TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 G314 2236170-1

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2236170-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des deutschen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .09.2020, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:

A)       Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird Folge gegeben und Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX .2020 festgenommen und anschließend bis XXXX .2020 in der Justizanstalt XXXX angehalten. Derzeit verbüßt er den Rest der mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX verhängten zweijährigen und (nach dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht) der mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX verhängten zweimonatigen Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest. Er wurde in Österreich seit 2011 insgesamt vier Mal und in Deutschland zwischen 2013 und 2017 fünf Mal (unter anderem wegen Suchtgiftdelikten) zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt.

Seit XXXX .2020 geht der BF wieder einer Vollzeitbeschäftigung als XXXX bei seinem früheren Arbeitgeber, der XXXX , nach und wohnt in einer Mietwohnung in XXXX , wo er auch mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Seit XXXX .2009 verfügt er über eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer. Er hat regelmäßig Kontakt zu seinen ebenfalls in XXXX lebenden Kindern, der 2011 geborenen XXXX und dem XXXX geborenen XXXX . Mit der Obsorge für die Kinder ist die Mutter des BF betraut, mit der diese auch in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Mit Schreiben vom XXXX .2020 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er erstattete eine entsprechende Stellungnahme. Am XXXX .2020 wurde er vor dem BFA dazu vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde (aktenwidrig) damit begründet, dass der BF bereits neun Mal von Gerichten in Österreich rechtskräftig verurteilt worden sei. Bei ihm sei kein Gesinnungswandel zu erkennen. Weder Geld- noch Freiheitsstrafen hätten ihn von weiteren Straftaten abgehalten. Die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots nach Verbüßung der Freiheitsstrafe sei zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Interesse der Bevölkerung geboten, zumal die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß sei.

Gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, diesen zur Gänze zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbots zu reduzieren. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zentral mit den im Interesse des Kindeswohls notwendigen persönlichen Kontakten zu seinen Kindern und der Notwendigkeit, seine Mutter bei deren Erziehung und Betreuung zu unterstützen. Außerdem weist er auf seine Erwerbstätigkeit, die Behandlung seiner Suchterkrankung und mittlerweile eingetretenen Gesinnungswandel hin.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere aus den Angaben des BF und den von ihm vorgelegten Urkunden, aus Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und im Strafregister sowie aus den Versicherungsdaten und dem ECRIS-Auszug des BF.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Die Beschwerde richtet sich – zumindest implizit - auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (siehe VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172). Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360). Eine solche besondere Begründung lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.

Der BF hat einen Wohnsitz und einen Arbeitsplatz in Österreich. Aufgrund der regelmäßigen persönlichen Kontakte zu seinen minderjährigen Kindern besteht ein schützenswertes Familienleben im Inland. Er hat zwar schwerwiegende Straftaten (sowohl im Bundesgebiet als auch in seinem Heimatstaat) zu verantworten, wobei aufgrund häufiger und rascher Rückfälle und der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen auch eine signifikante Wiederholungsgefahr besteht. Aufgrund seiner gewichtigen privaten und familiären Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet ist jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung zu befürchten, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden ist. Außerdem besteht angesichts des Strafvollzugs im elektronisch überwachen Hausarrest kein Bedürfnis nach einer sofortigen Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots.

Spruchpunkts III. des angefochtenen Bescheids ist daher zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2236170.1.00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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