TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/16 Ra 2020/03/0081

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Veröffentlicht am 16.11.2020
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Index

L37351 Jagdabgabe Burgenland
L65001 Jagd Wild Burgenland
22/02 Zivilprozessordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
JagdG Bgld 2017 §105 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §17
ZPO §393

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/03/0082 E 16.11.2020
Ra 2020/03/0083 E 16.11.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Güssing gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 17. Dezember 2019, Zl. E 025/01/2018.001/048, betreffend Wildschäden (mitbeteiligte Parteien: 1. Jagdgesellschaft G, vertreten durch Dr. Manfred Klepeisz, Rechtsanwalt in 7540 Güssing, Hauptstraße 7, und 2. A W in I, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit im dritten Rechtsgang ergangenem Bescheid der Bezirksschiedskommission Güssing vom 20. März 2018 wurde die erstmitbeteiligte Partei verpflichtet, dem Zweitmitbeteiligten einen Ersatz für Wildschäden von € 465,-- zu leisten.

2        Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Zweitmitbeteiligten sprach das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Dezember 2019 wie folgt aus:

„I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Schadenersatzansprüche für Wildschäden auf den Grundstücken [...] bestehen dem Grunde nach zu Recht.

Die Schadenersatzansprüche werden der Höhe nach als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.“

3        Unter der Zwischenüberschrift „Sachverhalt“ führt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zunächst aus, das verwaltungsbehördliche Verfahren sei dadurch gekennzeichnet, dass keine sinnvollen und zielführenden Maßnahmen gesetzt worden seien, um das Ausmaß des behaupteten Schadens und seine Verursachung durch Wild festzustellen. In der Folge beschränkt sich das Verwaltungsgericht darauf, „aufgrund der vorgelegten Lichtbilder“ anzunehmen, „dass auf den genannten Grundstücken ein Wildschaden entstanden“ sei; wobei - dem teilweise widersprechend - weiter ausgeführt wird, es könne nicht mehr objektiv festgestellt werden, ob und inwieweit ein Verbissschaden oder ein Trittschaden etwa durch Rotwild verursacht worden sei oder auch ein Frostschaden oder sonstiger Witterungsschaden vorliege. Wie die beiden Sachverständigen R. und K. übereinstimmend ausgesagt hätten, fehlten dafür konkrete Informationen über das Schadensbild, die schädigende Wildart und das Ausmaß der geschädigten Fläche sowie die Zahl der geschädigten Pflanzen. Von wo genau die Fotos der geschädigten Kulturen, die teilweise erst im Beschwerdeverfahren 2019 zu Tage getreten seien, gemacht worden seien, lasse sich nicht mehr objektiv und mit ausreichender Sicherheit feststellen, ebensowenig die sichere Zuordnung zu einem geschädigten Feld, ob das gesamte Feld so ausgesehen habe und welcher Schaden davon auf Wildtiere zurückzuführen sei.

4        Der erwiesene Sachverhalt führe dazu, dass ein Ersatzanspruch nur dem Grunde nach ausgesprochen werde. Mangels objektiver Feststellung bzw. aufgrund der Unmöglichkeit der Feststellung des Wildschadenausmaßes und damit der Schadenshöhe sei ein Zuspruch einer Ersatzzahlung rechtlich unterblieben.

5        Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Rechtslage sei eindeutig.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtete sich zunächst die außerordentliche Revision der Bezirksschiedskommission Güssing, welche mangels deren Revisionslegitimation gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG mit hg. Beschluss vom 12. Mai 2020, Ra 2020/03/0027, zurückgewiesen wurde.

7        Daraufhin erhob die Bezirkshauptmannschaft Güssing gegen das Erkenntnis vom 17. Dezember 2019 die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über einen Antrag betreffend die Bemessung eines Vermögensschadens abgewichen (Hinweis auf VwGH 6.11.2019, Ra 2018/12/0011). Es sei entweder das Bestehen eines Anspruchs auf einen ziffernmäßig bestimmten Vermögensschaden festzustellen oder der zu Grunde liegende Anspruch abzuweisen. Das Verwaltungsgericht habe in der Sache selbst entschieden („Anspruch besteht dem Grunde nach“), jedoch nicht in dem vom Gesetz vorgesehenen Umfang (dh. über die ziffernmäßige Höhe des Wildschadens).

8        Der Zweitmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision nicht Folge zu geben und diese abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulässigkeitsbegründung als zulässig; sie ist auch begründet.

Zur Revisionslegitimation der Bezirkshauptmannschaft

10       Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG kann die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben.

11       Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 12. Mai 2020, Ra 2020/03/0027, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargelegt hat, änderten sich die Zuständigkeitsvorschriften für das Verfahren betreffend den Ersatz von Jagd- und Wildschäden nach dem Burgenländischen Jagdgesetz (Bgld. JagdG) während dem Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht, weshalb ab dem 30. November 2018 die Bezirksverwaltungsbehörde und nicht die Bezirksschiedskommission zuständige Behörde für das Entschädigungsverfahren und damit als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beizuziehen gewesen wäre.

12       Die Bezirkshauptmannschaft hat als belangte Behörde (und damit Partei des Verfahrens gemäß § 18 VwGVG) nunmehr mit der Zustellung des Beschlusses vom 12. Mai 2020 Kenntnis von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erlangt und in der Folge rechtzeitig die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

Zur Entscheidung über die Ersatzansprüche für Wildschäden

13       Zur maßgeblichen Rechtslage und zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des Bgld. JagdG 2017 im gegenständlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf den hg. Beschluss vom 12. Mai 2020, Ra 2020/03/0027, verwiesen.

14       § 105 Bgld. JagdG 2017, LGBl. Nr. 24/2017, lautet auszugsweise:

2. Abschnitt

Schadenersatzpflicht

§ 105

Haftung für Jagd- und Wildschäden

(1) Die oder der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet,

1.   [..]

2.   den innerhalb ihres oder seines Jagdgebietes vom Wild an Grund und Boden und an den noch nicht eingebrachten Erzeugnissen verursachten Schaden (Wildschaden), sofern dieser nicht auf Grundstücken eingetreten ist, auf denen nach den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 und 2 die Jagd ruht, oder sofern dieser nicht von ganzjährig geschonten Wildarten verursacht wurde, nach den Vorschriften dieses Gesetzes

zu ersetzen.

[...]“

15       Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Schadenersatzansprüche des Zweitmitbeteiligten für Wildschäden dem Grunde nach zu Recht bestünden, es wies diese allerdings der Höhe nach ab.

16       Wie die Revision zutreffend vorbringt, besteht für eine gesonderte spruchgemäße Feststellung der Zuerkennung von Ersatzansprüchen für Wildschäden dem Grunde und der Höhe nach keine Grundlage im Bgld. JagdG 2017:

17       Der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Differenzierung der von der erstmitbeteiligten Partei zu leistenden Schadenersatzansprüche dem Grunde und der Höhe nach steht bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 105 Abs. 1 Z 2 Bgld. JagdG 2017 entgegen. Demnach ist der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet, den Wildschaden nach den Vorschriften des Bgld. JagdG 2017 zu ersetzen. Ein Wildschaden begründet demnach bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen jedenfalls die Haftung des Jagdausübungsberechtigten für den Ersatz dieses Schadens, wobei Schwierigkeiten bei der Feststellung des Ausmaßes und der Höhe des eingetretenen Wildschadens nicht zur Ablehnung des Schadenersatzanspruches dem Grunde nach führen dürfen (vgl. zum Niederösterreichischen Jagdgesetz VwGH 10.9.1986, 86/03/0053). Im Entschädigungsverfahren nach dem Bgld. JagdG 2017 ist somit nicht nur zu prüfen, ob ein Wildschaden vorliegt (und demnach der Schadenersatz dem Grunde nach besteht), sondern - im Falle der Bejahung eines Wildschadens - auch die Höhe der Entschädigung zu bemessen.

18       Im Spruch eines Erkenntnisses (bzw. eines Bescheides) im Entschädigungsverfahren nach dem Bgld. JagdG 2017 ist demnach entweder das Bestehen eines Anspruches auf einen ziffernmäßig bestimmten Vermögensschaden festzustellen oder der zu Grunde liegende Antrag abzuweisen (vgl. sinngemäß - dort zu Schadenersatzansprüchen nach dem Salzburger Gleichbehandlungsgesetz - VwGH 6.11.2019, Ra 2018/12/0011). Weder die vom Verwaltungsgericht hier anzuwendenden Verfahrensvorschriften (VwGVG und die nach § 17 VwGVG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des AVG), noch das Bgld. JagdG 2017 sehen die Möglichkeit vor, getrennt nach Grund und Höhe des Anspruchs abzusprechen. Dies käme nicht einmal dann in Betracht, wenn sich das Verwaltungsgericht darauf beschränkt hätte, über den Anspruch zunächst bloß dem Grunde nach abzusprechen, wie dies im Zivilverfahren nach § 393 ZPO möglich wäre.

19       Indem das Verwaltungsgericht daher die Ansprüche auf den Ersatz von Wildschäden dem Grunde nach bejahte, die Höhe der Entschädigung aber nicht festsetzte, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

20       Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Ersatzanspruch für Wildschäden nur dann in Betracht kommt, wenn der Schaden tatsächlich „vom Wild“ verursacht wurde, was im Ermittlungsverfahren von der Behörde bzw. im Beschwerdeverfahren (gegebenenfalls ergänzend) vom Verwaltungsgericht festzustellen wäre. Die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis - von einer Feststellung des Sachverhalts und einer Beweiswürdigung, die den gesetzlichen Anforderungen genügen würde (vgl. dazu u.v.a. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0086), kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein - sind dazu widersprüchlich, da einerseits „angenommen“ wird, dass ein Wildschaden entstanden sei, andererseits aber auch die Möglichkeit angesprochen wird, dass auch ein Frostschaden oder sonstiger Witterungsschaden vorliegen könne.

Wien, am 16. November 2020

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030081.L00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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