TE Vwgh Beschluss 2020/11/17 Ro 2020/07/0011

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Veröffentlicht am 17.11.2020
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Index

L87907 Straßenverkehr Geschwindigkeitsbeschränkung Nachtfahrverbot Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

ABGB §6
B-VG Art133 Abs4
Sektorales Fahrverbot A12 2016 §3 Abs1 litb
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des R P in S, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 5. August 2020, Zl. LVwG-2019/15/2322-11, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. August 2020 legte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber im Beschwerdeverfahren zur Last, er habe am 22. November 2018 als Lenker eines bestimmten Fahrzeugs mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t an einem bestimmten Ort die A 12 - Inntalautobahn befahren und dabei einen Granitblock transportiert, obwohl dieser unter die gemäß „§ 3 Abs. 1 lit. a bis lit. h“ der Verordnung des Landeshauptmannes für Tirol vom 18. Mai 2016, LGBl. Nr. 44/2016 (sektorales Fahrverbot für bestimmte Güter), in dem näher bezeichneten Abschnitt der Inntalautobahn bei einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t des Fahrzeuges verbotenen Güter falle und die Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmungen des § 4 der genannten Verordnung gefallen sei.

2        Damit habe der Revisionswerber § 3 Abs. 1 der Verordnung des Landeshauptmannes für Tirol vom 18. Mai 2016, LGBl. Nr. 44/2016 (im Folgenden: Verordnung LGBl. Nr. 44/2016), verletzt, weshalb das Verwaltungsgericht über ihn - in Herabsetzung der von der belangten Behörde verhängten Strafen - gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 Immissionsschutzgesetz-Luft - IG-L eine Geldstrafe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden) verhängte, wobei es die Revision gegen diese Entscheidung zuließ.

3        Dem legte das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - zugrunde, der Granitblock sei am Bestimmungsort in Deutschland zur Produktion eines Brunnentroges vorgesehen und in seinen Außenabmessungen bereits dafür (und zur besseren Transportierbarkeit) zugeschnitten gewesen; er hätte nach Ankunft im Bestimmungsort lediglich noch ausgehöhlt werden müssen.

4        In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Granitblock „rein bei einer sprachlichen Abgrenzung zweifelsohne“ um einen „Stein“ (iSd § 3 Abs. 1 lit. b erster Fall der Verordnung LGBl. Nr. 44/2016) handle; nach den „erläuternden Bemerkungen“ zu dieser Verordnung sei allerdings der „Transport von Halbfertig- und Fertigprodukten aus Steinen“ nicht vom Transportverbot erfasst. Im Weiteren führte das Verwaltungsgericht (näher begründet) aus, der gegenständliche Granitblock sei kein „Halbfertigprodukt im Sinne der Erläuterungen zur Sektorales Fahrverbot-Verordnung“, weshalb er unter die von der Verordnung LGBl. Nr. 44/2016 erfasste Produktgruppe „Steine, Erden, Aushub“ zu subsumieren sei.

5        Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass nach der Rechtsprechung nicht geklärt sei, ab wann von dem in den Erläuterungen angesprochenen „Halbfertigprodukt“ auszugehen sei.

6        1.2. Ergänzend dazu bringt die vorliegende ordentliche Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es existiere keine Rechtsprechung zu dem maßgeblichen Tatbestandsmerkmal „Steine“ (iSd § 3 Abs. 1 lit. b erster Fall der Verordnung LGBl. Nr. 44/2016), insbesondere dazu, ob darunter auch Granitblöcke wie der gegenständliche fielen.

7        2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       3.1. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 15.3.2016, Ro 2015/01/0014 = VwSlg. 19.324 A, mwN).

11       3.2. Von der vom Verwaltungsgericht formulierten, auf die Auslegung des Begriffes „Halbfertigprodukt“ gerichteten Rechtsfrage hängt das Schicksal der vorliegenden Revision allerdings nicht ab:

12       § 3 Abs. 1 der gemäß §§ 10 und 16 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 IG-L erlassenen Verordnung des Landeshauptmannes vom 18. Mai 2016, mit der auf einem Abschnitt der A 12 Inntal Autobahn der Transport bestimmter Güter im Fernverkehr verboten wird (Sektorales Fahrverbot-Verordnung), LGBl. Nr. 44/2016 in der zum Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 115/2016, lautet auszugsweise wie folgt:

§ 3

Fahrverbot

(1) Das Befahren der A 12 Inntal Autobahn auf beiden Richtungsfahrbahnen von Straßenkilometer 6,35 im Gemeindegebiet von Langkampfen bis Straßenkilometer 72,00 im Gemeindegebiet von Ampass mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhänger, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, ist ab dem 1. November 2016 verboten, sofern mit den Fahrzeugen folgende Güter transportiert werden:

a)   [...]

b)   Steine, [...]“

13       Eine Legaldefinition des Begriffes „Steine“ enthält die Verordnung ebensowenig wie eine darauf Bezug nehmende Ausnahmebestimmung. Lediglich in den „Erläuterungen“ zu der Verordnung finden sich die Ausführungen, dass es sich bei den „Steinen“ um „unbehandeltes Material“ handle und „Halbfertig- und Fertigprodukte“ aus Stein nicht darunter fielen.

14       Ausgangspunkt der Auslegung des Begriffes „Steine“ iSd § 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 44/2016 ist - mangels Vorliegen einer Legaldefinition - die Ermittlung der im Sprachgebrauch üblichen Bedeutung (vgl. etwa VwGH 18.2.2002, 2001/10/0202, mwN); nach allgemein zugänglichen Nachschlagewerken ist unter einem „Stein“ ein kompaktes Objekt aus Mineral oder Gestein bzw. eine feste mineralische Masse (vgl. etwa duden.de) zu verstehen.

15       Völlig zu Recht ist daher das Verwaltungsgericht (zunächst) davon ausgegangen, dass es sich bei dem gegenständlichen Granitblock „zweifelsohne“ um einen „Stein“ handelt.

16       Lässt jedoch - wie hier - der eindeutige und klare Wortlaut einer Norm Zweifel über deren Inhalt nicht aufkommen, so ist eine Untersuchung, ob nicht die (etwa an Gesetzesmaterialen orientierte) historische oder teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich (vgl. etwa VfSlg. 4442/1963 oder VwGH 17.12.2015, 2013/05/0101), findet doch jede Auslegungsmethode ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut der Norm (vgl. etwa VwGH 29.9.2011, 2009/16/0261 bis 0265, mwN).

17       Die hier vorgefundene, auf eine (erhebliche) Einschränkung des Begriffsinhaltes von „Steinen“ abzielende Erläuterung (s. oben Rz 13) hat im Wortlaut der anzuwendenden Norm (§ 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 44/2016) keine Deckung und kann daher bei deren Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa VwGH 25.2.2004, 2003/04/0148, oder 28.11.2006, 2006/06/0068 = VwSlg. 17.069 A).

18       Auf die Auslegung des (lediglich in den Erläuterungen verwendeten) Begriffes „Halbfertigprodukt“ kommt es daher für die Lösung des vorliegenden Revisionsfalles nicht an.

19       4. Nach gefestigter hg. Rechtsprechung hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, mwN).

20       In diesem Sinn thematisiert der Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsausführungen die Auslegung des Begriffes „Steine“ (vgl. oben Rz 6).

21       Das Verständnis dieses Wortes erscheint allerdings als klar und eindeutig (vgl. oben Rz 14 und 15); ein Bedarf an Klärung durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht nicht (vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ro 2018/07/0048, zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutiger Rechtslage etwa auch VwGH 27.3.2018, Ra 2017/06/0232, 0233, mwN).

22       5. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. November 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020070011.J00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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