Entscheidungsdatum
27.07.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2233110-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER, in Vertretung der Richterin Mag. HABERMAYER-BINDER, der Leiterin der Gerichtsabteilung W136, gemäß § 10 Abs 3 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes 2020, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der ZIVILDIENSTSERVICEAGENTUR vom 04.06.2020, Zl. 421320/15/ZD/0620, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 12c Abs 2 ZDG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) – dessen Tauglichkeit zum Wehrdienst erstmals am 10.07.2013 festgestellt wurde – brachte am 01.12.2014 eine mängelfreie Zivildiensterklärung ein.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur (ZISA) vom 19.12.2014 wurde der Eintritt seiner Zivildienstpflicht rechtskräftig festgestellt.
3. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 04.06.2020 (zugestellt am 09.06.2020) sprach die ZISA (belangte Behörde) die Zuweisung zum Zivildienst beim XXXX , ab 01.08.2020 mit Antritt am 03.08.2020 aus.
4. Mit E-Mail vom 22.06.2020 teilte der BF der ZISA mit, dass er bereits vom 01.09.2016 bis zum 30.06.2017 einen Gedenkdienst an der Einsatzstelle „ XXXX “ in PARIS gemäß FreiwG, BGBl I Nr 17/2012 absolviert habe. Das Zertifikat vom 03.07.2017 sei bereits von buero@auslandsdienst.at am 6. April 2020 an die E-Mail-Adresse aufschub@zivildienst.gv.at geschickt worden und habe er es nocheinmal gemeinsam mit dem Zertifikat „angehängt“.
5. Die ZISA informierte den BF am selben Tag (ebenfalls per E-Mail), dass es Sache des Zivildienstpflichtigen sei, dafür zu sorgen, dass Zertifikat dafür vorzulegen. Man habe keine Möglichkeit zu prüfen, ob wirklich alle Zertifikate vorgelegt worden seien. Das Zertifikat sei weder vom Büro Auslandsdienst noch vom BF vorgelegt worden.
6. Mit Mail vom 24.06.2020 führte der BF noch einmal aus, dass er den Zivilersatzdienst bei der Trägerorganisation „Österreichischer Auslandsdienst“ geleistet habe und „hängte“ diesmal einen Scan der Vorvereinbarung als Beweis an.
7. Am 30.06.2020 brachte er zusätzlichen einen näher begründeten – nicht beschwerdegegenständlichen - Aufschubantrag ein.
8. Am 01.07.2020 brachte der BF eine näher begründete Beschwerde gegen den in Punkt 3 genannten Bescheid (mit ua beigelegtem Zertifikat und Vereinbarung) ein und beantragte die Aufhebung der Zuweisung sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
9. Mit Schriftsatz vom 14.07.2020 legte die ZISA – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor (eingelangt 17.07.2020). Die Beschwerde wurde der Gerichtsabteilung W136 gemäß der gültigen Geschäftsverteilung (GV 2020) zugewiesen.
10. Aufgrund der noch bis 00:00 Uhr des 03.08.2020 urlaubsbedingten mehrwöchigen Abwesenheit der Leiterin der Gerichtsabteilung W136 wurde die Beschwerde am 27.07.2020 dem gemäß der GV 2020 eingeteilten Vertreter, dem Leiter der Gerichtsabteilung W208, zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des vorgelegten Zertifikats steht fest, dass der am XXXX 1995 geborene BF vom 01.09.2016 bis zum 30.06.2017 (10 Monate) einen Gedenkdienst der anerkannten Trägerorganisation „Österreichischer Auslandsdienst“ an der Einsatzstelle „ XXXX “ in PARIS gemäß FreiwG, absolviert hat.
Das Zertifikat ist der belangten Behörde erst mit seiner Eingabe vom 22.06.2020 zur Kenntnis gelangt.
Den Vertrag mit der Trägerorganisation vom 17.08.2016 hat der BF der belangten Behörde nicht vorgelegt, sondern erst in der Beschwerde.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden, sind unbestritten und werden daher der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Gemäß § 2a Abs 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine Unzulässigkeit erkennbar.
Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, (BVwGG), wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Wenn das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, hat seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH 16.12.2015, Ro 2014/03/0083).
Vor den Verwaltungsgerichten gibt es kein Neuerungsverbot (Hinweis B vom 17. Dezember 2014, Ra 2014/10/0044; VwGH 29.03.2017, Ra 2016/05/0069)
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist bzw der belangten Behörde bekannt ist und nicht bestritten wurde, sodass eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhaltes erwarten lässt. Auch die Rechtsfrage ist nicht derart komplex, dass es einer mündlichen Erörterung bedürfte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 (keine „civil rights“ betroffen) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 Seite 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen
Die anzuwendenden Bestimmungen des Zivildienstgesetzes (ZDG) lauten (Auszug, Hervorhebung durch BVwG):
"§ 8 (1) Der Zivildienstpflichtige ist von der Zivildienstserviceagentur einer gemäß § 4 anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen. Hierbei ist die Zivildienstserviceagentur ermächtigt, soweit Erfordernisse im Bereich des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und der Katastrophenhilfe dies notwendig machen, an Einrichtungen aus diesen Bereichen bevorzugt zuzuweisen.
[...]
§ 12c. (Verfassungsbestimmung) (1) Zivildienstpflichtige werden bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen, wenn sie der Zivildienstserviceagentur vor der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst
1. eine Vereinbarung mit einem nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012, anerkannten Träger über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligen Sozialjahr, Freiwilligen Umweltschutzjahr oder Gedenkdienst, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland oder
2. eine Vereinbarung nach der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 zur Einrichtung von "Erasmus+", ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 50 über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligendienst im Ausland vorgelegt haben.
(2) Zivildienstpflichtige, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres anhand des vom Träger ausgestellten Zertifikats nachweisen, dass sie eine Tätigkeit von der in Abs. 1 genannten Art und Mindestdauer ausgeübt haben, sind zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht mehr heranzuziehen. Wird die Tätigkeit aus Gründen, die der Zivildienstpflichtige nicht zu vertreten hat, vorzeitig beendet, so ist die zurückgelegte Zeit, soweit sie zwei Monate übersteigt, auf den ordentlichen Zivildienst anzurechnen. […]“
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Der BF wurde mit dem angefochtenen Bescheid zugestellt am 09.06.2020 zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 8 Abs 1 ZDG zugewiesen.
Erst nach Zustellung dieses Zuweisungsbescheides und somit nach Erlassung dieses Bescheides („Zuweisung") übermittelte der BF der ZISA das Zertifikat über die Ableistung eines Gedenkdienstes im Sinne des § 12 Freiwilligengesetz, im Zeitraum von 01.09.2016 bis 30.06.2017. Die Vereinbarung mit der Trägerorganisation hat er nicht übermittelt.
Gemäß § 8 Freiwilligengesetz sind gemeinnützige Träger der freien Wohlfahrtspflege oder andere gemeinnützige juristische Personen auf Antrag mit Bescheid des/der Bundesministers/Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als Träger des Freiwilligen Sozialjahres anzuerkennen. Der „Österreichische Auslandsdienst“ ist ein solcher anerkannter Träger.
Der BF hat diesen Dienst – wie sich unstrittig aus dem vorgelegten Zertifkat ergibt – auch geleistet.
Zivildienstpflichtige werden zwar gemäß § 12c Abs 1 ZDG (nur) dann nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen, wenn sie der ZISA vor der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst eine Vereinbarung mit einem nach dem Freiwilligengesetz anerkannten Träger über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligen Sozialjahr, Freiwilligen Umweltschutzjahr oder Gedenkdienst, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland vorlegen, und ist der BF dieser Anforderung des § 12c Abs 1 ZDG bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Zuweisungsbescheides nicht nachgekommen.
Gemäß § 12c Abs 2 ZDG sind aber Zivildienstpflichtige, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres anhand des vom Träger ausgestellten Zertifikats nachweisen, dass sie eine Tätigkeit von der in Abs 1 genannten Art und Mindestdauer ausgeübt haben, zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht mehr heranzuziehen.
Die bescheidmäßige Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes erfolgte zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde zu Recht, weil ihr das Zertifikat über die Ableistung des zehnmonatigen Gedenkdienstes vor der Erlassung des Zuweisungsbescheides nicht bekannt war. Wenn der BF behauptet die Trägerorganisation habe dieses schon im April 2020 per E-Mail übermittelt, dann ist ihm entgegen zu halten, dass er zu beweisen hätte, dass es tatsächlich dort eingelangt ist, was die belangte Behörde bestritt. Im Hinblick auf die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie wäre ein Verstoß geraten, allerdings denkmöglich.
Der BF hat aber nach Erlassung des Bescheides der Behörde (und im Beschwerdeverfahren auch dem BVwG) das Zertifikat über die Ableistung des zehnmonatigen Gedenkdienstes vorgelegt. An der Echtheit hat das BVwG keinen Zweifel und auch die ZISA hat sich dazu im Zuge der Vorlage der Beschwerde und des Aktes nicht geäußert.
Der BF hat das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet und ist ihm daher der Nachweis gemäß § 12c Abs 2 ZDG gelungen.
Dem angefochtenen Bescheid haftet vor diesem Hintergrund – wenngleich der belangten Behörde aufgrund ihrer zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen kein Vorwurf gemacht werden kann - eine Rechtswidrigkeit iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG an. Es ist daher - und weil kein Neuerungsverbot besteht - spruchgemäß zu entscheiden. Der BF muss den Zivildienst am 03.08.2020 nicht antreten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar liegt, soweit für das BVwG überblickbar, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12c Abs 2 ZDG vor, doch ist die Regelung völlig klar und unmissverständlich.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Pandemie Zivildiener Zivildienst Zivildienst - Ersatzdienst Zivildienstleistung Zivildienstpflicht - Aufhebung Zivildienstpflicht - Erlöschen ZivildienstserviceagenturEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2233110.1.01Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020