TE Vwgh Beschluss 2020/11/12 Ra 2020/15/0068

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Index

L70719 Spielapparate Wien
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
GlücksspielautomatenabgabeG Wr 2005 §4
VStG §31 Abs1
VStG §44a Z1
VStG §9 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §47 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des I P, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10 (4. OG), gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. April 2020, Zl. RV/7500064/2020, betreffend Verwaltungsübertretung gemäß § 3 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Magistrat der Stadt Wien hielt dem Revisionswerber mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 vor, er habe als Geschäftsführer der X GmbH die Glücksspielautomatenabgabe für den Monat Februar 2018 für vier an einem näher genannten Standort gehaltene Glücksspielautomaten nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet und dadurch vier Verwaltungsübertretungen begangen.

2        Dazu brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2018 vor, die X GmbH habe das an dem näher genannten Standort befindliche Lokal nicht betrieben. Insbesondere habe sie auch keine Glücksspielautomaten gehalten. Das Lokal sei vielmehr an die X Kft untervermietet worden.

3        Mit Straferkenntnis vom 17. Oktober 2019 legte der Magistrat der Stadt Wien dem Revisionswerber als verantwortlichem Vertreter der X Kft zur Last, er habe es unterlassen, die Glücksspielautomatenabgabe für den Monat Februar 2018 für vier an einem näher genannten Standort gehaltene Glücksspielautomaten bis zum Fälligkeitstag zu entrichten. Er habe dadurch § 3 in Zusammenhalt mit § 2 Abs. 3 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes verletzt. Gemäß § 4 leg. cit. wurden über den Revisionswerber hierfür vier Geldstrafen von je 350 € (im Falle der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen von je 16 Stunden) verhängt. Ferner wurden ihm Kosten von 140 € auferlegt.

4        Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, die Verfolgung einer Person sei gemäß § 31 Abs. 1 VStG unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden sei. Gegen den Revisionswerber sei mit dem gegenständlichen Straferkenntnis vom 17. Oktober 2019 erstmalig eine Verfolgungshandlung vorgenommen worden, zumal die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Oktober 2018 den Revisionswerber als Geschäftsführer der X GmbH betreffe. Nachdem gegen den Revisionswerber binnen offener Frist keine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei, verstoße das gegenständliche Erkenntnis gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Verfolgungsverjährung.

11       Mit diesem Vorbringen, mit dem der Revisionswerber darauf Bezug nimmt, dass ihm in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Oktober 2018 vorgehalten wurde, er habe die verfahrensgegenständlichen Übertretungen als Geschäftsführer der X GmbH begangen, wohingegen er im angefochtenen Erkenntnis als Geschäftsführer der X Kft bestraft werde, wird schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, weil damit die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übergangen wird, wonach ein „Austausch“ der juristischen Person, für die nach § 9 VStG eine Verantwortlichkeit besteht, grundsätzlich zulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Auswechslung oder eine Überschreitung der „Sache“ nicht stattfindet, wenn das Verwaltungsgericht den Beschuldigten als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche er im ursprünglichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht wurde (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/10/0182, mwN). Davon, dass die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Oktober 2018 nicht als gegen den Revisionswerber gerichtete Verfolgungshandlung anzusehen ist, kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.

12       Soweit - allerdings schon außerhalb des gesonderten Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision - ausgeführt wird, dass der Revisionswerber einer Doppelbestrafung ausgesetzt sein könnte, weil der Magistrat der Stadt Wien „das Verwaltungsstrafverfahren des Revisionswerbers zur GZ: MA6/ARP-S-2907/2018 ua [...], in welchem diesem dieselbe Tat als Geschäftsführer der [X GmbH] angelastet wird noch nicht eingestellt“ habe, ist auf das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 17. Oktober 2019 zu verweisen, welches die Geschäftszahl „MA6/196000001049/2019 (vormals MA6/ARP-S-2907/2018 u.a.)“ aufweist. Dass gegen den Revisionswerber zwei Verwaltungsstrafverfahren mit zwei verschiedenen Aktenzahlen geführt werden, trifft demnach - abgesehen davon, dass die Änderung der Aktenzahl gemäß den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung lediglich auf eine Umstellung der behördlichen EDV-Software zurückzuführen ist - nicht zu.

13       Die Revision trägt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, der Spruch habe, um der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, die Anführung des Tatzeitpunktes, der Begehung der Tat und falls es sich um einen Zeitraum handle, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen. Nach § 3 des Wiener Glücksspielautomatengesetzes sei die Steuer erstmals spätestens einen Tag vor Beginn des Haltens und in Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Als Tatzeit komme daher in einem „Erstmonat“ lediglich der letzte Tag des Vormonats und für ein „Folgemonat“ der letzte Tag dieses Monats in Betracht. Für den gegenständlichen Tatzeitraum Februar 2018 komme daher als Tatzeitpunkt lediglich der 31. Jänner 2018 (wenn man davon ausgehe, dass es sich um einen „Erstmonat“ gehandelt habe) oder der 28. Februar 2018 (wenn man davon ausgehe, dass es sich um einen „Folgemonat“ gehandelt habe) in Betracht.

14       Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den dargestellten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. z.B. VwGH 30.3.2006, 2004/15/0032, mwN).

15       Nach § 1 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes ist für das Halten von näher definierten Spielapparaten eine Steuer zu entrichten, die je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1.400 € beträgt. Die Steuer ist gemäß § 3 leg. cit. erstmals spätestens einen Tag vor Beginn des Haltens eines Spielapparates und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten.

16       In Bezug auf die gegenständlichen, an einem näher bezeichneten Standort gehaltenen Spielapparate ist die Glücksspielautomatenabgabe für den Monat Februar 2018 nur einmal angefallen. Das nach § 4 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes tatbildmäßige Verhalten besteht im Unterlassen der Entrichtung der Steuer bis zum Fälligkeitstag (bei Unterlassen einer Offenlegung, vgl. VfGH 4.12.2003, G 287/02; VwGH 2.9.2020, Ra 2020/15/0046). Das tatbildmäßige Verhalten darf nur einmal bestraft werden. Nach § 1 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes besteht die Steuerpflicht je Apparat und begonnenem Kalendermonat.

17       Mit Straferkenntnis vom 17. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, „als verantwortlicher Vertreter der [X Kft] die Glücksspielautomatenabgabe für den Monat Februar 2018 für die im oben angeführten Standort gehaltenen vier Glücksspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (mit virtuellem Walzenspiel), fällig gewesen jeweils spätestens einen Tag vor Beginn des Haltens, bis zum oben angeführten Tag nicht (in voller Höhe) entrichtet“ zu haben. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

18       Bei der vom Magistrat der Stadt Wien gewählten Formulierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass das dem Revisionswerber zum Vorwurf gemachte Verhalten nur auf die Glücksspielautomatenabgabe für den Monat Februar 2018 bezogen ist.

19       Soweit die Revision im Zulässigkeitsvorbringen einen unverhältnismäßigen Unterschied zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe rügt, weil im gegenständlichen Strafverfahren vier Geldstrafen in Höhe von je 350 € (0,83% der Höchststrafe) sowie vier Ersatzfreiheitsstrafen von je 16 Stunden (1,58% der Höchststrafe) verhängt worden seien, genügt es, auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2020, Ra 2019/15/0120, zu verweisen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem - einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden - Beschluss, auf den gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist der Unterschied zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe noch nicht so erheblich, dass er einer gesonderten Begründung bedarf.

20       Im Zulässigkeitsvorbringen wird schließlich vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weil es vom Bundesfinanzgericht nach Schluss der Verhandlung nicht mündlich verkündet worden sei.

21       Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.

22       Kann das Erkenntnis nicht sogleich im Anschluss an die Verhandlung verkündet werden, insbesondere wenn komplexe Rechtsfragen zu klären sind oder erst in der Verhandlung neue Beweismittel vorgelegt wurden, die das Verwaltungsgericht noch prüfen/werten muss, entfällt die Verkündung (arg. „nach Möglichkeit“). In diesem Fall ergeht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur schriftlich (vgl. Eder/Martschin/Schmidt, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 47 K 11). Dass solche Voraussetzungen nicht vorgelegen wären, zeigt die Revision nicht auf.

23       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

24       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. November 2020

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150068.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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