TE Vwgh Beschluss 2020/11/25 Ra 2020/02/0174

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §19
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/02/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des 1. H, MBA, in W und der 2. H GmbH in B, beide vertreten durch Dr. Roland Mühlschuster, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 10. Juni 2020, LVwG-302514/25/Bm/Rd-302515/2, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29. August 2019 wurde dem Erstrevisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenem der zweitrevisionswerbenden Partei angelastet, diese Gesellschaft habe es als Arbeitgeberin zu verantworten, dass am 28. November 2018 um 11:40 Uhr ein namentlich genannter Arbeitnehmer in einer näher bestimmten Arbeitsstätte bei Verlegearbeiten von OSB-Platten in einer Höhe von 3,4 m beschäftigt gewesen sei, wobei entgegen § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 BauV weder Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder sonstige Schutzeinrichtungen vorhanden gewesen seien noch der Arbeitnehmer mit persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert gewesen sei. Der Erstrevisionswerber habe dadurch § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 BauV iVm. § 118 Abs. 3 ASchG übertreten, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt und ihm gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von € 150,-- auferlegt wurde. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten verpflichtet.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und setzte den Kostenbeitrag des Erstrevisionswerbers für das Beschwerdeverfahren mit € 300,-- (samt Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei hiefür) fest. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Das Verwaltungsgericht begründete im Wesentlichen, es bestehe kein Zweifel daran, dass der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt worden sei. Nach § 83 Abs. 9 ASchG sei die Funktion als Sicherheitskraft mit jener eines verantwortlichen Beauftragten unvereinbar, weshalb hier kein verantwortlicher Beauftragter wirksam bestellt worden sei. Der Erstrevisionswerber habe zur Überprüfung des installierten Kontrollsystems nur sehr allgemein gehaltene Darlegungen vorgebracht und detaillierte Ausführungen über die Art, Zeitpunkte und Häufigkeit der Kontrollen unterlassen, weshalb es ihm nicht gelungen sei, mangelndes Verschulden gemäß § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen.

4        Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, dass die belangte Behörde eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- bei einem Strafrahmen von € 166,-- bis € 8.324,-- verhängt habe. Ein Wiederholungsfall liege gegenständlich nicht vor. Straferschwerend sei gewertet worden, dass es zu einem Arbeitsunfall gekommen sei, strafmildernd sei die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Erstrevisionswerbers gewesen. Mangels konkreter Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Erstrevisionswerbers habe die belangte Behörde der Strafbemessung eine Schätzung, und zwar ein monatliches Nettoeinkommen von € 2.000,--, kein Vermögen und keine Sorgepflichten, zugrunde gelegt. Ausgehend von der Bedeutung des gegenständlich strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer, könne eine Ermessensüberschreitung der belangten Behörde bei der Strafbemessung nicht erkannt werden. Zudem sei die Geldstrafe im festgesetzten Ausmaß auch erforderlich gewesen, um den Erstrevisionswerber künftighin von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten und ein umfassenderes Kontrollsystem, insbesondere hinsichtlich der Kontrolltätigkeiten zu installieren.

5        Die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten ergebe sich aus § 9 Abs. 7 VStG.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der sich die revisionswerbenden Parteien in ihrem „Recht auf eine richtige Beweiswürdigung bzw. eine richtige rechtliche Beurteilung sowie auf Einhaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen verletzt“ erachten und im Detail als Revisionspunkte die „Verletzung des Rechts auf richtige Anwendung des § 83 Abs. 9 AschG iVm § 23 ArbIG, sowie der richtigen Auslegung eines Kontrollsystems iVm § 5 VStG sowie auch des Rechtes auf Einhaltung des Parteiengehörs und einer vertretbaren Strafbemessung“ geltend machen.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten hat. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0128, mwN).

11       Soweit die revisionswerbenden Parteien die Verletzung des Parteiengehörs und des Rechts auf Einhaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen geltend machen, wird damit nicht dargetan, in welchen subjektiven Rechten sie nach dem Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Abspruches verletzt sind, sodass es sich dabei um Revisionsgründe, nicht aber um Revisionspunkte handelt, zumal diese nicht losgelöst von materiellen Rechten zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen können (vgl. etwa VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0131, und VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0221, jeweils mwN).

12       Mit der Verletzung des Rechts auf richtige rechtliche Beurteilung, auf richtige Anwendung des § 83 Abs. 9 ASchG iVm § 23 ArbIG und auf richtige Auslegung eines Kontrollsystems iVm § 5 VStG wird kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht, weil es kein abstraktes Recht auf „richtige rechtliche Beurteilung“ oder auf „richtige Anwendung“ von durch Paragraphenzahlen bezeichneten Bestimmungen gibt (vgl. VwGH 28.1.2016, Ro 2015/16/0040, und VwGH 5.6.2020, Ra 2020/05/0062). Die revisionswerbenden Parteien haben demnach kein konkretes Recht genannt, in dem sie verletzt wurden, sondern auf allgemeine Grundsätze der Auslegung bzw. der rechtlichen Beurteilung verwiesen (vgl. VwGH 24.2.2011, 2010/16/0229).

13       Diese von den revisionswerbenden Parteien angeführten Rechte bezeichnen somit kein subjektives Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG, weshalb die Revision sich hinsichtlich des Schuldspruches aus diesem Grund als unzulässig erweist.

14       Als letztlich tauglicher Revisionspunkt kommt die Verletzung des Rechts auf eine vertretbare Strafbemessung in Frage (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0045).

15       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 16.7.2020, Ra 2020/02/0142, mwN).

16       In der Revision werden bezüglich der Strafbemessung nach § 19 VStG keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. In der Zulässigkeitsbegründung wird nämlich zur Strafbemessung im Wesentlichen nur ausgeführt, dass ein ausreichendes Kontrollsystem entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestanden habe. Daher habe die Strafe nicht derart unvertretbar hoch ausfallen dürfen, sondern dies als Milderungsgrund berücksichtigt werden müssen.

17       Die Strafbemessung nach § 19 VStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung, die nicht rechtswidrig ist, wenn vom Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wird. Demgemäß obliegt es der Verwaltungsbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht, in der Begründung ihrer Entscheidungen die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insofern aufzuzeigen, als das die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verfahrens und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich macht (vgl. etwa VwGH 29.4.2011, 2008/09/0246).

18       Eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn eines Ermessensmissbrauchs oder eine Ausübung des Ermessens auf gesetzwidrige Weise durch das Verwaltungsgericht ist nicht erkennbar.

19       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020174.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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