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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Unzulässigkeit eines Antrags betreffend die Aufhebung der Kundmachung einer Bundesministerin mangels Verordnungsqualität; Kundmachung eines Beschlusses des VwGH betreffend gleichartige Rechtsfragen in einer erheblichen Anzahl von Verfahren bewirkt lediglich erhöhte Publizität und stellt kein taugliches Anfechtungsobjekt darRechtssatz
Zurückweisung eines Antrags des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (LVwG - Gerichtsantrag) gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG auf Aufhebung der "Kundmachung der Bundesministerin für EU und Verfassung über den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes in dem zur dg. Zl Ra 2020/17/0013 anhängigen Verfahren §38a VwGG".
Zuvorderst ist hervorzuheben, dass das die Kundmachung gemäß §38a VwGG veranlassende Verwaltungsorgan keinen Einfluss auf den Inhalt der Kundmachung im Bundesgesetzblatt hat. Die Kundmachung des Beschlusses des VwGH stellt eine besondere Form der Zustellung dar; die vom jeweils gemäß §38a Abs2 VwGG zuständigen Verwaltungsorgan vorzunehmende Kundmachung bewirkt eine erhöhte Publizität des Beschlusses des VwGH, durch welche die in §38a VwGG bestimmten Rechtsfolgen (Sperrwirkungen) ausgelöst werden.
Die Kundmachung gemäß §38a VwGG für sich genommen erzeugt keine unmittelbare normative Wirkung. Die Kundmachung des Massenverfahrensbeschlusses ist nämlich als bloße Verfahrenshandlung zu begreifen, an welche die Rechtsordnung bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Unmittelbare normative Wirkung kommt ausschließlich dem Beschluss des VwGH gemäß §38a Abs1 VwGG zu, der die in §38a VwGG bestimmten Rechtsfolgen auslöst - darunter auch die Kundmachungspflicht der Verwaltungsorgane. Dementsprechend erschöpft sich die Tätigkeit der Verwaltungsorgane in einer Publikmachung des Beschlusses des VwGH, ohne auf diesen Rechtsakt irgendeinen Einfluss nehmen zu können.
In der österreichischen Rechtsordnung unterliegen Entscheidungen eines Höchstgerichtes nicht der Überprüfung eines anderen Höchstgerichtes. In diesem Zusammenhang ist durch ein derartiges System das rechtsstaatliche Prinzip nicht berührt.
Sollte eine Kundmachung nicht entsprechend den Vorgaben des §38a Abs2 VwGG - beispielsweise von einem unzuständigen Verwaltungsorgan - erfolgt sein, können die Sperrwirkungen gemäß §38a VwGG nicht einsetzen. Dieser Umstand ist von jedem Verwaltungsgericht (von Amts wegen) aufzugreifen; das Verfahren, das aus diesem Grund nicht von einer Sperrwirkung erfasst wird, ist vom Verwaltungsgericht fortzuführen. Es bleibt auch den Parteien des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten unbenommen, in diesen Fällen ein entsprechendes Vorbringen - auch in einem Rechtsmittel - zu erstatten. Ein Spannungsverhältnis zum rechtsstaatlichen Prinzip liegt somit offenkundig nicht vor.
In jenen Fällen, in denen eine fehlerfreie Kundmachung iSd §38a Abs2 VwGG vorliegt, wird in den von den Sperrwirkungen betroffenen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das Recht der Verfahrensparteien auf Entscheidungen der anhängigen Rechtssache innerhalb angemessener Frist gemäß Art6 Abs1 EMRK bzw Art47 Abs2 GRC berührt. Diese Folge geht aber nicht von der in Rede stehenden Kundmachung selbst, sondern von §38a Abs3 VwGG aus.
Der VfGH wendet sich mit der vorliegenden Entscheidung auch nicht gegen seine bisherige Rechtsprechung. Kundmachungen betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Gesetzesblatt sind als Verordnung iSd Art139 Abs1 B-VG zu qualifizieren sind. Im vorliegenden Fall steht aber keine "Kundmachung" im Sinne dieser Rechtsprechung in Rede; vielmehr handelt es sich um eine Kundmachung im eigentlichen Sinn, also eine reine Publikationsform.
Der VfGH vermag auch nicht zu erkennen, dass §38a VwGG ein verpöntes Zusammenwirken von Gerichten und Verwaltungsorganen vorsieht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Verordnung, Kundmachung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verwaltungsgerichtshof, VerordnungsbegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:V505.2020Zuletzt aktualisiert am
22.04.2021