TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 97/06/0103

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Tir 1989 §12;
BauO Tir 1989 §13;
BauO Tir 1989 §14;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauO Tir 1989 §9;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. März 1997, Zl. Ve1-550-2579/1-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. C, 2. Gemeinde St. Jakob i. Defereggen, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 30. Mai 1995 und 20. April 1996 beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für zwei Tennisplätze, nicht überdacht, mit Einzäunung, auf der Gp. 548, KG St. Jakob i. D. Für dieses Ansuchen wurde mit Kundmachung vom 21. Mai 1996 eine mündliche Verhandlung für den 4. Juli 1996 anberaumt, zu der der Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG nachweislich geladen wurde. Vor der Verhandlung erhob der Beschwerdeführer schriftlich Einwendungen gegen das Bauvorhaben, er wandte sich gegen die Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes, es sei keine Umwidmung erfolgt und wenn, so sei diese über das zulässige Ausmaß hinausgegangen, es dürften nicht mehr als 10 % der Fläche des neuen Bauplatzes verbaut werden, das Problem des Wasseranschlusses, der Abwässerbeseitigung und der Energieversorgung sowie der Autoabstellplätze sei nicht gelöst; die Abstandsvorschriften würden durch die Einzäunung verletzt.

Nach der Verhandlung wies der Beschwerdeführer in einer weiteren Eingabe vom 15. Juli 1996 nochmals auf die Verletzung des Ortsbildes hin sowie auf die Zugangssituation, die durch einen Pachtvertrag ermöglicht sein sollte, der nicht mehr dem Akteninhalt angehöre. Zum Schutz der Umgebung vor Lärmbelästigungen durch das Bespielen der Tennisanlage müsse vorgeschrieben werden, daß das Bespielen nicht vor 8.00 Uhr und nicht nach Eintritt der Dämmerung erfolgen dürfe, sodaß die Errichtung einer Flutlichtanlage mit 10 m hohen Masten obsolet sei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. Oktober 1996 wurde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 10. Februar 1997 abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. März 1997 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Gemeinderatsbeschluß vom 21. November 1995 sei die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gp. 546 und 548/1 der KG St. Jakob in Defereggen genehmigt worden. Anhand des vom Zivilgeometer D.I.R.M. vom 7. August 1995 erstellten Lageplanes sei ersichtlich, daß das geplante Bauvorhaben zur Gänze im gewidmeten Tourismusgebiet errichtet werde. Es liege kein Bebauungsplan vor, bei dem gegenständlichen Bauvorhaben handle es sich um kein Gebäude, sondern um eine bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 TBO. Aus den Planunterlagen gehe hervor, daß der Abstand von 4 m zur Grundgrenze des Beschwerdeführers (Gp. 541) eingehalten werde, hinsichtlich der Abstände zu den Flutlichtmasten von je 10 m Höhe sei der Beschwerdeführer präkludiert. Zur Frage, ob es sich um einen Pachtvertrag oder um einen Mietvertrag handle, der die Zugangsmöglichkeit absichere, komme dem Beschwerdeführer kein Mitspracherecht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtsof hat erwogen:

Das Mitspracherecht des Nachbarn in Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt:

Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.).

Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über eine Einwendung des Nachbarn abzusprechen, die die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 erster u. zweiter Satz TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die sich nach ihrer Widmung, Lage, Form, Größe und Bodenbeschaffenheit für die vorgesehene Bebauung eignen und eine dieser Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben. Im Freiland, mit Ausnahme von Sonderflächen, dürfen bauliche Anlagen nicht auf Grundstücken errichtet werden, die durch Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen oder andere Gefahren bedroht sind, es sei denn, daß Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 7. November 1991, Zl. 91/06/0197, sowie vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0239, ausgesprochen, daß die für gefährdete Grundstücke geltenden Baubeschränkungen des § 4 Abs. 1 erster u. zweiter Satz TBO primär dem Schutz des Bauwerbers und der Personen dienen, welche sich in der Baulichkeit aufhalten werden, und dem öffentlichen Interesse, nicht jedoch dem Interesse des Nachbarn. In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß Nachbarn keinen Anspruch darauf haben, daß bei baulichen Maßnahmen auf Nachbargrundstücken darauf zu achten wäre, daß die im Katastrophenfall zu erwartende Hochwassergefahr gemindert würde. Es sei vielmehr in erster Linie Sache jedes Grundeigentümers, sich durch geeignete Schutzvorrichtungen selbst vor den Auswirkungen vor Naturgewalt zu schützen. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Die in der Beschwerde behaupteten möglichen Komplikationen im Zusammenhang mit einem allfälligen Hochwasserproblem sind daher nicht geeignet, eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers darzutun. Die Frage, ob das Projekt ausreichende sanitäre Einrichtungen, Waschanlagen und Umkleidemöglichkeiten vorsieht, berührt keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Beschwerdeführers. Hinsichtlich der projektgemäß geplanten Versickerung der Niederschlagswässer auf eigenem Grund ist auszuführen, daß dadurch subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers nicht berührt werden, anfallende Niederschlagswässer sind auch bisher auf eigenem Grund des Bauwerbers versickert.

Schließlich steht dem Nachbarn kein Mitspracherecht dahingehend zu, daß für das Projekt genügend Autoabstellplätze vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zl. 83/06/0181). Die Bestimmung des § 9 TBO über Stellplätze begründe, worauf schon die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat, kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 90/06/0226). Gegen die befürchtete Inanspruchnahme seiner Grundstücksflächen durch widerrechtliches Parken von Benützern der Tennisanlage hat sich der Beschwerdeführer auf dem Zivilrechtsweg Abhilfe zu verschaffen.

Auf die Frage, ob die Zufahrt rechtlich gesichert ist und ob der Pachtvertrag eine ausreichende Grundlage dafür bietet, braucht nicht eingegangen zu werden, da dem Nachbarn diesbezüglich kein Mitspracherecht zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1988, Zl. 86/06/0014, BauSlg. 1125). Auch hinsichtlich des Orts- und Landschaftsbildes kommt dem Nachbarn kein Mitsprachrecht zu (vgl. dazu die hg. Judikatur in Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Aufl., S. 171).

Bei der gegenständlichen Anlage handelt es sich um eine bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 TBO, nicht jedoch um ein Gebäude im Sinne des Abs. 2 dieser Bestimmung. Nach § 7 Abs. 4 TBO gelten für andere bauliche Anlagen sinngemäß die Mindestabstände von Gebäuden nach den Abs. 1 und 3 leg. cit. Der Berechnung des Abstandes ist anstelle der Wandhöhe der Gebäude die Höhe der baulichen Anlage zugrunde zu legen. Aus den vorgelegten Planunterlagen ergibt sich, daß die Höhe der Maschendrahteinzäunung zur Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers zwischen 2,50 m und 4 m beträgt. Für das Grundstück des Beschwerdeführers ist ein Abstand von 4 m vorgesehen. Damit ist die Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. b TBO eingehalten, wonach der Mindestabstand von Gebäuden von den Grenzen gegenüber anderen Gründstücken als Verkehrsflächen im übrigen Bauland das 0,7-fache der Höhe, der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand, jedenfalls aber 4 m beträgt. Im Beschwerdefall ist schon deshalb nicht darauf einzugehen, ob die 10 m hohen Flutlichtmasten bei der Ermittlung von Abstandsflächen zu berücksichtigen sind, weil beide Flutlichtmasten von der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers über 30 m entfernt sind und somit hinsichtlich der Liegenschaft des Beschwerdeführers eine Abstandsverletzung durch diese Lichtmasten nicht in Betracht kommt. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kommt dem Nachbarn im Hinblick auf den Ortsbild- bzw. Landschaftsschutz kein Mitspracherecht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1986, Zl. 85/06/0176 BauSlg. 634, u.a.). Hinsichtlich der behaupteten erforderlichen Grundteilung wird keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes dargelegt, da Nachbarn im Verfahren zur Erlassung der Teilungsbewilligung nach den §§ 12 bis 14 TBO keine Parteistellung zukommt. Aus der vorgelegten Ablichtung der Änderung des Flächenwidmungsplanes beruhend auf dem Gemeinderatsbeschluß vom 21. November 1995 ergibt sich, daß das gesamte Bauvorhaben auf dem als "Tourismusgebiet" gewidmeten Gebiet liegt. Mit dem Vorbringen hinsichtlich des Widerspruchs des Bauvorhabens zur Flächenwidmung ist der Beschwerdeführer präkludiert, sodaß darauf nicht einzugehen war.

Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordung BGBl. Nr. 116/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060103.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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