TE Vwgh Beschluss 1997/9/11 97/06/0040

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, Sterneckstraße 55/1, gegen die Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Johann im Pongau, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Marktgemeinde St. Johann im Pongau hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.550,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit der gegenständlichen, am 30. Jänner 1997 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, er habe mit Anbringen vom 22. Jänner 1996 bei der Baubehörde erster Instanz beantragt, näher bezeichnete Teile eines bestimmten Grundstückes zum Bauplatz zu erklären. Da innerhalb der im § 73 Abs. 1 AVG genannten Frist von sechs Monaten über den Antrag nicht bescheidmäßig entschieden worden sei "und auch keine Schritte im Ermittlungsverfahren gegenüber dem Beschwerdeführer" gesetzt worden seien, habe er einen entsprechenden Devolutionsantrag (vom 25. Juli 1996) an die belangte Behörde gerichtet. Obwohl dieser bei der belangten Behörde am 29. Juli 1996 eingelangt sei, habe diese bislang nicht entschieden (es folgt ein weiteres Vorbringen zu den vom Beschwerdeführer angenommenen Hintergründen, wonach er im Gegensatz zu den Gemeindebehörden der Auffassung sei, daß auf den vor dem 1. März 1996 eingebrachten Antrag Art. II Abs. 3 der Bebauungsgrundlagengesetznovelle 1992, LGBl. Nr. 99/1992 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1996, anzuwenden sei, weshalb die Bauplatzerklärung auch dann zu erteilen sei, wenn kein Bebauungsplan bestehe. Ein solches Verfahren zur Erlassung eines Bebauungsplanes sei anhängig, aber nicht abgeschlossen, was aber an seinem Anspruch auf Entscheidung über sein Ansuchen auf Bauplatzerklärung nichts ändere).

Die belangte Behörde hat (nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof und innerhalb der ihr eingeräumten, verlängerten Frist) den versäumten Bescheid nachgeholt (und mit diesem Bescheid vom 4. August 1997 den zugrundeliegenden Antrag um Bauplatzerklärung abgewiesen, weil ihrer Beurteilung nach entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers vor einer Bauplatzerklärung jedenfalls ein Bebauungsplan zu erstellen, dies aber noch nicht erfolgt sei), hat aber auch in einem Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof mit näheren Ausführungen der Sache nach die Auffassung vertreten, sowohl der Devolutionsantrag als auch die Säumnisbeschwerde seien zu Unrecht eingebracht worden; da die Beschwerde "völlig ungerechtfertigt" sei, sei auch das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers unbegründet.

Dem ist folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 27 VwGG kann, soweit im Beschwerdefall erheblich, Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall vor. Die belangte Behörde verkennt in ihrem Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof, daß gemäß § 27 VwGG die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde nicht von einer schuldhaften Verzögerung der Behörde abhängig ist. Auch dann, wenn die Nichterledigung eines Antrages innerhalb der dort genannten Frist der Behörde nicht als Verschulden angerechnet werden kann, besteht nach Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf eine sachliche Erledigung (vgl. hiezu etwa beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0160, mit Judikaturhinweisen; insofern besteht demnach ein Unterschied zu § 73 Abs. 2 AVG). Auch wenn die Auffassung der belangten Behörde zutreffen sollte, daß die angestrebte Bauplatzerklärung mangels Vorliegen eines Bebauungsplanes nicht erfolgen könne - die Richtigkeit dieser Ansicht ist hier nicht zu prüfen - und daß ohnedies Bemühungen im Gange seien, einen entsprechenden Bebauungsplan zu erstellen, vermag die belangte Behörde damit nicht die Unzulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde aufzuzeigen. Freilich strebt der Beschwerdeführer primär eine antragsgemäße Entscheidung an; mit einer abweislichen Entscheidung ist ihm aber auch insoweit gedient, als ihm dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, durch Vorstellung bzw. Beschwerde die strittige Frage, ob es vorliegendenfalls eines Bebauungsplanes bedarf, an die Vorstellungsbehörde bzw. an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes heranzutragen (was mangels Entscheidung durch die belangte Behörde nicht möglich wäre).

Zusammenfassend ist demnach die vorliegende Säumnisbeschwerde zulässig; da die belangte Behörde aber den versäumten Bescheid nachgeholt hat, war das Verfahren gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil es vorliegendenfalls einer dritten Ausfertigung der Beschwerde nicht bedurfte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060040.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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