TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 G303 2216717-1

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §29b

Spruch

G303 2216717-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 10.11.2017, OB: XXXX , betreffend die Einziehung des Parkausweises für Behinderte, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.11.2017 verfügte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), die Einziehung des Parkausweises der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) und forderte die BF auf, den Parkausweis unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen. Begründend wurde auf einen Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2017 verwiesen, womit festgestellt worden sei, dass die BF die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht erfülle.

2. Gegen den oben genannten Bescheid brachte die BF mit Schreiben vom 04.12.2017 fristgerecht (bei der belangten Behörde eingelangt am 05.12.2017) Beschwerde ein.

Es wurde beantragt, einen neuen Parkausweis auszustellen sowie die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im bereits bestehenden unbefristeten Behindertenpass, vorzunehmen, welche als Voraussetzung für den Nachweis über die Berechtigung anzusehen sei.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht erst am 29.03.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist im Besitz eines gültigen Behindertenpasses.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2020, GZ G303 2216719-1/10E, wurde der Beschwerde der BF gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2017, OB: XXXX , stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

Der Parkausweis der BF mit der Nr. 229183 wurde von der belangten Behörde am 25.02.2015 mit Gültigkeit bis 31.01.2018 ausgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Besitz des Behindertenpasses und zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2020 ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) zu GZ: G303 2216719-1 sowie dem vorliegenden Gerichtsakt.

Die Feststellungen zum Parkausweis wurden aufgrund einer seitens der belangten Behörde erstatteten Stellungnahme vom 28.03.2019 getroffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den im gegenständlichen Verfahren maßgebenden Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. (VwGH vom 21.09.2018, Ro 2017/02/0019)

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Gegenständlich ist der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenklage geklärt und unstrittig. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Überdies wurde seitens der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist gemäß § 29b Abs. 1 StVO 1960 als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, verlieren gemäß § 29b Abs. 6 StVO 1960 ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015. Ausweise, die nach dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig.

Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten (vgl. § 3 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.09.2018, Ro 2017/02/0019, ist durch die Neufassung des § 29b Abs. 1 StVO mit BGBl. I Nr. 39/2013 die Verpflichtung entfallen, Ausweise, die nach der Gehbehindertenausweisverordnung oder davor ausgestellt worden waren, bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung bei der Behörde abzuliefern. Ebenso ist die - erst durch die 20. StVO-Novelle geschaffene (vgl. hierzu auch VwGH 24.01.2006, 2005/02/0256) - Möglichkeit entfallen, derartige Ausweise zu entziehen (vgl. auch § 29b Abs. 1 StVO in der Fassung vor dem 1. Jänner 2014). § 29b StVO 1960 bietet somit keine gesetzliche Grundlage für die Einziehung des Parkausweises. Folglich enthält auch die (u.a.) aufgrund des § 29b Abs. 1 leg.cit. erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF keine Bestimmungen für die Einziehung des Parkausweises (vgl. auch Pürstl, StVO14 (2015) § 29b Anm 4b und 8).

Die Übergangsbestimmungen in § 29b Abs. 6 StVO sehen vor, dass Parkausweise, die seit dem 1. Jänner 2001 ausgestellt wurden, weiterhin gültig bleiben. Davor ausgestellte Parkausweise, das sind jene, die noch nicht den EU-Vorgaben entsprechen, verlieren mit 31. Dezember 2015 ihre Gültigkeit (vgl. ErläutRV 2109 BlgNR XXIV. GP 4).

In der gegenständlichen Rechtssache wurde der BF am 25.02.2015 ein Parkausweis gemäß § 29b StVO befristet bis 31.01.2018 ausgestellt, somit nach dem 31.12.2000.

Der Einziehung des Parkausweises mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.11.2017 fehlt eine gesetzliche Grundlage und ist daher unzulässig.

Zudem erfüllt die BF durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2020, GZ G303 2216719-1/10E, gemäß § 29b Abs. 1 StVO 1960 die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einziehung Gültigkeit Parkausweis Rechtsgrundlage Übergangsbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2216717.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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