RS Vfgh 2020/10/7 G221/2020

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Index

L7030 Buchmacher, Totalisateur, Wetten
34/01 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
StGG Art2
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Wr WettenG §23 Abs8, §24
GlücksspielG §50
VStG §64
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Wr WettenG betreffend die Vorschreibung von Beschlagnahmungskosten der Behörde an den Wettunternehmer im Falle von dessen unrechtmäßiger Tätigkeit; erforderliche Kostenvorschreibung an den Wettunternehmer als eigentlichen Verursacher der Beschlagnahme – neben dem Bestraften nach dem VStG – zum Zweck der Missbrauchsvermeidung von Bedarfskompetenz gedeckt

Rechtssatz

Abweisung des - zulässigen - Antrags des Verwaltungsgerichtes Wien (Gerichtsantrag - VGW - Landesverwaltungsgericht - LVwG) auf Aufhebung der Wortfolge "'oder die Beschlagnahme nach Abs2" in §23 Abs8 Wr WettenG idF LGBl 26/2016.

Kein Verstoß gegen die Bedarfskompetenz des Art11 Abs2 B-VG:

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich bei Barauslagen, die im Zusammenhang mit einer Beschlagnahme nach §23 Abs2 Wr WettenG erwachsen sind, auch um solche handelt, die im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens (§64 Abs3 VStG) anfallen. In diesem Sinne differenziert der VwGH anhand des Zweckes der durchgeführten Überprüfung, ob eine strafbare Handlung der Beteiligten vorliegt oder nicht. Auch die Materialien zu §50 Abs10 GlücksspielG (GSpG) belegen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass solche Barauslagen unter §64 Abs3 VStG fallen (können).

Der VfGH hat darüber hinaus bereits ausgesprochen, dass von §§76 ff AVG abweichende Regelungen des Ersatzes von Barauslagen unter den Tatbestand des "Verwaltungsverfahren[s]" iSd Art11 Abs2 B-VG fallen. In gleicher Weise fällt eine Regelung betreffend den Ersatz von Barauslagen in einem Verwaltungsstrafverfahren unter den Begriff des "Verwaltungsstrafverfahren[s]" iSd Art11 Abs2 B-VG, sodass eine von §64 Abs3 VStG abweichende Bestimmung am Maßstab der Erforderlichkeit zu messen ist.

Die Regelung des §23 Abs8 Wr WettenG betreffend die Kosten der Beschlagnahme verdrängt die allgemeine Bestimmung des §64 Abs3 VStG nicht, sondern sieht lediglich die Möglichkeit vor, diese Kosten - neben einem allfälligen Bestraften im Verwaltungsstrafverfahren - jedenfalls auch dem Wettunternehmer vorzuschreiben. Weder aus dem Wortlaut des §23 Abs8 Wr WettenG noch aus den Materialien zu dieser Regelung geht hervor, dass der Landesgesetzgeber eine derart weitreichende Abweichung von §64 Abs3 VStG, wie sie das antragstellende Gericht seinem Antrag zugrunde legt (§23 Abs8 Wr WettenG verdränge als lex specialis die allgemeinere Bestimmung des VStG 1991; keine Möglichkeit dem Bestraften die Beschlagnahmekosten aufzuerlegen), normieren wollte. Die §23 Abs8 Wr WettenG und §64 Abs3 VStG kommen nebeneinander zur Anwendung, weswegen die Kosten der Beschlagnahme nach §23 Abs2 Wr WettenG - bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen - entweder dem Bestraften iSd §64 Abs3 VStG oder dem Wettunternehmer nach §23 Abs8 Wr WettenG, allenfalls auch anteilig, vorgeschrieben werden können.

Die Bestimmung des §23 Abs8 Wr WettenG ist am Maßstab der Erforderlichkeit iSd Art11 Abs2 B-VG zu messen und die dargestellte Abweichung ist iSd Rsp des VfGH erforderlich: Auf dieser Grundlage kann die Behörde in Fällen, in denen gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde, die Kosten der Beschlagnahme - unabhängig vom (rechtskräftigen) Abschluss eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens - dem eigentlichen Verursacher, nämlich dem verantwortlichen Wettunternehmer, vorschreiben. Die Regelung dient dabei insbesondere auch dem Zweck, Missbräuche, die darauf gerichtet sind, der Zahlungsverpflichtung zu entgehen, hintanzuhalten.

Kein Verstoß gegen den Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG:

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Kosten für die Beschlagnahme nach §23 Abs8 Wr WettenG auch dem Wettunternehmer vorgeschrieben werden können, wenn er seine Tätigkeit nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend ausgeübt hat. Dass der Landesgesetzgeber in diesem Zusammenhang - anders als nach §64 Abs3 VStG - nicht auf ein Verschulden des Wettunternehmers, sondern (nur) auf eine Verletzung gesetzlicher Bestimmungen abstellt, ist nicht zu beanstanden. Die Regelung stellt nämlich sicher, dass die Kosten der Beschlagnahme auch dann dem Wettunternehmer vorgeschrieben werden können, wenn die Voraussetzungen des §64 Abs3 VStG nicht vorliegen. Dass die Behörde in bestimmten Konstellationen zwischen der Vorschreibung der Kosten an den Bestraften iSd §64 Abs3 VStG und den Wettunternehmer nach §23 Abs8 Wr WettenG wählen kann, überschreitet den dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang zustehenden Gestaltungsrahmen nicht.

Der vom antragstellenden Gericht angestellte Vergleich mit der - vom Bundesgesetzgeber auf der Kompetenzgrundlage des Monopolwesens gemäß Art10 Abs1 Z4 B-VG erlassenen - Bestimmung des §50 Abs10 GSpG geht schon deshalb ins Leere, weil nach stRsp des VfGH das bundesstaatliche Prinzip die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes auf das Verhältnis der Regelungen verschiedener Gesetzgeber, so hier des Bundesgesetzgebers und eines Landesgesetzgebers, zueinander ausschließt.

Kein Verstoß gegen Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK:

Die angefochtene Wortfolge in §23 Abs8 Wr WettenG dient dem öffentlichen Interesse an der Hereinbringung der Kosten einer Beschlagnahme gemäß §23 Abs2 Wr WettenG. Die Bestimmung ist auch geeignet und erforderlich, um das genannte öffentliche Interesse zu erreichen, sowie verhältnismäßig, weil sie die Vorschreibung der Beschlagnahmekosten an den Wettunternehmer und damit den materiellen Verursacher dieser Kosten vorsieht.

Kein Verstoß gegen das Legalitätsprinzips bzw das Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B-VG:

Aus dem Normzweck des §23 Abs8 Wr WettenG geht hervor, dass keinesfalls der Verstoß gegen sämtliche Bestimmungen im Zusammenhang mit der wettunternehmerischen Tätigkeit die Vorschreibung der Kosten rechtfertigt, sondern lediglich der Verstoß gegen Tatbestände, die zu einer Beschlagnahme nach §23 Abs2 Wr WettenG führen können. Eine solche Beschlagnahme ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung aber nur möglich, wenn mit den Eingriffsgegenständen offenkundig gegen eine in §24 Abs1 Z1 bis Z18 Wr WettenG genannte Vorschrift verstoßen wird. Daraus ergibt sich, dass lediglich ein Verstoß gegen diese Bestimmungen die Vorschreibung der Kosten an den Wettunternehmer zu rechtfertigen vermag.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bedarfskompetenz, Legalitätsprinzip, Beschlagnahme, Kostentragung (Verwaltungsverfahren), Wetten, Glücksspielmonopol

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G221.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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