TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/20 LVwG-2020/25/2512-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb xx.xx.xxxx, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, vertreten durch RA BB, Adresse 2, ****Y, vom 11.11.2020 , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.10.2020, Zl ***, betreffend Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Straferkenntnis wird AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über ihn verhängt:

„Mit den angeführten Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Xwurde die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Hotels im Standort **** Z, Adresse 1 erteilt:

Bezirkshauptmannschaft X

15.06.1994

***

Bezirkshauptmannschaft X

11.12.1996

***

Bezirkshauptmannschaft X

28.04.1998

***

Bezirkshauptmannschaft X

11.06.1999

***

Bezirkshauptmannschaft X

15.12.1999

***

Bezirkshauptmannschaft X

27.06.2001

***

Bezirkshauptmannschaft X

28.01.2003

***

Bezirkshauptmannschaft X

28.07.2004

***

Bezirkshauptmannschaft X

07.07.2005

***

Bezirkshauptmannschaft X

09.06.2015

***

Herr AA, geb. am 27.12.1960, wh. in **** Z, Adresse 1, hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der „CC“ zu verantworten, dass die genannte genehmigte Betriebsanlage zumindest am 31.07.2020 um 20.15 Uhr, am 07.08.2020 um 20:00 Uhr sowie am 10.08.2020 um 20:05 Uhr ohne die erforderliche Genehmigung geändert bzw. nach der Änderung betrieben worden ist, indem Livemusik auf der Terrasse dargeboten wurde, obwohl diese Änderung nicht gewerberechtlich genehmigt wurde und nicht um gewerbebehördliche Genehmigung dieser Änderung, unter Beilage von Projektsunterlagen in 4-facher Ausfertigung bei der Bezirkshauptmannschaft X angesucht wurde. Dies stellt eine wesentliche Änderung der genehmigten Betriebsanlage dar. Durch diese Änderung ist eine Beeinträchtigung der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 gegeben, dadurch die Darbietung von Livemusik auf der Terrasse nicht ausgeschlossen werden kann, dass Nachbarn unzumutbar durch Lärm belästigt werden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 366 Abs. 1 Ziffer 3 iVm § 81 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 iVm § 370 Abs. 1 GewO 1994; BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 112/2018 ivm§ 20 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe (€):

500,00

Gemäß:

§ 366 Abs. 1 Ziffer 3 iVm § 81 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 iVm § 370 Abs. 1 GewO 1994; BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 112/2018

Ersatzfreiheitsstrafe:

47 Stunden

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 550.00“

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Herr AA durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass nicht bestritten werde, dass Live-Musik auf der Terrasse der CC dargeboten wurde. Dies stelle jedoch keine wesentliche Änderung der genehmigten Betriebsanlage dar.

Verwiesen werde auf die gewerbetechnischen Auflagen 1. und 2. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 11.12.1996, in welchen stets von „Musik“ auf der Terrasse die Rede sei. Laut Betriebsanlagengenehmigung dürfe auf der Terrasse über Außenlautsprecher bis spätestens 22.00 Uhr Musik mit einem mittleren Maximalpegel von < gleich 65 Dezibel am nächst gelegenen Sitzplatz dargeboten werden. Es treffe nicht zu, dass auf der Terrasse nur Untermalungsmusik dargeboten werden dürfe.

Eine Bezugnahme auf Untermalungsmusik im Sinn der technischen Beschreibung lasse sich den gewerberechtlichen Auflagen nicht entnehmen. Er habe somit konsensmäßig im Rahmen der bestehenden Betriebsanlage gehandelt und die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen. Selbst wenn man davon ausginge, dass auf der Terrasse nur Untermalungsmusik genehmigt worden wäre, bedeutet dies keinesfalls, dass nicht auch in „Live-Version“ Untermalungsmusik dargeboten werden dürfe, solange die genehmigte Dezibelzahl und die vorgegebene Uhrzeit eingehalten würden. Die Darbietung von Live-Musik auf der Terrasse bedürfe nur einer emissionsneutralen Änderungsanzeige nach § 81 Abs 2 Z 7 und keiner Genehmigung nach § 81 Abs 1 GewO. Er habe daher den angelasteten Tatbestand nach § 366 Abs 1 Z 3 GewO nicht verwirklicht. Abgesehen davon komme es nicht darauf an, dass durch die Darbietung von Live-Musik auf der Terrasse nicht ausgeschlossen werden kann, dass Nachbarn unzumutbar durch Lärm belästigt werden, sondern müsse die genehmigte Betriebsanlage vielmehr geeignet sein, den Nachbarn durch Lärm nicht zu belästigen. Es gäbe auch keinen Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer gegen die genehmigte Lautstärke (Dezibel) verstoßen habe. Der Beschwerdeführer habe in der Zwischenzeit eine Änderungsanzeige nach § 81 Abs 2 Z 7 GewO bei der belangten Behörde eingebracht, welche die Darbietung von Live-Musik auf der Terrasse beinhaltet. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.10.2020 sei die erstattete Anzeige zur Kenntnis genommen worden. Bezüglich der Strafbemessung sei keine Rücksicht auf die Vermögenssituation des Beschuldigten genommen worden, die sich infolge des Lockdowns im Frühjahr und im Herbst gravierend verschlechtert habe. Es hätte daher von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und mit einer Ermahnung vorgegangen werden können. Es werde deshalb ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Herabsetzung der Höhe der Strafe.

II.      Sachverhalt:

Mit den im Tatvorwurf angeführten Bescheiden erteilte die Bezirkshauptmannschaft X die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung für die Errichtung den Betrieb eines Hotels im Standort **** Z, Adresse 1. Der Beschwerdeführer AA ist gewerberechtlicher Geschäftsführer der CC.

In der Projektbeschreibung des Betriebsanlagenbescheides der Bezirkshauptmannschaft Xvom 11.12.1996, Zl ***, wird bezüglich der Beschallung des Terrassenbereiches Folgendes ausgeführt:

„Auf der südlich des Gebäudes vorgelagerten Terrasse wird über Außenlautsprecher bis längstens 22.00 Uhr Untermalungsmusik mit einem mittleren Maximalpegel von < gleich 65 dB am nächstgelegenen Sitzplatz dargeboten. Die Beschallung erfolgt über eine haushaltsähnliche Verstärkeranlage mittels Verstärker, Tuner, CD-Kassettendeck und dergleichen.“

In diesem Bescheid finden sich unter anderem folgende gewerbetechnische Auflagen:

„1. Durch mechanische Pegelbegrenzer ist sicherzustellen, dass die in den jeweilig angeführten Räumen bzw auf der Terrasse Musik nur in einer solchen Lautstärke dargeboten wird, wie sie in der technischen Beschreibung angegeben wurde.

2. Über eine Zeitschaltuhr ist sicherzustellen, dass auf der Terrasse Musik bis längstens 22.00 Uhr dargeboten werden kann.“

Von der Anrainerin DD wurde bei der Polizei angezeigt, dass am 31.07.2020 um 20.15 Uhr, am 07.08.2020 um 20.00 Uhr sowie am 10.08.2020 um 20.05 Uhr auf der Terrasse des Hotels CC Lebendmusik dargeboten wurde. Im Polizeibericht vom 01.08.2020 wurde, bezogen auf den Vorfall vom 31.07.2020, vom Meldungsleger ausgeführt, dass die Musik subjektiv empfunden für die Uhrzeit vertretbar war. Nicht festgestellt werden kann, ob dabei der mittlere Maximalpegel von < gleich 65 dB am nächstgelegenen Sitzplatz überschritten wurde oder nicht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 15.10.2020, SZ-***, wurde die am 07.09.2020 von der CC erstattete Betriebsanlagenänderungsanzeige gemäß § 345 Abs 6 iVm § 81 Abs 2 Z 7 GewO unter der Vorschreibung von 10 gewerbetechnischen Auflagen zur Kenntnis genommen. Inhalt dieser Änderung ist, dass auf der Terrasse auch Live-Musik unter Einhaltung der bisher vorgeschriebenen Immissionspegel dargeboten wird. Dadurch soll sich das Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht nachteilig verändern, weshalb es sich um eine emissionsneutrale Änderung handelt.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft X.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 von Bedeutung:

„§ 81. (1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

1.       bescheidmäßig zugelassene Änderungen gemäß § 79c Abs. 2,

2.       Änderungen zur Einhaltung von anderen oder zusätzlichen Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 oder § 79b,

3.       Änderungen zur Anpassung an Verordnungen auf Grund des § 82 Abs. 1,

4.       Bescheiden gemäß § 82 Abs. 3 oder 4 entsprechende Änderungen,

5.       Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, daß der Ersatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs. 1 zu behandeln ist.

6.       Änderungen durch den Einsatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen, die unter Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 fallen oder in Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind, sofern § 76 Abs. 3 nicht entgegensteht,

7.       Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden,

8.       Sanierung gemäß § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988,

9.       Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

10.      Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes (§ 353 Z 1 lit. c),

11.      Änderungen von vorübergehender, vier Wochen nicht überschreitender Dauer, die keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen bewirken und aus Anlass von Ereignissen oder Veranstaltungen, die in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, vorgenommen werden.

(3) Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

(4) Im Fall einer genehmigungspflichtigen Änderung nach Abs. 1, jedoch mindestens alle sieben Jahre, ist das Abfallwirtschaftskonzept fortzuschreiben. Die Fortschreibung einer gültigen Umwelterklärung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (EMAS), ABl. Nr. L 342 vom 22. 12. 2009, S. 1, gilt als Fortschreibung im Sinne dieses Bundesgesetzes.

V. Hauptstück

Strafbestimmungen

§ 366.

(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht, wer

1.       ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, und nicht Z 10 oder § 367 Z 8 anzuwenden sind;

2.       eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt;

3.       eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f);

§ 368.

Eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1 090 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.“

V.       Erwägungen:

Laut Projekt der Betriebsanlagengenehmigung darf auf der südlichen Terrasse des Hotel CC über Außenlautsprecher bis längstens 22.00 Uhr Untermalungsmusik mit einem mittleren Maximalpegel von < gleich 65 dB am nächstgelegenen Sitzplatz dargeboten werden. Die belangte Behörde vertritt im Gegensatz zum Beschuldigten den Rechtsstandpunkt, dass diese Genehmigung keine Lebendmusik mitumfasst.

Es stellt sich somit die Frage, ob bei Einhaltung der Begrenzungen Lebendmusik auch unter Untermalungsmusik fällt. Der Begriff „Untermalungsmusik“, der entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht im Projekt ausdrücklich erwähnt wird, stellt auf die Lautstärke ab, sodass eine Unterhaltung in unveränderter Sprechlautstärke möglich ist und zielt nicht auf die Quelle des Tonsignales ab, ob dieses also von einem Tonträger oder dem Mikrofon eines Musikers stammt. Es kann nicht ohne dahingehende Beweise unterstellt werden, dass der in der gewerbetechnischen Auflage 1. des Bescheides vom 11.12.1996 vorgeschriebene Pegelbegrenzer umgangen wurde. Der subjektive Eindruck des Polizeibeamten ist nicht geeignet, Derartiges zu beweisen. Da auch nicht festgestellt werden konnte, dass der mittlere Maximalpegel von < gleich 65 dB am nächstgelegenen Sitzplatz dabei überschritten wurde, fehlt es an einem Beweis dafür, dass die Musikdarbietung in einer Lautstärke außerhalb der bestehenden Betriebsanlagengenehmigung erfolgte.

Wenn man davon ausgeht, dass die projektgemäße Untermalungsmusik Lebendmusik nicht mitumfasst, ist die Frage zu klären, ob es sich dabei um eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinn des Tatvorwurfes gehandelt hat, oder eine emissionsneutrale anzeigepflichtige Änderung im Sinn des § 81 Abs 2 Z 7 GewO. Im Hinblick auf den Bescheid der belangten Behörde vom 15.10.2020 ist davon auszugehen, dass die Darbietung von Lebendmusik auf der Terrasse unter Einhaltung eines mittleren Maximalpegels von < gleich 65 dB eine emissionsneutrale Änderung darstellt. Da der mittlere Maximalpegel bezogen auf die Tatzeiten nicht festgestellt werden konnte, wird im Zweifel davon auszugehen sein, dass der Pegel < gleich 65 dB nicht überschritten wurde.

Beim Verhältnis von § 81 Abs 1 und Abs 2 GewO handelt es sich um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. So normiert § 81 Abs 1 als allgemeine Regel die Genehmigungspflicht von Änderungen einer Betriebsanlage. § 81 Abs 2 nennt Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel. Damit handelt es sich bei den Tatbeständen des § 81 Abs 2 GewO um eine Ausnahmeregel von der Genehmigungspflicht nach § 81 Abs 1 GewO (VwGH 14.09.2005, 2001/04/0047).

Dem Wortlaut des Gesetzes zufolge begeht eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994, wer „eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert“. Ob eine Änderung eine Genehmigung erfordert, regelt § 81 GewO, wobei gemäß § 81 Abs 2 GewO beim Vorliegen eines der dort genannten Tatbestände „eine Genehmigungspflicht nach Abs 1 jedenfalls (…) nicht gegeben ist“. Das Erfordernis einer Genehmigungspflicht entfällt sohin, sofern einer der Tatbestände des § 81 Abs 2 GewO erfüllt ist. Damit kann bei Erfüllung eines Ausnahmetatbestandes auch bei Vorliegen einer Anzeigepflicht im Sinn des § 81 Abs 3 GewO der Tatbestand des § 366 Abs 1 Z 3 GewO, der die Vornahme einer Änderung ohne die erforderliche Genehmigung sanktioniert, nicht verwirklicht sein. Bei Nichterfüllung des Anzeigegebotes des § 81 Abs 3 GewO ist nach § 368 GewO 1994 zu bestrafen.

Bei Beurteilung eines Sachverhaltes im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Straftatbestandes des § 366 Abs 1 Z 3 GewO ist auch zu prüfen, ob dieser Sachverhalt unter einen Ausnahmetatbestand des § 81 Abs 2 zu subsumieren ist, weil in einem solchen Fall das Erfordernis der Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage, das eine Tatbestandsvoraussetzung des § 366 Abs 1 Z 3 GewO bildet, nicht vorliegt (vgl VwGH 12.04.2018, Ra 2016/04/0067).

Das bedeutet für den Gegenstandsfall, dass mangels Feststellbarkeit einer Überschreitung des Maximalpegels von 65 dB davon auszugehen ist, dass gegenständlich eine anzeigepflichtige Änderung im Sinn des § 81 Abs 2 GewO vorgelegen ist, welche als Übertretung gemäß § 368 GewO vorzuhalten gewesen wäre. Da im Gegenstandsfall jedoch ein Tatvorwurf im Sinn des § 366 Abs 1 Z 3 angelastet wurde, dessen Vorliegen aber nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit erwiesen werden kann, wurde hier der unrichtige Tatvorwurf erhoben. Somit ergibt sich zusammengefasst, dass aufgrund des Umstandes, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der mittlere Maximalpegel 65 dB überschritten hat, sowohl im Fall der Annahme, dass Lebendmusik unter Untermalungsmusik zu zählen ist, als auch für den gegenteiligen Fall im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten zu beurteilen war, dass die angelastete Übertretung nicht begangen wurde, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Betriebsanlagenänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.2512.1

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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