TE OGH 2020/10/22 6Ob78/20v

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*****, 2. Mag. A*****, beide *****, vertreten durch Mag. Gabriel Wutti, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 120.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2020, GZ 12 R 41/19s-35, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Februar 2019, GZ 15 Cg 78/17a-29, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird hinsichtlich des Feststellungsbegehrens nicht Folge gegeben.

Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens wird der außerordentlichen Revision Folge gegeben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die F***** GmbH (in der Folge: F*****) erwarb mit Kaufvertrag vom 31. 10. 2013 von der A***** GmbH 339/800 Anteile an der Liegenschaft EZ *****, GB *****, Bezirksgericht *****, mit der Anschrift M*****, samt darauf befindlichem Mehrparteienwohnhaus zum Zweck der Errichtung von zwei Wohnungen (Top 18 und Top 19) im Dachboden des Hauses. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaftsanteile durch die F***** lag bereits eine rechtskräftige Baubewilligung zur Errichtung der beiden Wohnungen vor.

Mit Kaufvertrag vom 3. 10. 2014 erwarben die beiden Kläger gemeinsam von der F***** 169/800stel Anteile an der Liegenschaft mit dem Ziel, Wohnungseigentum an der Wohnung Top 19 zu begründen. Am 22. 10. 2014 erwarben die beiden in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. 6. 2020 (AZ 6 Ob 171/19v) zugrunde liegenden Verfahren klagenden Parteien (in der Folge: Nachbarn) ebenfalls gemeinsam und mit – mit Ausnahme der persönlichen Daten und des Kaufpreises sowie der Staatsbürgerschaftsklausel – wortidentem Kaufvertrag von der F***** 170/800stel Anteile an der Liegenschaft, wobei sie davon ausgingen, eine konkrete Wohnung, nämlich die Nachbarwohnung der Kläger Top 18, zu kaufen.

Der beklagte Rechtsanwalt fungierte in beiden Fällen als Vertragserrichter und mit der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags beauftragter Treuhänder, wobei nicht mehr strittig ist, dass auf die abgeschlossenen Verträge das Bauträgervertragsgesetz (BTVG) anzuwenden ist. Die Verträge enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

I. Rechtsverhältnisse

[Die F*****], im Folgenden kurz Verkäuferin genannt, ist zu B-LNR […] Eigentümerin von 339/800 Anteilen an der Liegenschaft EZ […] Katastralgemeinde […], Wohnungseigentum in Vorbereitung, mit dem GST-NR [...]. Sie hat aufgrund der rechtskräftigen Baubewilligung vom 18. 9. 2013, Zl […] durch Ausbau des in ihrem Eigentum stehenden Dachgeschoßes zwei Wohnungen geschaffen. Die Begründung von Wohnungseigentum ob der genannten Liegenschaft ist in Vorbereitung. Die im Dachgeschoß geschaffenen Wohnungen werden die Bezeichnung top 18 und top 19 erhalten.

Gegenstand dieses Kaufvertrags sind [...]/800 Anteile aus dem Anteil der Verkäuferin zu B-LNR […]. [Die Kläger/Nachbarn] erwerben diese Anteile je zur Hälfte zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum an der Wohnung top [18 Nachbarn/top 19 Kläger], Wohnung/ Maisonette samt Terrasse.

Gemäß dem Gutachten des […] vom 10. 7. 2012 zur Begründung von Wohnungseigentum ob der vorgenannten Liegenschaft werden die in Wohnungseigentum mit der Wohnung top [18 bzw 19] untrennbar verbundenen Anteile 110/662 Anteile betragen.

[…]

Die Kosten der Wohnungseigentumsbegründung und aller für deren grundbücherliche Durchführung erforderlichen Unterlagen gehen nicht zu Lasten der Käufer.

Die Käufer verpflichten sich, in der gebotenen Form sämtliche Erklärungen abzugeben und Unterschriften zu leisten, die für die Begründung von Wohnungseigentum ob der Liegenschaft […] erforderlich sind.

[…]

II. Kaufvereinbarung und Kaufpreis

Die Verkäuferin verkauft und übergibt [den Klägern/Nachbarn], im folgenden auch kurz Käufer genannt, die vorgenannten kaufgegenständlichen [...]/800 Anteile aus den der Verkäuferin zu B-LNR […] gehörenden 339/800 Anteilen der Liegenschaft EZ […] Katastralgemeinde […] Wohnungseigentum in Vorbereitung, mit dem GST-NR […] samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör, […] wie sie die Verkäuferin besessen und benützt hat und zu besitzen und benützen berechtigt war.

Sowohl die Kläger als auch die Nachbarn wurden vom Beklagten im Rahmen der Unterzeichnung der Kaufverträge darauf hingewiesen, dass sie schlichtes Miteigentum erwerben würden und die Wohnungseigentumsbegründung im Laufen sei, wozu sie sich mit einem namentlich genannten anderen Rechtsanwalt in Verbindung setzen sollten. Der Beklagte klärte die Kläger aber nicht über den Unterschied zwischen schlichten Miteigentumsanteilen und Wohnungseigentum sowie über den Vorgang der Wohnungseigentumsbegründung auf. Regelungen zu allfälligen Sicherstellungsmaßnahmen nach dem BTVG finden sich im Kaufvertrag nicht und wurden zwischen den Parteien auch nicht besprochen.

In den Kaufverträgen wurde die Auszahlung der treuhändig zu erlegenden Kaufpreise an die F***** derart vereinbart, dass mit erfolgter Eigentumseinverleibung 308.000 EUR (betreffend die Nachbarn) bzw 300.000 EUR (betreffend die Kläger) und mit Bestätigung der Wohnungsübergabe durch die Vertragsteile weitere 77.000 EUR (betreffend die Nachbarn) bzw 60.000 EUR (betreffend die Kläger) ausbezahlt werden sollten. Sowohl die Kläger als auch die Nachbarn haben die Kaufpreise auf dem Treuhandkonto erlegt.

Am 18. 12. bzw am 20. 12. 2014 übernahmen die Kläger bzw die Nachbarn die Wohnungen Top 19 und Top 18 in dem Wissen, dass das Objekt nicht mangelfrei war. Mängel bestanden einerseits an den Wohnungen selbst, andererseits an den allgemeinen Teilen des Hauses. Zum Zeitpunkt der Übergabe war den Klägern das gesamte Ausmaß der Mängel nicht bekannt.

Mit Beschlüssen des Grundbuchsgerichts vom 20. 11. 2014 bzw 8. 1. 2015 wurde jeweils das schlichte Miteigentum der Kläger bzw der Nachbarn hinsichtlich ihrer Anteile ob der Liegenschaft grundbücherlich einverleibt; die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums zugunsten der Kläger bzw der Nachbarn wurde nicht angemerkt.

Am 1. 12. und am 18. 12. 2014 zahlte der Beklagte vom Treuhanderlag der Kläger 360.000 EUR und am 9. 1. 2015 vom Treuhanderlag der Nachbarn 365.750 EUR jeweils an die Verkäuferin F***** aus, über deren Vermögen am 9. 6. 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde; dieses wurde am 13. 4. 2018 nach Verteilung an die Massegläubiger wieder aufgehoben.

Zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse war im Grundbuch ob der Liegenschaft der F***** in der Aufschrift des Gutsbestandsblatts Wohnungseigentum in Vorbereitung eingetragen. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlungen erster Instanz war ob der Liegenschaft Wohnungseigentum weder der Kläger noch der Nachbarn begründet.

Sowohl die Nachbarn (in dem der Entscheidung AZ 6 Ob 171/19v zugrunde liegenden Verfahren) als auch die Kläger (im vorliegenden Verfahren) begehrten zunächst die Feststellung, dass der Beklagte ihnen für alle Schäden hafte, die ihnen hinsichtlich der Kaufverträge mit der F***** künftig dadurch entstehen, dass es der Beklagte als Vertragserrichter und Treuhänder unterlassen hat, sie vor Vertragsabschluss über die mit diesen Rechtsgeschäften verbundenen Risiken aufzuklären sowie ihre Sicherung als Erwerber gemäß §§ 7 ff BTVG im Vertrag vorzusehen und zu überwachen, und dass der Beklagte weiters die Auszahlung der Kaufpreise von den Treuhandkonten an die Verkäuferseite vorgenommen hat, wenngleich hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Darüberhinaus stellten die Nachbarn ein Zahlungsbegehren in Höhe von 100.000 EUR und die Kläger ein solches in Höhe von 120.000 EUR; dabei handle es sich um jene Beträge, die den Kosten der Ersatzvornahme der ausständigen bzw mangelhaften Leistungen entspreche.

In dem der Entscheidung AZ 6 Ob 171/19v zugrunde liegenden Verfahren stellten Erst- und Berufungsgericht fest, dass der Beklagte den Nachbarn für sämtliche Schäden, die ihnen aufgrund der Unterlassung der grundbücherlichen Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums an B-LNR [...] der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft künftig entstehen, haftet. Das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren wurde vom Erstgericht (insoweit rechtskräftig) abgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren stellte das Berufungsgericht fest, dass der Beklagte den Klägern für alle Schäden haftet, die ihnen hinsichtlich des Kaufvertrags mit der F***** künftig dadurch entstehen, dass es der Beklagte als Vertragserrichter und Treuhänder unterlassen hat, ihre Sicherung als Erwerber gemäß §§ 7 ff BTVG im Vertrag vorzusehen und zu überwachen, und dass der Beklagte weiters die Auszahlung des Kaufpreises vom Treuhandkonto an die Verkäuferseite vorgenommen hat, wenngleich hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass der Beklagte den Klägern für alle Schäden haftet, die ihnen künftig dadurch entstehen, dass es der Beklagte als Vertragserrichter und Treuhänder unterlassen hat, die Kläger vor Vertragsabschluss über die mit diesem Rechtsgeschäft verbundenen Risiken aufzuklären, wies das Berufungsgericht (insoweit rechtskräftig) ab.

Hinsichtlich der Zahlungsbegehren wurde in beiden Verfahren deren Bestand dem Grunde nach zu Recht ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht für nicht zulässig erklärte (außerordentliche) Revision des Beklagten ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Da die Kläger in diesem Verfahren vom selben Rechtsanwalt rechtsfreundlich vertreten werden wie die Nachbarn in dem der Entscheidung AZ 6 Ob 171/19v zugrunde liegenden Verfahren, der beklagte Rechtsanwalt sich selbst vertritt und in beiden Verfahren – von ident festgestellten Sachverhalten ausgehend – nahezu wortidente außerordentliche Revisionen erhoben hat, kann grundsätzlich auf die ausführlich begründeten Klarstellungen in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. 6. 2020 (AZ 6 Ob 171/19v) verwiesen werden.

2. Der Senat hat in dieser Entscheidung der außerordentlichen Revision des Beklagten hinsichtlich des Feststellungsbegehrens keine Folge gegeben und als entscheidungswesentlich hervorgehoben:

Im vorliegenden Fall ist aus der schriftlichen Vertragsurkunde für juristische Laien nicht erkennbar, dass darin auf zwei gesonderte rechtliche Vorgänge, nämlich einerseits den Erwerb von Miteigentum, andererseits die Begründung von Wohnungseigentum, Bezug genommen wird. Es ist auch nicht erkennbar, dass diese voneinander getrennt und nicht beide mit Hilfe des vorgelegten Vertrags durchgeführt werden sollen. Der schriftliche Vertrag wird von einem juristischen Laien in seiner Gesamtheit vielmehr dahin aufgefasst werden, dass mit der Vertragsunterzeichnung ein einziger Vorgang, der „in Vorbereitung“ sei, abgeschlossen werde. Dieser Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Erwerb zum Zweck der Wohnungseigentumsbegründung und wird durch die Kostentragungsregel – wonach die Kosten der Wohnungseigentumsbegründung nicht zu Lasten der [Nachbarn] gehen – bestätigt. Diese Regelung legt nahe, dass die Wohnungseigentumsbegründung in den Verantwortungsbereich der Verkäuferin fällt, die auch die dafür anfallenden Kosten tragen würde. Gegenüber einem juristischen nicht ausgebildeten Erwerber ist die bloße Übermittlung des bereits in der Vergangenheit verfassten Wohnungseigentumsvertrags und der ohne Erläuterungen zum Vorgang erteilte Hinweis auf den anderen Rechtsanwalt anlässlich der Vertragsunterzeichnung nicht geeignet, den sich aus der Vertragsurkunde ergebenden Bedeutungsgehalt, dass die [Nachbarn] Wohnungseigentum erwerben würden, zu beseitigen.

Die Auslegung der Vorinstanzen, die dem zwischen den [Nachbarn] und der F***** abgeschlossenen Vertrag den Inhalt der Zusage von Wohnungseigentum zumaßen, erweist sich daher als zutreffend.

Nach den Feststellungen oblag es der F*****, den Dachboden des auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes auszubauen und zwei selbstständige Wohnungen zu errichten. Ausgehend von dieser vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Schaffung des Wohnungseigentumsobjekts – und nicht, wie der [Beklagte] meint, aufgrund des bloßen Erwerbs von Liegenschaftsanteilen von der allfälligen früheren Wohnungseigentumsorganisatorin – haben die Vorinstanzen die F***** zutreffend als Wohnungseigentumsorganisatorin qualifiziert.

Der Beklagte als Vertragserrichter wäre verpflichtet gewesen, im Bauträgervertrag die grundbücherliche Sicherstellung der Kläger auch durch die Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG vorzusehen.

Es trifft zwar zu, dass die vom Berufungsgericht angeführte Möglichkeit der Anmerkung der Übertragung des Rechts auf Wohnungseigentumseinräumung gemäß § 40 Abs 2 letzter Satz WEG nicht in Betracht kam, weil sich aus den im Verfahren vorgelegten Grundbuchsauszügen eine (in der Folge übertragbare) Anmerkung zugunsten der F***** nicht ergibt. Daraus ist für den Beklagten aber nichts gewonnen, weil es an ihm als Vertragserrichter gelegen wäre, eine zur Erreichung der gewählten Sicherung geeignete Vertragsgestaltung vorzunehmen oder gegebenenfalls auf die Vereinbarung einer anderen Sicherungsart nach BTVG zu dringen.

Hingegen haftet der Beklagte nicht für den Erfolg der Begründung von Wohnungseigentum zugunsten der [Nachbarn]. Sein Vorbringen, weder er selbst noch die F***** allein hätten die Begründung von Wohnungseigentum bewirken können, weil dazu die Mitwirkung aller Miteigentümer erforderlich sei, steht daher der Feststellung der Haftung wegen Versäumnissen bei der Vertragsgestaltung nicht entgegen.

Damit kann aber auch im vorliegenden Verfahren der außerordentlichen Revision des Beklagten gegen das Feststellungsurteil kein Erfolg beschieden sein. Dass das hier vom Berufungsgericht im Sinn der Klage formulierte Feststellungsurteil von jenem der Vorinstanzen in dem der Entscheidung AZ 6 Ob 171/19v zugrunde liegenden Verfahren abweicht, vermag daran nichts zu ändern. Der erkennende Senat hat zur Formulierung im genannten Verfahren klargestellt, dass sich aus den für die Auslegung des Titels heranzuziehenden Entscheidungsgründen unzweifelhaft ergebe, dass die (dort) Vorinstanzen lediglich das haftungsbegründende Verhalten des Beklagten im Hinblick auf das gewählte Sicherungsmodell präzisieren, nicht aber eine – von den Klägern gar nicht begehrte – Erfolgshaftung feststellen wollten. Eine solche ergibt sich aber auch nicht aus der vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall gewählten Formulierung des (stattgebenden) Feststellungsurteils.

3. Zum Leistungsbegehren wurde in der Entscheidung 6 Ob 171/19v wie folgt ausgeführt:

Die prozessökonomische Funktion eines Zwischenurteils liegt vorrangig darin, über den Anspruchsgrund abschließend abzusprechen und das weitere Verfahren von der Prüfung der für den Anspruchsgrund relevanten Umstände zu entlasten (RS0040736 [T8]). Vor Erlassung des Zwischenurteils kann aber nicht von der Schlüssigstellung des Klagebegehrens abgesehen werden, da die Schlüssigkeit des Klagevorbringens den Grund des Anspruchs betrifft (RS0040736 [T4]).

Die [Nachbarn] leiten den ihnen entstandenen Schaden aus der Summe der Fertigstellungs- und Mängelbehebungskosten ab, für die ihnen aufgrund der verfrühten Auszahlung durch den Beklagten kein Haftungsfonds mehr zur Verfügung stehe. Voraussetzung ihres Schadenersatzanspruchs gegen den Beklagten ist daher nicht nur das Auflaufen des behaupteten Aufwands für die Baufertigstellung und Mängelbehebung, sondern – da der Beklagte als Vertragserrichter und Treuhänder für die unterbliebene bzw mangelhafte Erfüllung des Bauträgervertrags nicht haftet – die rechtswidrige Weiterleitung des Treuhanderlags an die F*****.

Der Beklagte wäre bei Wahl des Sicherungsmodells nach §§ 9, 10 BTVG verpflichtet gewesen, im Bauträgervertrag einen Ratenplan, dessen letzte Rate gemäß § 10 Abs 2 BTVG als Haftrücklass auszugestalten ist, und die grundbücherliche Sicherstellung der Rechtsposition der [Nachbarn] vorzusehen. Er hätte den Treuhanderlag – und zwar bereits dessen „ersten Euro“ – erst dann auszahlen dürfen, wenn alle Voraussetzungen des grundbücherlichen Sicherungsmodells verwirklicht gewesen wären (vgl 6 Ob 173/18m).

Wenn der Treuhänder Zahlungen vor Fälligkeit weiterleitet, wird er dem Erwerber gegenüber schadenersatzpflichtig (6 Ob 173/18m; 1 Ob 190/12s).

Für eine Schadenersatzpflicht nach bürgerlichem Recht muss darüber hinaus der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sein, das heißt dass aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene verursachten Schäden zu haften ist, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (RS0022933 [T1]; vgl RS0031143; RS0023150).

Zweck der „Ratenplanmethode“ im Sinn des § 10 BTVG ist es, eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Werts der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die zwischenzeitig erbrachten Bauleistungen zu gewährleisten (RS0119703 [T3]).

Das grundbücherliche Sicherstellungsmodell nach § 9 BTVG dient damit (anders als das Sicherungsmodell des § 8 BTVG) nicht der Sicherung der Rückforderungsansprüche des Erwerbers, sondern der Sicherung des besonderen Interesses am Erwerb einer bestimmten Wohnung (vgl RS0119103; vgl 3 Ob 123/13d). In diesem Sinn bezweckt auch die Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG den Schutz des Erwerbs des Wohnungseigentums (vgl 1 Ob 11/12t), sohin der Vertragserfüllung, nicht aber die Sicherstellung der Rückabwicklung des Geschäfts.

Allerdings dient die in § 10 Abs 2 Z 1 lit g ebenso wie in Z 2 lit g BTVG vorgesehene Ausgestaltung der letzten Rate von 2 % des Preises als Haftrücklass der Sicherung von Gewährleistungsansprüchen (vgl RS0018098).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte gegen die ihn treffenden Verpflichtungen verstoßen, indem er weder die grundbücherliche Sicherstellung des Erwerbs des Wohnungseigentums durch die [Nachbarn] noch einen Ratenplan mit dem nach § 10 Abs 2 BTVG vorgeschriebenen Haftrücklass vertraglich vorsah und indem er den gesamten Treuhanderlag vor Eintritt der Fälligkeit gemäß § 7 Abs 4 BTVG, § 37 Abs 1 WEG an die Bauträgerin auszahlte.

Die [Nachbarn] leiten ihre Zahlungsansprüche aus dem Verlust ihres Deckungsfonds für Gewährleistungsansprüche gegen die F*****, nicht aus dem Verlust des Deckungsfonds für Ansprüche aus der unterbliebenen Einräumung von Wohnungseigentum ab. Der geltend gemachte Schaden steht daher nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Versäumnis des Beklagten, im Bauträgervertrag die Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum vorzusehen.

Dass der Beklagte mangels Bewirkung der Anmerkung des § 40 Abs 2 WEG gar keine Zahlungen aus dem Treuhanderlag an die F***** hätte leisten dürfen, ist daher nicht geeignet, den hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu begründen.

Eine im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehende Pflichtverletzung des Beklagten liegt jedoch – sofern die von den [Nachbarn] behaupteten Gewährleistungsansprüche gegen die F***** zu Recht bestanden – in der Auszahlung jenes Teils des Treuhanderlags, der der Höhe des nach § 10 Abs 2 BTVG vorgeschriebenen Haftrücklasses entspricht. Das sind im vorliegenden Fall 7.700 EUR (2 % von 385.000 EUR).

[...] Soweit die [Nachbarn] darüber hinaus auf dem Standpunkt stehen, der Beklagte hätte insgesamt 100.000 EUR aus dem Treuhanderlag nicht an die F***** auszahlen dürfen, stützten sie dies bislang auf die vom Beklagten nicht im Vertrag vorgesehene Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG. Dass dieses Vorbringen den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht schlüssig zu begründen vermag, wurde bereits ausgeführt.

Diese Unschlüssigkeit des Klagebegehrens wird im fortgesetzten Verfahren mit den [Nachbarn] zu erörtern sein.

Darüber hinaus ist eine weitere Unschlüssigkeit des von den [Nachbarn] geltend gemachten Zahlungsbegehrens aufzugreifen.

Macht ein Kläger – wie hier – einen Teil eines Gesamtschadens geltend und können dabei einzelne Anspruchspositionen unterschieden werden, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, so hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen (RS0031014 [T22, T25]).

Dies ist auch hier erforderlich. Die [Nachbarn] haben nämlich die von ihnen geltend gemachte Pauschalsumme als einen „Mindestbetrag“ bezeichnet, ohne auszuführen, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Baumängeln in Verbindung mit der unzulässigen Auszahlung des Treuhanderlags Schadenersatzansprüche ableiten. Das Erstgericht hat dies zwar zunächst mit den Parteien erörtert, nach der versuchten Schlüssigstellung durch die Kläger aber keine weitere Präzisierung verlangt (vgl RS0037300 [T35]).

Auch die aus der fehlenden Aufschlüsselung der einzelnen Schadenspositionen resultierende Unschlüssigkeit des Zahlungsbegehrens bedarf daher einer Erörterung mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren. Eine Klagestattgebung dem Grunde nach ist nach derzeitigem Verfahrensstand daher nicht möglich.

4. Ebenfalls Stellung genommen hat der Senat in der genannten Entscheidung zum Verjährungseinwand des Beklagten. Für dessen Beurteilung kommt es nicht auf die Frage der Unterbrechungswirkung des ursprünglich allein erhobenen Feststellungbegehrens für das Zahlungsbegehren an. Die Verjährung des geltend gemachten Schadens der Nachbarn – dass diese die Kosten der Ersatzvornahmen selbst zu tragen haben – stellt nämlich einen Folgeschaden des in der Verminderung des Treuhanderlags gelegenen Primärschadens dar, der erst zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung (am 9. 6. 2017) erkennbar wurde (3 Ob 23/14z).

Auch das Zahlungsbegehren der Kläger im vorliegenden Verfahren erweist sich daher nicht als verjährt.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E130024

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00078.20V.1022.000

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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