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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AuslBG §28 Abs1 Z1 idF 1988/231Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. Dezember 2019, LVwG-302513/8/Py/PP, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger, Mag. Hans Peherstorfer, Dr. Bernd Langoth, LL.M., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 21), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 10. September 2019 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, als Arbeitgeber fünf namentlich genannte Ausländer (drei afghanische Staatsangehörige, einen marokkanischen und einen algerischen Staatsangehörigen), in konkret angeführten Zeiträumen beschäftigt zu haben, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Für die dadurch begangenen Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurden über ihn fünf Geldstrafen von zweimal 2.000 Euro sowie je einmal 2.200 Euro, 3.000 Euro und 5.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen, auf die Strafhöhe eingeschränkten Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern Folge, als es für die fünf Verwaltungsübertretungen eine Gesamtstrafe von 5.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 84 Stunden verhängte. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Die Verhängung einer Gesamtstrafe begründete das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18, u.a., sowie das daraufhin ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033, 0034.
4 Die Revision sei wegen der durch VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, 0034, geklärten Rechtslage unzulässig.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Der Mitbeteiligte erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
6 Der revisionswerbende Bundesminister begründet die Zulässigkeit seiner Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob fünf Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG eine Gesamtstrafe zuließen. Die Zulässigkeit der Verhängung einer Gesamtstrafe stelle im Hinblick auf zukünftige behördliche und gerichtliche Entscheidungen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.
7 Das Landesverwaltungsgericht habe sich bei der Verhängung der Gesamtstrafe auf das Urteil des EuGH Maksimovic, C-64/18, bezogen. Es habe dabei jedoch verkannt, dass diese Rechtssache im Zusammenhang mit der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV stehe und sich auf Sachverhalte beziehe, welche Entsendungen bzw. grenzüberschreitende Überlassungen von Arbeitskräften beinhalteten, die im Ausländerbeschäftigungsgesetz allenfalls in Verbindung mit § 18 zu beurteilen wären. Auf reine Inlandssachverhalte - wie den vorliegenden - sei diese Rechtsprechung nicht anwendbar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat inzwischen bereits einen vom Sachverhalt und den zu lösenden Rechtsfragen vergleichbaren Fall in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2020, Ra 2020/09/0025, entschieden, weshalb vorweg gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dessen Begründung verwiesen wird.
10 Hervorzuheben ist, dass § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG (seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1988) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine eigene Strafdrohung aufstellt.
11 Dem vom Verwaltungsgericht in seiner Begründung herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033, 0034; ebenso VwGH 18.2.2020, Ra 2019/11/0195, 0196; VfGH 27.11.2019, E 2893-2896/2019, u.a.) lagen keine Bestrafungen nach dem § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG zugrunde. Überdies kam es in den genannten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes deshalb zu einer Verdrängung von nationalem Recht, weil in den dort zu beurteilenden Sachverhalten die unangewendet gelassenen Bestimmungen des nationalen Rechts die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV in unzulässiger Weise beschränkten. Um in diesem Zusammenhang eine gebotene Verdrängung nationalen Rechts annehmen zu können, ist jedoch das Vorliegen eines Sachverhalts mit Unionsrechtsbezug erforderlich, in dem der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV zum Tragen kommt. Voraussetzung ist somit ein Sachverhalt, dem eine zwischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erbrachte Dienstleistung im Sinn des Art. 57 AEUV zugrunde liegt (siehe auch dazu VwGH 2.7.2020, Ra 2020/09/0025).
12 Ein solcher Sachverhalt war hier nicht zu beurteilen, wurden doch die Drittstaatsangehörigen im Inland von einem inländischen Arbeitgeberbeschäftigt. Die Arbeitnehmer wurden weder von einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedsstaat überlassen noch von einem solchen entsandt. Bei einer solchen, einen reinen Inlandssachverhalt darstellenden, unberechtigten Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG kommt es daher nicht zu einer aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18, u.a., ableitbaren Verdrängung nationalen Rechts.
13 Hingegen sind die Ausführungen des Mitbeteiligten in seiner Revisionsbeantwortung zu einer Inländerdiskriminierung - der das Unionsrecht aber auch nicht entgegenstünde (vgl. etwa VwGH 27.7.2016, Ra 2016/06/0003) - schon mangels vergleichbaren Sachverhalts nicht zutreffend. Die Grundrechtecharta wiederum kommt nur dann zur Anwendung, wenn die in Rede stehende nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (VwGH 21.9.2016, 2013/17/0610).
14 Auch das in der Revisionsbeantwortung erstattete Vorbringen zu einer Zustimmung des Vertreters der Abgabenbehörde in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zur verhängten Gesamtstrafe und deren Höhe kann keinen Erfolg haben, sind doch die Verwaltungsstrafbehörden - wie die gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG in Verwaltungsstrafsachen immer in der Sache selbst entscheidenden Verwaltungsgerichte - an den Antrag der Abgabenbehörden nicht gebunden (VwGH 22.3.2012, 2009/09/0214; 26.1.2012, 2009/09/0283).
15 Das Landesverwaltungsgericht hätte daher für jeden unerlaubt beschäftigten Ausländer eine Strafe zu verhängen gehabt. Indem es dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
16 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 13. November 2020
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090039.L00Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021