TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/24 W265 2229953-1

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Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2229953-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.03.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist seit 02.06.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 15.11.2019 stellte sie beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass, mittels dem entsprechend von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular, worin sie unter Punkt 3. die Aufnahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass beantragte. Dem Antrag legte sie Befunde bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.01.2020 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 29.01.2020 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

2011 Darmkrebs OP, Hysterektomie, Chemotherapien

Derzeitige Beschwerden:

2011 hatte ich eine Darmkrebs OP. Seither habe ich einen künstlichen Darmausgang. Aber nicht nur das; seit der letzten Operation, wo mir die Gebärmutter und ein Teil der Harnblase wegen eines Rezidives entfernt werden musste, habe ich auch künstliche Harnausgänge aus beiden Nieren und auch aus der Blase (drei Harnauslässe). Den Darmausgang habe ich am Bauch und die drei Harnsäcke habe ich an den Beinen montiert. Das Leben ist für mich sehr kompliziert geworden, durch die Chemotherapien bin ich sehr schlapp und erschöpft, Seit dem Beginn der Erkrankung habe ich 20 kg an Gewicht verloren.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Xarelto 20mg Tbl. 1-0-0 Rosavastatin 10mg Tbl 0-0-1 Zofran 8mg 1-0-1 ab Chemotag durch 4 Tage Ratiograstim 30Mio s.c. Minostad 50mg Pliazon Creme Neurontin 300mg Enterooene 2mg Tavanic 500mg

Sozialanamnese:

Lebt in einer Partnerschaft, Reha Geld, und hat zwei erwachsene Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2019-11, rezi. d. Adenokarzinom SMZ Ost Donauspital: Diagnosen: Rezidiv des Adenokarzinoms mit Einwachsen in den Uterus 6/2019 1. Zyklus FOLFIRINOX+Cetuximab ab 17.7.2019

2019-11, MRT d. Gehirnschädel, Radiologie, DZ Meidling: Regelrechter Befund des Cerebrums - kein Nachweis einer Bluthirnschrankenstörung

Mitgebrachter Befund vom 17.1.2020 Donau Spital anamnestisch Zustand nach Rektumkarzinom und Chemotherapie und Radiatio vor vielen Jahren. Es zeigte sich ein Tumorwachstum im Bereich des Uterus mit Beteiligung der Harnblase. Th: 13.12. 2019 Hysterektomie unter Mitnahme eines Anteils der Harnblase sowie des Rektums, Ureteren Katheter beidseits, Ureterosteostomie. Es besteht ein Zustand nach neoadjuvanter Chemotherapie.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

moderat reduziert

Ernährungszustand:

gut

Größe: 161 cm Gewicht: 52 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung

Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden

Haut und Schleimhäute: unauffällig

Hals: unauffällig, keine Einflußstauung

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch

Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer

Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent

Abdomen: im Thoraxniveau, mehrere blande OP Narben, dichte Colostomie im li UBrektal nicht untersucht.

In beiden Flanken Ureterosteostomie mit Harnableitungen nach aussen. Zusätzlich eine transvaginale Harnableitung aus der Harnblase.

Neurologisch: Störungen der Sensibilität werden keine angegeben.

WIRBELSÄULE:

Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein wesentlicher Hartspann der Rückenmuskulatur.

HWS: altersentsprechend frei beweglich, Drehung und Seitneigung beidseits frei. KJA: 1 cm

BWS: Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich

LWS: Endlagige Bewegungseinschränkungen, Finger-Bodenabstand im Stehen: unterhalb der Knie

Obere Extremitäten:

Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Schultergelenk rechts Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°

Schultergelenk links Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°

Nackengriff: bds möglich Schürzengriff: bds möglich

Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend

Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Der Faustschluß ist beidseits mit allen Fingern möglich.

Untere Extremitäten:

grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.

Hüftgelenk rechts: Beugung: 120° Rotation: 40-0-40°

Hüftgelenk links: Beugung: 120° Rotation: 40-0-40°

Kniegelenk rechts: 0-0-130°

Kniegelenk links: 0-0-130°

Sprunggelenke: beidseits annähernd normale passive Beweglichkeit.

Zehenstand und Fersenstand beidseits möglich, Einbeinstand beidseits möglich, Fußpulse beidseits palpabel.

Keine Ödeme beidseits, Varicositas, keine postthrombotische Veränderungen.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffällig, sicher, keine Hilfsmittel, Schrittlänge normal, Setzen/Erheben unbehindert möglich.

Status Psychicus:

Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist ausgeglichen. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Adenokarzinoms des Rektums

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Rezidiv mit Einwachsen in den Uterus und Harnblase

13.01.03

60

2

Künstliche Harnableitung nach Außen

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mehrfache Ausgänge

08.01.03

60

3

Colostomie

07.04.18

50

         Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 und 3 erhöhen gemeinsam um 1 Stufe, da bei teilweiser Leidensüberschneidung insgesamt jedoch ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.


[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es besteht ein künstlicher, gut eingeheilter und dichter Darmausgang (Colostomie) sowie künstliche Harnausgänge. Diese medizinisch notwendigen Behelfe stellt zweifellos eine Beeinträchtigung des Alltagslebens dar, welcher jedoch, bei gegebener Dichtheit, den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

[x] Erkrankungen des Verdauungssystems

GdB: 60 v.H.“

Mit Schreiben vom 30.01.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.

Mit angefochtenem Bescheid vom 05.03.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgewichen werden können. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt.

Mit am 25.03.2020 eingelangtem Schreiben erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche als „Einspruch“ betitelte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte darin aus, Einspruch auf die Ausstellung eines Parkausweises und auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhaften Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung erheben zu wollen. Sie ersuche um eine positive Genehmigung.

Das Bundesverwaltungsgericht erteilte mit Erledigung vom 02.04.2020 einen Mängelbehebungsauftrag aufgrund Inhaltsmängel der Beschwerde.

Nunmehr vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV) erstattete die Beschwerdeführerin am 14.05.2020 eine Mängelbehebung und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund der Chemotherapie, die sie derzeit mache, körperlich schwach und schnell erschöpft sei, weshalb die Anmarschwege zu den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu bewältigen seien. Eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter sei ihr nicht möglich. Sie müsse auf Fahrtendienste zum Krankenhaus zurückgreifen. Entgegen den Ausführungen im Gutachten seien die künstlichen Ausgänge (Colostoma und Harnausgänge) nicht dicht, sodass es bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu einem Austritt kommen könne und bei Benützung der Verkehrsmittel nicht die Möglichkeit bestehe eine Reinigung durchzuführen. Es sei zudem nicht ausgeführt worden, wie sich diese Beeinträchtigung konkret auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirke und ob diese im Lichte der Judikatur zumutbar seien. Es werde die Einholung eines internistischen sowie urologischen Gutachtens sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Eingabe vom 19.06.2020 legte die Beschwerdeführerin zwei Terminbestätigungen des Donauspitals vom Juni 2020 und eine Medikamentenliste vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Sie stellte am 15.11.2019 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in ihren Behindertenpass.

Infolge dieses Antrages beträgt der im Behindertenpass eingetragene Grad der Behinderung nunmehr 70 v.H.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Adenokarzinom des Rektums

-        Künstliche Harnableitung nach Außen

-        Colostomie

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz den künstlichen Darm- und Harnausgängen, welche dicht sind, zumutbar. Diese Zustände stellen zweifellos eine Beeinträchtigung des Alltagslebens dar, schränken jedoch bei gegebener Dichtheit den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 29.01.2020 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.01.2020. Dabei berücksichtigte der Sachverständige die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.

Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, erreichen sowohl die Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit als auch die Einschränkungen bedingt durch die künstlichen Darm- und Harnausgänge kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde.

Der Sachverständige stellte in der persönlichen Untersuchung am 28.01.2020 fest, dass der künstliche Darmausgang (Colostomie) gut eingeheilt und dicht ist. Des Weiteren bestehen drei künstliche Harnausgänge, welche in Summe mit dem künstlichen Darmausgang zweifelsohne eine Beeinträchtigung des Alltagslebens darstellen. Durch die gegebene Dichtheit ist jedoch die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich eingeschränkt. Auch die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind zumutbar. So zeigte sich das Gangbild der Beschwerdeführerin im Rahmen der persönlichen Untersuchung unauffällig, sicher und die Schrittlänge als normal. Ein Erheben und Setzen ist unbehindert möglich. Die Beschwerdeführerin verwendet keine Hilfsmittel.

Bei seiner Beurteilung berücksichtigte der Sachverständige, dass die Beschwerdeführerin durch die Chemotherapie schlapp und erschöpft ist, was sie bei der Anamneseerhebung gegenüber dem Sachverständigen ausführte.

Dazu findet sich in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen der Hinweis, dass es bei Chemotherapien im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft kommt, woraus jedoch keine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert. In dieser kurzen Phase kann es zu einem stark reduzierten Allgemeinzustand kommen, weshalb im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist. Eine automatische Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel ist damit jedoch noch nicht verbunden.

Damit übereinstimmend hielt der Sachverständige in seinem Gutachten vom 29.01.2020 fest, dass bei der Beschwerdeführerin ein moderat reduzierter Allgemeinzustand vorliegend ist.

Des Weiteren findet sich in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen der Hinweis, dass bei gut versorgten Ileo- und Colostoma mit dichtem Verschluss im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keine Einschränkung besteht. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Dass die künstlichen Harn- und Darmausgänge nicht dicht seien, erwähnte die Beschwerdeführerin im Zuge der persönlichen Untersuchung nicht, sondern brachte derartige Probleme erst im Zuge der Mängelbehebung ihrer Beschwerde vor. Dazu tätigte sie jedoch keine genaueren Angaben, wie etwa, dass die Ausgänge ungünstig lokalisiert wären und es in ihrem speziellen Fall zu Austritten komme.

Ergänzende medizinische Befunde legte die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde ebenfalls nicht bei.

Die vorgelegte Medikamentenliste und die Terminbestätigungen für eine Chemotherapie und Blutabnahmen im Donauspital sind mit der Beurteilung des Sachverständigen nicht im Widerspruch stehend bzw. sind nicht geeignet eine Änderung des bisherigen Ergebnisses zu bedingen.

Die Beschwerdeführerin legte demnach im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Damit ist sie dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 29.01.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 ….

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. …….

2. ……

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)……“

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:

„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs,

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“

…“

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 05.03.2020 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Neufestsetzung des Grades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert. Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen, bedingt durch die künstlichen Harn- und Darmausgänge und der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Alltag vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Die dazu seitens des Gesetzgebers festgehaltenen Erläuterungen wurden im gegenständlichen Fall berücksichtigt und bestärken diese die Einschätzung, dass der Beschwerdeführerin die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz ihrer zweifelsohne vorhandenen und festgestellten Gesundheitsschädigungen zumutbar ist.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie bereits erwähnt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Betreffend den Antrag in der Beschwerde, es mögen ein internistisches und ein urologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden, ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass das Gesetz keine Regelung enthält aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht. Vielmehr kommt es auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass erforderliche Voraussetzung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben. Auch erreichen die übrigen Einschränkungen der Beschwerdeführerin bedingt durch die künstlichen Harn- und Darmausgänge kein Ausmaß, welches die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lässt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG – trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages – nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2229953.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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