TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/20 G303 2178819-1

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Veröffentlicht am 20.07.2020
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Entscheidungsdatum

20.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7

Spruch

G303 2178819-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Dr. Astrid WAGNER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.10.2017, Zl. XXXX , betreffend Rückkehrentscheidung und befristetes Einreiseverbot, zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit abgeändert, dass die Punkte I. und III. wie folgt zu lauten haben:

"I. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen.

III. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 (achtzehn) Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.“

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX .10.2017 von Organen der Finanzpolizei auf einer Baustelle in Bisamberg in verschmutzter Arbeitskleidung bei Fassadenarbeiten angetroffen. Der BF wurde festgenommen und am selben Tag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde), Regionaldirektion Niederösterreich, niederschriftlich einvernommen.

2. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 30.10.2017, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 7 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

4. Dagegen wurde mit Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung des BF vom 27.11.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Beschwerde wurde beantragt, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der BF eine Firma in Slowenien habe, in welcher er auch der Geschäftsführer sei. Seine slowenische Firma „ XXXX “ arbeite wiederum für die österreichische Firma XXXX . Der BF sei in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, nur seine slowenische Firma. Der BF habe sich maximal zwei Tage in Österreich aufgehalten. Seine slowenische Firma, und nicht der BF selbst, würde für die Montagearbeiten und das Material laut Kostenvoranschlag EUR 3.860,00 verrechnen. Im Falle der Verhängung eines Einreiseverbotes wäre der BF nicht mehr in der Lage Projekte zu kontrollieren bzw. durchzuführen. Unstrittig sei, dass der BF in Österreich familiär nicht integriert sei, seine gesamte Familie lebe in Bosnien. Der BF habe zu keinem Zeitpunkt in Österreich "schwarz“ gearbeitet. Aus der Geschäftsführertätigkeit könne keine Schwarzarbeit geschlossen werden. Zutreffend sei, dass der BF am XXXX .10.2017 in XXXX eine Vermessung eines Objektes durchgeführt habe, um über ein Computerprogramm das Auftragsvolumen zu berechnen. Dies stelle auf keinen Fall eine Arbeitstätigkeit dar, der BF habe dafür als Geschäftsführer auch keinen Lohn erhalten. Ein Kostenvoranschlag sei unverbindlich und für den potentiellen Auftragnehmer auch unentgeltlich. Der BF sei unbescholten und sei seine Firma auf die Durchführung von Aufträgen in Österreich angewiesen. Ein Einreiseverbot würde die Existenz der Firma und damit die Erwerbstätigkeit des BF massiv gefährden. Die Verhängung eines auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbotes sei zudem unverhältnismäßig. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde von dem Einreiseverbot Abstand nehmen müssen bzw. eine weitaus kürzere Frist festsetzen dürfen.

5. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 05.12.2017 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Der BF besitzt einen gültigen bosnischen Reisepass. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Der BF reiste am XXXX .10.2017 legal nach Österreich ein. Der BF verfügt über keine Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet.

Der BF wurde am XXXX .10.2017 von Organen der Finanzpolizei arbeitend auf einer Baustelle betreten. Der BF führte an einem Zweifamilienhaus in verschmutzter Arbeitskleidung Fassadenarbeiten durch. Für diese Tätigkeit lag keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vor, noch eine Anmeldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger.

Der BF verfügt über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet.

Der BF wurde am XXXX .10.2017 festgenommen und in weiterer Folge wurde ab XXXX .10.2017 zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er verfügt über keine familiären und privaten Bindungen in Österreich. Der familiäre und private Lebensmittelpunkt des BF befindet sich in Bosnien und Herzegowina, wo er mit seiner Familie lebt.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Der BF wurde am XXXX .10.2017 auf den Luftweg nach Sarajevo abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des BVwG.

Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde und in der Beschwerde sowie der im Verwaltungsakt ersichtlichen Kopie des bosnischen Reisepasses des BF, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.

Die Feststellung zur Einreise beruht auf den eigenen Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA.

Im Zentralen Melderegister befinden sich – abgesehen von einer Nebenwohnsitzmeldung von 07.05.2012 bis 07.08.2012 - keine Eintragungen.

Aktenkundig ist der Bericht der Finanzpolizei Hollabrunn vom 28.10.2017, wonach der BF mit zwei weiteren bosnischen Staatsangehörigen, am XXXX .10.2017 um 09.45 Uhr in XXXX , bei einem Zweifamilienhaus in verschmutzter Arbeitskleidung bei der Durchführung von Fassadenarbeiten angetroffen wurde. Aus dem Bericht der Finanzpolizei ergibt sich auch die fehlende arbeitsmarktbehördliche Bewilligung.

Die Feststellungen zum fehlenden Aufenthaltstitel sowie zur fehlenden sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung konnten anhand der Auszüge aus dem Fremdenregister und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger getroffen werden.

In der gegenständlichen Beschwerde wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet gewesen wäre, das erkennende Gericht von der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF, dass er auf der Baustelle nicht gearbeitet habe, zu überzeugen. Schließlich wurde der BF von Organen der Finanzpolizei arbeitend auf der Baustelle betreten. Der Umstand, dass der BF in verschmutzter Arbeitskleidung sowie mit zwei weiteren Arbeitern bei Fassadenarbeiten angetroffen wurde, spricht eindeutig für eine Arbeitstätigkeit. Das Beschwerdevorbringen, dass der BF lediglich als Geschäftsführer einer slowenischen Firma Vermessungstätigkeiten für die Berechnung eines Auftrages durchführte, ist demnach nicht nachvollziehbar und glaubhaft.

Zudem wurden seitens des BF keinerlei Beweismittel vorgelegt, die die Existenz des slowenischen Unternehmens belegen würden. Auch wurden keine Urkunden vorgelegt, die das behauptete Vertragsverhältnis zwischen der Firma XXXX als Auftraggeber und der Firma XXXX als Auftragnehmer, beweisen würden.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der BF am XXXX .10.2017 einer unerlaubten Beschäftigung nachging.

Die Feststellung zur Festnahme ergibt sich aus dem Festnahmeauftrag des BFA vom 28.10.2017. Die Feststellungen zur Schubhaft beruhen auf den Mandatsbescheid des BFA vom 30.10.2017.

Dass der BF arbeitsunfähig ist bzw. an einer Erkrankung leidet, konnte im Beschwerdeverfahren nicht festgestellt werden und wurde dies auch nicht behauptet. Unbeschadet dessen, wurde der BF bei einer Tätigkeit angetroffen, sodass davon auszugehen ist, dass der BF gesund und arbeitsfähig ist.

Die inländische strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu den familiären und privaten Verhältnissen des BF basieren auf den eigenen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 28.10.2017 vor dem BFA, wonach er keine Familienangehörige oder Verwandte in Österreich hat.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich hervorgekommen.

Die Abschiebung nach Sarajevo konnte anhand des Abschiebeauftrages des BFA vom 30.10.2017 sowie des Flugtickets festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

3.1.1. Zu Spruchpunkt I.:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Da der BF einen biometrischen Reisepass besitzt, ist er nach Art 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 (Visumpflichtverordnung) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Ausgehend von seiner Einreise am XXXX .10.2017 war die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts nicht überschritten.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittstaatsangehörige in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern sie die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e erfüllen.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e Schengener Grenzkodex legt als Einreisevoraussetzung fest, dass ein Drittstaatsangehöriger keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen darf und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein darf.

Im vorliegenden Fall verrichtete der BF Fassadenarbeiten ohne Arbeitserlaubnis an einem Zweifamilienhaus.

Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung für eine Beschäftigung entgegen den Bestimmungen des AuslBG. Von jemandem, der eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufnimmt, muss verlangt werden, dass er sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut macht, zumal es bei der Beurteilung der (Un-)Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Inland nicht auf die subjektive Sicht des betroffenen Fremden ankommt (vgl VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Der BF hielt somit die Bedingungen des visumfreien Aufenthalts, der nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, nicht ein, zumal er im Bundesgebiet eine Beschäftigung ausübte, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Der Aufenthalt des BF erwies sich somit als unrechtmäßig.

Wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt, ist gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 zu prüfen. Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Dies erfolgte auch gegenständlich mit dem angefochtenen Bescheid.

Zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt befindet sich der BF allerdings nicht mehr im Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 weggefallen ist. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 hat daher nunmehr zu entfallen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt. Mit der vorliegenden Entscheidung ist allerdings – wie oben angeführt - der geänderte Umstand zu berücksichtigen, dass sich der BF seit seiner Abschiebung am XXXX .10.2017 nicht mehr in Österreich aufhält. Im Fall einer während des Beschwerdeverfahrens erfolgten Ausreise ist der Fall erstmals unter dem Blickwinkel des § 52 Abs. 1 Z 2 FPG zu beurteilen und allenfalls die Beschwerde mit Bezugnahme auf diese Bestimmung abzuweisen, zumal eine Erstreckung der Anordnung des § 21 Abs. 5 BFA-VG auf Entscheidungen über Beschwerden gegen eine Rückkehrentscheidung (jedenfalls nach § 52 Abs. 1 FPG) nicht in Frage kommt (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 12 und 21).

Seit der erfolgten Ausreise (Abschiebung) des BF findet die gegenständliche Rückkehrentscheidung daher in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren ohnehin schon vor der Ausreise und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist (binnen sechs Wochen ab Ausreise) eingeleitet wurde.

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ist die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Zl. Ra 2016/21/0198).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Die Rückkehrentscheidung greift nicht in das Familienleben des BF ein, weil keine Angehörigen des BF im Inland leben. Was die privaten Lebensumstände anbelangt, liegt schon im Hinblick auf die äußerst kurze Dauer seines Aufenthalts in Österreich keine berücksichtigungswürdige Integration vor. Die (unrechtmäßige) Beschäftigung erfordert nicht, dem BF einen längerfristigen Aufenthalt zu erlauben, auch wenn der BF – wie er in der Beschwerde vorbringt – existenziell von einer Erwerbstätigkeit in Österreich abhängig ist.

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt zweifelslos in Bosnien und Herzegowina, wo seine Ehefrau und seine Kinder leben und wo der BF einer Beschäftigung nachgeht.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) kommt ein hoher Stellenwert zu. Dieses große öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung ist gegen das persönliche Interesse des BF an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art 8 EMRK abzuwägen.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

3.1.2.  Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Gemäß § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der Situation in Bosnien und Herzegowina und der Lebensumstände des BF keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Daher ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nicht korrekturbedürftig.

3.1.3.  Zu Spruchpunkt III.: (Einreiseverbot)

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (Z 7).

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat die belangte Behörde zu Recht die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG bejaht, da - wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt - es das erkennende Gericht als erwiesen ansieht, dass der BF als Arbeiter auf einer Baustelle einer illegalen Beschäftigung nachging.

So hat der VwGH bereits wiederholt festgehalten, dass Schwarzarbeit einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle (vgl. VwGH 04.09.1992, 92/18/0350) und ein großes Interesse an der Verhinderung derselben bestünde (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047). Letztlich führte der VwGH - unter Bezug auf seine eigene Judikatur - erst kürzlich wieder aus, dass die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziere, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährde, wobei diese Gefährdungsannahme beim Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt sei (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Umstände, die im vorliegenden Fall gegen diese Annahme sprechen könnten, sind nicht hervorgekommen.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und an der Verhinderung von „Schwarzarbeit“ kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal der Lebensmittelpunkt des BF in Bosnien und Herzegowina liegt.

Die Bemessung des Einreiseverbotes mit der Höchstdauer von fünf Jahren erscheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass sich der BF nicht mehr in Österreich befindet, sich die letzten Jahre stets wohlverhalten hat und strafgerichtlich unbescholten ist, nicht geboten. Das Einreiseverbot wurde aus diesen Gründen mit 18 Monaten befristet. Eine gänzliche Aufhebung – wie in der Beschwerde beantragt – kam jedoch nicht in Betracht.

Insofern war gegenständlich die Dauer des Einreiseverbotes zu reduzieren und konnte mit einer Befristung von 18 Monaten das Auslangen gefunden werden.

Das Einreiseverbot laut Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ist daher in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf 18 Monate herabzusetzen.


3.1.4.  Zum Spruchpunkt IV. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung)

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Aufgrund des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des BF und der unerlaubten Erwerbstätigkeit ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden, und kann die von der belangten Behörde getroffene, im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gelegene, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als rechtmäßig erkannt werden.

Sohin war die Beschwerde in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 MRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht klärungsbedürftig ist und auch bei einem positiven persönlichen Eindruck vom BF weder ein Entfall noch eine weitere Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots denkbar ist, konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zudem wurde von den Verfahrensparteien die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2178819.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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