei der Beschwerdeführer in die Kirche gegangen, habe dort von Jänner bis Mai über einen Priester Informationen gesammelt und sich dessen Reden und Predigten angehört, um sich mehr Wissen anzueignen. Damals habe er sich entschlossen, Christ zu werden. Grund dafür sei, dass es der einzige Weg zu Gott wäre, an Jesus Christus zu glauben. Alle Menschen auf der Erde seien mit den Sünden von Adam und Eva auf die Welt gekommen und die Vergebung dieser Sünden sei eben der Glaube an Jesus Christus. Vor seiner Taufe habe er fünf Monate zu diesem Priester Kontakt gehabt. Seit 2019 bis jetzt besuche er regelmäßig Sonntags die Kirche. Auf die Taufe habe er sich selbst vorbereitet, beten habe er zum Beispiel in der Kirche gelernt. Ganz besonders wichtig sei für ihn der Glaube an Jesus Christus.

Zur Taufe entschlossen habe er sich zwei bis drei Wochen vor der Taufe, getauft worden sei er durch einen Bruder in der Kirche in Wien. Christ zu sein sei für ihn nicht so wie im Islam. Man habe eine enge Beziehung zu Gott, werde als Sohn Gottes gesehen, es sei ein direkter Weg zu Gott. Im Islam gebe es keinen direkten Weg zu Gott oder Allah. Gott sei dort allein und die Menschen seien alleine. Der große Unterschied zwischen Jesus und Mohammed liege darin, dass Jesus zur Befreiung der Menschen von den Sünden auf die Welt gekommen sei und Mohammed zum Krieg aufgerufen habe und viele Menschen seinetwegen ihr Blut gelassen hätten.

Nachdem er Christ geworden sei, habe er sich sehr gut gefühlt und den inneren Frieden gefunden. Sowohl seine Familie als auch seine Freunde wüssten von der Konversion. Der Beschwerdeführer besuche jeden Sonntag die Kirche, lerne noch über das Christentum, Donnerstags habe er einen online Kurs und sammle Wissen über das Christentum. Zudem treffe er sich mit Mitgliedern seiner Kirchengemeinde, es gebe zum Beispiel Weihnachtsfeiern und Veranstaltungen zu Ostern und zu Pfingsten, an denen er teilgenommen habe. Coronabedingt sei die Kirche von März bis Juli heuer nicht begehbar gewesen, deswegen hätten sie alles online abgehalten. Eine halbe Stunde oder eine Stunde vor dem Sonntagsgebet in der Kirche bereiteten sie die Stühle vor, würden bei der Vorbereitung des Wassers für die Taufe helfen und etwaige Reinigungsarbeiten erledigen.

Der Beschwerdeführer wäre nicht bereit, sich vom christlichen Glauben abzuwenden.

In Österreich besuche der Beschwerdeführer zurzeit einen Deutschkurs, gehe jeden Freitag ins Krankenhaus und arbeitet dort bei Essen auf Rädern. Zudem habe er viele Freunde.

Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung häufig auf Deutsch antwortete.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die ehemalige Deutschlehrerin des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen.

Kennengelernt habe sie den Beschwerdeführer vor etwa vier Jahren als ihren Deutschschüler. Sie habe regelmäßig mit ihm Kontakt, in den ersten beiden Jahren habe er in der Nähe gewohnt und sei regelmäßig, etwa zwei- bis dreimal wöchentlich, zu ihnen ins Flüchtlingszentrum gekommen, wo er unglaublich schnell Deutsch gelernt habe. Nach seinem Umzug habe er sie privat aufgesucht und sie ihn weiter begleitet. Damals sei der Beschwerdeführer mit sehr vielen religiösen Fragen gekommen, was sie dann eher als Theologin angesprochen habe. Die Zeugin sei 39 Jahre lang Religionslehrerin gewesen und der Beschwerdeführer einer ihrer interessierten Religionsschüler, die sie jemals gehabt habe. Er habe sich sehr redlich mit dem Christentum auseinandergesetzt, ihr oft – auch per Mail - Fragen gestellt, zum Beispiel zur Bibel und dogmatischen Fragen, wie zur Dreifaltigkeit. Zu diesem Zeitpunkt sei er schon getauft gewesen und die Zeugin habe gewusst, dass er zu einer Gemeinde in Wien gehöre.

Für die Zeugin sei es sehr glaubwürdig, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten Menschen handelt. Zudem erlebe sie ihn als sehr hilfsbereiten und soziale Menschen. Er helfe zum Beispiel einer älteren Frau bei der Gartenarbeit, fahre Essen auf Rädern aus, was für sie auch alles zum christlichen Leben gehöre. Sie sei der Überzeugung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen überzeugten Christen handle, für den die Person Jesus Christus so zentral geworden sei, dass er sozusagen seine Nachfolge leben wolle. Auch besuche er regelmäßig den Gottesdienst.

Als weitere Zeuge einvernommen wurde ein Evangelist des Christlichen Vereines des Beschwerdeführers, der diesen seit ca. einem Jahr kennt.

Dieser erklärte, dass der Beschwerdeführer regelmäßig nach Wien komme und sehr hilfsbereit sei. Durch seine Ausstrahlung, seine Hilfsbereitschaft, seine Gesinnung und die Art wie er rede sehe er den Beschwerdeführer als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und diesen täglich lebenden Menschen. Seiner Überzeugung nach sei der Beschwerdeführer überzeugter Christ.

Der rechtliche Vertreter verzichtete auf eine Stellungnahme zu den übergebenen Länderinformationen und Informationen zum Christentum.

Weiters übergeben wurde eine Bestätigung des Magistrats vom 22.6.2020 betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Aktion Essen auf Rädern.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, wurde in Ghazni geboren und reiste mit seiner Familie im Alter von ca. sechs Jahren in den Iran, wo er bis zur Ausreise lebte, privat unterrichtet wurde und als Schweißer und Tischler arbeitete.

Der Beschwerdeführer ist vom schiitischen zum christlichen Glauben konvertiert und wurde am 12.5.2019 in Österreich getauft.

Der Beschwerdeführer besucht regelmäßig Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen. Vor seiner Konversion beschäftigte er sich intensiv mit dem Christentum, bildet sich nach wie vor religiös weiter, engagiert sich aktiv im Leben der Kirchengemeinde und ist auch ehrenamtlich tätig. Seine ehemalige Deutschlehrerin, eine Theologin, mit der er nach wie vor in Kontakt steht, sowie ein Evangelist seiner Kirche beschreiben ihn als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und diesen auch täglichen lebenden Menschen.

Der christliche Glaube ist zu solch einem Bestandteil seiner Identität geworden, dass nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken.

2. Zur Lage im Herkunftsland:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 sowie EASO Special Report: Asylum Trends an Covid-19, in den ua. auch die Lage in Afghanistan enthalten ist, die Richtlinien der österr. Bischöfe zum Katechumenat von Asylwerbern, vom 1.2.2015, die Resolution der Generalsynode der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich betreffend Verfolgung aufgrund von Konversion zum Christentum als Asylgrund vom 7.12.2019, die Taufvorbereitung für Erwachsene in der Erzdiözese Wien, eine Gegenüberstellung Katholisch? Evangelisch? von Karl Veitschegger, 1999/2000 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, dem vorliegenden Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2.1. Die oben genannten Feststellungen zu Person und Herkunft des Beschwerdeführers resultieren aus seinen dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten und seinen diesbezüglich einheitlichen und glaubwürdigen Angaben und Sprachkenntnissen.

Die Feststellungen zur Konversion des Beschwerdeführers beruhen zunächst auf dem vorgelegten Taufzertifikat vom 12.5.2019 und dem Kurszertifikat des XXXX sowie aus der unter Punkt I.9. detailliert wiedergegebenen Einvernahme seiner Lehrerin und des Evangelisten als Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die den Beschwerdeführer plausibel und nachvollziehbar vorbehaltlos als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und ihn auch täglich lebenden Menschen bezeichneten.

Diese Ausführungen werden durch den persönlichen Eindruck bestätigt, den die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen konnte (siehe Punkt I.9). Der Beschwerdeführer vermochte darzulegen, dass er sich intensiv mit dem christlichen Glauben beschäftigt und diesen aus innerer Überzeugung im Alltag praktiziert, sich nach wie vor weiterbildet, regelmäßig die Kirche besucht, aktiv an Veranstaltungen teilnimmt und dort auch ehrenamtlich mithilft. Zudem konnte er viele konkrete Wissensfragen zum Christentum beantworten.

Der christliche Glaube ist zu solch einem Bestandteil seiner Identität geworden, dass nicht erwartet werden kann, seine Ausübung im Heimatland zu unterdrücken.

2.2. Die getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen. Diese Berichte verschiedener anerkannter und zum Teil in Afghanistan agierenden Institutionen, ergeben in ihrer Gesamtheit ein nachvollziehbares und schlüssiges Bild über die Lage im Heimatland des Beschwerdeführers. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Die Länderfeststellungen wurden den Parteien vorgehalten und es wurde ihnen nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht. Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Als Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "begründete Furcht vor Verfolgung" (VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthalts zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011 ua).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233, mwH).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Wie in den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung ausgeführt, konvertierte der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum, das er auch aktiv lebt.

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (Hinweis E vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012). (VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117; VwGH 24.9.2014, Ra 2014/19/0084)

Für die Asylgewährung ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. VwGH 24.10.2001, 99/20/0550, und 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.9.2004, 2001/20/0531). In gleichem Sinne hat der VwGH bereits in seinem Erk. vom 31.5.2001, 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Christentum zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse. (VwGH 30.6.2005, 2003/20/0544 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen im Iran); VwGH 11.11.2009 2008/23/0721; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0485, u.v.a.; VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0120 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen in Marokko))

Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass das Praktizieren des neuen christlichen Glaubens in Afghanistan zu einer asylrelevanten Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden religiösen Normen führen würde.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aus Gründen seiner Religion, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage Konversion ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen oder es steht in vielen Punkten die Tatfrage im Vordergrund.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W174.2126255.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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