Entscheidungsdatum
15.07.2020Norm
AlVG §11Spruch
W260 232519-1/3E
im namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die fachkundige Laienrichterin Mag. Melanie STÜBLER sowie den fachkundigen Laienrichter Alexander WIRTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 23.08.2019, VN: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.06.2020, GZ: WF 2020-0566-9-001197, wegen Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gem. §§ 38 iVm 11 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und Verspätung, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden „belangte Behörde“) hat mit Bescheid vom 23.08.2019, VN: XXXX den Bezug des Arbeitslosengeldes des XXXX (im Folgenden „Beschwerdeführer“) für den Zeitraum 11.04.2019 bis 08.04.2019 ausgeschlossen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers bei der Firma XXXX durch fristlose Entlassung geendet sei.
2. Mit von der belangten Behörde aktenmäßig erfasstem Vermerk gab der Beschwerdeführer im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 25.02.2020 bekannt, dass er wegen der Entlassung am 15.01.2020 eine Gerichtsverhandlung gehabt hätte und folglich der Kündigungsgrund geändert worden sei. Die belangte Behörde informierte den Beschwerdeführer dahingehend, dass er gegen den Bescheid vom 23.08.2019 eine Beschwerde erheben hätte sollen.
3. Mit von der belangten Behörde aktenmäßig erfasstem Vermerk vom 04.03.2020 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Auszug aus dem Elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger vom 04.02.2020 vor, aus welchem hervorgeht, dass die Beschäftigung des Beschwerdeführers am 11.04.2019 durch einvernehmliche Lösung endete. Der Auszug enthielt den handschriftlichen Vermerk: Bitte Aufhebung Sperre“ und wurde folglich als Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.08.2019 gedeutet.
4. Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer mit RSb-Schreiben der belangten Behörde vom 13.05.2020 ein Verspätungsvorhalt übermittelt, mit der Frist, sich bis zum 03.06.2020 dahingehend zu äußern, ob ihm der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 23.08.2019 zugegangen sei, sowie an welchem Tag er die korrigierte Abmeldung von Februar 2020 erhalten hätte. Das Schreiben wurde am 15.05.2020 übernommen.
5. Mit von der belangten Behörde aktenmäßig erfasstem Vermerk vom 02.06.2020 gab der Beschwerdeführer zum Verspätungsvorhalt telefonisch an, dass er den Bescheid vom 23.08.2019 noch im August erhalten habe und die korrigierte Mitteilung aus dem Elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger Anfang Februar 2020. In einem 2. Telefonat gab der Beschwerdeführer an, dass er die Mittelung der XXXX am 14.02.2020 erhalten habe.
Der Beschwerdeführer wurde hinsichtlich der Fristen zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde und auch betreffend die zweiwöchige Frist ab Kenntnis der neuen Tatsachen bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung belehrt. Der Beschwerdeführer führte hierzu aus, dass er „eh binnen vier Wochen zum AMS gekommen sei“.
5. Mit dem im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 04.06.2020, GZ: WF 2020-0566-9-001197, wurde die gegen den Bescheid vom 23.08.2019 gerichtete Beschwerde als verspätet zurückgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
6. Mit als „Beschwerde gegen Bescheid“ bezeichneten Schreiben vom 14.06.2020 wurde fristgerecht ein Vorlageantrag unter Beigebung von Unterlagen eingebracht.
8. Die belangte Behörde übermittelte den Verwaltungsakt im Wege der Beschwerdevorlage am 29.06.2020 an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Dem Beschwerdeführer wurde der Bescheid vom 23.08.2019 postalisch übermittelt.
Der Bescheid enthielt eine korrekte Rechtsmittelbelehrung.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer ohne Zustellnachweis zugestellt und ist ihm noch im Monat August 2019 zugegangen.
Der Beschwerdeführer gab der belangten Behörde am 25.02.2020 bekannt, dass er am 15.01.2020 eine Gerichtsverhandlung hatte, folglich der Kündigungsgrund geändert wurde.
Der Beschwerdeführer hat die Änderungsmeldung der XXXX am 14.02.2020 erhalten.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 04.06.2020, GZ: WF 2020-0566-9-001197, wurde die gegen den Bescheid vom 23.08.2019 gerichtete Beschwerde als verspätet zurückgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Der Beschwerdeführer hat sich zum Verspätungsvorhalt der belangten Behörde vom 13.05.2020 nicht substantiell geäußert.
Die Beschwerde vom 04.03.2020 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23.08.2020 ist verspätet.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde, wobei daraus die getroffenen Feststellungen klar hervorgehen.
Dass der Bescheid dem Beschwerdeführer im August zugestellt wurde, gründet sich auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer zum Verspätungsvorhalt nicht substantiell geäußert hat, ergibt sich aus den aktenmäßigen Vermerk der belangten Behörde vom 02.06.2020, wonach der Beschwerdeführer angab, dass er die Abmeldung bzw. Änderungsmeldung am 14.02.2020 erhalten hatte und binnen vier Wochen zum AMS gekommen ist. Nach Belehrung über den Unterschied zwischen Beschwerde und Antrag auf Wiedereinsetzung und den unterschiedlichen Fristen teilte der Beschwerdeführer mit, dass es nicht seine Schuld ist. Richtig ist, dass der Beschwerdeführer am 25.02.2020 im Rahmen einer Vorsprache bei der belangten Behörde dieser berichtete, dass er am 15.01.2020 einen Gerichtstermin hatte und obsiegte.
Wenn der Beschwerdeführer nun angibt, dass er von der belangten Behörde dahingehend informiert worden sei, dass er erst dann Beschwerde einreichen soll, wenn die Gerichtsverhandlung erfolgreich bestritten wurde, ist ihm vorzuwerfen, dass er bereits am Tage nach seiner Verhandlung bzw. umgehend nach Kenntnis des Urteils dies der belangten Behörde hätte melden müssen und dies nicht getan hat. Dass die Gerichtsladung vom 15.01.2020 der Behörde übermittelt worden sei, wie der Beschwerdeführer in seinem Vorlageantrag angibt, ist im Verwaltungsakt nicht ersichtlich, und wurde erst im Rahmen des Vorlageantrages der belangten Behörde übermittelt, was jedoch aus beweiswürdigender Sicht für das Ergebnis nicht relevant ist.
Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass weder im Vorlageantrag noch im bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers ein Antrag auf Wiedereinsetzung erkannt werden kann und wird dazu auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.
Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG gilt eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 32 Abs. 2 AVG).
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).
Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).
3.2. Ausgehend davon, dass gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt, endete die vierwöchige Frist zur Einbringung einer Beschwerde mit Ablauf des 20.09.2019.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer diesen Umstand entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich vorgehalten (vgl. dazu VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050). Der Beschwerdeführer hat sich hierzu nicht substantiiert geäußert.
Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 23.08.2019 zutreffend darauf hingewiesen, dass innerhalb von vier Wochen nach Zustellung bei der regionalen Geschäftsstelle eine Beschwerde eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG. Die Zustellung des Bescheides wurde auch nicht bestritten. Die Rechtsmittelfrist endet somit mit Ablauf des 20.09.2019.
Die am 04.03.2020 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde war somit jedenfalls verspätet und zurückzuweisen.
3.3. Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat.
Ein solcher Antrag bzw. Tauglichkeit ist im Vorbringen des Beschwerdeführers selbst bei äußerst möglicher Deutung des Parteiwillens nicht erkennbar und wäre selbst bei Bejahung verspätet, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, zu stellen (vgl. § 71 Abs. 2 AVG). Die wäre im gegenständlichen Verfahren die Kenntnis des Obsiegens im arbeitsgerichtlichen Verfahren bzw. spätestens ab Zustellung der Änderungsmitteilung der XXXX .
3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen und wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Recherche nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden.
In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W260.2232519.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020