Entscheidungsdatum
02.10.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
G307 2229880-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2020, Zahl XXXX und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX XXXX 2020, 14:05 Uhr, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 iVm mit § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.
II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei, sie von der Entrichtung der Eingabegebühr zu befreien, wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Kärnten, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am XXXX .2020 um 14:05 Uhr, wurde gegen diesen gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Sicherung der Abschiebung nach Nigeria angeordnet.
1.2. Mit dem am 25.05.2020 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingelangten und 24.03.2020 datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den Mandatsbescheid und gegen die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft.
Darin wurde beantragt, die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und dem BF die Bezahlung der Eingabegebühr im Rahmen der Verfahrenshilfe zu erlassen.
1.3. Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage wurde von der belangten Behörde noch am selben Tag der zugrunde liegende Verwaltungsakt übermittelt. Gleichzeitig wurde eine Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde erstattet sowie beantragt, das BVwG möge die Beschwerde als unbegründet abweisen, feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die beschwerdeführende Partei zum Ersatz der näher angeführten Kosten verpflichten.
1.4. Mit Erkenntnis des BVwG vom 26.03.2020, Zahl G307 2229880-1/3E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.), der BF zum Ersatz der dem Bund zustehenden Aufwendungen in der Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufgefordert (Spruchpunkt II.) und die Anträge des BF auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkt III.) sowie auf Befreiung von der Entrichtung von der Eingabegebühr, abgewiesen (Spruchpunkt IV.). Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG.
1.5. Mit Erkenntnis des BVwG vom 21.04.2020, Zahl G307 2229880-1/7Z wurde gemäß §22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 76 Abs. 6 FPG festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
1.6. Gegen diese beiden Erkenntnisse (Punkt 1.4. und 1.5.) wurde außerordentliche Revision erhoben.
1.7. Mit Erkenntnis des VwGH vom 16.07.2020, Zahl Ra 2020/21/0146 bis 0147-9 behob dieser (unter anderem) die beiden Entscheidungen des BVwG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.
1.8. Mit Schriftsatz vom 03.09.2020 gab der BF bekannt, dass er von nun an durch den im Spruch genannten Rechtsbeistand vertreten werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist nigerianischer Staatsangehöriger und ist ledig. Der BF besitzt einen nigerianischen Reisepass und eine am 28.02.2020 ausgestellte, bis zum 23.03.2021 gültige italienische Aufenthaltsbewilligung (permesso di soggiorno).
1.2. Der BF reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am XXXX .2020 um 04:30 Uhr von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge einer Personenkontrolle festgenommen. Eine Zurückschiebung an der Grenze fand trotz eines positiven EURODAC-Treffers für Italien nicht statt. Zu diesem Zeitpunkt war der BF im Besitz eines am 29.01.2016 ausgestellten und bis 18.02.2018 gültigen permesso di soggiorno. Des Weiteren führte er ein dahingehendes Verlängerungsdokument, dessen Ausstellungs- und Gültigkeitsdatum nicht bekannt ist sowie eine italienische Identitätskarte bei sich. Jedenfalls besaß der erwähnte Aufenthaltstitel damals eine Validität bis zum 18.02.2020. Das Bundesamt führte zu einer darüber hinausgehenden Gültigkeit der Aufenthaltsberechtigung in Italien keine weiteren Ermittlungen.
1.3. Beginnend mit 2015 befand sich der BF mehrmals in Österreich und kam den seitdem an ihn ergangenen Aufforderungen der österreichischen Fremdenbehörden, nach Italien zurückzukehren, bisher 2 Mal nach.
1.4. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Kärnten vom 23.03.2020, Zahl XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. iVm § 9 BFA-VG gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 53 Abs, 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 24.03.2020 zugestellt. Dieser Bescheid erwuchs am 25.04.2020 in Rechtskraft.
1.5. Der BF wird befand sich vom XXXX .2020 bis XXXX .2020 im XXXX in Schubhaft.
1.6. Mit Stand XXXX .2020 war der BF im Besitz von € 64,65
1.7. Der BF reiste am XXXX .2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vom Bundesamt durchgeführten Ermittlungsverfahren und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Der BF legte dem Bundesamt im Zuge seiner Anhaltung zum Beweis seiner Identität unter anderem einen am 03.01.2018 ausgestellten nigerianischen Reisepass, eine mit 28.12.2015 datierte italienische Identitätskarte sowie ein am 18.02.2016 ausgestelltes und bis zum 18.02.2018 gültiges „permesso di soggiorno“ vor, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. In den Effekten des BF ist unter anderem ein mit „1 Verlängerung permesso di soggiorno“ bezeichnetes Dokument angeführt, zu welchem die belangte Behörde keine Aussagen traf. Die Rückfrage beim Polizeikooperationszentrum XXXX ergab zwar eine Gültigkeit des permesso di soggiorno bis zumindest 18.02.2020. Das Bundesamt nahm jedoch von weiteren Erhebungen Abstand, welche Aufklärung über die aktuelle Gültigkeit des italienischen Aufenthaltstitels gegeben hätten. Wie das im Zuge des vorliegenden Verfahrens am 03.09.2020 vorgelegte Dokument zeigt, hatte der italienische Aufenthaltstitel auch zum Zeitpunkt der Anhaltung des BF am XXXX .2020 Gültigkeit. Darauf fanden sich als Ausstellungssdatum der 28.02.2020 und als Ablaufdatum der 23.03.2021
Die aktuellste wie auch die vormaligen freiwilligen Ausreisen aus dem Bundesgebiet ergeben sich aus dem Inhalt des den BF betreffenden Auszuges aus den Zentralen Fremdenregister. Ferner ist diesem die Rechtskraft des – unter anderem – die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot erlassenden Bescheides zu entnehmen.
Familienstand und bisherige Meldeadressen sowie Aufenthalte in Österreich sind den beiden Bescheiden des BFA (Mandatsbescheid zur Schubhaft und Rückkehrentscheidung/Einreiseverbot), dem auf den Namen des BF lautenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Aufenthaltsinformation des XXXX vom XXXX .2020 zu entnehmen.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit folgt dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Der Aufenthalt im AHZ Vordernberg ist aus dem Akteninhalt, insbesondere dem ZMR-Auszug des BF ersichtlich.
Der Aufgriff des BF und dessen unterlassene Zurückschiebung an der Grenze sind dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu entnehmen und wurde in der Beschwerde nicht bestritten.
Die Höhe des dem BF im Zuge der Haft zur Verfügung stehenden Betrages (€ 64,65) ist der Seite 3 der Vollzugsdateninformation vom 25.03.2020 zu entnehmen.
Die zum Aufenthaltsstatus des BF in Italien unterlassenen – weiteren – Nachforschungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und wurden auch vom VwGH im Anlasserkenntnis hervorgehoben. Den Erhebungen des BFA konnte nicht entnommen werden, ob der BF in Italien einen Verlängerungsantrag im Hinblick auf dessen „permesso di soggiorno“ gestellt hat. Auch tätigte die belangte Behörde zu der – Bestandteil seiner Effekten bildenden – „Verlängerung“ des permesso di soggiorno keine weiteren Nachforschungen und legte diese dem erkennenden Gericht nicht vor.
Vor dem Hintergrund der Deutlichkeit der im VwGH-Erkenntnis getroffenen Erwägungen konnte an dieser Stelle von weiteren Ermittlungsschritten seitens des erkennenden Gerichtes Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):
Der mit Schubhaft betitelte § 76 FPG lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:
„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).
3.2. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der BF verfügt über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.
Die belangte Behörde hat den vorliegenden Schubhaftbescheid § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt und zum Zweck der Sicherung der Abschiebung (nach Nigeria) erlassen.
3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem – diesem Fall – zugrundliegenden Erkenntnis erwogen:
Gemäß dem im vorliegenden Fall als Rechtsgrundlage herangezogenen § 76 Abs. 2 Z 2 FPG darf Schubhaft angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück des FPG (u.a. einer Rückkehrentscheidung) oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist. Gemäß § 76 Abs. 5 FPG gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab dem Zeitpunkt, in dem eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar wird, und wenn die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig erscheint, als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
16 Das BFA ging bei Erlassung des Schubhaftbescheides am XXXX 2020 davon aus, der Revisionswerber sei mangels der erforderlichen Dokumente unrechtmäßig in Österreich eingereist und halte sich hier unrechtmäßig auf. Das trifft vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG iVm Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen und Art. 6 Abs. 1 lit. b Schengener Grenzkodex im Ergebnis zu. Diese Bestimmungen verlangen im fallbezogenen Zusammenhang für die rechtmäßige Einreise und den rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, dass der Fremde entweder über einen gültigen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates (vgl. § 2 Abs. 4 Z 7 FPG) verfügt oder dass er im Besitz eines gültigen Visums ist. Beides traf unbestritten nicht zu. Demzufolge ging das BFA erkennbar davon aus, dass gegen den Revisionswerber - wie dann auch mit Bescheid vom 23. März 2020 vorgenommen - wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, die ihn gemäß § 52 Abs. 8 FPG in erster Linie zur Ausreise in den Herkunftsstaat Nigeria verpflichtet, zu erlassen sein werde. Zur Sicherung dieses Verfahrens und zur Sicherung der Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria wurde die gegenständliche Schubhaft angeordnet.
17 Allerdings normiert § 52 Abs. 6 FPG, dass sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben habe. Nur dann, wenn er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder wenn seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, wäre eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG zu erlassen. Das BFA ging im Schubhaftbescheid nicht vom Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung aus und es forderte den Revisionswerber vor der Schubhaftverhängung auch nicht auf, sich unverzüglich nach Italien zu begeben. Vielmehr unterstellte es offenbar, dass die genannte Bestimmung im vorliegenden Fall von vornherein nicht anzuwenden sei, weil die Befristung des dem Revisionswerber erteilten italienischen Aufenthaltstitels abgelaufen und das Verfahren über einen Antrag auf Verlängerung nach Auskunft der italienischen Polizeibehörde eingestellt worden sei. Die Richtigkeit dieser Auskunft musste vom BFA bei Anordnung der Schubhaft mittels Mandatsbescheides auf Basis der damals gegebenen Aktenlage nicht bezweifelt und deshalb zu diesem Zeitpunkt die Anwendbarkeit des § 52 Abs. 6 FPG nicht in Betracht gezogen werden.
18 Das gilt jedoch nicht für das BVwG in Bezug auf die mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis vom 21. April 2020 getroffene Feststellung über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft. Vielmehr hätte es im Hinblick auf das Vorbringen des Revisionswerbers in der Beschwerde vom 24. März 2020 zu einem Aufenthaltsrecht „nach dortigem Asylgesetz“ und dem näheren Vorbringen im Fristsetzungsantrag vom 18. April 2020 zum „Asylschutz in Italien“ und vor allem zur seiner Ansicht nach tatsächlich nicht erfolgten Einstellung des Verfahrens über seinen Antrag auf Verlängerung des erst kürzlich abgelaufenen humanitären Aufenthaltstitels ergänzender Ermittlungen des BVwG zum aktuellen aufenthaltsrechtlichen Status des Revisionswerbers in Italien bedurft, zumal sich das BFA damit auch im Bescheid vom 23. März 2020 (s. Rn. 4) nicht näher befasst hatte. Diesbezüglich hätte sich das BVwG nicht mit der schon vom XXXX 2020 datierenden kurzen Auskunft des PKZ XXXX begnügen dürfen. Schon deshalb - siehe im Übrigen aber auch noch die Erwägungen unter Rn. 23 - leidet das zweitangefochtene Erkenntnis vom 21. April 2020 an einem wesentlichen Ermittlungs- und Begründungsmangel (vgl. zur Einreise eines Drittstaatsangehörigen aus Deutschland mit abgelaufenem deutschen Aufenthaltstitel nach Stellung eines Verlängerungsantrages auch noch VwGH 28.5.2020, Ra 2020/21/0128, Rn. 15). Das macht die Revision zu Recht geltend. Auf die dort auch noch relevierte Frage der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft wegen derzeit nicht möglicher Abschiebungen nach Nigeria kommt es daher nicht mehr an. Gleiches gilt für die erstmals in der Beschwerde ins Treffen geführte und somit auch nur für den Fortsetzungsausspruch unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer ausreichenden Fluchtgefahr maßgebliche Frage des allfälligen Bestehens einer Wohnmöglichkeit des Revisionswerbers bei einem Freund in Wien.
19 Die Ausführungen in der vorstehenden Rn. 18 gelten sinngemäß auch für das drittangefochtene Erkenntnis vom 29. April 2020, in dem auf das Vorbringen in der zugrundeliegenden Beschwerde vom 22. April 2020 mit keinem Wort eingegangen wurde. Es wurde vom BVwG aber auch nicht über den primären Antrag, die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft im Zeitraum vom XXXX 2020 bis XXXX 2020 für rechtswidrig zu erklären, abgesprochen, obwohl betreffend diesen Zeitraum bisher noch keine Überprüfung stattgefunden hatte und die Beschwerde daher grundsätzlich zulässig war (siehe unter Bezugnahme auf VwGH 24.1.2013, 2012/21/0183, das Erkenntnis VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0111, Rn. 11 und 12, wonach nur dann von entschiedener Sache ausgegangen werden kann, wenn sich die spätere Beschwerde auf einen Zeitraum bezieht, über den bereits durch ein Erkenntnis des BVwG abgesprochen wurde). Mit dieser Entscheidung wurde das BVwG somit seiner Aufgabe, die Beschwerde unter Auseinandersetzung mit der dort vorgetragenen Begründung zur Gänze zu erledigen, überhaupt nicht gerecht, indem es - sogar unter Übernahme der im Erkenntnis vom 21. April 2020 offenbar irrtümlich und fallbezogen nicht passenden Zitierung des § 76 Abs. 6 FPG im Spruch - sein Erkenntnis unter ungeprüfter Verwendung von Begründungsteilen aus Vorerkenntnissen, in denen im Wesentlichen wiederum nur der Argumentation des BFA im Schubhaftbescheid vom XXXX 2020 gefolgt wurde, erstellte, ohne auf die weitere zeitliche Entwicklung und das mittlerweile erstattete Vorbringen des Revisionswerbers auch nur ansatzweise einzugehen. Dass in diesem Erkenntnis jede fallbezogene Auseinandersetzung fehlt, zeigt sich evident auch darin, dass in der Beweiswürdigung - trotz des gegenteiligen Vorbringens des Revisionswerbers im bisherigen Verfahren und in der Beschwerde vom 22. April 2020 zum Vorliegen eines Aufenthaltsrechts in Italien, zur Unzulässigkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit der durch die gegenständliche Schubhaft gesicherten Abschiebung nach Nigeria und zum Fehlen einer Fluchtgefahr - bloß auf den „glaubhaften und schlüssigen“ Verwaltungsakt verwiesen wurde. In diesem Sinn werden in der Revision vom 4. Mai 2020 zu den soeben angesprochenen Fragen im Ergebnis zutreffend Ermittlungs- und Begründungsmängel geltend gemacht.
20 In dieser Revision wird auf die Alternativbegründung in der Beschwerde vom 22. April 2020, die Schubhaft sei im Zeitraum XXXX 2020 bis XXXX 2020 schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil der (nach § 22a Abs. 3 iVm Abs. 2 BFA-VG) binnen einer Woche nach Vorlage der ersten Beschwerde (s. Rn. 5) vom BVwG vorzunehmende Abspruch betreffend die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft verspätet, nämlich mit dem erst am 22. April 2020 erlassenen Erkenntnis vom 21. April 2020, ergangen sei, nicht mehr zurückgekommen. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist aber klarzustellen, dass die dieser Ansicht zugrunde liegende Prämisse, der Schubhaftbescheid vom XXXX 2020 habe für diesen Zeitraum seine Wirksamkeit verloren, nicht zutrifft (vgl. im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung der Fristen nach § 22a Abs. 4 BFA-VG der Sache nach schon VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0181, Rn. 11). Er bildete vielmehr weiterhin den maßgeblichen Schubhafttitel. Die Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Revisionswerbers in diesem Zeitraum hängt demnach davon ab, ob der Schubhaftbescheid hierfür eine taugliche Grundlage darstellte. Die verspätete Entscheidung betreffend den Fortsetzungsausspruch kann somit auch nicht mit (gesonderter) Schubhaftbeschwerde an das BVwG erfolgreich geltend gemacht werden, sondern nur mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der gegebenenfalls eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit feststellt (vgl. etwa VfGH 25.2.2019, E 1633/2018, Punkt III.1. der Entscheidungsgründe). Nur der Fortsetzungsausspruch ist wegen seiner verspäteten Erlassung insoweit rechtswidrig, was aber nicht zu seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof führt, weil der Revisionswerber in Ansehung des Rechts auf fristgerechte Entscheidung durch eine Aufhebung nicht besser gestellt wäre (vgl. unter Bezugnahme auf VwGH 27.1.1995, 94/02/0392, in diesem Sinn schon das Erkenntnis VwGH 26.4.2002, 99/02/0034). Deshalb beschränkt sich auch der Verfassungsgerichtshof - worauf der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen auch Bezug nahm - in diesen Fällen auf die Feststellung der Rechtsverletzung und hebt den verspätet ergangenen Fortsetzungsausspruchs nicht auf, weil - so der Verfassungsgerichtshof - durch eine solche Aufhebung die Rechtsverletzung nicht beseitigt, sondern insoweit sogar verschärft werden könnte, als die im fortgesetzten Verfahren vor dem BVwG ergehende Entscheidung nur noch später ergehen könnte (vgl. nochmals VfGH 25.2.2019, E 1633/2018, aaO.). Vor allem käme die Aufhebung eines Fortsetzungsausspruchs durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aber nur dann in Betracht, wenn diese Entscheidung außer wegen ihrer nicht fristgerechten Erlassung mit einer sonstigen Rechtswidrigkeit belastet ist (vgl. zu einer solchen Konstellation VfGH 30.6.2015, E 1629/2014, insbesondere Punkt II.1.6 bis II.1.8. der Entscheidungsgründe, wo zwar eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit festgestellt wurde, weil der Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nicht binnen einer Woche ergangen war, jedoch vom Verfassungsgerichtshof weiters ausgesprochen wurde, der Beschwerdeführer sei im Übrigen durch diesen Ausspruch weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden, weshalb die Beschwerde insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten werde, und dieser somit im Rechtsbestand verbliebene Ausspruch dann infolge einer Revision mit dem Erkenntnis VwGH 12.11.2015, Ro 2015/21/0036, aus einem anderen Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde; siehe auch dazu nochmals VfGH 25.2.2019, E 1633/2018, Punkt III.1. und III.2. der Entscheidungsgründe). Auch ein verspätet erlassener Fortsetzungsausspruch stellt daher - soweit er nicht an einem weiteren Mangel leidet - einen tauglichen Schubhafttitel dar. Keinesfalls hat aber die wegen der nicht fristgerechten Erlassung bestehende Rechtswidrigkeit des Fortsetzungsausspruchs zur Folge, dass die Anhaltung in Schubhaft in jenem Zeitraum, in dem die Fristüberschreitung vorlag, per se rechtswidrig war. Das hängt - wie erwähnt - von der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides bzw. eines anderen davor ergangenen Schubhafttitels ab (vgl. zum Ganzen auch noch Kopetzki in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz. 48 zu Art. 6 PersFrG, sowie VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0163, Rn. 18, betreffend einen verspäteten Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 4 BFA-VG).
21 Im vorliegenden Fall erweist sich - ungeachtet der Ausführungen unter Rn. 17 am Ende - aber auch der vom BFA erlassene Schubhaftbescheid vom XXXX 2020 letztlich als mangelhaft begründet und es sind damit auch die Abweisung der Beschwerde vom 24. März 2020 mit Spruchpunkt A.I. und die diesbezüglichen Kostenentscheidungen in den Spruchpunkten A.II. und A.III. des erstangefochtenen Erkenntnisses des BVwG vom 26. März 2020 rechtswidrig. Das BFA hätte nämlich die Bestimmung des § 52 Abs. 7 FPG, mit dem Art. 6 Abs. 3 der RückführungsRL (Richtlinie 2008/115/EG) umgesetzt wurde, in seine Überlegungen einbeziehen müssen. Danach ist von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 FPG vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll. Fallbezogen lag die in § 45 Abs. 1 Z 1 FPG geregelte Konstellation vor, wonach Fremde von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Landespolizeidirektion zur Rückkehr in einen Mitgliedstaat verhalten werden können (Zurückschiebung), wenn sie nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sind und binnen vierzehn Tagen betreten werden. Demzufolge wäre das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Übernahme von Personen an der Grenze, BGBl. III Nr. 160/1998, in den Blick zu nehmen gewesen. Nach dessen Art. 2 Abs. 1 übernimmt nämlich jede Vertragspartei auf Ersuchen der anderen Vertragspartei auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, welche nicht oder nicht mehr die auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei (hier: Österreich) gültigen Bedingungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllen, sofern nachgewiesen wird, dass diese Staatsangehörigen in das Gebiet dieser Vertragspartei eingereist sind, nachdem sie sich auf dem Gebiet der ersuchten Vertragspartei (hier: Italien) aufgehalten haben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen war im gegenständlichen Fall unstrittig gegeben.
22 Demzufolge hätte vorrangig eine Zurückschiebung des Revisionswerbers anstelle der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und anstelle der Schubhaftverhängung zu dessen Sicherung in Betracht gezogen werden müssen. Dem Schubhaftbescheid kann aber nicht entnommen werden, weshalb diese Vorgangsweise - deren Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG entgegengestanden wäre - nicht in Frage gekommen sei. Es fehlt somit eine Begründung, weshalb trotz der offenbar gegebenen Möglichkeit einer Zurückschiebung des Revisionswerbers nach Italien die verhängte Schubhaft zur Sicherung (letztlich) einer Abschiebung nach Nigeria als notwendig im Sinne des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angesehen wurde.
23 Nun ergibt sich zwar aus dem polizeilichen Bericht über die Festnahme des Revisionswerbers, dass in Bezug auf seine Person ein „Eurodac-Treffer“ für Italien ausgewiesen sei. Deshalb sei die Festnahme in der Folge auf § 40 BFA-VG - offenbar auf den Tatbestand des Abs. 1 Z 3 dieser Bestimmung (Festnahme eines Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG, in dem insbesondere die Zurückschiebung geregelt ist, fällt) - mit dem Zweck der Vorführung vor das BFA gestützt worden (vgl. Rn. 1). In Anbetracht eines solchen - aus den vorgelegten Akten allerdings nicht ersichtlichen - „Eurodac-Treffers“ hätte sich dann aber die vom BFA im Schubhaftbescheid ebenfalls nicht erörterte und vom BVwG auch nicht erkannte Frage gestellt, weshalb das BFA kein Verfahren nach der Dublin III-VO in Betracht zog, zu dessen Sicherung durch Schubhaft jedoch die Voraussetzungen des Tatbestandes nach der Z 3 des § 76 Abs. 2 FPG iVm Art. 28 Dublin III-VO hätten erfüllt sein müssen.
24 Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage des Vorliegens einer die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft rechtfertigenden Fluchtgefahr nicht weiter eingegangen werden. Es kann aber nicht unerwähnt bleiben, dass der in diesem Zusammenhang vom BFA im Schubhaftbescheid vom XXXX 2020 erhobene Vorwurf, der Revisionswerber habe sich in Österreich „bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes“ aufgehalten, angesichts seiner kurz nach der Einreise erfolgten Festnahme jedenfalls nicht tragfähig ist. Gleiches gilt für das Argument des BVwG in allen angefochtenen Erkenntnissen, der Revisionswerber habe dem BFA „trotz abgelaufener italienischer Aufenthaltsberechtigung seinen aktuellen Aufenthalt in Österreich“ nicht mitgeteilt und sich nicht angemeldet.
25 Insgesamt ergibt sich somit, dass die drei angefochtenen Erkenntnisse (im bekämpften Umfang) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben waren.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist nicht vom Vorliegen einer – ex ante zu beurteilenden – Fluchtgefahr auszugehen:
Schon die vormaligen freiwilligen Ausreisen des BF im Zuge vergangener Anhaltungen zeigen, dass er sich grundsätzlich an behördliche Verfügungen gehalten hat. Insbesondere jedoch die zu den Nummern 21, 23 und 24 seitens des VwGH in seinem Erkenntnis geäußerten Bemerkungen legen das Fehlen einer Fluchtgefahr nahe. So wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesamt von einer Einbeziehung des § 52 Abs. 7 FPG in seine Betrachtung Abstand genommen und das sich aus dieser Norm ergebende Gebot missachtet hat. Ferner wäre die Einleitung eines – der Schubhaft vorzuziehenden – Dublin-III-VO-Verfahrens nahegelegen, wobei die Erlassung der Schubhaft in einem solchen Fall nur dann zulässig gewesen wäre, wenn die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 3 iVm Art 28 Dublin-III-VO vorgelegen wären. Zudem geht der (die Fluchtgefahr aus der Sicht der belangten Behörde verstärkende) Vorwurf, der BF habe sich im Bundesgebiet nicht angemeldet, ins Leere, hat dieser dazu zum Zeitpunkt seiner Anhaltung gar keine Möglichkeit gehabt. Schließlich besaß der BF zum Zeitpunkt seiner Anhaltung einen italienischen Aufenthaltstitel.
Aus den eben dargelegten Umständen erwies sich die Erlassung des Schubhaftbescheides und die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft als unverhältnismäßig.
3.4. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:
"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
Der Beschwerde war zwar aufgrund der Rechtswidrigkeit der Anhaltung stattzugeben. Der BF stellte jedoch weder in der Schubhaftbeschwerde noch vor Erlassung des ursprünglichen, diesbezüglichen Erkenntnisses des BVwG einen Antrag auf Ersatz der Kosten iSd § 35 Abs. 7 VwGVG, sondern nur einen solchen auf Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr. In Ermangelung eines derartigen Begehrens waren dem BF keine Kosten zuzusprechen.
Die Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr scheitert jedoch an Bescheinigungsmitteln (etwa der Vorlage eines Vermögensverzeichnisses), welche die Mittellosigkeit des BF dargelegt hätten. Zudem hatte der BF – wie oben erwähnt – während seiner Anhaltung € 64,65 zur Verfügung.
Da die belangte Behörde unterlegene Partei ist, waren ihr ebenso keine Kosten zuzusprechen.
3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Kostenersatz Mandatsbescheid mangelnder Anknüpfungspunkt Mitgliedstaat Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit Schubhaft Schubhaftbeschwerde VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2229880.1.02Im RIS seit
09.12.2020Zuletzt aktualisiert am
09.12.2020