Entscheidungsdatum
08.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G307 2122213-2/9E
G307 2122212-2/9E
G307 2122210-2/9E
G307 2122211-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des XXXX , geb. am XXXX , 2. der XXXX , geb. am XXXX , 3. der XXXX , geb. am XXXX sowie 4. des XXXX , geb. am XXXX , alle StA.: Irak, die letzten beiden gesetzlich vertreten durch die Mutter, alle rechtlich vertreten durch die RAe Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER in 6020 Innsbruck, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zahlen XXXX ,
XXXX , XXXX sowie XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird den Erst- bis Viertbeschwerdeführern jeweils der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird den Erst- bis Viertbeschwerdeführerin jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerden werden die jeweiligen Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1 bis BF4) stellten am 13.08.2015 jeweils einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, wobei BF2 diesen für ihre beiden Kinder (BF3 und BF4) einbrachte.
Am selben Tag fanden vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Polizeianhaltezentrums des Stadpolizeikommandos Linz die polizeilichen Erstbefragungen von BF1 und BF2 zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz statt.
2. Mit Schriftsatz der im Spruch angeführten Rechtsvertretung (RV) vom 15.02.2016 brachten BF1 und BF2 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein, welche mit Erkenntnis des BVwG vom 02.03.2016, Zahlen L502 2122210-1/3E und L502 2122210-1/3, als unbegründet abgewiesen wurden. Im Wesentlichen wurde diese Entscheidung mit einer notorischen Überlastung des BFA begründet, wobei diesem kein Verschulden an der Nichterledigung der Anträge vorzuwerfen gewesen sei.
3. Am 07.11.2017 wurden BF1 und BF2 von einem Organ des BFA, Regionaldirektion Tirol, zu ihren Fluchtgründen, der Fluchtroute und ihren wie den persönlichen Verhältnissen von BF 3 und BF4 einvernommen.
4. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes vom 20.12.2017 wurden deren Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
5. Mit den (wohl irrtümlich) am 18.12.2018 datierten und beim Bundesamt per E-Mail am 16.01.2018 einlangenden Schriftsätzen erhoben die BF gemeinsam durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde Folge zu geben und den BF den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu subsidiären Schutz zuzuerkennen, in eventu humanitäre Aufenthaltstitel zuzuerkennen sowie in eventu die Bescheide aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlicher Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Die gegenständlichen Beschwerden und die zugehörigen Verwaltungsakte wurden vom Bundesamt am 17.01.2018 vorgelegt und langten am 18.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Am 11.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher alle BF sowie eine Subsitutin ihrer RV teilnahmen und eine Dolmetscherin der Sprache Arabisch beigezogen wurde.
7. Im Zuge dieser Verhandlung wurde den BF nochmals Parteiengehör zur Situation im Irak eingeräumt, wozu die BF mit Schriftsatz vom 25.09.2020, beim BVwG eingelangt am selben Tag, nochmals Stellung bezogen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF führen die im Spruch jeweils angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), sind irakische Staatsbürger, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum sunnitischen Islam. Deren Muttersprache ist Arabisch.
BF1 ist mit BF2 verheiratet und sind beide Eltern der BF3 und des BF4. Alle BF leben im gemeinsamen Haushalt.
Die BF verließen den Irak von Baghdad aus am 25.07.2015 per Flugzeug nach Istanbul. Von dort begaben sie sich mit dem Schlauchboot am 30.07.2015 nach Griechenland und sodann zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Österreich, wo sie am 13.08.2015 die gegenständlichen Anträge stellten. Die Kosten für die Schleppung von der Türkei nach Österreich betrugen rund US $ 30.000,00. Diese Summe finanzierten die BF durch den Verkauf von Gold, des Fahrzeugs der Familie, finanzielle Unterstützung des Bruders und des Ersparten.
1.2. Zu den einzelnen BF:
1.2.1. BF1 besuchte im Irak von 1970 bis 1985 15 Jahre lang die Grund- und Mittelschule samt Oberstufe. Von 1985 bis 1991 studierte er (Betriebs-)Wirtschaft und spezialisierte sich auf den Zweig Hotellerie/Gastronomie/Tourismus. Von 1993 bis 2002 war BF1 selbständig und führte einen Supermarkt. Ab 2002 (bis 2015) war er als stellvertretender Lagerleiter im Handelsministerium tätig. Dort wurden Reifen, Elektronik und Lebensmittel verwahrt. Für diese Tätigkeit erhielt BF1 rund US $ 1.200,00 im Monat. Zudem lukrierte BF1 weitere monatliche Einnahmen in der gleichen Höhe, sodass sein monatliches Einkommen während rund US $ 2.400,00 betrug.
Der Vater von BF1 besaß 4 Geschäfte und 2 Wohnungen, welche ursprünglich vermietet wurden. Durch den Tod des Vaters erbten BF1 und sein Bruder diese Immobilien. Nach dem Verkauf eines Hauses gab dieser Bruder Angehörigen einer Miliz Geld, das er und BF1 erspart hatten, wobei Milizen zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Schüsse auf dieses Haus abfeuerten. BF1 selbst besitzt im Irak noch ein Haus, in dem sich zuvor Geschäfte befanden.
BF1 besuchte vom 01.12.2016 bis 15.06.2016 den Deutsch-Vorkurs „A0“ im Ausmaß von 40 Unterrichtseinheiten der XXXX . Dem folgte ein weiterer Kurs in derselben Einrichtung vom 15.06.2016 bis 23.12.2016 des Niveaus „A1/1“ im Ausmaß von 35 Unterrichtseinheiten. Vom 02.10.2017 bis 09.11.2017 absolvierte er einen 51 Unterrichtseinheiten andauernden Deutschkurs „Grundstufe A1 Deutsch für Anfänger“ an der Volkshochschule XXXX . Daran schlossen sich ein Deutschkurs „A1/2“ vom 13.11.2017 bis 14.12.2017, „A1/3“ vom 15.01.2018 bis 22.02.2018, „A2/1“ vom 05.03.2018 bis 18.04.2018, „A2/2“ vom 24.03.2018 bis 30.05.2018 jeweils im Ausmaß von 50 Unterrichtseinheiten zu je 50 min in derselben Institution an. Zudem absolvierte er vom 05.03.2018 bis 31.07.2018 den von XXXX des XXXX ehrenamtlich angebotenen, 45 Einheiten umfassenden Kurs „Einstieg in die deutsche Sprache für Erwachsene“. Dort nahm er von August 2018 bis Dezember 2018 an einem weiteren Deutschkurs im Ausmaß von 36 Einheiten teil. Außerdem belegte er vom 18.02.2018 bis 14.02.2019 einen bei der XXXX auf dem Niveau „A1“ im Ausmaß von 150 Unterrichtseinheiten sowie anschließend vom 15.02.2019 bis 18.12.2019 einen dort weiters abgehaltenen Deutschkurs des Niveaus „A1/A2 binnendifferenziert“ im Ausmaß von 300 Unterrichtseinheiten. Am 03.11.2017 belegte BF1 den Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds in Innsbruck. BF1 ist im Besitz eines Arbeitsvorvertrages mit XXXX , Inhaber des Lokals „ XXXX “, in XXXX , wonach er dort als Küchengehilfe im Vollzeitbeschäftigungsausmaß zu einem monatlichen Bruttolohn von € 1.570,00 beginnen könnte.
1.2.2. BF2 besuchte von 1974 bis 1987 die Grund-, danach 7 Jahre lang die Mittelschule samt Oberstufe in Baghdad. Danach studierte sie von 1999 bis 2003 in Baghdad Biologie und schloss dieses Studium erfolgreich ab. Danach übte sie keinen Beruf aus und war Hausfrau.
BF2 belegte vom 05.03.2018 bis 31.07.2018 den 45 Einheiten umfassenden und von XXXX des Flüchtlingsheims XXXX ehrenamtlich veranstalteten, 45 Einheiten umfassenden Kurs „Einstieg in die deutsche Sprache für Erwachsene“. Dort absolvierte sie im Anschluss weitere Deutschkurse von August 2018 bis Jänner 2019 (Niveau A1/47 Einheiten) sowie von Februr 2019 bis Juni 2019 (Niveau A1/A2 18,5 Einheiten). Des Weiteren besuchte sie vom 18.01.2019 bis 14.02.2019 einen Deutschkurs (Niveau A1) der XXXX k im Ausmaß von 9 Unterrichtseinheiten. Vom 15.02.2019 bis 18.12.2019 nahm sie am Deutschkurs „A1/A2-binnendifferenziert“ im Ausmaß von 300 Unterrichtseinheiten teil. Seit 14.10.2017 nahm sie – zumindst bis 01.12.2017 – am 10wöchigen Programm für Mutterschulen des unten erwähnten Vereins „ XXXX “ XXXX teil. Seit Anfang des Jahres 2018 engagiert sich BF2 für den Verein „ XXXX “ in XXXX , in dem sie das „Frauen-Cafe“ wöchentlich besucht, wobei sie an kreativen Workshops, Sprachkursen sowie Präventionsmaßnahmen für Herz-Kreislauf-Gesundheit mitwirkt. Abgesehen davon nahm sie an der von der XXXX von 22.11.2017 bis 06.12.2017 (Strukturmodul 4; 5 von 5 Unterrichtseinheiten), 04.09.2017 bis 02.10.2017 (Strukturmodul 2; 6 von 9 Unterrichtseinheiten) und 04.10.2017 bis 20.11.2017 (Strukturmodul 3; 9 von 13 Unterrichtseinheiten) organisierten Verantstaltungen teil. Am 03.11.2017 absolvierte sie einen vom XXXX veranstalteten Werte- und Orientierungskurs.
Für BF2 (wie auch für BF1) besteht eine nicht näher umschriebene Vollzeit-Einstellungszusage im Restaurant XXXX in XXXX , unter der Voraussetzung, dass ihrerseits die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt vorlägen.
Bis dato waren BF1 und BF2 im Bundesgebiet noch nicht legal beschäftigt.
1.2.3. BF3 besuchte im Irak 5 Jahre lang die Grundschule. Aktuell besucht sie die Handelsakademie, davor die Polytechnische Lehrschule in XXXX . In ihrer Freizeit schwimmt sie gerne und trifft sich mit Freunden im Park.
1.2.4. BF4 besuchte im Irak 3 Jahre lang die Grundschule. Derzeit besucht er die Neue Mittelschule „ XXXX “ in XXXX . In seiner Freizeit betreibt er Taekwondo und beschäftigt sich mit seinem Mobiltelefon.
BF 4 leidet an einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität mit emotionaler Überlagerung sowie an einer Anpassungsstörung mit beeinträchtigten affektiven Qualitäten (Versagungsängsten). Hiedurch ist er Schwierigkeiten in Konzentration und Aufmerksamkeit ausgesetzt. Diesbezüglich ist er – zumindest seit dem 03.10.2018 – bei XXXX in laufender Behandlung.
Zum Fluchtvorbringen:
Im Mai 2015 wandte sich ein kurz vor der Pension stehender Lagermitarbeiter des BF1 – er war als Staplerfahrer eingesetzt – an diesen und meldete Fehlbestände. Die zusammen mit zwei weiteren Berufskollegen angestellten Recherechen des BF1 ergaben ein Warenmanko im Wert von rund US $ 45.000,00. Daraufhin verständigte er das Ministerium, welches eine dahingehende Untersuchungskommission einsetzte, die aber einen ordungsgemäßen Lagerstand bestätigte. Daraufhin kontrollierte BF1 den Warenstand neuerlich selbst, worauf sich im Mai 2015 ein Brief unter seinem Kalender befand, worin sinngemäß festgehalten wurde, er als Sunnit solle sich nicht um das Lager kümmern, sonst werde er „Schlechtes“ erleben. Diesen Vorfall nahm BF1 nicht ernst, meldete ihn seinem Vorgsetzten und zugleich ehemaligem Lagerleiter, der ihm zusagte, dagegen etwas zu unternehmen. In der Folge nahm BF1 den Inhalt dieses Schreiben nicht mehr ernst. Am 24.06.2015 fand er in einem Akt auf seinem Schreibtisch einen weiteren Drohbrief vor, in dem ihm mit dem Tod gedroht wurde, weil er nicht auf den Inhalt des ersten Schreibens „gehört“ habe. BF1 vermutete den Absender in XXXX , einem Mitarbeiter des Lagers und Inhaber einer führenden Positon der schiitischen Asaib al Alhaq Miliz. Tatsächlich bekannte sich der Verfasser jedoch in dem Drohbrief nicht. Über dieses Geschehnis setzte BF1 den Direktor des Lagers in Kennntnis, der ihm vorschlug, eine Woche Urlaub zu nehmen. Er meldete sich jedoch innerhalb dieser Zeitspanne nicht beim BF1, der wiederum seinerseits von einer Kontaktaufnahme zum Direktor Abstand nahm und sich seiner SIM-Karte entledigte.
BF1 verließ das Lager an dem Tag, an dem er den zweiten Brief vorgefunden hatte, erzählte BF2 vom zweiten Drohbrief und verzogen die BF sogleich in das Haus der Schwester des BF1 nach Neu-Baghdad. Einer (weiteren), zum Zeitpunkt der Ausreise zeitnahen, persönlichen Bedrohung oder einem körperlichen Übergriff waren weder BF1 noch die anderen Famililenmitglieder ausgesetzt.
In zeitlich engem Zusammenhang fand sich auf dem Zaun des Nachbarhauses der Familie der BF eine Inschrift, auf welchem eine in roter Schrift gehaltene Markierung mit den Worten „Es wird Blut verlangt“ fand. Eine Woche vor dem Anbringen der Schrift wurde der Nachbar der BF-Familie entführt und kehrte nicht mehr zurück.
Der Bruder des BF1 zog mit seiner Familie im Feburar 2019 nach Erbil, wo er sich nach wie vor aufhält. Eine Schwester des BF1, welche als Ärztin arbeitet, hält sich seit Februar 2019 mit ihrem Sohn (Neffe des BF1) in den USA auf (Michigan). Ein weiterer Bruder des BF begab sich mit seiner Frau und der Tochter in die Türkei, wo sie Aufenthaltsberechtigungen bis zumindest zum 27.07.2021 besitzen.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung durch schiitische Milizen oder von staatlicher Seite ausgesetzt wären. Im Ergebnis erweist sich das Vorbringen der BF in weiten Zügen als glaubhaft, jedoch als nicht asylrelevant. Darauf wird noch näher in der rechtlichen Beurteilung einzugehen sein.
1.3. Alle BF sind strafrechtlich unbescholten, leben derzeit von Mitteln aus der staatlichen Grundversorgung, sind (bis auf BF4) gesund und arbeitsfähig.
1.4. Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:
Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung herangezogenen, relevanten Länderberichte samt den angeführten Quellen sowie die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.09.2020 darüber hinaus in das Verfahren eingeführten aktuellen Zeitungsartikel jeweils zur allgemeinen Sicherheitslage in Bagdad auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.
Daraus ergibt sich:
Aus den im Zuge der mündlichen Verhandlung am 01.09.2020 seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgelegten Zeitungsberichten ergibt sich zusammengefasst:
Aktuelle Entwicklungen:
Bei einem amerikanischen Bombenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad, nahe dem Flughafen, wurde am 02.01.2020 der Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigaden, General Qassem Soleimani, getötet, woraufhin der Iran Vergeltung ankündigte. Auch die schiitischen Milizen im Irak drohten den Vereinigten Staaten mit Vergeltung. Der einflussreiche Milizenführer Kais al-Khasali sagte, im Gegenzug für das vergossene Blut würden das Ende der amerikanischen Militärpräsenz im Irak und die Zerstörung Israels kommen. Der Chef der irantreuen Miliz Asaib Ahl al-Hak rief seine Kämpfer außerdem dazu auf, bereit zu sein, da die nächsten Tage „eine baldige Eroberung und einen großen Sieg“ bringen würden. Der Kleriker Muqtada al Sadr wies seine Anhänger an, für den „Schutz des Iraks“ bereit zu sein. Die Tötung Soleimanis und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis sei ein Schlag gegen den Dschihad (Heiligen Krieg) und den „revolutionären Geist“ gewesen, schrieb er auf Twitter. (FAZ 03.01.2020)
In den vergangenen Wochen sind im Irak mehrfach Raketen in der Nähe von Stützpunkten eingeschlagen, an denen Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika stationiert sind. Davon war auch Balad getroffen. Zuletzt sind auf der von amerikanischen Truppen genutzten Luftwaffenbasis Balad im Irak, 80 km von Bagdad entfernt, neun Mörsergranaten eingeschlagen. Die Geschütze, Katjuscha-Raketen, haben das Rollfeld sowie den Eingangsbereich getroffen. Der Verdacht richtet sich meistens gegen schiitische Milizen, die mit dem Nachbarland Iran verbündet sind. Auch im Stadtzentrum von Bagdad schlugen zuletzt mehrfach Raketen ein. Einige davon landeten in oder nahe dem Regierungsviertel, in dem unter anderem die Botschaft Amerikas liegt. Berichte über Verletzte gab es dabei nicht. (FAZ 12.01.2020)
Die Lage im Irak ist seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch einen Luftangriff der Vereinigten Staaten und einen Vergeltungsschlag des Irans gegen amerikanisch genutzte Militärstützpunkte sehr angespannt. Schiitische Milizen haben Vergeltung angekündigt für die Tötung Soleimanis und eines hohen irakischen Milizenführers, der bei dem amerikanischen Angriff ebenfalls ums Leben kam. (FAZ 12.01.2020)
Die US-Botschaft in Bagdad war am Dienstag von Tausenden proiranischen Demonstranten attackiert worden, bevor die USA den iranischen General Kassem Soleimani nahe dem Flughafen von Bagdad gezielt töteten. Das Pentagon teilte mit, der Angriff sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern – der Iran kündigte daraufhin „Rache“ an. (ORF.at 04.01.2020)
Die proiranischen Hisbollah-Brigaden im Irak haben die irakischen Truppen und Sicherheitskräfte aufgefordert, sich von US-Soldaten auf Stützpunkten im Irak zu entfernen. „Wir fordern die Sicherheitskräfte im Land auf, sich ab Sonntag um 17.00 Uhr (15.00 Uhr MEZ) mindestens 1.000 Meter von US-Stützpunkten zu entfernen“, teilte die Gruppe am Samstag mit. (orf.at 04.01.2020)
Die USA verlegen wegen der neuen Spannungen zusätzlich mehrere tausend Soldaten in die Region. Sie würden angesichts der gestiegenen Bedrohungslage als „Vorsichtsmaßnahme“ im Nachbarland Kuwait stationiert, hieß es am Freitag aus dem US-Verteidigungsministerium. Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge handelte es sich um bis zu 3.500 Soldaten. Das Pentagon nannte bisher keine genaue Zahl. (ORF.at 04.01.2020)
In der Region wächst unterdessen die Befürchtung einer Eskalation des Konflikts. (ORF.at 04.01.2020)
Angesichts der angespannten Lage setzte die NATO die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte vorübergehend aus. Die NATO-Mission werde jedoch fortgesetzt, sagte ein Sprecher des Bündnisses am Samstag. Die Mission umfasst mehrere hundert Soldaten. Auf Bitten Bagdads ist die NATO seit Oktober 2018 an der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte beteiligt, um eine Rückkehr der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu verhindern. Die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition entschied unterdessen, die Sicherheitsmaßnahmen für die im Irak stationierten internationalen Truppen zu verschärfen und ihre Einsätze „einzuschränken“. Oberste Priorität habe der Schutz der Koalitionsstreitkräfte, sagte ein Vertreter der US-Streitkräfte der Nachrichtenagentur AFP am Samstag. (ORF.at 04.01.2020)
Kämpfer und Anhänger der proiranischen Milizen waren am Dienstag zum amerikanischen Botschaftsgelände in Bagdad vorgedrungen. Bei den folgenden Zusammenstößen zwischen amerikanischen Sicherheitskräften und Kämpfern der Milizen wurden dutzende Menschen verletzt. Amerikas Außenminister Mike Pompeo warf al Muhandis vor, hinter der Attacke auf die Botschaft zu stecken. Die Tötung Soleimanis rief am Freitag international Befürchtungen vor einer Gewalteskalation in der Golfregion hervor. (FAZ 04.01.2020)
Quellen:
- Raketenangriff auf Luftwaffenstützpunkt nahe Bagdad, in Frankfurter Allgemeine, 12.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/irak-raketenangriff-auf-us-stuetzpunkt-nahe-bagdad-16578012.html, (abgerufen am 24.01.2020)
- Raketen treffen Bagdad und US-Stützpunkt, in News ORF.at, 04.01.2020, https://orf.at/stories/3149762/ (abgerufen am 24.01.2020)
- Weiterer Angriff auf Milizen im Irak gemeldet, in Frankfurter Allgemeine, 04.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/weiterer-angriff-auf-milizen-im-irak-gemeldet-16564868.html?service=printPreview, (abgerufen am 24.01.2020)
- Dynamit in ein Pulverfass, in Frankfurter Allgemeine, 03.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/angriff-in-irak-reaktionen-auf-toetung-von-qassem-soleimani-16563393.html, (abgerufen am 24.01.2020)
Aus dem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2020 übermittelten Konvolut von Länderberichten ergibt sich:
„1. Sicherheitslage:
1.1. Allgemeine Sicherheitslage:
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/de/dokument/1437719.html, Zugriff 19.07.2018
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- CRS – Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018
- MIGRI – Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018
1.2. Islamischer Staat (IS):
1.2.1. Islamischer Staat – Stand LIB vom 20.11.2018:
Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).
Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).
Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).
Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).
Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).
Quellen:
- Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- CRS – Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018
- ISW – Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS‘s Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018
- Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://jamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/, Zugriff 30.10.2018
- Joel Wing – Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding- in.html, Zugriff 30.10.2018
- Joel Wing – Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018
- Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018
- WP – Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback-in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf_story.html?noredirect=on&utm_term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018
1.2.2. Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 09.04.2019:
Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).
Quellen:
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2013286.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq_security_situation.pdf, 13.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018 , https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019
1.2.3. Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:
Die folgende Karte des Institute for the Study of War (ISW) weist neben Unterstützungszonen des islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien auch Gebiete aus, in denen Angriffe und Manöver vom IS ausgeführt wurden, sowie Gebiete, in denen Änderungen in der Vorgehensweise des IS beobachtet wurden. Weiters werden Gebiete, die sowohl von der kurdischen Regionalregierung als auch von der irakischen Zentralregierung für sich beansprucht werden (die sogenannten „umstrittenen Gebiete") dargestellt (in grau schattierten Linien).
ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine „Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es „Lücken“ zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).
Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).
Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).
Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).
Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane‘s 1.5.2019).
Quellen:
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 18.6.2019
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview – Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june-2019/, Zugriff 18.6.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 18.6.2019
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019
- Jane‘s 360 (1.5.2019): USAF reports combat debut for F-35A, https://www.janes.com/article/88186/usaf-reports-combat-debut-for-f-35a, Zugriff 17.6.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state-announces-new-offensive.html, Zugriff 14.6.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 14.6.2019
- Kurdistan 24 (11.4.2019): Iraq launches 'large-scale' anti-ISIS operation in Hamrin Mountains, https://www.kurdistan24.net/en/news/e2d4b872-d38a-4a00-8de1-fd4a6b93d8f0, Zugriff 17.6.2019
- Rudaw (9.5.2019): Iraq not keeping up with evolving ISIS: US Defense Department, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/090520191, Zugriff 18.6.2019
- SCR - Security Council Report (30.4.2019): May 2019 Monthly Forecast, https://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2019-05/iraq-3.php, Zugriff 1.7.2019
- UNSC - UN Security Council (2.5.2019): Implementation of resolution 2421 (2018); Report of the Secretary-General [S/2019/365], https://www.ecoi.net/en/file/local/2008023/S_2019_365_E.pdf, Zugriff 17.6.2019
- UNSC – United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da’esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat, https://www.un.org/sc/ctc/wp-content/uploads/2019/02/N1901937_EN.pdf, Zugriff 18.6.2019
- USDOD - US Department of Defense (7.5.2019): Operation Inherent Resolve - Lead Inspector General report to the United States Congress, January 1, 2019, March 31, 2019, https://media.defense.gov/2019/May/07/2002128675/-1/-1/1/LIG%20OCO%20OIR%20Q2%20MARCH2019.PDF, Zugriff 18.6.2019
- Xinhua (6.5.2019): 8 IS militants killed in operation in western Iraq desert, http://www.xinhuanet.com/english/2019-05/06/c_138036239.htm, Zugriff 18.6.2019
1.2.4. Islamischer Staat – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:
Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).
Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).
Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).
Am 7.7.2019 begann die „Operation Will of Victory“, an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der USgeführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).
Quellen:
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (17.7.2019): Regional Overview – Middle East 17 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/17/regional-overview-middleeast-17-july-2019/, Zugriff 2.10.2019
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middleeast-2-october-2019/, Zugriff 7.10.2019
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (4.9.2019): Regional Overview – Middle East 4 September 2019, https://www.acleddata.com/2019/09/04/regional-overviewmiddle-east-4-september-2019/, Zugriff 2.10.2019
- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone190924052551906.html, Zugriff 2.10.2019
- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border190825184711737.html, Zugriff 28.10.2019
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- Diyaruna (7.10.2019): Iraq launches phase 6 of 'Will of Victory’, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/10/07/feature-02, Zugriff 18.10.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-theirusual.html, Zugriff 17.10.2019
- Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-alongsyrian-border/, Zugriff 18.10.2019
- PressTV (21.9.2019): Fifth phase of Will of Victory operation ends with cleansing areas near Saudi border, https://www.presstv.com/Detail/2019/09/21/606767/Fifth-phase-of-Will-ofVictory-operation-ends-with-cleansing-areas-near-Saudi-border-from-Daesh, Zugriff 18.10.2019
- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsiblefor-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 30.10.2019
- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victoryover-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 28.10.2019
- Rudaw (11.8.2019): Iraq ends third phase of ‘Will of Victory’ campaign, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/11082019, Zugriff 18.10.2019
- Rudaw (20.7.2019): Iraq launches second phase of Will of Victory anti-ISIS operation, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/200720191, Zugriff 18.7.2019
- Rudaw (24.8.2019): Fourth phase of ‘Will of Victory’ operation begins: Iraqi defense ministry, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/24082019, Zugriff 18.10.2019
- The Portal (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportalcenter.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 18.10.2019
1.3. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen:
1.3.1. Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand LIB vom 20.11.2018:
Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018).
So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018).
Die folgende Grafik von ACCORD zeigt, im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 5.9.2018).
ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/193015362173742018q2iraq-de.pdf, Zugriff 29.10.2018 [Grafik gelöst, Anm.]
Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge, Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichneteUNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017)
Die folgenden Grafiken von lraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle, dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016 935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018).
IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iraqbodycoun t.org/database/, Zugriff 31.10.2018 [Grafik gelöscht, Anm.]
IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018 [Grafik gelöscht, Anm.]
Quellen:
? ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018q2irag-de.pdf, Zugriff 29.10.2018
? BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
? IBC - lraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018
? Joel Wing - Musings on lraq (5.4.2018): lraq Witnessing Fewest Security lncidents Since 2003, http://musingsonirag.blogspot.com/2018/04/iraq-witnessing-fewest-securi.thytml, Zugriff 02.11.2018
? Joel Wing - Musings on lraq (6.10.2018): lslamic State Returns To Baghdad While Overall Security In lraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-statereturns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018
? MIGRI - Finnische lmmigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in lraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish immigrationservicereportsecurityiniraqvariablebutimproving/10061710, Zugriff 30.10.2018
? UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (3.1.2017): UN Casualties Figures for lraq for the Month of December 2016, http://www.unirag.org/index.php?option=comk2&view=item&id=6611:un-casualties-figures-for-irag-for-the-month-of-december-2016&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018
? UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (2.1.2018): UN Casualty Figures for lraq for the Month of December 2017, http://www.unirag.org/index.php?option=comk2&view=item&id=8427:un-casualty-figures-for-irag-for-the-month-of-december-2017&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018
? UNAMI - United Nations Assistance Mission in lraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for lraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=comk2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-irag-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&Iang=en, Zugriff 31.10.2018
1.3.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand Kurzinformation vom 09.04.2019:
Liveuamap Live Universal Awareness Map, https://irag.liveuamap.com/en/time/01.04.2019, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).
Die folgende Grafik von lraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 3.2019).
lraq Bodycount (3.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).
lraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Quellen:
- BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018 mit Kurzinformation vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html, mwN (Zugriff am 22.01.2020)
- IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-be-coming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019
- Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/iraq-saw-lowest-violence-ever-march-2019.html, Zugriff 4.4.2019
1.3.3. Sicherheitsrelevante Vorfälle – Stand Kurzinformation vom 30.10.2019:
Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.
Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 7.2019).
lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 7.2019).
lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodycount.org/databasel/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).
Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der „Green Zone" in Bag