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40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze außer Finanz- und DienstrechtsverfahrenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter betreffend die Untersagung einer Versammlung; Unzulässigkeit der meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über eine elektronisch zugestellte - mangels Amtssignatur nicht als Bescheid zu wertende - Erledigung der Landespolizeidirektion WienRechtssatz
Nach §18 Abs4 AVG ist zwischen Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke einerseits und "sonstigen Ausfertigungen" iSd §18 Abs4 dritter Satz AVG andererseits zu unterscheiden. Gemäß §18 Abs4 zweiter Satz AVG müssen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Solche Ausfertigungen brauchen daher keine über die Amtssignatur iSd §19 E-GovG hinausgehenden Daten aufzuweisen; eine Fertigungsklausel und insbesondere den Namen des Genehmigenden brauchen solche Ausfertigungen nicht aufzuweisen. Ist die im Verwaltungsakt der belangten Behörde aufliegende Urschrift der Erledigung nicht mit einer Amtssignatur versehen und enthält die an die Partei übermittelte Ausfertigung dieser Erledigung demgemäß weder einen Hinweis darauf, dass das elektronische Original des Dokuments amtssigniert worden ist, noch eine Bildmarke, so handelt es sich bei der Ausfertigung somit um eine "sonstige Ausfertigung" iSd §18 Abs4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen ist. Darunter kann nur eine originale und nicht eine bloß im Faxwege kopierte Unterschrift verstanden werden. Weist die der Partei zugegangene Ausfertigung der Erledigung der belangten Behörde jedoch weder eine Unterschrift noch eine Kanzleibeglaubigung auf, so wurde eine dem §18 Abs4 AVG entsprechende Ausfertigung der angefochtenen Erledigung nicht zugestellt und ist der von der belangten Behörde intendierte Bescheid als noch nicht erlassen anzusehen.
Auf der letzten Seite der im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden, als "Bescheid" bezeichneten Erledigung vom 11.03.2019 findet sich der Wortlaut "Der Referatsleiter: gez.: i.V. Mag. [NAME], HR", eine diesem Wortlaut beigefügte eigenhändige Unterschrift sowie ein Stempel mit dem Amtssiegel der Landespolizeidirektion Wien. Die Erledigung wurde nicht amtssigniert. Aus einem ebenfalls im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Ausdruck eines E-Mails der Versammlungsbehörde vom 11.03.2019, der auf der ersten Seite der Erledigung verfügten Zustellung "per E-Mail" sowie den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich zweifelsfrei, dass diese Erledigung vom 11.03.2019 in eingescannter Form (als PDF-Datei) ausschließlich per E-Mail - und sohin als elektronisches Dokument - an die Kontaktperson des Beschwerdeführers übermittelt wurde. Da die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung vom 11.03.2019 nicht amtssigniert und trotzdem ausschließlich in eingescannter Form als elektronisches Dokument per E-Mail übermittelt wurde, erfüllt sie keine der gemäß §58 Abs3 iVm §18 Abs4 AVG vorgesehenen Formen der Ausfertigung. Die von der Versammlungsbehörde als "Bescheid" bezeichnete Erledigung wurde daher nicht in der entsprechend den gesetzlichen Regelungen zwingend vorgesehenen Form wirksam als Bescheid erlassen. Diese Erledigung gereichte dem Beschwerdeführer auch zum Nachteil, da er in der Annahme, es sei ein rechtswirksamer Bescheid erlassen worden, von der Abhaltung einer Versammlung Abstand nahm.
Das Verwaltungsgericht Wien (VGW - LVwG) war - da es sich bei der Erledigung der Versammlungsbehörde aber um keinen wirksam erlassenen Bescheid handelt - zur meritorischen Entscheidung über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen diese Erledigung nicht befugt. Es hätte vielmehr die Beschwerde als unzulässig zurückweisen müssen. Das VGW hat hingegen die Untersagung der Versammlung bestätigt, womit im Ergebnis in den Kernbereich des Versammlungsrechtes eingegriffen wurde. Bei dieser Konstellation ist daher vom VfGH die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter festzustellen.
Schlagworte
Bescheidbegriff, elektronischer Rechtsverkehr, Bescheid Unterschrift, Zustellung, Versammlungsrecht, emailEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E332.2020Zuletzt aktualisiert am
06.04.2022