TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/17 Ra 2018/07/0487

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Veröffentlicht am 17.11.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AVG §68 Abs1
AVG §68 Abs2
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art102
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §47 Abs5
VwGG §59
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1959

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der N Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10. Oktober 2018, Zl. LVwG-AV-566/001-2018, betreffend Zurückweisung eines Ausscheidungsantrages nach dem WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt S; mitbeteiligte Partei: S Wasserwerksgenossenschaft in H, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der Revisionswerberin auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin war Inhaberin einer aus dem Jahr 1931 stammenden unbefristeten wasserrechtlichen Bewilligung für den Betrieb eines Kleinwasserkraftwerks und aus diesem Grund Mitglied der mitbeteiligten Wassergenossenschaft.

2        Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 suchte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde um die wasserrechtliche Genehmigung der Stilllegung dieses Kleinwasserkraftwerkes sowie geringfügiger baulicher Änderungen laut beiliegenden Einreichunterlagen an. Diese Einreichunterlagen umfassen auch einen Technischen Bericht, der unter anderem eine Beschreibung der geplanten letztmaligen Vorkehrungen sowie (unter Punkt 8.) „Vorkehrungen für den weiteren Betrieb des gegenständlichen Werkskanalabschnittes und der verbleibenden Ausrüstungen“ enthält. Im Zuge des damaligen Verfahrens führte der wasserbautechnische Amtssachverständige unter anderem aus, dass die bisherige Wasserberechtigte (also die nunmehrige Revisionswerberin) auch weiterhin Mitglied der (nunmehr mitbeteiligten) Wassergenossenschaft bleibe und sich verpflichte, den bisherigen räumlichen Zuständigkeitsbereich zu erhalten, sodass aus wasserbautechnischer Sicht keine letztmaligen Vorkehrungen erforderlich schienen.

3        Mit Bescheid vom 8. August 2005 erklärte die belangte Behörde unter Spruchabschnitt I. die mit Bescheid vom 16. Jänner 1931 unbefristet erteilte wasserrechtliche Bewilligung (aufgrund Verzichtes) für erloschen. Spruchabschnitt II. dieses Bescheides lautete: „Gem. § 29 Abs. 1 WRG 1991 wird festgestellt, dass nach Maßgabe der mit Hinweis auf diesen Bescheid versehenen Einreichunterlagen und der unter I. angeführten Kosten letztmalige Vorkehrungen nicht erforderlich sind. Die (Revisionswerberin) verpflichtet sich, 30 Jahre Mitglied bei der (mitbeteiligten Wassergenossenschaft) zu bleiben.“

4        Gegen diesen Bescheid, und zwar „gegen Pkt. II. 2. Absatz“, erhob die Revisionswerberin Berufung. Sie machte geltend, sie habe sich nicht verpflichtet, 30 Jahre Mitglied bei der Genossenschaft zu bleiben und ersuche daher, den entsprechenden Passus ersatzlos zu streichen.

5        Der Landeshauptmann von Niederösterreich als Berufungsbehörde gab dieser Berufung mit Bescheid vom 31. Oktober 2005 Folge und behob im Spruchabschnitt II. des erstinstanzlichen Bescheides den Satz „Die (Revisionswerberin) verpflichtet sich, 30 Jahre Mitglied bei der (mitbeteiligten Wassergenossenschaft) zu bleiben“, ersatzlos.

6        Mit Erkenntnis vom 27. April 2006, 2005/07/0177, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Berufungsbescheid vom 31. Oktober 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Darin führte er aus, dass Spruchabschnitt II. des erstinstanzlichen Bescheides zwar so gestaltet sei, dass nicht ohne weiteres erkennbar sei, was damit gemeint sei. Unter Zuhilfenahme der Begründung lasse sich sein Inhalt aber doch ermitteln. Demnach verpflichtete die Erstbehörde die Revisionswerberin, im Rahmen einer weiteren Mitgliedschaft bei der mitbeteiligten Wassergenossenschaft die im Punkt 8 des Einreichoperates vorgesehene weitere Erhaltung der Gewässerstrecke zu übernehmen.

7        Es gebe jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, die (nunmehrige) Revisionswerberin dazu zu verpflichten, Mitglied der Wassergenossenschaft zu bleiben, insofern sei die Aufhebung dieses Ausspruches zu Recht erfolgt. Auch habe sich die Revisionswerberin weder in ihren Einreichunterlagen noch in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, weiterhin Mitglied der Wassergenossenschaft zu bleiben.

8        Die teilweise Aufhebung des Spruchabschnittes II. bewirke aber, dass der Inhalt des verbleibenden Teiles völlig unklar werde. Aus ihm könne nicht mehr abgeleitet werden, dass die Revisionswerberin zur weiteren Erhaltung der Gewässerstrecke verpflichtet sei, wie dies in ihren Einreichunterlagen (noch) vorgesehen gewesen sei. Es könne ohne entsprechende gegenteilige Feststellungen nicht widerlegt werden, dass bei fehlender Verpflichtung der Revisionswerberin zur weiteren Erhaltung des Werkskanales (im Rahmen der Genossenschaft) letztmalige Vorkehrungen vorgeschrieben hätten werden müssen. Mit der Frage, ob mit dem durch den angefochtenen Berufungsbescheid bewirkten Entfall der Verpflichtung der Revisionswerberin zur weiteren Erhaltung des Werkskanales nachteilige Auswirkungen für wasserrechtlich geschützte Rechte der (dortigen) Zweitbeschwerdeführerin verbunden seien, habe sich die Berufungsbehörde nicht auseinandergesetzt und diesen dadurch mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

9        Im fortgesetzten Verfahren zog die Revisionswerberin ihre Berufung noch vor Erlassung eines Ersatzbescheides durch die Berufungsbehörde zurück. Der (erstinstanzliche) Bescheid vom 8. August 2005 erwuchs damit am 1. Juni 2007 in Rechtskraft.

10       Später beantragte die Revisionswerberin die Erteilung einer neuen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Wasserkraftwerkes, welche ihr mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 2013 erteilt wurde. Weil die Revisionswerberin vor Realisierung dieses Projektes auf die Bewilligung wieder verzichtete, stellte die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. Juli 2016 das Erlöschen dieses Wasserbenutzungsrechtes unter Entfall der Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen fest.

11       Die Revisionswerberin teilte der mitbeteiligten Wassergenossenschaft außerdem mit Schreiben vom 3. Juni 2016 ihren Austritt mit. Nachdem ein Einvernehmen darüber nicht hergestellt werden konnte, stellte sie mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 bei der belangten Behörde einen „Antrag auf Austritt bzw. Ausscheiden als Genossenschaftsmitglied“ aus der mitbeteiligten Wassergenossenschaft. Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. März 2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

12       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

13       Begründend führte es auf Grundlage des oben wiedergegebenen Verfahrensablaufes aus, dass - auch wenn sich die Revisionswerberin weder in den Einreichunterlagen noch in der damaligen mündlichen Verhandlung zur Mitgliedschaft bei der Wassergenossenschaft verpflichtet habe - mit dem Bescheid vom 8. August 2005 doch eine rechtskräftige Entscheidung der belangten Behörde „über die Frage der Mitgliedschaft“ vorliege. Die Frage der Mitgliedschaft sei aber auch Gegenstand des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages vom 6. Oktober 2017 gewesen.

14       Eine „entschiedene Sache“ liege dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid (hier dem Bescheid vom 8. August 2005) weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe. An der Situation, wonach letztmalige Vorkehrungen nur dann nicht vorzuschreiben seien, wenn die Revisionswerberin die Erhaltung im Sinne des Punktes 8. ihres Einreichoperates auf die Dauer von 30 Jahren als Mitglied der Wassergenossenschaft übernehme, habe sich jedoch nichts geändert. Die letztmaligen Vorkehrungen seien erst mit Ablauf der 30 Jahre als erfüllt anzusehen. Dafür, dass anstelle dieser Maßnahme eine andere gleichwertige getreten wäre, gebe es in den Akten keine Hinweise. Eine Änderung der Rechtslage sei ebenfalls nicht eingetreten. Damit sei im angefochtenen Bescheid der verfahrensgegenständliche Antrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden.

15       Zum Vorbringen, das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes im Jahr 2016 betreffend das zweite Wasserbenutzungsrecht sei erneut Voraussetzung für ein Ausscheiden aus der Genossenschaft, hielt das Verwaltungsgericht fest, dass dem der Abspruch in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 8. August 2005 (betreffend die Mitgliedschaft für 30 Jahre) entgegenstehe. Auch aus der Satzung der Wassergenossenschaft lasse sich nichts anderes ableiten.

16       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur ihrer Zulässigkeit wird darin unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei in unrichtiger Weise vom Vorliegen der für die Annahme einer entschiedenen Sache erforderlichen Identität von Sachbegehren und Rechtsgrund ausgegangen.

17       Die mitbeteiligte Wassergenossenschaft und die belangte Behörde erstatteten jeweils Revisionsbeantwortungen, in denen sie dem Revisionsvorbringen entgegen traten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer entschiedenen Sache abgewichen ist. Sie ist daher auch begründet.

19       Die einschlägigen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) lauten wörtlich:

ZWEITER ABSCHNITT.
Von der Benutzung der Gewässer

(...)

Vorkehrungen bei Erlöschen von Wasserbenutzungsrechten.

§ 29. (1) Den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.

(...)

NEUNTER ABSCHNITT

Von den Wassergenossenschaften

(...)

Ausscheiden.

§ 82.(1) Einzelne Liegenschaften oder Anlagen können im Einvernehmen zwischen ihren Eigentümern (Berechtigten) und der Genossenschaft wieder ausgeschieden werden. Bei Zwangsgenossenschaften ist die vorherige Zustimmung der Behörde erforderlich.

(2) Die Genossenschaft ist verpflichtet, einzelne Liegenschaften oder Anlagen auf Verlangen ihres Eigentümers (Berechtigten) auszuscheiden, wenn ihm nach Ablauf einer zur Erreichung des erhofften Erfolges genügenden Zeit aus der Teilnahme am genossenschaftlichen Unternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen ist und der Genossenschaft durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entsteht.

(...)

Aufsicht; Maßnahmen gegen säumige Genossenschaften.

§ 85. (1) Die Aufsicht über die Wassergenossenschaften obliegt der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den wasserrechtlichen Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i beigelegt werden. (...)“

20       § 68 Abs. 1 AVG lautet wörtlich:

Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“

21       Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (VwGH 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043, jeweils mwN).

22       In diesem Sinne handelt es sich bei der verwaltungsrechtlichen Angelegenheit, die mit dem Bescheid vom 8. August 2005 (insbesondere dessen Spruchteil II.) erledigt wurde, und jene betreffend den Antrag der Revisionswerberin vom 6. Oktober 2017 um unterschiedliche Verfahrensgegenstände. Die erste betraf die Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen im Sinne des § 29 Abs. 1 WRG 1959, wobei die Behörde die Revisionswerberin verpflichtete, im Rahmen einer über weitere 30 Jahre aufrecht zu erhaltenden Mitgliedschaft bei der mitbeteiligten Wassergenossenschaft die von der Revisionswerberin ursprünglich vorgeschlagenen Maßnahmen zur weiteren Erhaltung der Gewässerstrecke zu übernehmen. Bei der zweiten Angelegenheit handelt es sich hingegen um eine Entscheidung darüber, ob die mitbeteiligte Wassergenossenschaft nach § 82 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet ist, die Revisionswerberin auf ihr Ansuchen hin auszuscheiden, ob also die Mitgliedschaft in der Wassergenossenschaft zu beenden ist. Einen Antrag auf eine derartige Entscheidung hatte die Revisionswerberin bislang nicht gestellt, eine solche Entscheidung wurde auch noch nicht getroffen. Eine „entschiedene Sache“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt damit nicht vor.

23       Das Verwaltungsgericht hat sein Erkenntnis durch die Bestätigung der von der belangten Behörde auf § 68 Abs. 1 AVG gestützten Zurückweisung des Ausscheidungsantrags mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, die zur Aufhebung des Erkenntnisses führt.

24       Für das weitere Vorgehen wird zunächst zu beachten sein, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags ist, dem Verwaltungsgericht also in diesem Verfahrensstadium eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag der Revisionswerberin verwehrt ist (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003).

25       Die belangte Behörde wird dann im fortgesetzten Verfahren (nach der Behebung ihres zurückweisenden Bescheides) jedoch den Antrag im Hinblick auf die Regelungen in der Satzung der mitbeteiligten Wassergenossenschaft über die Beendigung der Mitgliedschaft sowie die materiellen Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 WRG 1959 zu prüfen haben.

26       Dabei wird sie auch die Bindungswirkung ihres - rechtskräftigen - Bescheides vom 8. August 2005 zu beachten haben. Damit wurde - wie bereits ausgeführt - die Revisionswerberin der Sache nach verpflichtet, im Rahmen einer über weitere 30 Jahre aufrecht zu erhaltenden Mitgliedschaft bei der mitbeteiligten Wassergenossenschaft bestimmte Maßnahmen zur weiteren Erhaltung der Gewässerstrecke zu übernehmen. Der rechtskräftige erstinstanzliche Bescheid beruht darauf, dass lediglich unter dieser Voraussetzung die behördliche Vorschreibung (anderer) letztmaliger Vorkehrungen entfallen konnte (vgl. eingehend VwGH 27.4.2006, 2005/07/0177).

27       Unter diesem Blickwinkel werden die Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 WRG 1959 - wie etwa die Frage des wesentlichen Vorteils der Revisionswerberin aus der Mitgliedschaft und des überwiegenden Nachteils der Genossenschaft durch das Ausscheiden - zu betrachten sein. Soweit die Satzung der Genossenschaft für das Ausscheiden einzelner Mitglieder wegen Auflösung des Betriebes eine Einigung bzw. Entscheidung über die Beseitigung bestehender Anlagen bzw. Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung des bisherigen Wasserlaufes voraussetzt, ist dies jedenfalls auch auf das erloschene Wasserbenutzungsrecht aus 1931 zu beziehen, welches in der vorliegenden Konstellation weiterhin Grundlage für die Mitgliedschaft der Mitbeteiligten ist.

28       Der im genannten Bescheid vom 8. August 2005 enthaltene Ausspruch hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Wassergenossenschaft mag - wie die Revisionswerberin auch wiederholt betont - rechtswidrig gewesen sein, nichtsdestotrotz ist er in Rechtskraft erwachsen und daher auch weiterhin beachtlich. Der Revisionswerberin - die im Übrigen diese Rechtskraft in Kenntnis der genannten Rechtswidrigkeit durch die Zurückziehung ihrer Berufung selbst herbeigeführt hat - ist es daher auch verwehrt, sich jetzt noch auf die Rechtswidrigkeit dieser Verfügung zu berufen.

29       Soweit die Revisionswerberin dazu noch vorbringt, der Ausspruch im Bescheid vom 8. August 2005 über ihre weitere Mitgliedschaft könne (oder müsse) nach § 68 Abs. 2 AVG amtswegig aufgehoben werden, weil daraus niemandem ein Recht erwachsen sei, ist sie zunächst darauf zu verweisen, dass nach § 68 Abs. 5 AVG auf die Ausübung dieses Behebungsrechtes der Behörde niemandem ein Anspruch zusteht. Im Übrigen ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2006, 2005/07/0177, dass Spruchteil II. des betreffenden Bescheides insgesamt nach seinem erkennbaren Zweck zumindest auch die Verletzung der wasserrechtlich geschützten Rechte einer Oberliegerin des aufgelassenen Kraftwerkes (der im dortigen Verfahren zweitbeschwerdeführenden Partei) hintanhalten sollte. Auch wenn diese ein Recht auf die getroffene Verfügung nicht aus dem Gesetz ableiten konnte (sie nach den Worten des Erkenntnisses also „kein Recht darauf“ hatte), so ist ihr doch durch den rechtskräftigen Bescheid ein solches Recht erwachsen. Die Rechtswidrigkeit der bescheidmäßigen Einräumung eines Rechtes ist für eine Behebung nach § 68 Abs. 2 AVG gerade nicht ausreichend, das eingeräumte Recht steht ihr vielmehr entgegen.

30       Im Ergebnis war angefochtene Erkenntnis aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

31       Der Kostenantrag der Revisionswerberin ist darauf gerichtet, dass ihr das Land Niederösterreich „als Rechtsträger der belangten Behörde“ die durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen habe. Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG ist der einem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG wäre daher der Bund. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf die Inanspruchnahme des Landes Niederösterreich gerichtete Antrag der Revisionswerberin abzuweisen (vgl. VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055, mwN).

Wien, am 17. November 2020

Schlagworte

Allgemein Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018070487.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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