TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 W169 2129248-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W169 2129248-1/12E
W169 2129245-1/10E
W169 2129249-1/6E
W169 2218763-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , 3) XXXX , geb. XXXX und 4) XXXX , geb. XXXX , StA. alle NEPAL, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2016 (zu 1-3) sowie vom 03.04.2019 (zu 4), Zlen. 1) 831128701-2209585, 2) 831128810-2209607, 3) 1057260510-150335544 sowie 4) 1223437210-190288219, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte IV der bekämpften Bescheide vom 14.06.2016 sowie der Spruchpunkt VI des bekämpften Bescheides vom 03.04.2019 zu lauten hat:

„Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 4 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.08.2013 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin.

Bei der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.08.2013 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er am XXXX geboren und Staatsangehöriger aus Bhutan sei. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er eine Liebeshochzeit gehabt habe. Seine Ehefrau sei Nepalesin. Die Eltern seiner nunmehrigen Gattin seien mit der Hochzeit nicht einverstanden gewesen, da er keine Eltern gehabt habe. Wegen seiner Schwiegereltern habe er Nepal verlassen müssen.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag aus, dass sie Staatsangehörige von Nepal sei und am XXXX geboren sei. Sie habe zehn Jahre die Grundschule besucht und eine zweijährige Ausbildung in Kathmandu als Kosmetikhelferin absolviert. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass sie das Land wegen ihres Mannes verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor ihren Eltern, da diese ihre Heirat nicht geduldet hätten.

2. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren und stellte die Zweitbeschwerdeführerin für diese am 02.04.2015 im Rahmen eines Familienverfahrens ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.01.2016 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er bei der Erstbefragung ein falsches Geburtsdatum und auch eine falsche Staatsbürgerschaft genannt habe. Er sei Staatsangehöriger aus Nepal und am XXXX geboren. Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie im Rahmen der Erstbefragung ein falsches Geburtsdatum angegeben habe, sie sei nicht am XXXX , sondern am XXXX geboren. Zudem führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie auch die Fluchtroute im Rahmen der Erstbefragung falsch angegeben hätte. Zu ihren Familienmitgliedern in Nepal gaben der Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihre Eltern und Geschwister dort leben würden; der Erstbeschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen, die Zweitbeschwerdeführerin habe ab und zu zu ihrer Schwester Kontakt.

Zum Fluchtgrund gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er in Nepal als Schaffner gearbeitet und dabei seine Frau kennengelernt habe. Sie hätten sich geliebt und heiraten wollen. Als er vier Jahre alt gewesen sei, sei seine Mutter verstorben, daher habe er die Familie seiner Mutter gar nicht gekannt. Er habe die Familie seiner jetzigen Frau gefragt, ob er sie heiraten dürfe. Die Familie der Ehegattin habe dies aber abgelehnt, weil die Mutter seiner Ehegattin und seine Mutter Schwestern gewesen seien. Die Eltern seiner Ehegattin hätten seine jetzige Frau mit jemand anderem verheiraten wollen. Der Erstbeschwerdeführer führte auf die Frage, ob er von seinen Schwiegereltern bzw. den Eltern bedroht worden sei, aus, dass die Brüder seiner Frau ihn geschlagen hätten. Die Zweitbeschwerdeführerin führte aus, dass sie zu Hause eingesperrt worden sei. Sie hätten nicht versucht, bei den Behörden oder der Polizei Schutz zu erhalten, „da in Nepal alles mit Geld gemacht wird.“ Außerdem würde sie die Polizei auch nicht verstehen und sie vielleicht sogar schlagen. In der nepalesischen Gesellschaft sei die Heirat zwischen so eng verwandten Personen ein Tabu. In einem anderen Teil Nepals könnten sie nicht in Ruhe leben. Sonstige Probleme hätten sie im Heimatland nicht gehabt, auch hätten sie keine Probleme mit den staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei gehabt. Die Zweitbeschwerdeführerin führte darüber hinaus aus, dass sie im Heimatland als Frisörin gearbeitet hätte.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie keine staatliche Hilfe bekommen, sondern arbeiten wollen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe auch Schweißerarbeiten in Nepal erledigt und würde er seine diesbezügliche Ausbildung hier nützen wollen. Sie hätten bereits Deutschkurse besucht.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin aktuelle Länderfeststellungen zu Nepal ausgehändigt und ihnen eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

4. Am 19.01.2016 legten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ihre nepalesischen Führerscheine sowie die Heiratsurkunde vor.

5. Laut einem im Akt aufliegenden Untersuchungsbericht der LPD Salzburg vom 24.05.2016 handelte es sich bei den vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegten nepalesischen Führerscheine um Totalfälschungen.

6. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2016 wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

7. Dagegen wurde von den Beschwerdeführern fristgerecht Beschwerde erhoben und in einem handschriftlich verfassten Schreiben, welches einer Übersetzung zugeführt wurde, nach Wiederholung der bisher getätigten Angaben ausgeführt, dass sie sich wegen ihrer Probleme an die nepalesischen Behörden gewandt hätten, aber ihre Beschwerde aufgrund ihrer Blutsverwandtschaft nicht angenommen worden sei.

8. Am XXXX wurde der Viertbeschwerdeführer in Österreich geboren und stellte der Erstbeschwerdeführer für diesen am 20.03.2019 im Rahmen eines Familienverfahrens ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II) abgewiesen wurde. Dem Viertbeschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nepal gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

9. Am 02.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführer und ihre bevollmächtigte Vertreterin teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wurden die Beschwerdeführer ausführlich zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen und ihren Integrationsbemühungen in Österreich befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1. 1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige aus Nepal. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin, beide sind die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers.

Der Erstbeschwerdeführer wurde im Distrikt Chitwan, in XXXX geboren, besuchte bis zur 10. Schulstufe die Schule und arbeitete danach als Elektriker und als Schaffner in einem Bus. Auch arbeitete er mit seinem Vater auf der familieneigenen Landwirtschaft. Seine Familie besitzt eine Landwirtschaft zum Eigenbedarf. Der Erstbeschwerdeführer lebte mit seinem Vater, seiner Stiefmutter und seinen Stiefgeschwistern bis zur Ausreise im Elternhaus. Seine Mutter verstarb, als er vier Jahre alt war.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls in Chitwan geboren, besuchte in Nepal 12 Jahre die Schule und hat den Beruf einer Kosmetikerin erlernt. In Nepal lebte sie mit ihrer Familie im Heimatort im Elternhaus sowie auch mehr als eineinhalb Jahre bei ihrem Cousin in Kathmandu. Ihre Eltern besitzen in Nepal eine Landwirtschaft.

In Nepal leben vier Onkel des Erstbeschwerdeführers, alle besitzen Grundstücke und leben von der Landwirtschaft, ein verheirateter Bruder des Erstbeschwerdeführers lebt in unmittelbar Nähe des Heimatdorfes sowie eine verheiratete Schwester ca. 50 bis 60 km vom Heimatdorf entfernt. Sowohl sein Bruder als auch seine Schwester leben von der Landwirtschaft. Weiters leben in Nepal die Eltern und die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin. Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin ist verheiratet, wohnt auch in Chitwan und arbeitet in der Landwirtschaft. Ein älterer Bruder der Zweitbeschwerdeführerin besitzt ein Geschäft in Nepal, der kleine Bruder lebt in Korea. Die Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin besitzen in Nepal alle Landwirtschaften und ein eigenes Haus. Die Zweitbeschwerdeführerin hat Kontakt zu ihrer Schwester in Nepal. Dass die Beschwerdeführer zu ihren sonstigen in Nepal lebenden Verwandten keinen Kontakt haben, kann nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer hatten keine Probleme mit den Behörden in ihrem Heimatland. Auch hatten sie in Nepal keine Probleme aufgrund ihrer politischen Gesinnung, ihrer Rasse, ihrer Religion, Nationalität oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Auch im Falle einer Rückkehr nach Nepal hätten sie diesbezüglich nichts zu befürchten.

Die Fluchtgründe der Beschwerdeführer sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin blutsverwandt sind und sie deshalb in Nepal von der Familie der Ehegattin bedroht wurden.

Im Falle einer Rückkehr nach Nepal könnten die Beschwerdeführer bei ihren in Nepal lebenden Verwandten Unterkunft finden und von diesen auch unterstützt werden. Darüber hinaus sind der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jung und arbeitsfähig und könnten diese daher bei einer Rückkehr einer Arbeit nachgehen. Durch die Abschiebung der Beschwerdeführer in ihren Heimatstaat würden diese somit – unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und ihrer individuellen Situation – nicht in ihren Rechten gemäß Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würde diese für sie als Zivilpersonen nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

Für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und den minderjährigen Viertbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer wurden in Österreich geboren. Beide sprechen Nepali, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin auch etwas Deutsch. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin besucht seit September 2019 den Kindergarten.

Die Beschwerdeführer leben in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben in Österreich Deutschkurse besucht, jedoch keine Prüfung abgelegt. Der Erstbeschwerdeführer kann sich auf Deutsch verständigen, die Zweitbeschwerdeführerin spricht sehr schlecht Deutsch. Abgesehen von den Deutschkursen haben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin keine sonstigen Kurse in Österreich besucht. Sie sind in Österreich von 2017 bis 2019 Mitglied in einem nepalesischen Verein gewesen und haben einen österreichischen Freund, welcher mit einer Nepalesin verheiratet ist. Der Erstbeschwerdeführer verrichtete vom 30.06. bis 08.08.2014 und vom 17.11. bis 26.12.2014 gemeinnützige Arbeit beim Magistrat Salzburg. Weiters arbeitete der Erstbeschwerdeführer ab September 2019 ohne Arbeitsbewilligung drei bis vier Monate in einem Restaurant in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer besitzt einen Arbeitsvorvertrag als Koch vom 30.05.2020. Die Zweitbeschwerdeführerin arbeitete zwei Monate in einem Altenheim.

Die Beschwerdeführer haben keine Verwandten in Österreich.

Die Beschwerdeführer nehmen Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, sind strafgerichtlich unbescholten und gesund.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70 Prozent der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören Berichten zu Folge unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Stätten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, mangelnde offizielle Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit Diskriminierung und Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen von Frauen, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 5.2019). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind häufig (IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch berichten Interessenverbände, dass 2018 sexuelle Minderheiten von der Polizei schikaniert worden sind. In einem Fall erhielten die Opfer eine formelle Entschuldigung und die entstandenen medizinischen Kosten wurden von der Polizei übernommen. (USDOS 13.3.2019).

Die staatliche Durchsetzung der Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen. Es besteht eine fehlende formale Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 5.2019).

Die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission; TRC) und die Untersuchungskommission für verschwundene Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons, CIEDP) begannen im Februar 2015 mit der Untersuchung von Beschwerden über das Verschwinden von Personen aus der Zeit des Bürgerkrieges. Im Oktober 2018 berichteten Menschenrechtsexperten, dass weder durch den TRC noch durch die CIEDP wesentliche Fortschritte dabei erreicht worden sind (USDOS 13.3.2019).

Zwar wurden durch die TRC und die CIEDP im Jahre 2018 in ganz Nepal umfangreiche Anhörungen durchgeführt, doch blieben die Bedenken hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, insbesondere bei der Communist Party of Nepal–Maoist (CPN-M), welche Anfang 2018 der regierenden Partei in der neuen Regierung beigetreten ist, bestehen. Aufgrund von Mängeln in der Gesetzgebung zur Einrichtung der Übergangsjustizmechanismen verpflichtete sich der Generalstaatsanwalt im Juni 2018, Gesetze mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen und Amnestieklauseln für Täter zurückzuziehen. Dennoch befinden sich Personen, welche sich glaubwürdigen Anschuldigungen ausgesetzt sehen, weiterhin in Machtpositionen. An Gerichten eingereichte Fälle sind nach wie vor nicht beendet, da die Polizei und die zuständigen Behörden sich weigern, Ermittlungen durchzuführen, die es ermöglichen würden, Anklageerhebungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durchzuführen. Die wichtigsten politischen Parteien bestehen weiterhin darauf, dass es sich um politische Fälle handelt und dass diese nicht von ordentlichen Gerichten behandelt werden sollten (HRW 17.1.2019).

Am 9. Februar 2019 sollte das Mandat der nepalesischen Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und der Untersuchungskommission für verschwundene Personen (CIEDP) auslaufen. Da keine der beiden Kommissionen auch nur eine Untersuchung der Zehntausenden von Beschwerden von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, mit denen das Land während des jahrzehntelangen maoistischen Konflikts (1996-2006) zu kämpfen hatte, abgeschlossen hatte, hätte dies ein Ende des Übergangsrechtsprozesses bedingt, welcher allgemein als Misserfolg angesehen worden wäre. So wurde durch die nepalesische Regierung als Reaktion auf den Druck der internationalen Gemeinschaft und der Opfergruppen die Mandatszeit der Kommission um ein weiteres Jahr verlängert, um den Prozess der Übergangsjustiz weiter voranzutreiben. Obwohl die Verlängerung vorsichtig begrüßt wurde, steht die Durchsetzung einer angemessenen Justiz für die Opfer von konfliktbedingten Menschenrechtsverletzungen weiterhin vor anhaltenden Herausforderungen und erneuten Ungewissheiten (TI 12.2.2019).

Quellen:

-AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-AI – Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 19.7.2019

-AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 18.7.2019

-BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019): Nepal – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 18.7.2019

-HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002254.html, Zugriff 18.7.2019

-IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.,7.2019

-TI – The Interpreter (12.2.2019): Nepal’s Truth and Reconciliation Commission limps on, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/nepal-truth-and-reconciliation-commission-limps, Zugriff 22.7.2019

-USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Verfassung enthält Bestimmungen, welche eine geschlechtsspezifische Diskriminierung zulassen. Diskriminierung von Frauen und Mädchen stellt ein anhaltendes Problem dar (USDOS 13.3.2019). Frauen, werden im öffentlichen Leben regelmäßig diskriminiert und sind vom Zugang zu Ressourcen und Machtpositionen ausgeschlossen (BTI 2018). Zwar errangen Frauen bei den Kommunalwahlen aufgrund von Quotenregelungen 41 Prozent der Sitze, doch bleiben höhere Posten überwiegend von Männern besetzt. Während die Verfassung ein Drittel der Sitze im Parlament für Frauen vorsieht, waren nur 7 Prozent der Direktwahlkandidaten für die Parlamentswahlen Frauen (HRW 18.1.2018).

Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen bleibt ein ernsthaftes Problem. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Früh- und Zwangsheirat, einer der Hauptfaktoren für den als relativ schlecht zu bezeichnenden Gesundheitszustand von Frauen, deren unsichere Existenzsicherung und ihre unzureichende soziale Mobilisierung darstellt und zur intergenerationellen Armut beiträgt. Darüber hinaus schränkte die nach wie vor weit verbreitete Praxis der Früh- und Zwangsheirat den Zugang von Mädchen zur Bildung ein und erhöhte ihre Anfälligkeit für häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch, einschließlich dem Sexhandel (USDOS 13.3.2019). Nepal erreicht in Asien den dritthöchsten Wert an geschlossenen Kinderehen. 37 Prozent der Mädchen heiraten vor dem 18. Lebensjahr, 10 Prozent sogar vor dem 15. Lebensjahr. 2016 startete die Regierung eine nationale Strategie mit dem Ziel, Kinderehen bis 2030 zu beenden, doch sind die Maßnahmen zur Umsetzung des Plans inzwischen ins Stocken geraten (HRW 17.1.2019).

Das Gesetz über häusliche Gewalt von 2009 ermöglicht es, Beschwerden bei Fällen häuslicher Gewalt durch Mediation mit Schwerpunkt auf Versöhnung beizulegen. Durch die Behörden wird eine Strafverfolgung in diesem Rahmen in der Regel nur dann durchgeführt, wenn die Mediation fehlgeschlagen ist (USDOS 13.3.2019).

Im neuen Strafgesetz bleiben die Strafbestimmungen für Vergewaltigungen und deren gesetzliche Verjährungsfristen noch weit hinter internationalen Standards und dem Völkerrecht zurück. Geschlechtsspezifische Diskriminierung untergräbt weiterhin die Möglichkeiten von Frauen und Mädchen, über ihre Sexualität zu bestimmen, eine angemessene Gesundheitsfürsorge für Schwangere und Mütter in Anspruch zu nehmen, Entscheidungen zum Thema Fortpflanzung zu treffen oder eine verfrühte bzw. erzwungene Ehe anzufechten (AI 22.2.2018).

Ein 2017 beschlossenes Gesetz kriminalisiert Chaupadi, eine Praxis, welche Frauen und Mädchen während der Menstruation aus ihren Häusern in Schuppen oder isolierte Dunkelräume zwingt (HRW 18.1.2018). Doch wird diese Praxis in abgelegenen Gebieten mangels Durchsetzung weiter betrieben (HRW 17.1.2019; vgl. BBC 10.1.2019).

Quellen:

-AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Nepal, Nepal woman and children die in banned 'menstruation hut', https://www.bbc.com/news/world-asia-46823289, Zugriff 22.7.2019

- https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2018

-BBC - British Broadcasting Corporation (10.1.2019):

-BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002254.html, Zugriff 17.7.2019

-HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nepal, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/nepal, Zugriff 18.7.2019

-USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren, was sie anfälliger für Menschenhandel macht (USDOS 13.3.2019). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren, auch im Kathmandu-Tal, die teilweise auch gewaltsam durchgesetzt werden. Diese können das öffentliche Leben empfindlich stören und zu Behinderungen im Reiseverkehr führen (AA 28.5.2019).

Quellen:

-AA – Auswärtiges Amt (28.5.2019): Nepal – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 2.7.2019

-AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 18.7.2019

-USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019

Grundversorgung und Wirtschaft

Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2 und 5 Prozent. Die schweren Erdbeben vom April und Mai 2015 haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt. Nepal ist nach den Bürgerkriegsländern Jemen und Afghanistan das drittärmste Land Asiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Im multidimensionalen Armutsindex von wird die Armut der Bevölkerung allerdings minimal geringer eingeschätzt als beispielsweise auch in Bangladesch oder Myanmar. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima. Die subsistenz-orientierte Agrarwirtschaft erwirtschaftet mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen. Trotz einer rapiden Urbanisierung leben noch immer 81 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum. Der industrielle Sektor erholte sich 2016/17 und wuchs um 11 Prozent. Wichtige Impulse für das Baugewerbe gehen vom Wiederaufbau und den ins Auge gefassten Investitionen in Infrastrukturprojekte wie Straßen- und Kraftwerksbau aus. Die Überweisungen nepalesischer Auslandsmigranten machen geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP aus – ein im internationalen Vergleich sehr hoher Anteil. Positiv dürfte sich auswirken, dass eine Serie von Gesetzesprojekten zur Förderung von Auslandsinvestitionen und Binnenwirtschaft in Angriff genommen wurden. Zuwendungen aus der Entwicklungszusammenarbeit trugen in vergangenen Jahrzehnten einen substanziellen Teil zum nepalesischen Staatsbudget bei. Auch heute ist Nepal weitgehend von ausländischer Hilfe abhängig (AA 22.1.2019; vgl. GIZ 5.2019a).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3,2 Prozent), Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute 4 bis 5 Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten. Rund die Hälfte davon dürfte sich in Indien aufhalten. Der Rest vor allem in Malaysia, Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „Manpower Companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 6.2019b; vgl. AA 22.1.2019, GIZ 5.2019a, DR 25.4.2017).

Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 5.2019a).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).

Es wird trotz leichten Fortschritten von Zwangs- und Kinderarbeit berichtet (IHR 17.8.2018).

Quellen:

-AA – Auswärtiges Amt (22.1.2019): Nepal – Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221218, Zugriff 22.7.2019

-BTI – Bertelsmann Stiftung´s Transformation Index (2018): Nepal Country Report 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427466/488321_en.pdf, Zugriff 18.7.2019

-IHR – Informationsplattform humanrights.ch (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in Nepal, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/nepal/, Zugriff 19.7.2019

-DR – Domradio (25.4.2017): Zwei Jahre nach dem Erdbeben in Nepal – Schleppender Wiederaufbau, https://www.domradio.de/themen/weltkirche/2017-04-25/zwei-jahre-nach-dem-erdbeben-nepal, Zugriff 22.7.2019

-GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2019a): Nepal – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nepal/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 18.7.2019

-GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2019b): Nepal – Gesellschaft, https://www.liportal.de/nepal/gesellschaft/, Zugriff 18.7.2019

Rückkehr

Die Regierung gewährleistet nepalesischen Staatsbürgern Reisefreiheit, Emigration und die Rückkehr nach Nepal. Die Regierung arbeitet im Allgemeinen mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Bereitstellung von Schutz und Unterstützung für Asylwerber und Flüchtlinge zusammen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-USDOS – US Department of State (13.3.219): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004213.html, Zugriff 18.7.2019


2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft der Beschwerdeführer, zu ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, zur beruflichen Tätigkeit sowie zur familiären Situation im Heimatland und in Österreich beruhen auf den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020 sowie der im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunde der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers.

Dass die Beschwerdeführer in Nepal keine Probleme mit den dortigen Behörden bzw. auch keine Probleme aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer politischen Gesinnung und ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe hatten und im Falle einer Rückkehr diesbezüglich auch nichts zu befürchten hätten, ergibt sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020, wo beide übereinstimmend angeführt hätten, dass sie keine diesbezüglichen Probleme in Nepal hatten bzw. bei einer Rückkehr auch nicht zu erwarten hätten (siehe Verhandlungsprotokoll S. 10, 18 und 19).

Die Feststellungen zu den Integrationsbemühungen der Beschwerdeführer in Österreich ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020 und den diesbezüglich im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Deutschkursbestätigungen, dem Schreiben des Magistrats Stadt Salzburg vom 07.11.2014 sowie vom 12.08.2014, den beiden Empfehlungsschreiben, dem Arbeitsvorvertrag vom 30.05.2020 sowie den Bestätigungen des NRNA bezüglich der Mitgliedschaft des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Dass für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und den minderjährigen Viertbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden, bzw. dass die minderjährige Drittbeschwerdeführerin seit September 2019 den Kindergarten besucht, etwas Deutsch spricht sowie sie und der Viertbeschwerdeführer Nepali sprechen, ergibt sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass die Beschwerdeführer gesund sind, Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen und strafgerichtlich unbescholten sind, ergibt sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und in das österreichische Strafregister.

Die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt, da diese sehr widersprüchlich und darüber hinaus auch vage waren:

Vorab ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bereits als Personen unglaubwürdig sind, zumal diese im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu ihrer Identität getätigt haben. So gab der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.08.2013 an, dass er Staatsangehöriger aus Bhutan sei und am XXXX geboren sei. Die Zweitbeschwerdeführerin führte aus, dass sie am XXXX in Nepal geboren sei. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.01.2016 änderte der Erstbeschwerdeführer jedoch seine diesbezüglichen Angaben und führte nunmehr an, dass er bei der Erstbefragung sowohl eine falsche Staatsbürgerschaft als auch ein falsches Geburtsdatum angegeben habe. Er sei nicht Staatsangehöriger aus Bhutan, sondern nepalesischer Staatsangehöriger und am XXXX , und nicht am XXXX , geboren. Die Zweitbeschwerdeführerin führte hinsichtlich ihres Geburtsdatums an, dass sie in Nepal am XXXX geboren sei. Zur Bestätigung der nunmehrigen Angaben zum Geburtsdatum bzw. zur Staatsangehörigkeit des Erstbeschwerdeführers wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, diesbezügliche Dokumente vorzulegen. Die vom Erstbeschwerdeführer als auch von der Zweitbeschwerdeführerin daraufhin vorgelegten nepalesischen Führerscheine stellten sich jedoch nach einer Überprüfung durch die LPD Salzburg ebenfalls als Totalfälschungen heraus. Somit ist erkennbar, dass sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin im Lauf des Verfahrens nicht gewillt waren, wahrheitstreue Angaben zu ihrer Identität zu machen und versuchen diese offensichtlich, ihre Identität zu verschleiern.

Darüber hinaus war das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen auch nicht glaubhaft, da dieses sehr widersprüchlich war: So führte der Erstbeschwerdeführer noch im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.08.2013 zu seinen Fluchtgründen aus, dass die Eltern seiner Ehegattin mit der Hochzeit nicht einverstanden gewesen seien, da er keine Eltern gehabt habe. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.01.2016 gab der Erstbeschwerdeführer jedoch an, dass die Familie seiner Gattin gegen die Heirat gewesen sei, da seine Mutter und die Mutter der Ehegattin Schwestern gewesen seien. Zudem hätten die Eltern der Frau diese mit einem anderen Mann verheiraten wollen. Auch führte der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.01.2016 aus, dass er von den Brüdern seiner Ehegattin in Nepal geschlagen worden sei, während er im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020 angab, dass ein Cousin seiner Ehegattin versucht habe, den Beschwerdeführer vor der Hochzeit einmal anzugreifen (siehe Verhandlungsprotokoll S. 9). Ein weiterer Widerspruch hinsichtlich der Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin finden sich darin, dass diese im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übereinstimmend auf die Frage, ob sie versucht hätten, bei der Polizei oder anderen Behörden in Nepal Schutz zu erhalten, angaben, dass sie dies nicht gemacht hätten, da in Nepal „alles mit Geld gemacht“ werde. Außerdem würde die Polizei sie nicht verstehen und sie vielleicht sogar schlagen, zumal in der nepalesischen Gesellschaft eine Heirat zwischen zwei eng verwandten Personen tabu sei (siehe Einvernahmeprotokoll vom 14.01.2016, AS 67). Im Rahmen der Beschwerde führten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jedoch im Widerspruch dazu aus, dass sie sich wegen ihrer Probleme an die nepalesischen Behörden gewandt hätten, die Beschwerde jedoch nicht angenommen worden sei.

Weiters ist anzumerken, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin auch unterschiedliche Daten hinsichtlich ihres Kennenlernens vorgebracht haben. So führte der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020 aus, dass er die Zweitbeschwerdeführerin fünf bis sechs Monate vor der Heirat kennengelernt habe (siehe Verhandlungsprotokoll S. 8), während die Zweitbeschwerdeführerin auf diese Frage ausführte, dass sie den Erstbeschwerdeführer bereits im Jahr 2008 kennengelernt habe (siehe Verhandlungsprotokoll S. 18). Auch hinsichtlich der im Jahr 2010 stattgefundenen Hochzeit widersprachen sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin eklatant, zumal der Erstbeschwerdeführer diesbezüglich im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführte, dass bei der Eintragung der Ehe zwei Zeugen, und zwar zwei Freunde von ihm, dabei gewesen seien (siehe Verhandlungsprotokoll S. 7), während die Zweitbeschwerdeführerin angab, dass bei der Eintragung der Hochzeit keine Zeugen dabei gewesen seien (siehe Verhandlungsprotokoll S. 18).

Nur der Vollständigkeit halber ist auch noch anzumerken, dass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen nicht nur eklatant widersprüchlich, sondern auch sehr vage und wenig detailreich war.

Das erkennende Gericht geht sohin angesichts des eklatant widersprüchlichen Vorbringens des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in zentralen Punkten unter Einbeziehung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom Erstbeschwerdeführer und von der Zweitbeschwerdeführerin gewonnen persönlichen Eindrucks von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen und davon aus, dass die angeblichen (fluchtauslösenden) Ereignisse in der vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben und die behauptete Bedrohung für die Beschwerdeführer tatsächlich nicht besteht.

Die Feststellungen zur zukünftig erwartbaren (existenziellen) Situation der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrens und den obigen Länderfeststellungen. Sowohl im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin übereinstimmend an, dass ihre gesamten Familien in Nepal wohnen würden und alle eigene Häuser und Landwirtschaften besitzen würden, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nepal bei einen dieser Verwandten wieder Unterkunft und auch finanzielle Unterstützung finden können. Darüber hinaus sind der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jung, gesund und arbeitsfähig und ist die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorauszusetzen. Zudem hat der Erstbeschwerdeführer eine gute schulische und berufliche Ausbildung und auch viele Jahre in Nepal als Elektriker bzw. Schaffner in einem Bus gearbeitet bzw. besitzt die Zweitbeschwerdeführerin eine Ausbildung als Kosmetikerin, weshalb davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht in eine derart aussichtslose Lage geraten würden, die ihnen jegliche Existenzgrundlage entziehen würde.

Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die Beschwerdeführer nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuellen Berichte betreffend die Ausbreitung des COVID-19-Erregers, zumal die Beschwerdeführer weder aufgrund ihres Alters noch ihres Gesundheitszustandes in die Risikogruppe fallen. Nach dem aktuellen Wissensstand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf (Quelle: WHO).

2.2. Die Feststellungen zur Lage in Nepal beruhen auf den angeführten Quellen. Bei diesen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Nepal ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder, wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/-20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht „zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht“ (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat „nicht gewillt oder nicht in der Lage“ sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass den Beschwerdeführern in ihrem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht, zumal die Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen – wie unter Punkt 2.1. dargestellt – nicht glaubwürdig waren.

Auch aus der allgemeinen Lage in Nepal lässt sich für die Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht herleiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzuges der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wären, ist die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich des Status der Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abges

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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